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BGH - Entscheidung vom 25.02.2021

III ZR 172/20

Normen:
ZPO § 544 Abs. 2 Nr. 1
GG Art. 5 Abs. 1 S. 1

Fundstellen:
MMR 2021, 977

BGH, Beschluss vom 25.02.2021 - Aktenzeichen III ZR 172/20

DRsp Nr. 2021/5287

Verwerfung der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision als unzulässig bzgl. des Werts der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer; Feststellung der Rechtswidrigkeit einer in der Vergangenheit liegenden beendeten Sperre eines Nutzerkontos und der Löschung eines Beitrags auf einer Social Media-Plattform

Ein Klageantrag, der sich gegen eine 30tägige Sperre eines Facebook-Nutzerkontos richtet, ist mit einem Betrag von 2.500 Euro zu bewerten.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberlandesgerichts Bamberg - 5. Zivilsenat - vom 16. Juni 2020 - 5 U 337/19 wird als unzulässig verworfen.

Der Kläger hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Der Streitwert des Beschwerdeverfahrens wird auf 6.500 € festgesetzt.

Normenkette:

ZPO § 544 Abs. 2 Nr. 1 ; GG Art. 5 Abs. 1 S. 1;

Gründe

I.

Der Kläger macht gegen die Beklagte Ansprüche aus einem zwischen den Parteien im Hinblick auf die von der Beklagten betriebene Social Media-Plattform "F. " bestehenden Nutzungsverhältnis geltend.

Er unterhält bei F. ein Nutzerkonto und nimmt die hierzu von der Beklagten angebotenen Dienste in Anspruch. Das entsprechende Vertragsverhältnis wird unter anderem durch die zwischen den Parteien vereinbarten Nutzungsbedingungen und "Gemeinschaftsstandards" geregelt. Im Rahmen der Nutzung seines F. -Kontos veröffentlichte der Kläger folgenden Beitrag: "Hört endlich auf mit dem Ausdruck Schutzsuchende!!! Das sind Invasoren und Schwerverbrecher!!!". Daraufhin wurde der Kläger am 18. Oktober 2018 von der Beklagten für 30 Tage für verschiedene Funktionen seines Nutzerkontos gesperrt. Es war ihm nicht möglich, Beiträge zu "posten", zu kommentieren sowie den Messenger-Dienst zu verwenden. Auch konnte er Anmeldefunktionen anderer Plattformen nicht nutzen, auf denen er mit seinem F. -Konto registriert ist. Zudem wurde der Beitrag mit dem Hinweis, dass er nicht den "Gemeinschaftsstandards" der Beklagten entspreche, gelöscht.

Der Kläger hält die Löschung seines Beitrags sowie die vorübergehende Sperrung seines Nutzerkontos für rechtswidrig. Er begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit der Sperrung (Klageantrag zu 1) sowie von der Beklagten die Freischaltung des gelöschten Beitrags (Klageantrag zu 2), Unterlassung der erneuten Sperrung für das Einstellen des gelöschten Beitrags und der erneuten Löschung des Beitrags (Klageantrag zu 3), Auskunft darüber, ob die Sperre durch ein - gegebenenfalls zu benennendes - beauftragtes Unternehmen erfolgt sei (Klageantrag zu 4 ) und ob die Beklagte hinsichtlich der Löschung von Beiträgen oder der Sperrung von Nutzern konkrete oder abstrakte Weisungen, Hinweise, Ratschläge oder sonst irgendwelche Vorschläge von der Bundesregierung oder -gegebenenfalls zu benennenden - nachgeordneten Dienststellen erhalten habe (Klageantrag zu 5), Schadensersatz i.H.v. 1.500 € (Klageantrag zu 6) und Freistellung von der Verpflichtung zur Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten (Klageantrag zu 7).

Das Landgericht hat die Klage teilweise zugesprochen (Anträge zu 1, 2 und -teilweise - zu 7) und sie im Übrigen abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die hiergegen gerichtete Berufung des Klägers zurückgewiesen. Auf die Berufung der Beklagten hat es das Urteil des Landgerichts aufgehoben und die Klage insgesamt abgewiesen.

II.

Die Beschwerde ist unzulässig, weil der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer 20.000 € nicht übersteigt (§ 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO ).

1. Es obliegt grundsätzlich dem Beschwerdeführer, darzulegen und glaubhaft zu machen, dass er mit der beabsichtigten Revision die Abänderung des Berufungsurteils in einem die Wertgrenze von 20.000 € übersteigenden Umfang erreichen will. Maßgebend für die Bewertung der Beschwer der Nichtzulassungsbeschwerde ist der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht (Senat, Beschlüsse vom 26. November 2020 - III ZR 124/20, juris Rn. 8; vom 28. September 2017 - III ZR 580/16, BeckRS 2017, 128871 Rn. 53 und vom 3. August 2017 - III ZR 445/16, BeckRS 2017, 121625 Rn. 5; BGH, Beschluss vom 10. Januar 2017 - II ZR 177/15, BeckRS 2017, 100946 Rn. 5; jeweils mwN). Das Revisionsgericht ist dabei an die Streitwertfestsetzung des Berufungsgerichts nicht gebunden (z.B. Senat, Beschlüsse vom 26. November 2020 und vom 28. September 2017, jeweils aaO; BGH, Beschluss vom 10. Januar 2017 aaO; jeweils mwN).

2. Der Kläger ist durch das Berufungsurteil in Höhe von 6.500 € beschwert.

a) Hinsichtlich des Klageantrags zu 1 ist zu berücksichtigen, dass der Kläger nur für einen begrenzten Zeitraum von 30 Tagen und nur an einer aktiven Nutzung seines Kontos gehindert war. Die Kenntnisnahme von dessen Inhalten war ihm hingegen möglich (so zu ähnlichen Sachverhalten Senat, Beschluss vom 26. November 2020 - III ZR 124/20 aaO Rn. 10; OLG Frankfurt a.M., ZUM-RD 2019, 6 , 7 und OLG Koblenz, MMR 2019, 625 Rn. 18). Der Kläger konnte weiterhin über andere Medienarten kommunizieren wie zum Beispiel über E-Mails und andere Plattformen, soweit er dort nicht mit seinem F. -Konto registriert war. Andererseits sind die Marktmacht, die Reichweite und der potenzielle Empfängerkreis von F. erheblich (vgl. Senat, Beschluss vom 26. November 2020 aaO; OLG Dresden, GRUR-RR 2019, 408 Rn. 4; Haertel/Thonke, GRURPrax 2020, 75, 76 f; BeckOK ZPO/Wendtland, § 3 Rn. 18 [Stand: 01.12.2020]). Das von der Beklagten betriebene Netzwerk kann daher nicht einschränkungslos durch andere Kommunikationsformen ersetzt werden.

Unter Abwägung dieser Gesichtspunkte ist nach Auffassung des Senats ein Klageantrag, der sich gegen eine 30tägige Sperre eines F. -Nutzerkontos richtet, mit einem Betrag von 2.500 € zu bewerten (siehe bereits Senat, Beschluss vom 26. November 2020 aaO Rn. 11).

Die vorliegende Fallkonstellation kann nicht mit Unterlassungsansprüchen gegenüber einer ehrverletzenden Äußerung verglichen werden (vgl. Senat, Beschluss vom 26. November aaO Rn. 12; anders OLG Dresden aaO Rn. 3 f). Eine Ehrverletzung stellt einen wesentlich stärkeren Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des Betroffenen dar als die ihm (vorübergehend) genommene Kommunikationsmöglichkeit auf einer Internet-basierten Plattform. Dass auf dieser Plattform im Hinblick auf den Kläger ehrverletzende Äußerungen erfolgt sind, gegen die er sich während der Sperre nicht hat zur Wehr setzen können, ist nicht geltend gemacht.

Im Ansatz ist somit bei der hier verhängten 30tägigen Sperre des F. -Nutzerkontos von einem Streitwert i.H.v. 2.500 € auszugehen. Hiervon ist - da es sich (nur) um einen Feststellungsantrag handelt - ein Abschlag von 20 % vorzunehmen (vgl. Senat, Beschluss vom 26. November 2020 aaO Rn. 13 mwN). Denn es handelt sich nicht um die Untersagung einer gegenwärtigen oder künftigen Kontosperre, sondern lediglich um die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer in der Vergangenheit liegenden, beendeten Kontosperre. Auf diese Weise ergibt sich für den Klageantrag zu 1 eine Beschwer von 2.000 €.

b) Hinsichtlich des Klageantrags zu 2 ist bei der Bemessung der Beschwer zwar zu berücksichtigen, dass der gelöschte Beitrag vom Schutzbereich der Meinungs- und Kommunikationsfreiheit erfasst werden könnte (Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG ; vgl. Senat, Beschluss vom 26. November 2020 aaO Rn. 14; BGH, Beschlüsse vom 19. Januar 2016 - VI ZB 69/14, juris Rn. 11 und vom 13. Januar 2015 - VI ZB 29/14, CR 2015, 250 Rn. 11). Indes betrifft die Löschung vorliegend nur eine einzige kurze Äußerung auf einer Internet-Plattform (ähnlich Senat, Beschluss vom 26. November 2020 aaO; OLG Frankfurt a.M. aaO S. 8 und OLG Koblenz aaO Rn. 18). Vor diesem Hintergrund wäre der Eingriff in die Meinungsfreiheit des Klägers gering zu bewerten und erscheint - neben dem separat angesetzten Wert für die Kontosperre - ein Betrag von 500 € angemessen (vgl. Senat, Beschluss vom 26. November 2020 aaO). Anhaltspunkte für ein besonderes Interesse des Klägers an seiner Äußerung macht die Beschwerde nicht geltend.

c) Hinsichtlich des auf die Unterlassung einer künftigen Beitragslöschung und Kontosperrung bezogenen Klageantrags zu 3 ist zu berücksichtigen, dass die Klageanträge zu 1 und 2 bereits zwei dem Klageantrag zu 3 ähnliche, lediglich andere Zeiträume, aber denselben Beitrag des Klägers und dasselbe Nutzerkonto betreffende Verhaltensweisen der Beklagten zum Gegenstand haben. Auch die Feststellungs- und Freischaltungsanträge zu 1 und 2 dienen bereits der Vermeidung künftiger identischer Rechtsbeeinträchtigungen. Vor diesem Hintergrund erscheint ein Wert von 1.500 € angemessen, um einerseits der separaten Antragstellung und andererseits der Bedeutung des Unterlassungsantrags im Gesamtgefüge der Anträge hinreichend Rechnung zu tragen.

d) Hinsichtlich des Klageantrags zu 4 bemisst der Senat die Beschwer des Klägers mit 500 € (vgl. Senat, Beschluss vom 26. November 2020 aaO Rn. 15).Soweit der Kläger die Auskunft zur Vorbereitung von Ansprüchen gegen mit der Durchführung der Kontosperre beauftragte Unternehmen verlangt, bilden diese Ansprüche einen Anhaltspunkt für seine Beschwer (vgl. Senat, Beschluss vom 27. Februar 2014 - III ZR 75/13, juris Rn. 9 zum wirtschaftlichen Interesse an der Erteilung der Auskunft als maßgeblichem Kriterium für die Bemessung der Beschwer des - in den Vorinstanzen erfolglos - Auskunft Begehrenden). Der Wert des Auskunftsanspruchs ist allerdings nicht identisch mit dem Leistungsanspruch, sondern in der Regel nur mit einem Teilwert des Anspruchs zu bemessen, dessen Durchsetzung die verlangte Information dienen soll. Dabei werden üblicherweise 1/4 bis 1/10 angesetzt (Senat, Beschluss vom 27. Februar 2014 aaO mwN). Die Beschwerde zeigt keinen Vortrag des Klägers auf, nach dem dieser einen Betrag von 2.000 € übersteigende Ansprüche gegen ein mit der Kontosperre beauftragtes Unternehmen geltend zu machen beabsichtigt. Selbst bei Ansatz eines Viertels des Betrages solcher Ansprüche ergibt sich mithin für das vorliegend zu bewertende Auskunftsverlangen keine höhere Beschwer als 500 €.

e) Hinsichtlich des Klageantrages zu 5 bemisst der Senat die Beschwer des Klägers ebenfalls mit 500 € (vgl. Senat, Beschluss vom 26. November 2020 aaO Rn. 16). Die Beschwerde zeigt auch insofern keinen Vortrag des Klägers auf, nach dem dieser einen Betrag von 2.000 € übersteigende Ansprüche gegen die Bundesrepublik Deutschland geltend zu machen beabsichtigt.

f) Da das Berufungsgericht den auf Zahlung von 1.500 € gerichteten Klageantrag zu 6 abgewiesen hat, ist die entsprechende Beschwer des Klägers mit diesem Betrag anzusetzen.

Damit berechnet sich die Beschwer des Klägers i.S.v. § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO wie folgt:

Klageantrag zu 1:  2.000 € 
Klageantrag zu 2:  500 € 
Klageantrag zu 3:  1.500 € 
Klageantrag zu 4:  500 € 
Klageantrag zu 5:  500 € 
Klageantrag zu 6:  1.500 € 
Gesamtbeschwer:  6.500 €. 
Vorinstanz: LG Schweinfurt, vom 06.08.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 24 O 792/18
Vorinstanz: OLG Bamberg, vom 16.06.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 5 U 337/19
Fundstellen
MMR 2021, 977