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BGH - Entscheidung vom 17.02.2021

AK 7/21

Normen:
StGB § 25 Abs. 2
StGB § 52
StGB § 53
StGB § 129a Abs. 1 Nr. 1
StGB § 129b Abs. 1 S. 1-2
StGB § 171
VStGB § 9 Abs. 1

BGH, Beschluss vom 17.02.2021 - Aktenzeichen AK 7/21

DRsp Nr. 2021/3695

Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus; Mitgliedschaft in der ausländischen terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat"

Die hohe Wahrscheinlichkeit einer Strafbarkeit zumindest wegen Beteiligung als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung im Ausland durch die Eingliederung in den IS rechtfertigt die Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus.

Tenor

Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.

Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Oberlandesgericht Düsseldorf übertragen.

Normenkette:

StGB § 25 Abs. 2 ; StGB § 52 ; StGB § 53 ; StGB § 129a Abs. 1 Nr. 1 ; StGB § 129b Abs. 1 S. 1-2; StGB § 171 ; VStGB § 9 Abs. 1 ;

Gründe

I.

Die Angeklagte wurde am 28. Juli 2020 aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 23. Juli 2020 ( 2 BGs 491/20) vorläufig festgenommen und befindet sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft. Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, die Angeklagte habe sich in der Zeit vom 17. August 2015 bis Januar 2018 in Syrien durch vier selbständige Handlungen als Mitglied an der ausländischen terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat" (IS) beteiligt, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB ), Totschlag (§ 212 StGB ), Völkermord (§ 6 VStGB ), Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 VStGB ) und Kriegsverbrechen (§§ 8 , 9 , 10 , 11 und 12 VStGB ) zu begehen. Durch dieselbe Handlung habe sie sich in zwei Fällen jeweils gemeinschaftlich im Zusammenhang mit einem internationalen bewaffneten Konflikt, ohne dass dies durch die Erfordernisse des bewaffneten Konflikts geboten war, in erheblichem Umfang völkerrechtswidrig Sachen der gegnerischen Partei, die der Gewalt der eigenen Partei unterlagen, angeeignet und in einem weiteren Fall in vier rechtlich zusammentreffenden Fällen ihre Fürsorge- und Erziehungspflicht gegenüber einer Person unter sechzehn Jahren gröblich verletzt und dadurch den Schutzbefohlenen in die Gefahr gebracht, in seiner körperlichen oder psychischen Entwicklung erheblich geschädigt zu werden, strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 , § 171 StGB , § 9 Abs. 1 VStGB , § 25 Abs. 2 , §§ 52 , 53 StGB .

Der Generalbundesanwalt hat mit Anklageschrift vom 16. Dezember 2020 wegen des dem Haftbefehl zugrundeliegenden Tatvorwurfs - allerdings in Bezug auf einen begrenzteren Tatzeitraum sowie einen nichtinternationalen statt internationalen bewaffneten Konflikt - Anklage zum Oberlandesgericht Düsseldorf erhoben. Das Oberlandesgericht hat durch Beschluss vom 11. Januar 2021 die Fortdauer der Untersuchungshaft für erforderlich gehalten und am 1. Februar 2021 die Anklage zugelassen sowie das Hauptverfahren eröffnet.

II.

Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.

1. Die Angeklagte ist jedenfalls zweier der ihr zur Last gelegten Taten dringend verdächtig.

a) Nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines solchen Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:

aa) Die in Syrien seit Februar 2011 gegen die Regierung von Bashar al-Assad schwelenden Proteste eskalierten ab dem 15. März 2011 aufgrund des repressiven und gewaltsamen Vorgehens syrischer Sicherheitskräfte, Milizen sowie der Armee gegen Demonstranten und Oppositionelle. Die dadurch bewirkte Militarisierung der Protestbewegung entwickelte sich zu einem bewaffneten Aufstand, der Anfang 2012 schließlich weite Teile des Landes erfasste und sich zu einem großflächigen Bürgerkrieg ausweitete. Spätestens seit dieser Zeit herrschte in Syrien ein nichtinternationaler bewaffneter Konflikt.

bb) Der IS ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen Irak und die historische Region "ash-Sham" - die heutigen Staaten Syrien, Libanon und Jordanien sowie Palästina - umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden "Gottesstaat" unter Geltung der Sharia zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im Irak sowie das Regime des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als "Feind des Islam" begreift; die Tötung solcher "Feinde" oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht die Vereinigung als legitimes Mittel des Kampfes an.

Die Führung der Vereinigung, die sich mit der Ausrufung des "Kalifats" am 29. Juni 2014 aus "Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien" (ISIG) in "Islamischer Staat" umbenannte - wodurch sie von der territorialen Selbstbeschränkung Abstand nahm -, hatte seit 2010 bis zu seiner Tötung im Oktober 2019 Abu Bakr al-Baghdadi inne. Inzwischen wurde ein Nachfolger ernannt. Bei der Ausrufung des Kalifats war al-Baghdadi von seinem Sprecher zum "Kalifen" erklärt worden, dem die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten. Dem "Kalifen" unterstehen ein Stellvertreter sowie "Minister" als Verantwortliche für einzelne Bereiche, so ein "Kriegsminister" und ein "Propagandaminister". Zur Führungsebene gehören außerdem beratende "Shura-Räte". Veröffentlichungen werden in der Medienabteilung "Al-Furqan" produziert und über die Medienstelle "al-l'tisam" verbreitet, die dazu einen eigenen Twitter-Kanal und ein Internetforum nutzt. Das auch von den Kampfeinheiten verwendete Symbol der Vereinigung besteht aus dem "Prophetensiegel", einem weißen Oval mit der Inschrift "Allah - Rasul - Muhammad" auf schwarzem Grund, überschrieben mit dem islamischen Glaubensbekenntnis. Die - zeitweilig mehreren tausend - Kämpfer sind dem "Kriegsminister" unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur gegliedert.

Die Vereinigung teilte von ihr besetzte Gebiete in Gouvernements ein und richtete einen Geheimdienstapparat ein; diese Maßnahmen zielten auf die Schaffung totalitärer staatlicher Strukturen. Angehörige der irakischen und syrischen Armee, aber auch in Gegnerschaft zum IS stehender Oppositionsgruppen, ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsanspruch des IS in Frage stellten, sahen sich Verhaftung, Folter und Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach vom IS zu Zwecken der Einschüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus begeht der IS immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb seines Machtbereichs Terroranschläge. So übernahm er auch für Anschläge in Europa, etwa in Paris, Brüssel, Nizza und Berlin, die Verantwortung.

cc) Die Angeklagte sah den IS als einzig wahre Organisation an. Sie reiste am 15. August 2015 mit ihren vier damals zwischen neun Monaten und sechs Jahre alten Kindern von H. über die Türkei nach Syrien, um sich dort ebenso wie ihr einige Monate zuvor ausgereister Ehemann dem IS anzuschließen.

(1) Die Angeklagte gliederte sich in Rakka in den IS ein. Dort nahm sie spätestens im Oktober 2015 an einem seiner Religionskurse teil. Sie beherbergte über mehrere Wochen aus Deutschland angereiste Frauen, deren Ehemänner sich für die Organisation in Trainingslagern oder bei Kämpfen befanden, und stand darüber hinaus für wiederholte Aufnahmen bereit. Daneben führte sie für ihre Familie den Haushalt und betreute ihre Kinder im Sinne des IS. Sie und ihr Ehemann, der militärische und logistische Aufgaben wahrnahm, wurden für ihre Tätigkeiten mitsamt ihren Kindern alimentiert.

(2) Die Angeklagte bezog Ende August/Anfang September 2015 mit ihrem Ehemann und ihren Kindern eine ihnen vom IS zur Verfügung gestellte Wohnung in Rakka. Dort blieben sie bis Ende Februar 2017, als die Vereinigung eine allgemeine Verlagerung anordnete.

(3) Von März 2017 bis in den Herbst 2017 bewohnte die Familie ein von der Organisation überlassenes Haus in der syrischen Stadt Mayadin. Hierfür musste die Familie ebenso wie für die vorgenannte Wohnung keine Miete zahlen.

(4) Den Kindern der Angeklagten drohten, wie sie wusste und billigend in Kauf nahm, durch den Aufenthalt in dem von Willkürherrschaft, ideologischer Indoktrination und Kampfhandlungen geprägten Krisengebiet naheliegende, erhebliche Schäden für ihre körperliche und psychische Entwicklung. Sie wurden im Sinne des IS erzogen und erlebten Flugzeug- sowie Bombenangriffe mit. Beispielsweise berichtete ein Sohn der Angeklagten telefonisch seiner Großmutter, ein Flugzeug habe sie und seine Schule mehrfach bombardiert. Drei der Kinder äußerten ritualisierte Preisformeln auf den IS, nachdem ihr Vater ein Loblied auf den IS gesungen und drei Mal hintereinander dessen Namen ausgerufen hatte. Der älteste Sohn forderte in einer Sprachnachricht nach entsprechenden Vorgaben seines Vaters einen Onkel und zwei Vettern auf, zum IS auszureisen, um gemeinsam ein Trainingslager zu besuchen.

Angesichts der Gebietsverluste des IS und der allgemeinen Lage vor Ort floh die Angeklagte Anfang des Jahres 2018 mit ihren Kindern, zu denen inzwischen eine im Oktober 2017 geborene weitere Tochter zählte, in die Türkei. Von dort reisten sie schließlich im Februar 2018 nach Deutschland weiter.

b) Der dringende Tatverdacht ergibt sich in Bezug auf den Konflikt in Syrien und den IS insbesondere aus Gutachten des Sachverständigen Dr. S. , umfangreichen Auswertevermerken des Bundeskriminalamts und Behördenerklärungen des Bundesnachrichtendienstes. Die Angeklagte hat im Zusammenhang mit einer Durchsuchungsmaßnahme ihre Ausreise nach Syrien, die Teilnahme an einem Religionskurs, ihre Aufenthalte in Rakka, Mayadin und anschließend Hadschin sowie die Teilnahme ihres Ehemannes an Kampfhandlungen allgemein eingeräumt, sich im Folgenden jedoch nicht zur Sache eingelassen. Das zuvor dargelegte Geschehen wird im Wesentlichen durch eine Vielzahl von Telekommunikationsinhalten belegt, der subjektive Tatbestand durch die objektiven Umstände.

Im Übrigen bedarf hier keiner näheren Erörterung, ob darüber hinaus der dringende Verdacht besteht, die von der Angeklagten bewohnten, vom IS zur Verfügung gestellten Wohnungen oder Häuser seien von diesem eingenommen worden, nachdem die vorherigen Bewohner vor dem herannahenden IS geflohen oder vertrieben worden waren. Nach der bisherigen Beweislage finden sich insoweit zwar gewisse Erkenntnisse zu den konkret bewohnten Objekten, nicht aber zu den tatsächlichen Eigentums- oder Besitzverhältnissen sowie den vorangegangenen Nutzern. Insofern stützen sich die Schlussfolgerungen im Haftbefehl und in der Anklageschrift allein auf die allgemeine Erwägung, dass es sich bei zugeteiltem Wohnraum "in der Regel" um solchen der vertriebenen Bevölkerung handelte.

Wegen weiterer Einzelheiten zur vorläufigen Bewertung der Beweisergebnisse wird auf den Haftbefehl und die Darstellung des wesentlichen Ergebnisses der Ermittlungen in der Anklageschrift des Generalbundesanwalts Bezug genommen.

c) In rechtlicher Hinsicht folgt daraus, dass sich die Angeklagte mit hoher Wahrscheinlichkeit zumindest wegen Beteiligung als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung im Ausland in zwei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht - in vier rechtlich zusammentreffenden Fällen -, gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 , §§ 171 , 52 , 53 StGB strafbar gemacht hat. Ob sie zudem Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte nach § 9 Abs. 1 VStGB verwirklichte, bedarf für die Frage der Haftfortdauer derzeit keiner Entscheidung.

aa) Die mitgliedschaftliche Beteiligung nach § 129a Abs. 1 StGB setzt eine gewisse formale Eingliederung des Täters in die Organisation voraus. Sie kommt nur in Betracht, wenn der Täter die Vereinigung von innen und nicht lediglich von außen her fördert. Insoweit bedarf es zwar keiner förmlichen Beitrittserklärung oder einer förmlichen Mitgliedschaft. Notwendig ist aber, dass der Täter eine Stellung innerhalb der Vereinigung einnimmt, die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend kennzeichnet und von den Nichtmitgliedern unterscheidbar macht. Dafür reicht allein die Tätigkeit für die Vereinigung, mag sie auch besonders intensiv sein, nicht aus; denn ein Außenstehender wird nicht allein durch die Förderung der Vereinigung zu deren Mitglied. Die Mitgliedschaft setzt ihrer Natur nach eine Beziehung voraus, die einer Vereinigung nicht aufgedrängt werden kann, sondern ihre Zustimmung erfordert. Ein auf lediglich einseitigem Willensentschluss beruhendes Unterordnen und Tätigwerden genügt nicht, selbst wenn der Betreffende bestrebt ist, die Vereinigung und ihre kriminellen Ziele zu fördern. Die Annahme einer mitgliedschaftlichen Beteiligung scheidet daher aus, wenn die Unterstützungshandlungen nicht von einem einvernehmlichen Willen zu einer fortdauernden Teilnahme am Verbandsleben getragen sind (BGH, Beschluss vom 13. Juni 2019 - AK 27/19, juris Rn. 20; vgl. auch BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 128).

Eine Beteiligungshandlung des Mitglieds kann darin bestehen, unmittelbar zur Durchsetzung der Ziele der Vereinigung beizutragen; sie kann auch darauf gerichtet sein, lediglich die Grundlagen für die Aktivitäten der Vereinigung zu schaffen oder zu erhalten. Ausreichend ist deshalb die Förderung von Aufbau, Zusammenhalt oder Tätigkeit der Organisation. In Betracht kommt etwa ein organisationsförderndes oder ansonsten vereinigungstypisches Verhalten von entsprechendem Gewicht. In Abgrenzung hierzu fehlt es in Fällen einer bloß formalen oder passiven, für das Wirken der Vereinigung bedeutungslosen Mitgliedschaft grundsätzlich an einem aktiven mitgliedschaftlichen Beteiligungsakt (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Mai 2019 - AK 22/19, NJW 2019, 2552 Rn. 24 mwN).

Daran gemessen hat sich die Angeklagte als Mitglied am IS beteiligt. Nach einer Gesamtwürdigung der bislang ermittelten Umstände liegen sowohl eine einvernehmliche Einbindung als auch spezifische Beteiligungshandlungen vor. Hierbei ist insbesondere von Belang, dass die Angeklagte an Religionskursen der Vereinigung teilnahm, von dieser mit alimentiert wurde und Frauen anderer Mitglieder beherbergte, die ansonsten vom IS anderweitig hätten versorgt werden müssen. Zudem hatte sie sich bewusst in dessen Herrschaftsgebiet begeben, befand sich dort insgesamt über zwei Jahre und wechselte ihren Wohnort entsprechend den Vorgaben der Vereinigung.

bb) Eine gröbliche Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht im Sinne des § 171 StGB ergibt sich nach der derzeitigen Beweislage daraus, dass die Angeklagte ihre vier Kinder vorsätzlich in ein Kampfgebiet mit den damit verbundenen Risiken verbrachte und sie im Sinne des IS erziehen ließ (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Oktober 2019 - StB 26/19, juris Rn. 25 mwN; vom 17. Oktober 2019 - AK 56/19, juris Rn. 42 ff.; zum erforderlichen Vorsatz BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2020 - 4 StR 339/20, NStZ-RR 2020, 372 ).

Da die Ansiedlung sowie Erziehung der Kinder im Sinne des IS in dessen Interesse waren und mithin Beteiligungsakte darstellten, stehen sie im Sinne des § 52 StGB in Tateinheit zur Mitgliedschaft. In Tatmehrheit (§ 53 StGB ) dazu tritt die fortdauernde, keinen weiteren Straftatbestand erfüllende Mitgliedschaft (s. BGH, Beschluss vom 17. Oktober 2019 - StB 26/19, juris Rn. 30 ff. mwN).

cc) Deutsches Strafrecht ist nach gegenwärtigem Stand der Ermittlungen für die deutsche Angeklagte zumindest gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB anwendbar (vgl. näher BGH, Beschlüsse vom 6. Oktober 2016 - AK 52/16, juris Rn. 33 ff.; vom 5. Juni 2019 - AK 26/19, juris Rn. 17). In Bezug auf die Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht liegt bei Tatbeginn mit der Ausreise ein Tatort auch in Deutschland (§§ 3 , 9 Abs. 1 StGB ; vgl. zudem BGH, Beschluss vom 9. Februar 2021 - AK 5/21).

2. Es sind die Haftgründe der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO sowie - bei der gebotenen restriktiven Auslegung des § 112 Abs. 3 StPO (s. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2019 - AK 57/18, juris Rn. 30 ff.) - der Schwerkriminalität gegeben. Die Angeklagte hat angesichts der beiden Tatvorwürfe auch unabhängig von einem Verdacht auf Kriegsverbrechen gegen Eigentum mit einer deutlichen Freiheitsstrafe zu rechnen, die einen erheblichen Fluchtanreiz darstellt. Zwar reiste sie von sich aus wieder nach Deutschland ein. Allerdings ist nicht ersichtlich, dass ihr das Ausmaß der drohenden Strafe bereits damals bewusst war. Überdies hat sie verschiedene Kontakte ins Ausland und Erfahrungen mit unerlaubten Grenzübertritten, auf die sie bei einer Flucht zurückgreifen könnte. Mehrere ihrer Äußerungen deuten darauf hin, dass sie nicht in Deutschland bleiben möchte. Ferner beabsichtigte sie, für ihre Kinder libanesische Pässe zu erlangen. Vor diesem Hintergrund und der früheren Ausreise ergibt sich nicht, dass ihre Kinder einer Flucht entgegenstünden.

Der Zweck der Untersuchungshaft kann unter den gegebenen Umständen nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des § 116 Abs. 1 StPO erreicht werden.

3. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO ) sind gegeben. Die besondere Schwierigkeit und der Umfang der Ermittlungen haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen die Haftfortdauer. Im Zusammenhang mit der Festnahme der Angeklagten sind verschiedene Kommunikationsmittel sichergestellt und im Folgenden ausgewertet worden. Mehrere Zeugen aus dem Umfeld der Angeklagten sind aus ermittlungstaktischen Gründen erst nach der Durchsuchung und Inhaftierung vernommen worden. Die Sachakten haben einen Umfang von 25 Ordnern; hinzu kommen 50 Ordner Beiakten. Der Generalbundesanwalt hat bereits im Dezember 2020 Anklage erhoben. Der mit der Sache befasste Senat des Oberlandesgerichts Düsseldorf hat das Verfahren anschließend ohne Verzögerung gefördert und über die Eröffnung des Hauptverfahrens entschieden.

4. Schließlich steht die Untersuchungshaft nach Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht der Angeklagten einerseits sowie dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit andererseits nicht zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO ).