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BGH - Entscheidung vom 30.03.2021

XI ZR 75/20

Normen:
BGB § 358 Abs. 3
BGB § 492 Abs. 2
EGBGB Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 1
EGBGB a.F. Art. 3

BGH, Urteil vom 30.03.2021 - Aktenzeichen XI ZR 75/20

DRsp Nr. 2021/5767

Widerruf der auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung; Anforderungen an die Pflichtangaben einer erteilten Widerrufsinformation

Eine Widerrufsinformation ist fehlerhaft, wenn die in ihr enthaltene Verweisung auf "alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB " zwar nach den Maßstäben des nationalen Rechts klar und verständlich i.S.d. Art. 247 § 6 Abs. 1 EGBGB a.F. ist, dies aber im Geltungsbereich der Richtlinie 2008/48/EG in Bezug auf (Allgemein-)Verbraucherdarlehensverträge bei einer richtlinienkonformen Auslegung gleichwohl zu verneinen ist.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Aussetzung des Verfahrens wird abgelehnt.

Auf die Revision des Klägers wird unter Zurückweisung der Revision im Übrigen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Dresden vom 15. Januar 2020 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als die Berufung des Klägers gegen das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Dresden vom 15. Juli 2019 hinsichtlich der Klageanträge zu 1 und 2 zurückgewiesen worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Streitwert: bis 22.000 €

Normenkette:

BGB § 358 Abs. 3 ; BGB § 492 Abs. 2 ; EGBGB Art. 247 § 6 Abs. 2 S. 1; EGBGB a.F. Art. 3 ;

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit des Widerrufs der auf Abschluss eines Verbraucherdarlehensvertrags gerichteten Willenserklärung des Klägers.

Der Kläger erwarb im Juni 2014 einen gebrauchten Mercedes zum Kaufpreis von 27.000 €. Zur Finanzierung des über die geleistete Anzahlung von 6.000 € hinausgehenden Kaufpreisteils und einer Ratenabsicherungs-Prämie von 795,09 € schlossen die Parteien mit Datum vom 13. Juni 2014 einen Darlehensvertrag über 21.795,09 € mit einem gebundenen Sollzinssatz von 4,17% p.a. Zins- und Tilgungsleistungen sollten in 60 Monatsraten zu je 269,24 € und einer Schlussrate von 8.910 € erbracht werden. Über sein Widerrufsrecht informierte die Beklagte den Kläger auf Seite 2 des Darlehensvertrags wie folgt:

Mit Schreiben vom 21. März 2018 erklärte der Kläger den Widerruf seiner auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichteten Willenserklärung, forderte die Anzahlung und die von ihm geleisteten Tilgungszahlungen zurück und bot der Beklagten an, das finanzierte Fahrzeug an einen von ihr zu benennenden Vertragspartner in seiner Nähe zu übergeben. Nachdem die Beklagte den Widerruf als verfristet zurückgewiesen hatte, bot der Kläger mit Anwaltsschreiben vom 17. Mai 2018 der Beklagten an, das Fahrzeug an den Händler zu übergeben, bei dem er es erworben habe.

Die auf Rückabwicklung des Darlehensvertrags gerichtete Klage hat das Landgericht abgewiesen. Im Laufe des Berufungsverfahrens gab der Kläger das Fahrzeug an den Fahrzeughändler aufgrund einer entsprechenden Zusatzvereinbarung unter Verrechnung der noch offenen Schlussrate aus dem Darlehensvertrag zurück und erhielt insoweit wegen Unterschreitung der vereinbarten Laufleistung eine Gutschrift von 999 €, die er sich auf die von ihm zurückverlangte Anzahlung von 6.000 € und die auf das Darlehen erbrachten Ratenzahlungen von insgesamt 16.154,40 € anrechnen lässt. Mit der Klage begehrt der Kläger zuletzt (1.) die Zahlung von 18.385,04 € nebst Zinsen seit dem 1. Mai 2018, (2.) die Zahlung von weiteren 2.770,36 € nebst Zinsen seit dem 15. Juni 2019 und (3.) die Zahlung vorgerichtlicher Rechtsverfolgungskosten. Die Klage ist auch in zweiter Instanz erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.

Entscheidungsgründe

Die Revision ist überwiegend begründet.

I.

Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung (OLG Dresden, Urteil vom 15. Januar 2020 - 5 U 1891/19, juris) im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Kläger habe seine auf Abschluss des Darlehensvertrags gerichtete Willenserklärung nicht wirksam widerrufen. Der Widerruf sei verfristet, weil die dem Kläger erteilte Widerrufsinformation inhaltlich nicht zu beanstanden sei und die ihm zur Verfügung gestellte Vertragsurkunde alle für die Ingangsetzung der Widerrufsfrist erforderlichen Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 §§ 6 bis 13 EGBGB enthalten habe.

Die Widerrufsinformation sei inhaltlich nicht zu beanstanden, auch wenn sich die Beklagte wegen fehlender Zwischenüberschriften nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB berufen könne. Deren Weglassen führe indes nicht dazu, dass die Belehrung zu den Widerrufsfolgen für einen durchschnittlichen, aufmerksamen Verbraucher intransparent wäre. Der Hinweis auf eine nach Widerruf des Darlehensvertrags grundsätzlich bestehende Verpflichtung des Darlehensnehmers zur Zahlung von Sollzinsen für den Zeitraum zwischen Auszahlung und Rückzahlung des Darlehens sei zutreffend und werde durch die Angabe des pro Tag zu zahlenden Zinsbetrags von "0,00 Euro" nicht undeutlich, weil der Verbraucher dies nur dahin verstehen könne, dass von der Bank keine Zinsen erhoben würden.

Dagegen sei der Hinweis zur pauschalierten Vorfälligkeitsentschädigung zwar fehlerhaft. Dies führe aber lediglich dazu, dass ein Anspruch der Beklagten auf Zahlung einer Vorfälligkeitsentschädigung nach § 502 Abs. 2 Nr. 2 BGB ausgeschlossen sei, während das Anlaufen der Widerrufsfrist unberührt bleibe. Die Angaben zu dem einzuhaltenden Verfahren bei der Kündigung des Vertrags nach Art. 247 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 EGBGB seien ordnungsgemäß und erforderten keinen Hinweis auf das außerordentliche Kündigungsrecht des § 314 BGB ; im Übrigen habe die Beklagte darauf in Nummer VI 2 der Vertragsbedingungen hingewiesen. Schließlich seien die Auszahlungsbedingungen gemäß Art. 247 § 3 Abs. 1 Nr. 9 EGBGB auf Seite 1 des Darlehensvertrags genannt.

II.

Diese Ausführungen halten der revisionsrechtlichen Überprüfung in einem wesentlichen Punkt nicht stand.

Mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung kann ein wirksamer Widerruf des streitgegenständlichen, gemäß § 358 Abs. 3 BGB mit einem Kaufvertrag über ein Kraftfahrzeug verbundenen (Allgemein-)Verbraucherdarlehensvertrags nicht verneint werden. Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass dem Kläger bei Abschluss des Darlehensvertrags gemäß § 495 Abs. 1 i.V.m. § 355 BGB ein Widerrufsrecht zustand und die Widerrufsfrist nicht zu laufen begann, bevor der Kläger die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB erhalten hatte. Es hat aber zu Unrecht angenommen, dass die Beklagte ihre aus § 492 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 1 und 2 EGBGB in der hier maßgeblichen, vom 13. Juni 2014 bis 20. März 2016 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) resultierende Verpflichtung, über das nach § 495 Abs. 1 BGB bestehende Widerrufsrecht zu informieren, ordnungsgemäß erfüllt hat.

1. Wie der Senat nach Erlass der Berufungsentscheidung entschieden und im Einzelnen begründet hat, ist die dem Kläger erteilte Widerrufsinformation fehlerhaft, weil die in ihr enthaltene Verweisung auf "alle Pflichtangaben nach § 492 Absatz 2 BGB " zwar nach den Maßstäben des nationalen Rechts klar und verständlich i.S.d. Art. 247 § 6 Abs. 1 EGBGB aF ist, dies aber im Geltungsbereich der Richtlinie 2008/48/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. April 2008 über Verbraucherkreditverträge und zur Aufhebung der Richtlinie 87/102/EWG des Rates (ABl. 2008, L 133, S. 66, berichtigt in ABl. 2009, L 207, S. 14, ABl. 2010, L 199, S. 40, und ABl. 2011, L 234, S. 46) in Bezug auf (Allgemein-)Verbraucherdarlehensverträge bei einer richtlinienkonformen Auslegung gleichwohl zu verneinen ist (vgl. Senatsurteile vom 27. Oktober 2020 - XI ZR 498/19, WM 2020, 2321 Rn. 13 ff., zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt, und vom 10. November 2020 - XI ZR 426/19, WM 2021, 44 Rn. 14 ff.).

2. Die Beklagte kann sich - was das Berufungsgericht richtig erkannt hat nicht auf die Gesetzlichkeitsfiktion des Art. 247 § 6 Abs. 2 Satz 3 EGBGB aF berufen. Dies setzt voraus, dass die Widerrufsinformation der Beklagten dem Muster in Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB aF entspricht. Dies ist, was der Senat durch einen Vergleich selbst feststellen kann (st. Rspr., vgl. nur Senatsurteil vom 11. Oktober 2016 - XI ZR 482/15, BGHZ 212, 207 Rn. 26), nicht der Fall.

In der Widerrufsinformation der Beklagten fehlen entgegen den bei einem mit einem Darlehensvertrag verbundenen Vertrag nach § 358 BGB - hier von der Beklagten zutreffend mit dem Fahrzeug-Kaufvertrag und dem Beitritt zur Ratenabsicherung angegeben - anwendbaren Gestaltungshinweisen 2 und 6 die beiden zwingend vorgeschriebenen Unterüberschriften "Besonderheiten bei weiteren Verträgen" sowie die nach Gestaltungshinweis 6g zwingend vorgeschriebene Überschrift "Einwendungen bei verbundenen Verträgen". Damit entspricht die Widerrufsinformation der Beklagten nicht dem Muster in Anlage 7 zu Art. 247 § 6 Abs. 2 und § 12 Abs. 1 EGBGB aF (vgl. Senatsurteil vom 10. November 2020 - XI ZR 426/19, WM 2021, 44 Rn. 19 mwN).

III.

Das Berufungsurteil erweist sich jedoch im Hinblick auf den Klageantrag zu 3 aus anderen Gründen als richtig, so dass insoweit die Revision zurückzuweisen ist (§ 561 ZPO ).

Ein Anspruch auf Zahlung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten steht dem Kläger gegen die Beklagte unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu. Dies setzt voraus, dass der Kläger die von ihm selbst aus dem Rückgewährschuldverhältnis geschuldete Leistung der Beklagten in einer den Annahmeverzug begründenden Weise angeboten hat (vgl. Senatsurteil vom 27. Oktober 2020 - XI ZR 498/19, WM 2020, 2321 Rn. 25 mwN). Dies war hier nicht der Fall. Seine wörtlichen Angebote waren zur Herbeiführung eines Annahmeverzugs der Beklagten unzureichend, weil diese seiner Vorleistungspflicht nicht genügt haben (vgl. hierzu Senatsurteil vom 27. Oktober 2020, aaO Rn. 22 ff.). Im Schreiben vom 21. März 2018 hat er die Herausgabe des Fahrzeugs lediglich an einen von der Beklagten zu benennenden Vertragspartner in seiner Nähe angeboten. Im Anwaltsschreiben vom 17. Mai 2018 ist die Rückgabe des Fahrzeugs - was ebenfalls unzulänglich war - nur an den Fahrzeughändler, bei dem er das Fahrzeug erworben hatte, angeboten worden.

IV.

Soweit sich das Urteil nicht aus anderen Gründen als richtig erweist (§ 561 ZPO ), ist es in dem aus der Urteilsformel ersichtlichen Umfang aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO ). Da die Sache nicht zur Endentscheidung reif ist, ist sie zur weiteren Sachaufklärung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ).

Das Berufungsgericht wird sich zunächst mit dem Rechtsmissbrauchseinwand der Beklagten zu befassen haben (vgl. dazu Senatsurteil vom 27. Oktober 2020 - XI ZR 498/19, WM 2020, 2321 Rn. 27 f. mwN). Sofern das Berufungsgericht den Widerruf des Darlehensvertrags durch den Kläger für wirksam erachtet, wird es sich mit der Hilfsaufrechnung der Beklagten zu beschäftigen haben. Entgegen der Auffassung des Klägers steht der Beklagten gemäß § 358 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. § 357 Abs. 7 BGB - worauf sie ihn in der Widerrufsinformation hingewiesen hat - ein Anspruch auf Ersatz für den Wertverlust des finanzierten Fahrzeugs zu (vgl. im Einzelnen Senatsurteil vom 27. Oktober 2020, aaO Rn. 31 ff. mwN).

V.

Der Antrag des Klägers auf Aussetzung des Verfahrens bis zur Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs über die Vorabentscheidungsersuchen des Einzelrichters des Landgerichts Ravensburg vom 7. Januar 2020 ( 2 O 315/19, BKR 2020, 151), vom 5. März 2020 ( 2 O 328/19, 2 O 280/19, 2 O 334/19, juris) und vom 31. März 2020 ( 2 O 294/19, 2 O 249/19, juris) hat keinen Erfolg. Die dort und von der Revision aufgeworfenen Fragen hat der Senat bereits beantwortet (vgl. Senatsurteil vom 27. Oktober 2020 - XI ZR 498/19, WM 2020, 2321 Rn. 39).

Von Rechts wegen

Verkündet am: 30. März 2021

Vorinstanz: LG Dresden, vom 15.07.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 9 O 1808/18
Vorinstanz: OLG Dresden, vom 15.01.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 5 U 1891/19