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BSG - Entscheidung vom 05.10.2021

B 4 AS 46/21 BH

Normen:
SGG § 73a
ZPO § 114
SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1

BSG, Beschluss vom 05.10.2021 - Aktenzeichen B 4 AS 46/21 BH

DRsp Nr. 2021/17209

Ablehnung eines Prozesskostenhilfeantrags Grundsatzrüge im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren

Tenor

Der Antrag des Klägers, ihm zur Durchführung des Verfahrens der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg vom 21. Mai 2021 Prozesskostenhilfe zu bewilligen und einen Rechtsanwalt beizuordnen, wird abgelehnt.

Normenkette:

SGG § 73a ; ZPO § 114 ; SGG § 160 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

Nach § 73a SGG iVm § 114 ZPO kann einem Beteiligten für das Verfahren vor dem BSG nur dann PKH bewilligt werden, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet; das ist hier nicht der Fall. Es ist nicht zu erkennen, dass ein zugelassener Prozessbevollmächtigter 73 Abs 4 SGG ) in der Lage wäre, eine Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers erfolgreich zu begründen. Da kein Anspruch auf Bewilligung von PKH besteht, ist auch der Antrag auf Beiordnung eines Rechtsanwalts abzulehnen 73a Abs 1 Satz 1 SGG iVm § 121 ZPO ).

Nach § 160 Abs 2 SGG ist die Revision nur zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (Nr 1), das Urteil des LSG von einer Entscheidung des BSG , des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes (GmSOGB) oder des BVerfG abweicht und auf dieser Abweichung beruht (Nr 2) oder wenn ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird, auf dem die angefochtene Entscheidung beruhen kann (Nr 3). Solche Zulassungsgründe sind nach summarischer Prüfung des Streitstoffs auf der Grundlage des Inhalts der Gerichts- und Verwaltungsakten sowie unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers nicht erkennbar.

Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache 160 Abs 2 Nr 1 SGG ) ist nur anzunehmen, wenn eine Rechtsfrage aufgeworfen wird, die über den Einzelfall hinaus aus Gründen der Rechtseinheit oder Fortbildung des Rechts einer Klärung durch das Revisionsgericht bedürftig und fähig ist. Das LSG hat seine Entscheidung darauf gestützt, dass die Fortsetzungsfeststellungsklage mangels berechtigten Interesses des Klägers an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des vom Beklagten im Nachgang zum Urteil des BVerfG vom 5.11.2019 ( 1 BvL 7/16 - BVerfGE 152, 68 ) aufgehobenen Sanktionsverwaltungsaktes unzulässig sei. Dies wirft eine Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung nicht auf, da die Voraussetzungen eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses in der Rechtsprechung bereits geklärt sind (vgl etwa BSG vom 28.8.2007 - B 7/7a AL 16/06 R - SozR 4-1500 § 131 Nr 3 RdNr 11). Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist anhand der jeweiligen konkreten Umstände des Einzelfalles zu beurteilen.

Es ist auch nicht erkennbar, dass die Entscheidung des LSG von einer Entscheidung des BSG , des GmSOGB oder des BVerfG abweicht, weshalb eine Divergenzrüge keine Aussicht auf Erfolg verspricht 160 Abs 2 Nr 2 SGG ).

Nach Aktenlage ist schließlich nicht ersichtlich, dass ein Verfahrensmangel geltend gemacht werden könnte, auf dem die angefochtene Entscheidung des LSG beruhen kann 160 Abs 2 Nr 3 Halbsatz 1 SGG ). Insbesondere ist nicht erkennbar, dass die Auffassung des LSG, dass der Kläger unter keinem Gesichtspunkt über ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse verfügt, fehlerhaft ist. Ein solches besteht nur bei Präjudiziabilität (einschließlich des sog Schadensinteresses), Rehabilitationsinteresse und Wiederholungsgefahr ( BSG vom 28.8.2007 - B 7/7a AL 16/06 R - SozR 4-1500 § 131 Nr 3 RdNr 11), hingegen nicht bei dem Wunsch, seine eigene Rechtsauffassung bestätigt zu sehen oder einen "weltanschaulichen Prinzipienstreit" durchzuführen ( BSG vom 27.1.2004 - B 11 AL 169/03 B - juris RdNr 11; Bolay in Berchtold, SGG , 6. Aufl 2021, § 131 RdNr 20; Hübschmann in Roos/Wahrendorf/Müller, BeckOGK SGG , 2. Aufl 2021, § 131 RdNr 52, Stand 1.8.2021). Bei diesen Prämissen ist die Entscheidung des LSG nicht zu beanstanden, geht es dem Kläger doch um die Fortsetzung seiner politischen Bemühungen gegen die Sanktionsregelungen des SGB II , deren verfassungsrechtliche Beurteilung indes durch das Urteil des BVerfG vom 5.11.2019 ( 1 BvL 7/16 - BVerfGE 152, 68 ) geklärt ist.

Auch ist nicht erkennbar, dass die Entscheidung des LSG, Anträge des Klägers, die dieser erst in zweiter Instanz gestellt hat, als unzulässig anzusehen, einen Verfahrensmangel darstellt. Der Kläger hat zuletzt die "vollständige Rehabilitation und das Anerkenntnis, für gesellschaftlich sinnvolle Tätigkeit sanktioniert worden zu sein", "eine öffentliche Entschuldigung von Jobcenter, Gericht und Herrn A" sowie die Anerkennung der Gründe seines Handelns, die er in allen Einzelheiten in seiner Schrift "Mein Weg zur Auseinandersetzung mit der Menschenrechts- und Verfassungswidrigkeit des Sanktionssystems in Hartz IV" beschrieben habe, als wichtige Gründe im Sinne des Gesetzes, der Verfassung und des Rechts beantragt. Entgegen der Auffassung des Klägers ergibt sich aus § 157 SGG nicht, dass im Berufungsverfahren neue Anträge gestellt werden können. § 157 SGG ordnet nur an, dass das LSG als Berufungsgericht eine zweite Tatsacheninstanz mit umfassender Pflicht zur Aufklärung des Sachverhaltes ist (Adolf in Schlegel/Voelzke, jurisPK- SGG , 2017, § 157 RdNr , 6). Die Zuständigkeit des LSG als Gericht zweiter Instanz 29 Abs 1 SGG ) ist allerdings grundsätzlich auf den Streitgegenstand der Entscheidung des SG als Gericht erster Instanz beschränkt (Littmann in Berchthold, SGG , 6. Aufl 2021, § 143 RdNr 17; Sommer in Roos/Wahrendorf/Müller, BeckOGK SGG , 2. Aufl 2021, § 157 RdNr 4, Stand 1.8.2021). Etwas anderes gilt, soweit eine Klageänderung nach § 153 Abs 1 iVm § 99 SGG noch im Berufungsverfahren zulässig ist. Die konkludente - und vom Revisionsgericht ohnehin nur eingeschränkt überprüfbare (vgl BSG vom 28.2.2000 - B 11 AL 247/99 B - juris RdNr 5; Schmidt in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer/Schmidt, SGG , 13. Aufl 2020, § 99 RdNr 11 mwN) - Annahme des LSG, dass die Klageänderung nicht sachdienlich sei, ist indes nicht zu beanstanden. Auch eine Einwilligung des Beklagten in die Klageänderung ist nicht ersichtlich.

Vorinstanz: LSG Berlin-Brandenburg, vom 21.05.2021 - Vorinstanzaktenzeichen 31 AS 1848/17
Vorinstanz: SG Berlin, vom 07.07.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 175 AS 14857/15