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BGH - Entscheidung vom 30.03.2021

XI ZR 142/20

Normen:
BGB § 495 Abs. 1
BGB § 355
BGB § 502 Abs. 2 Nr. 2

BGH, Urteil vom 30.03.2021 - Aktenzeichen XI ZR 142/20

DRsp Nr. 2021/6011

Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung der Klägerin; Kein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten

Eine Widerrufsinformation ist fehlerhaft, wenn die in ihr enthaltene Verweisung auf "alle Pflichtangaben nach § 492 Abs, 2 BGB " zwar nach den Maßstäben des nationalen Rechts klar und verständlich i.S.d. Art. 247 § 6 Abs. 1 EGBGB a.F. ist, dies aber im Geltungsbereich der Richtlinie 2008/48/EG in Bezug auf (Allgemein-)Verbraucherdarlehensverträge bei einer richtlinienkonformen Auslegung gleichwohl zu verneinen ist.

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Aussetzung des Verfahrens wird abgelehnt.

Auf die Revision der Klägerin wird unter Zurückweisung der Revision im Übrigen das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Stuttgart vom 18. Februar 2020 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung der Klägerin gegen das Urteil der 25. Zivilkammer des Landgerichts Stuttgart vom 17. Dezember 2018 hinsichtlich des Zahlungsantrags zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Streitwert: bis 22.000 €

Normenkette:

BGB § 495 Abs. 1 ; BGB § 355 ; BGB § 502 Abs. 2 Nr. 2 ;

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung der Klägerin.

Die Klägerin erwarb im Juli 2014 einen gebrauchten Mercedes zum Kaufpreis von 41.400 €. Zur Finanzierung des über die geleistete Anzahlung von 12.500 € hinausgehenden Kaufpreisteils schlossen die Parteien mit Datum vom 24. Juli 2014 einen Darlehensvertrag über 28.900 € mit einem gebundenen Sollzinssatz von 1,97% p.a. Zins- und Tilgungsleistungen sollten in 48 Monatsraten zu je 186,93 € und einer Schlussrate von 21.942 € erbracht werden. Über ihr Widerrufsrecht informierte die Beklagte die Klägerin auf Seite 2 des Darlehensvertrags wie folgt:

Mit Schreiben vom 4. Juli 2018 erklärte die Klägerin den Widerruf ihrer auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung. Nachdem die Beklagte den Widerruf als verfristet zurückgewiesen hatte, bot die Klägerin mit Anwaltsschreiben vom 16. August 2018 der Beklagten an, das finanzierte Fahrzeug jederzeit bei ihr nach vorheriger Terminvereinbarung abholen zu können.

Nachdem die Klägerin im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens das Fahrzeug an den Fahrzeughändler aufgrund einer entsprechenden Zusatzvereinbarung unter Verrechnung der noch offenen Schlussrate aus dem Darlehensvertrag zurückgegeben hatte, begehrt sie mit der Klage die Rückzahlung der von ihr geleisteten Ratenzahlungen nebst der Anzahlung in Höhe von insgesamt 21.472,64 € nebst Zinsen und die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten. Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist überwiegend begründet.

I.

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die Klägerin habe ihre auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung nicht wirksam widerrufen. Der Widerruf sei verfristet, weil die der Klägerin erteilte Widerrufsinformation inhaltlich nicht zu beanstanden sei und die ihr zur Verfügung gestellte Vertragsurkunde alle für die Ingangsetzung der Widerrufsfrist erforderlichen Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB enthalten habe.

Die Widerrufsinformation sei inhaltlich nicht zu beanstanden. Der Hinweis auf eine nach Widerruf des Darlehensvertrags grundsätzlich bestehende Verpflichtung des Darlehensnehmers zur Zahlung von Sollzinsen für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung des Darlehens sei zutreffend und werde durch die Angabe des pro Tag zu zahlenden Zinsbetrags von "0,00 Euro" nicht undeutlich, weil der Verbraucher dies nur dahin verstehen könne, dass von der Bank keine Zinsen erhoben würden. Die Widerrufsinformation sei auch nicht deswegen undeutlich, weil die Darlehensbedingungen ein möglicherweise AGB-rechtlich unwirksames Aufrechnungsverbot enthielten.

Die Pflichtangaben zur Art des Darlehens, zu den Auszahlungsbedingungen, zum Verzugszinssatz, zum Recht des Verbrauchers zur vorzeitigen Rückzahlung des Darlehens, zum einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrags und zum Zugang des Darlehensnehmers zu einem außergerichtlichen Beschwerde- und Rechtsbehelfsverfahren seien zutreffend. Dagegen sei der Hinweis zur pauschalierten Vorfälligkeitsentschädigung zwar möglicherweise fehlerhaft. Ein etwaiger Fehler führe aber lediglich dazu, dass ein Anspruch der Beklagten auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung nach § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausgeschlossen sei, während das Anlaufen der Widerrufsfrist unberührt bleibe.

II.

Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.

Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein wirksamer Widerruf des streitgegenständlichen, gemäß § 358 Abs. 3 BGB mit einem Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug verbundenen (Allgemein-)Verbraucherdarlehensvertrags nicht verneint werden. Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass der Klägerin bei Abschluss des Darlehensvertrags gemäß § 495 Abs. 1 i.V.m. § 355 BGB ein Widerrufsrecht zustand und die Widerrufsfrist nicht zu laufen begann, bevor die Klägerin die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hatte. Es hat aber zu Unrecht angenommen, dass die Beklagte ihre aus § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB in der hier maßgeblichen, vom 13. Juni 2014 bis 20. März 2016 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) resultierende Verpflichtung, über das nach § 495 Abs. 1 BGB bestehende Widerrufsrecht zu informieren, ordnungsgemäß erfüllt hat.

1. Wie der Senat nach Erlass der Berufungsentscheidung entschieden und im Einzelnen begründet hat, ist die der Klägerin erteilte Widerrufsinformation fehlerhaft, weil die in ihr enthaltene Verweisung auf "alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB " zwar nach den Maßstäben des nationalen Rechts klar und verständlich i.S.d. Art. 247 § 6 Abs. 1 EGBGB aF ist, dies aber im Geltungsbereich der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. 2008, L 133, S. 66, berichtigt in ABl. 2009, L 207, S. 14, ABl. 2010, L 199, S. 40, und ABl. 2011, L 234, S. 46) in Bezug auf (Allgemein-)Verbraucherdarlehensverträge bei einer richtlinienkonformen Auslegung gleichwohl zu verneinen ist (vgl. Senatsurteile vom 27. Oktober 2020 - XI ZR 498/19, WM 2020, 2321 Rn. 13 ff., zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt, und vom 10. November 2020 - XI ZR 426/19, WM 2021, 44 Rn. 14 ff.).

2. Die Beklagte kann sich - was das Berufungsgericht offen gelassen hat nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB aF berufen. Dies setzt voraus, dass die Widerrufsinformation der Beklagten dem Muster in Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB aF entspricht. Dies ist, was der Senat durch einen Vergleich selbst feststellen kann (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteil vom 11. Oktober 2016 - XI ZR 482/15, BGHZ 212, 207 Rn. 26), nicht der Fall.

In der Widerrufsinformation der Beklagten fehlen entgegen den bei einem mit einem Darlehensvertrag verbundenen Vertrag nach § 358 BGB - hier von der Beklagten zutreffend mit dem Fahrzeug-Kaufvertrag angegeben - anwendbaren Gestaltungshinweisen 2 und 6 die beiden zwingend vorgeschriebenen Unterüberschriften "Besonderheiten bei weiteren Verträgen" sowie die nach Gestaltungshinweis 6g zwingend vorgeschriebene Überschrift "Einwendungen bei verbundenen Verträgen". Damit entspricht die Widerrufsinformation der Beklagten nicht dem Muster in Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB aF (vgl. Senatsurteil vom 10. November 2020 - XI ZR 426/19, WM 2021, 44 Rn. 19 mwN).

III.

Das Berufungsurteil erweist sich jedoch im Hinblick auf den Freistellungsantrag (Klageantrag zu 2) aus anderen Gründen als richtig, so dass insoweit die Revision zurückzuweisen ist (§ 561 ZPO ).

Ein Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten steht der Klägerin gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Dies setzt voraus, dass die Klägerin die von ihr selbst aus dem Rückgewährschuldverhältnis geschuldete Leistung der Beklagten in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten hat (vgl. Senatsurteil vom 27. Oktober 2020 - XI ZR 498/19, WM 2020, 2321 Rn. 25 mwN). Dies war hier nicht der Fall. Ihre wörtlichen Angebote waren zur Herbeiführung eines Annahmeverzugs der Beklagten unzureichend, weil diese ihrer Vorleistungspflicht nicht genügt haben (vgl. hierzu Senatsurteil vom 27. Oktober 2020, aaO Rn. 22 ff.). Im Schreiben vom 4. Juli 2018 hat sie die Herausgabe des Fahrzeugs nicht angeboten. Im Anwaltsschreiben vom 16. August 2018 ist die Rückgabe des Fahrzeugs nur in Form einer Abholung durch die Beklagte angeboten worden, was diese jedoch zuvor nicht angeboten hatte (§ 357 Abs. 4 Satz 2 BGB ) und daher unzulänglich war.

IV.

Soweit sich das Urteil nicht aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 561 ZPO ), ist es in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO ). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ).

Das Berufungsgericht wird sich zunächst mit dem Rechtsmissbrauchseinwand der Beklagten zu befassen haben (vgl. dazu Senatsurteil vom 27. Oktober 2020 - XI ZR 498/19, WM 2020, 2321 Rn. 27 f. mwN). Sofern das Berufungsgericht den Widerruf des Darlehensvertrags durch die Klägerin für wirksam erachtet, wird es sich mit der Hilfsaufrechnung der Beklagten zu beschäftigen haben. Entgegen der Auffassung der Klägerin steht der Beklagten gemäß § 358 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 357 Abs. 7 BGB - worauf sie sie in der Widerrufsinformation hingewiesen hat - ein Anspruch auf Ersatz für den Wertverlust des finanzierten Fahrzeugs zu (vgl. im Einzelnen Senatsurteil vom 27. Oktober 2020, aaO Rn. 31 ff. mwN).

V.

Der Antrag der Klägerin auf Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über die Vorabentscheidungsersuchen des Einzelrichters des Landgerichts Ravensburg vom 7. Januar 2020 ( 2 O 315/19, BKR 2020, 151), vom 5. März 2020 ( 2 O 328/19, 2 O 280/19, 2 O 334/19, juris) und vom 31. März 2020 ( 2 O 294/19, 2 O 249/19, juris) hat keinen Erfolg. Die dort und von der Revision aufgeworfenen Fragen hat der Senat bereits beantwortet (vgl. Senatsurteil vom 27. Oktober 2020 - XI ZR 498/19, WM 2020, 2321 Rn. 39).

Von Rechts wegen

Verkündet am: 30. März 2021

Vorinstanz: LG Stuttgart, vom 17.12.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 25 O 197/18
Vorinstanz: OLG Stuttgart, vom 18.02.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 6 U 32/19