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BGH - Entscheidung vom 20.04.2021

XIII ZB 63/20

Normen:
FamFG § 417 Abs. 2 Nr. 4

BGH, Beschluss vom 20.04.2021 - Aktenzeichen XIII ZB 63/20

DRsp Nr. 2021/9708

Zulässiger Haftantrag als Voraussetzung für eine Haftanordnung zur Sicherung der Abschiebung

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird der Beschluss der 4. Zivilkammer des Landgerichts Kleve vom 18. August 2020 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Geldern vom 12. Februar 2020 den Betroffenen bis zu seiner Entlassung aus der Haft am 26. Februar 2020 in seinen Rechten verletzt hat.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden dem Kreis Kleve auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Normenkette:

FamFG § 417 Abs. 2 Nr. 4 ;

Gründe

I. Der Betroffene, ein ukrainischer Staatsangehöriger, reiste ohne den erforderlichen Aufenthaltstitel, lediglich im Besitz seines Nationalpasses und eines befristeten lettischen Aufenthaltstitels zur Arbeitsaufnahme in Lettland in das Bundesgebiet ein. Am 12. Februar 2020 wurde er bei der Durchsuchung der Arbeiterwohnung eines lettischen Arbeitsvermittlungsunternehmens im Kreis Kleve festgenommen. Mit Verfügung vom selben Tag ordnete die beteiligte Behörde seine sofortige Abschiebung in die Ukraine an.

Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 12. Februar 2020 gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung seiner Abschiebung bis zum 16. März 2020 angeordnet. Die dagegen gerichtete, nach der am 26. Februar 2020 erfolgten Haftentlassung mit dem Antrag auf Feststellung der Rechtsverletzung des Betroffenen fortgesetzte Beschwerde des Betroffenen hat das Landgericht zurückgewiesen. Dagegen richtet sich der Betroffene mit der Rechtsbeschwerde.

II. Das zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht meint, der Haftanordnung habe ein zulässiger Haftantrag zugrunde gelegen, insbesondere die Angaben zur erforderlichen Haftdauer seien ausreichend gewesen. Auch die übrigen Voraussetzungen für die Anordnung der Haft hätten vorgelegen.

2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand. Für die Haftanordnung fehlte es bereits an einem zulässigen Haftantrag.

a) Ein zulässiger Haftantrag der beteiligten Behörde ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zur zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungs- oder Überstellungsvoraussetzungen, zur Erforderlichkeit der Haft, zur Durchführbarkeit der Abschiebung oder Überstellung und zur notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG ). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein; sie müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte ansprechen. Sind diese Anforderungen nicht erfüllt, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (st. Rspr., vgl. nur BGH, Beschlüsse vom 15. September 2011 - V ZB 123/11, InfAuslR 2012, 25 Rn. 8; vom 12. November 2019 - XIII ZB 5/19, InfAuslR 2020, 165 Rn. 8, und vom 14. Juli 2020 - XIII ZB 74/19, juris Rn. 7).

b) Diesen Anforderungen wird der Haftantrag nicht gerecht. Die Angabe im Antragsschreiben vom 12. Februar 2020, die Vorlaufzeit für eine Flugbuchung liege nach Auskunft der Zentralstelle für Flugabschiebungen des Landes Nordrhein-Westfalen bei vier Wochen, genügt den Anforderungen des § 417 Abs. 2 Nr. 4 FamFG grundsätzlich nicht. Es bedarf vielmehr einer Begründung, die den für die Flugbuchung benötigten Zeitraum und die daraus folgende notwendige Haftdauer erklärt, etwa durch Angaben zu Terminen und zur Frequenz nutzbarer Flugverbindungen und zur Buchungslage (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Februar 2020 - XIII ZB 16/19, InfAuslR 2020, 241 Rn. 10, und vom 25. August 2020 - XIII ZB 112/19, juris Rn. 8, jeweils mwN). Der Zeitraum von der Festnahme des Betroffenen bis zum Tag der geplanten Abschiebung war mit mehr als vier Wochen nicht so kurz, dass sich ihre Notwendigkeit unter den gegebenen Umständen - für den Betroffenen lag ein gültiges Passersatzpapier vor, es war ein Flug ohne Sicherheitsbegleitung geplant - von selbst verstünde.

c) Der Mangel des Haftantrags ist nicht geheilt worden (vgl. zur Möglichkeit der Heilung: BGH, Beschluss vom 15. September 2011 - V ZB 136/11, InfAuslR 2011, 471 Rn. 8; InfAuslR 2020, 241 Rn. 12).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 , § 83 Abs. 2 , § 430 FamFG . Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG .

Vorinstanz: AG Geldern, vom 12.02.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 29 XIV (B) 1/20
Vorinstanz: LG Kleve, vom 18.08.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 4 T 33/20