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BGH - Entscheidung vom 23.03.2021

EnVR 85/19

Normen:
EnWG § 29 Abs. 1

BGH, Beschluss vom 23.03.2021 - Aktenzeichen EnVR 85/19

DRsp Nr. 2021/10310

Vereinbarung eines individuellen Netzentgelts für die Einspeisung von Strom

1. Mit Blick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit besteht ausnahmsweise ein Anspruch auf Rücknahme eines bestandskräftigen Verwaltungsakts, wenn dessen Aufrechterhaltung schlechthin unerträglich ist.2. Eine Verpflichtung zur Änderung der Festlegung 2013 über individuelle Netzentgelte durch die Bundesnetzagentur hat wegen ihrer am 13. Dezember 2016 mit der Verkündung des Tenors des entsprechenden BGH-Beschlusses zu Tage getretenen Rechtswidrigkeit jedenfalls nicht vor dem Jahr 2017 bestanden.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Bundesnetzagentur wird der Beschluss des 3. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Düsseldorf vom 11. September 2019 im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als zum Nachteil der Bundesnetzagentur entschieden worden ist. Die Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss der Bundesnetzagentur vom 29. November 2017 wird insgesamt zurückgewiesen.

Die Betroffene trägt die Kosten der Rechtsmittelverfahren einschließlich der notwendigen Auslagen der Bundesnetzagentur.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 4.388.625,27 € festgesetzt.

Normenkette:

EnWG § 29 Abs. 1 ;

Gründe

A. Die Betroffene bezieht an ihrem Standort Strom aus dem Netz der B. GmbH als örtlichem Netzbetreiber (nachfolgend: Netzbetreiberin). Sie erzeugt zudem mit einer eigenen Erzeugungsanlage Elektrizität und speist diese physikalisch in die Anlagen an ihrem Standort ein. Mit Bescheid vom 17. Januar 2014 genehmigte die Bundesnetzagentur für 2012 die zwischen der Betroffenen und ihrer Netzbetreiberin getroffene Vereinbarung eines individuellen Netzentgelts. Für 2014 bis 2016 vereinbarte die Betroffene mit der Netzbetreiberin erneut ein individuelles Netzentgelt und zeigte die Vereinbarung fristgemäß bei der Bundesnetzagentur an. 2014 bis 2016 überschritt die jährliche Benutzungsstundenzahl an der Abnahmestelle der Betroffenen unter Berücksichtigung des kaufmännisch-bilanziell abgerechneten Strombezugs 7.000 Stunden. Dafür unternahm die Betroffene umfangreiche Vorkehrungen, die zu Mehrkosten in Höhe von rund 1 Million Euro führten. Die Netzbetreiberin gewährte der Betroffenen in diesen Jahren entsprechende Netzentgeltermäßigungen. Die Ermäßigungen erfolgten zu Unrecht, weil nach Ausspruch 3a der Festlegung hinsichtlich der sachgerechten Ermittlung individueller Netzentgelte nach § 29 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 EnWG i.V.m. § 19 Abs. 2 StromNEV und § 30 Abs. 2 Nr. 7 StromNEV (Beschluss der Bundesnetzagentur vom 11. Dezember 2013 zum Aktenzeichen BK4-13-739; nachfolgend: Festlegung 2013) bei der Ermittlung der Anspruchsvoraussetzungen eine kaufmännisch-bilanzielle Berechnung des Strombezugs nicht zulässig war. Bis Mitte 2016 rechnete die Netzbetreiberin die ermäßigten Netzentgelte gegenüber der Betroffenen ab. Dann teilte sie mit, dass rückwirkend die allgemeinen Netzentgelte zur Abrechnung kommen sollten.

Nachdem der Bundesgerichtshof auf gegen die Festlegung 2013 gerichtete Klagen anderer Großverbraucher 2016 und 2017 entschieden hatte, dass der kaufmännisch-bilanzielle Strombezug bei der Prüfung der Voraussetzungen für ein individuelles Netzentgelt zu berücksichtigen sei, leitete die Bundesnetzagentur 2017 ein Verfahren zur Änderung der Festlegung 2013 ein. Mit Änderungsbeschluss vom 29. November 2017 (BK4-17-739A02, nachfolgend: Änderungsfestlegung) änderte die Bundesnetzagentur die Festlegung 2013 dahin ab, dass ab dem Anzeigejahr 2017 bei der Ermittlung der geforderten Benutzungsstundenzahl und dem geforderten Verbrauchswert eine kaufmännisch-bilanzielle Betrachtung zulässig ist (Ausspruch 1). Eine rückwirkende Änderung für die Jahre 2014 bis 2016 nahm sie nicht vor (Ausspruch 2).

Die Betroffene hat mit ihrer Beschwerde beantragt, Ausspruch 1 der Änderungsfestlegung aufzuheben und dahin zu ändern, dass Ausspruch 3a der Festlegung 2013 mit Wirkung ab 2014 die kaufmännisch-bilanzielle Betrachtung bei der Ermittlung der in § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV geforderten Benutzungsstundenzahl und der Verbrauchswerte gestattet; hilfsweise die Bundesnetzagentur zu verpflichten, unter Aufhebung von Ausspruch 1 der Änderungsfestlegung erneut über die Änderung der Festlegung 2013 zu entscheiden. Das Beschwerdegericht hat die Änderungsfestlegung aufgehoben und die Bundesnetzagentur - bezogen auf das Jahr 2016 auf den Hauptantrag unter dessen Zurückweisung im Übrigen, bezogen auf die Jahre 2014 und 2015 auf den Hilfsantrag - verpflichtet, erneut über die Änderung der Festlegung 2013 zu entscheiden. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Bundesnetzagentur ihren Antrag weiter, die Beschwerde insgesamt zurückzuweisen. Die Betroffene tritt der Rechtsbeschwerde entgegen.

B. Die Rechtsbeschwerde der Bundesnetzagentur ist zulässig und begründet.

I. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt, die Änderungsfestlegung sei materiell rechtswidrig. Die Befugnis zur Änderung der Festlegung 2013 beruhe nicht - wie von der Bundesnetzagentur ausgeführt - auf § 29 Abs. 1 und 2 EnWG , sondern auf § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG in Verbindung mit § 29 Abs. 1 EnWG , § 30 Abs. 2 Nr. 7 StromNEV. Die Bundesnetzagentur sei verpflichtet, Ausspruch 3a der Festlegung 2013 für 2016 rückwirkend dahin anzupassen, dass eine Berücksichtigung des kaufmännisch-bilanziellen Strombezugs zulässig sei. Insoweit sei ihr Ermessen auf Null reduziert. Die Aufrechterhaltung der Festlegung 2013 sei wegen der durch die Verkündung des Tenors in dem Verfahren EnVR 38/15 durch den Bundesgerichtshof am 13. Dezember 2016 evident gewordenen offensichtlichen Rechtswidrigkeit schlechthin unerträglich, so dass der Betroffenen ein Anspruch auf ihre Abänderung zustehe.

Für 2014 und 2015 habe sich das Ermessen der Bundesnetzagentur nicht auf Null reduziert. Ausspruch 3a sei bis zu der Entscheidung des Bundesgerichtshofs 2016 nicht offensichtlich rechtswidrig gewesen. Die Bundesnetzagentur sei nicht nach Treu und Glauben gehindert, sich gegenüber der Betroffenen auf die Bestandskraft der Ausgangsfestlegung zu berufen, denn es habe eine zumutbare Möglichkeit bestanden, die Festlegung 2013 zur Kenntnis zu nehmen und ein Rechtsmittel einzulegen. Auch der allgemeine Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG ) und der Grundsatz der Selbstbindung der Verwaltung führten nicht dazu, dass lediglich die rückwirkende Abänderung ermessensfehlerfrei sei.

Die Ermessensausübung der Bundesnetzagentur für 2014 und 2015 sei aber fehlerhaft. Sie habe nicht erkannt und berücksichtigt, dass das Ermessen im Sinne einer rückwirkenden Änderung von Ausspruch 3a der Festlegung 2013 bereits ab 2014 im Sinne einer vom Gesetz intendierten rückwirkenden Änderung gebunden sei. Dies lasse sich dem einschlägigen Fachrecht entnehmen. Nach den Wertungen des Erneuerbare-Energie-Gesetzes und des Energiewirtschaftsgesetzes komme den erneuerbaren Energien hinsichtlich aller netzbezogenen Aspekte der Stromversorgung Vorrang zu. Diese würden aber durch das Verbot der kaufmännisch-bilanziellen Abrechnung einseitig benachteiligt. Auch das Vorgehen des Gesetzgebers bei der Neuregelung von § 19 Abs. 2 Satz 2 StromNEV 2011 im Jahr 2013 unterstütze diese Sichtweise. Ein weiterer Ermessensfehler bei dem Erlass der Änderungsfestlegung liege in der Fehlgewichtung des für eine Aufhebung ex nunc herangezogenen Prinzips des Individualrechtsschutzes. Die Bundesnetzagentur statuiere für persönlich teilbare Allgemeinverfügungen einen grundsätzlichen Vorrang des Prinzips der Rechtssicherheit vor dem Gebot der materiellen Rechtmäßigkeit, der im Widerspruch zu der höchstrichterlichen Rechtsprechung stehe.

II. Diese Ausführungen halten den Angriffen der Rechtsbeschwerde nicht stand.

1. Zu Recht macht die Rechtsbeschwerde geltend, dass die Betroffene entgegen der Annahme des Beschwerdegerichts keinen Anspruch auf eine rückwirkende Abänderung von Ausspruch 3a der Festlegung 2013 für 2016 hat.

a) Dabei kann dahinstehen, ob Änderungen nach § 29 Abs. 2 Satz 1 EnWG - wie die Rechtsbeschwerde meint - auch mit Wirkung für die Vergangenheit erfolgen können. Zulässig ist dies jedenfalls, wenn das laufende Kalenderjahr - wie hier das Jahr 2017 - betroffen ist (vgl. auch BGH, Beschluss vom 12. Juli 2016 - EnVR 15/15, RdE 2016, 532 Rn. 30 ff. - Unbefristete Genehmigung), wobei die Adressaten hier zudem auf die in Aussicht genommene Änderung frühzeitig hingewiesen worden sind (Änderungsfestlegung S. 2). Soweit im vorliegenden Fall der abgeschlossene Zeitraum 2014 bis 2016 im Streit steht, kann - wie auch bisher (BGH, RdE 2016, 532 Rn. 33 - Unbefristete Genehmigung; Beschluss vom 26. Februar 2019 - EnVZ 87/18, RdE 2019, 230 Rn. 11) offenbleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen § 29 Abs. 2 Satz 1 EnWG auch Änderungen mit Wirkung für die Vergangenheit ermöglicht oder diese - wie das Beschwerdegericht meint (ebenso Kment/Wahlhäuser, EnWG , 2. Aufl., § 29 Rn. 43; Britz/Herzmann in Britz/Hellermann/Hermes, EnWG , 3. Aufl., § 29 Rn. 24; Schellberg in Elspas/Graßmann/Rasbach, EnWG , 2018 , § 29 Rn. 43; Boos in Theobald/Kühling, Energierecht, Stand: Juli 2020, EnWG § 29 Rn. 59 f.) - allein auf § 48 oder § 49 VwVfG gestützt werden können. Eine rückwirkende Änderung hat die Bundesnetzagentur nicht vorgenommen; einen Anspruch auf rückwirkende Abänderung von Ausspruch 3a der Festlegung 2013 hat die Betroffene weder nach § 29 Abs. 2 Satz 1 EnWG noch nach § 29 Abs. 2 Satz 2 EnWG , § 48 Abs. 1 VwVfG .

b) Zwar war Ausspruch 3a der Festlegung 2013 rechtswidrig, soweit danach der kaufmännisch-bilanzielle Strombezug bei der Prüfung der Voraussetzungen des § 19 Abs. 2 Satz 2 in der ab dem 1. Januar 2014 geltenden Fassung (nachfolgend: StromNEV 2014) nicht zu berücksichtigen war (BGH, Beschluss vom 13. Dezember 2016 - EnVR 38/15, RdE 2017, 185 Rn. 14 - Individuelles Netzentgelt II; BGH, Beschluss vom 15. Mai 2017 - EnVR 39/15, RdE 2017, 402 Rn. 13). Hier liegen aber für 2016 keine Umstände vor, nach denen sich das der Bundesnetzagentur eingeräumte Ermessen dahin verdichtet hätte, dass nur die rückwirkende Änderung der Festlegung ermessensfehlerfrei wäre. Dabei gelten für die von der Bundesnetzagentur zu treffenden Änderungsentscheidungen in Bezug auf rechtswidrige belastende Festlegungen unabhängig davon, ob sie auf § 29 Abs. 2 Satz 1 EnWG oder § 29 Abs. 2 Satz 2 EnWG , § 48 Abs. 1 VwVfG gestützt sind, die gleichen Maßstäbe. Solche Entscheidungen beruhen schon wegen des damit verfolgten Zwecks, Diskriminierungen zu vermeiden, regelmäßig auf einem allgemeinen Regelungskonzept. Ihre Wirkungen kommen denen einer Rechtsnorm häufig nahe. Angesichts dessen muss den Erfordernissen des Vertrauensschutzes bei der Ausübung des der Regulierungsbehörde eingeräumten Ermessens sorgfältig Rechnung getragen werden (BGH, RdE 2016, 532 Rn. 32 - Unbefristete Genehmigung).

c) Der Gesetzgeber räumt bei der Aufhebung bestandskräftiger belastender Verwaltungsakte weder dem Vorrang des Gesetzes noch der Rechtssicherheit als Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips einen generellen Vorrang ein. Die Prinzipien der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Bestandskraft von Verwaltungsakten stehen vielmehr gleichberechtigt nebeneinander. Mit Blick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit besteht jedoch ausnahmsweise ein Anspruch auf Rücknahme eines bestandskräftigen Verwaltungsakts, wenn dessen Aufrechterhaltung "schlechthin unerträglich" ist (BGH, Beschluss vom 23. Januar 2018 - EnVR 5/17, RdE 2018, 207 Rn. 24 mwN - Stadtwerke Wedel GmbH; BVerwG, Beschluss vom 12. November 2020 - 2 B 1.20, juris Rn. 10 mwN). Ob sich die Aufrechterhaltung des Verwaltungsakts als in diesem Sinne schlechthin unerträglich erweist, hängt von den Umständen des Einzelfalls und einer Gewichtung der einschlägigen Gesichtspunkte ab. Allein die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts begründet keinen Anspruch auf Rücknahme, da der Rechtsverstoß lediglich die Voraussetzung einer Ermessensentscheidung der Behörde ist. Das Festhalten an dem Verwaltungsakt ist insbesondere dann "schlechthin unerträglich", wenn die Behörde durch unterschiedliche Ausübung der Rücknahmebefugnis in gleichen oder ähnlich gelagerten Fällen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt oder wenn Umstände gegeben sind, die die Berufung der Behörde auf die Unanfechtbarkeit als einen Verstoß gegen die guten Sitten oder Treu und Glauben erscheinen lassen. Die offensichtliche Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, dessen Rücknahme begehrt wird, kann ebenfalls die Annahme rechtfertigen, seine Aufrechterhaltung sei schlechthin unerträglich. Ferner kann in dem einschlägigen Fachrecht eine bestimmte Richtung der zu treffenden Entscheidung in der Weise vorgegeben sein, dass das Ermessen im Regelfall nur durch die Entscheidung für die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtmäßig ausgeübt werden kann, so dass sich eine Ausübung des Ermessens in diesem Sinne als intendiert erweist (BGH, RdE 2018, 207 Rn. 24 mwN - Stadtwerke Wedel GmbH; BVerwGE 121, 226 , 231 [juris Rn. 15], BVerwG, Beschluss vom 12. November 2020 - 2 B 1.20, juris Rn. 10 mwN).

d) Nach diesen Grundsätzen ist das Ermessen der Bundesnetzagentur in Bezug auf die Frage, ob die Festlegung 2013 rückwirkend auch für 2016 zu ändern sei, nicht auf "Null" reduziert.

Zu Unrecht hat das Beschwerdegericht angenommen, dass sich ein Anspruch der Betroffenen auf rückwirkende Anpassung der Festlegung 2013 für 2016 deshalb ergebe, weil diese ab dem 13. Dezember 2016 offensichtlich rechtswidrig gewesen sei. Schlechthin unerträglich kann die Aufrechterhaltung eines Verwaltungsakts nach den obigen Maßgaben nur sein, wenn er - was das Beschwerdegericht verkannt hat - bereits bei seinem Erlass offensichtlich rechtswidrig war (BVerwGE 121, 226 , 236, 240 [juris Rn. 27, 38]; BVerwG, NVwZ 2007, 709 Rn. 15; BVerwGE 143, 87 Rn. 54). Dies war hier nicht der Fall. Bei der Frage, ob kaufmännisch-bilanzieller Strombezug im Rahmen der Netzentgeltermäßigung berücksichtigt werden kann, handelt es sich um eine Rechtsfrage, die vor der maßgeblichen Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 13. Dezember 2016 (RdE 2017, 185 Rn. 14 - Individuelles Netzentgelt II) von dem Beschwerdegericht in seinem Beschluss vom 15. Juli 2015 (VI-3 Kart 108/14, juris) mit eingehender Begründung anders beurteilt worden war. Schon daraus erhellt, dass die Festlegung 2013 bei ihrem Erlass nicht offensichtlich rechtswidrig war.

Nachdem die Rechtswidrigkeit frühestens durch die Verkündung des Tenors der Senatsentscheidung vom 13. Dezember 2016 zu Tage getreten war, entstand zwar der Änderungsbedarf, dem die Bundesnetzagentur in der Folge durch die Änderungsfestlegung auf der Grundlage von § 29 Abs. 2 EnWG nachgekommen ist. Die Bundesnetzagentur war aber nicht verpflichtet, eine Änderung noch für das Jahr 2016 vorzunehmen. Eine solche sofortige Änderung ist nicht einmal dann erforderlich, wenn das einem Verwaltungsakt zugrundeliegende Gesetz gemäß § 79 Abs. 2 BVerfGG für verfassungswidrig und damit nichtig erklärt wird. Vielmehr ist in diesen Fällen das Rücknahmeermessen ab dem Monat auf Null reduziert, der auf den Beschluss des Bundesverfassungsgerichts folgt; die Behörde ist verpflichtet, die Festsetzung ab diesem Zeitpunkt an die vom Bundesverfassungsgericht festgestellte Rechtslage anzupassen (BVerwG, Urteil vom 7. Oktober 2020 - 2 C 1.19, juris Rn. 29 mwN). Dieser Gedanke kann auch hier fruchtbar gemacht werden. Eine Verpflichtung zur Änderung der Festlegung 2013 hat wegen ihrer am 13. Dezember 2016 mit der Verkündung des Tenors der genannten Entscheidung (BGH, RdE 2017, 185 - Individuelles Netzentgelt II) zu Tage getretenen Rechtswidrigkeit daher jedenfalls nicht vor dem Jahr 2017 bestanden.

Eine Ermessensreduzierung auf "Null" ergibt sich auch nicht aus anderen Umständen. Nachdem die Betroffene dies schon nicht geltend macht, kann insoweit auf die Ausführungen in dem Beschluss des Senats vom 21. März 2021 (EnVR 74/19, z. Veröff. best., Rn. 25 ff.) verwiesen werden.

2. Die Betroffene hat keinen Anspruch auf erneute Bescheidung für die Jahre 2014 bis 2016.

a) Die Bundesnetzagentur hat ihre Entscheidung, die kaufmännischbilanzielle Betrachtungsweise lediglich ab dem Anzeigejahr 2017, nicht aber rückwirkend für die Anzeigejahre 2014 bis 2016 zuzulassen, damit begründet, dass der materiellen Gerechtigkeit insoweit das Kollektivinteresse der Rechtssicherheit entgegenstehe. Die Unternehmen, die die Festlegung 2013 in Bestandskraft hätten erwachsen lassen, müssten sich an dem Verzicht auf Rechtsschutz und den daraus erwachsenden Konsequenzen festhalten lassen. Ihr Individualinteresse an einer etwaigen nachträglichen wirtschaftlichen Besserstellung trete daher hinter das Kollektivinteresse der Allgemeinheit an Rechtssicherheit und Rechtsklarheit zurück. Es sei auch keine Differenzierung zwischen Unternehmen geboten, die eine Vereinbarung eines individuellen Netzentgelts unter Berücksichtigung der kaufmännisch-bilanziellen Betrachtungsweise für 2014 bis 2016 abgeschlossen und angezeigt hätten, und solchen, die auf diese mit der bestandskräftigen Festlegung in Widerspruch stehende Vorgehensweise verzichtet hätten. Eine Abänderung der Festlegung 2013 habe damit nämlich nicht erreicht werden können.

b) Entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts ist diesen Erwägungen - wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt - nicht zu entnehmen, dass die Bundesnetzagentur von einem grundsätzlichen Vorrang des Prinzips der Rechtssicherheit vor dem Gebot der materiellen Rechtmäßigkeit ausgegangen wäre und nicht erkannt hätte, dass die Prinzipien der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Bestandskraft von Verwaltungsakten gleichberechtigt nebeneinanderstehen. Davon, dass zwischen der materiellen Gerechtigkeit einerseits und der Rechtssicherheit andererseits ein Spannungsfeld besteht, geht die Bundesnetzagentur unter Angabe der insoweit einschlägigen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts ausdrücklich aus (Änderungsfestlegung S. 6). Sie berücksichtigt ferner auch die Interessen der Unternehmen, die - wie hier die Betroffene - ein individuelles Netzentgelt unter Berücksichtigung der kaufmännisch-bilanziellen Betrachtungsweise für 2014 bis 2016 vereinbart und angezeigt haben, hält eine Differenzierung aber mit der zutreffenden Erwägung nicht für geboten, dass dieses im Verantwortungsbereich der Betroffenen liegende Verhalten der Festlegung 2013 widersprochen habe. Schließlich hat sie sich auch damit auseinandergesetzt, dass verschiedene Unternehmen ihre Anschlusssituation in Folge der Festlegung 2013 aufwendig geändert haben. Diese Erwägungen sind nach den für ihre gerichtliche Überprüfung geltenden Maßgaben (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Juni 2014 - EnVR 10/13, RdE 2015, 29 Rn. 15) ermessensfehlerfrei.

Soweit die Betroffene geltend macht, die Bundesnetzagentur verkenne die Bindung ihres Ermessens durch das Fachrecht, greift das nicht durch. Dabei ist bei der Annahme eines sogenannten intendierten Ermessens Zurückhaltung geboten; ein intendiertes Ermessen kann im Grundsatz nur dann angenommen werden, wenn die ein Ermessen eröffnende Vorschrift ausdrücklich oder nach Sinn und Zweck hinreichend deutlich zu erkennen gibt, dass nach dem Willen des Gesetzgebers die Entscheidung im Regelfall in einem bestimmten Sinn ergehen soll (vgl. BVerwGE 82, 356 , 363 [juris Rn. 25]; BVerwGE 91, 82 , 90 [juris Rn. 31]; BVerwGE 121, 226 , 231 [juris Rn. 15]; Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG , 9. Aufl., § 40 Rn. 30; Geis in Schoch/ Schneider, VwVfG , Stand: Juli 2020, § 40 Rn. 35; Ramsauer in Kopp/Ramsauer, VwVfG , 21. Aufl., § 40 Rn. 35). So liegt es hier nicht.

(1) Dem Energiewirtschaftsgesetz ist für die Frage der rückwirkenden Änderung nichts zu entnehmen. Insbesondere gibt das sich aus § 1 Abs. 2 EnWG ergebende allgemeine Regulierungsziel der Sicherstellung eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs bei der Versorgung mit Elektrizität und Gas keine Ermessenausübung dahin vor, dass eine rechtswidrige Festlegung auch mit Wirkung für die Vergangenheit aufzuheben wäre (vgl. BGH, Beschluss vom 16. Dezember 2014 - EnVR 54/13, RdE 2015, 183 Rn. 32-34 - Festlegung Tagesneuwerte II). Vielmehr bleibt die Beurteilung, welche Nachteile für das Regulierungsziel eines wirksamen und unverfälschten Wettbewerbs bestehen, inwieweit sie hingenommen werden sollen und wie in diesem Zusammenhang die gemeinwohlorientierten Zwecke einer sicheren, preisgünstigen, verbraucherfreundlichen, effizienten und umweltverträglichen Energieversorgung (§ 1 EnWG ) zu gewichten sind, im jeweiligen Einzelfall der Regulierungsbehörde überlassen.

(2) Etwas anderes folgt für den hier maßgeblichen Zeitraum auch nicht aus den Wertungen des Erneuerbare-Energien-Gesetzes in den ab dem 1. Januar 2012 und ab dem 1. August 2014 gültigen Fassungen.

Durch die Versagung der kaufmännisch-bilanziellen Abrechnung beim Strombezug bei der Anwendung von § 19 Abs. 2 Satz 3 StromNEV 2014 werden sowohl die Betreiber konventioneller Erzeugungsanlagen als auch die Betreiber von Erneuerbare-Energien-Anlagen belastet. Beiden wird durch die Festlegung 2013 ein individuelles Netzentgelt versagt, wenn sie den nötigen Stromverbrauch von 10 Gigawattstunden und die erforderliche Jahresbenutzungsstundenzahl deshalb nicht erreichen, weil sie den in den Eigenanlagen erzeugten Strom nicht physikalisch in das Netz der allgemeinen Versorgung einspeisen. Die Bundesnetzagentur hat daher die Zulässigkeit der kaufmännisch-bilanziellen Betrachtung zu Recht nicht auf die Fälle des § 11 Abs. 2 EEG 2014 beschränkt (Änderungsfestlegung Ausspruch 1; S. 3 Abs. 2, S. 6 Abs. 1).

Dass der kaufmännisch-bilanziell einspeisende Betreiber einer Anlage zur Erzeugung erneuerbarer Energien anders als derjenige, der für die zum Eigenverbrauch erfolgte Stromerzeugung konventionelle Energieträger einsetzt, Netzentgelte zahlen muss, ergibt sich unmittelbar aus dem Erneuerbare-EnergienGesetz und widerspricht dessen Wertungen daher nicht. Der Anlagenbetreiber muss nämlich den von ihm selbst verbrauchten Strom kaufmännisch-bilanziell abrechnen, damit er dafür eine Vergütung erhält (vgl. § 11 Abs. 2 , § 19 EEG 2014; § 11 Abs. 2 EEG 2012). Eine Vergütung für Selbstverbrauch kennt das Erneuerbare-Energien-Gesetz nicht. Dies wiederum hat zur Folge, dass der Anlagenbetreiber auch mit den auf den selbst verbrauchten Strom entfallenden Netzentgelten belastet wird (BGH, Beschluss vom 27. März 2012 - EnVR 8/11, RdE 2012, 387 Rn. 9 ff. - Kaufmännisch-bilanzielle Einspeisung von Strom aus Erneuerbaren Energien). Demgegenüber kann derjenige, der für seine Stromversorgung eigene konventionelle Energieträger einsetzt, physikalisch abrechnen und den von ihm selbsterzeugten Strom bei der Berechnung der Netzentgelte außer Betracht lassen (vgl. BGH, RdE 2012, 387 Rn. 16; BGH, Beschluss vom 15. Mai 2017 - EnVR 39/15, RdE 2017, 402 Rn. 1). Diese sich aus der Netzentgeltkonzeption ergebende unterschiedliche Behandlung der Betreiber von Erneuerbare-Energien-Anlagen und von konventionellen Kraftwerken wird vom Gesetzgeber hingenommen. Sie besteht insbesondere auch dann, wenn die Voraussetzungen für die Vereinbarung eines individuellen Netzentgelts wegen eines zu geringen Verbrauchs nicht erfüllt sind.

(3) Schließlich ist dem Umstand, dass der Verordnungsgeber der Stromnetzentgeltverordnung für den Zeitraum von 2011 bis 2013 eine Übergangsregelung geschaffen hat, nachdem sich § 19 Abs. 2 StromNEV in der Fassung vom 4. August 2011 mangels Ermächtigungsgrundlage als nichtig erwiesen hatte (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 8. Mai 2013 - 3 Kart 178/12, juris; nachgehend BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2015 - EnVR 32/13, RdE 2016, 65 Rn. 7 ff. - Netzentgeltbefreiung I), ebenfalls keine Wertung im Sinne einer rückwirkenden Änderung von Ausspruch 3a der Festlegung 2013 zu entnehmen. Wie das Beschwerdegericht zutreffend dargestellt hat, lassen sich aus § 19 Abs. 2, § 32 Abs. 7 StromNEV in der Fassung vom 14. August 2013 (nachfolgend: StromNEV 2013) keine Rückschlüsse auf die hier im Streit stehende Behandlung von Betreibern von Eigenanlagen ziehen. Hinzu tritt, dass der Verordnungsgeber nach der Einleitung eines Beihilfeprüfverfahrens durch die Europäische Kommission (vgl. Beschluss (EU) 2019/56 vom 28. Mai 2018 über die staatliche Beihilfe SA.34045 Deutschlands für Bandlastverbraucher nach § 19 StromNEV, Rn. 2) ab dem 1. Januar 2014 wieder zu dem zuvor geltenden Rechtszustand zurückgekehrt ist (vgl. § 19 Abs. 2 Satz 3 und 4 StromNEV 2014, dazu BGH, Beschluss vom 23. Februar 2021 - EnVR 6/20, z. Veröff. best. Rn. 18). Zudem hat er in § 19 Abs. 2 Satz 7 ff. StromNEV 2014 für die Zukunft die Möglichkeit eröffnet, bei Erlass einer Festlegung vom Genehmigungs- zum Anzeigeverfahren zu wechseln. Dadurch hat er es der Bundesnetzagentur ermöglicht, das Risiko für die Erfüllung der Voraussetzungen für ein individuelles Netzentgelt auf die Großverbraucher zu verlagern. Vertrauensschutz bei der Vereinbarung eines individuellen Netzentgelts hat der Verordnungsgeber ausdrücklich nicht vorgesehen (vgl. § 19 Abs. 2 Sätze 17 und 18 StromNEV 2014).

Die Betroffene beanstandet, die Änderungsfestlegung führe keine Erwägungen dafür an, aus welchem Grund dem Gebot der Rechtssicherheit Vorrang zukomme. Dieses Gebot ausfüllende Interessen, die geeignet seien, das Interesse der Betroffenen, die mit erheblichem Aufwand zu der Stabilität des allgemeinen Netzes beigetragen habe, an materieller Gerechtigkeit zu überwiegen, seien auch nicht ersichtlich. Das greift indes nicht durch.

(1) Das von der Bundesnetzagentur angeführte Interesse der Allgemeinheit an Rechtssicherheit beinhaltet zunächst das diesem offensichtlich immanente Interesse aller von einem Sachverhalt Betroffenen, vergangene Sachverhalte nicht auf der Grundlage eines neuen Regelungsrahmens prüfen, entscheiden und gegebenenfalls (rück-)abwickeln oder neu abrechnen zu müssen und dabei Belastungen zu tragen, die anderweitig nicht hätten getragen werden müssen. Dass die rückwirkende Vereinbarung von individuellen Netzentgelten mit zahlreichen Letztverbrauchern für drei zurückliegende Jahre und deren Abwicklung für zahlreiche daran Beteiligte und davon Betroffene einen erheblichen - auch finanziellen - Aufwand verursachen würde, liegt auf der Hand.

Wie bereits ausgeführt, beruhen Entscheidungen wie die hier streitbefangene zudem schon wegen des damit verfolgten Zwecks, Diskriminierungen zu vermeiden, regelmäßig auf einem allgemeinen Regelungskonzept. Ihre Wirkungen kommen denen einer Rechtsnorm häufig nahe. Die sich aus § 1 Abs. 2 EnWG ergebende regulatorische Zielsetzung besteht darin, einen für alle Beteiligten gleichermaßen geltenden Regelungsrahmen zu schaffen, um einen wirksamen und unverfälschten Wettbewerb zu gewährleisten. Dieses Ziel steht indes mit einer rückwirkenden Änderung des Regelungsrahmens notwendig im Widerspruch. Eine rückwirkende Änderung trifft auf Beteiligte, die ihr Verhalten an einem anderen Regelungsrahmen ausgerichtet haben. Eine diskriminierungsfreie und den Erfordernissen des Vertrauensschutzes genügende rückwirkende Änderung stößt daher auf besondere Schwierigkeiten. Dies wäre nur dann nicht der Fall, wenn sich alle Beteiligten übereinstimmend an eine bestimmte und später als rechtswidrig erkannte Regelung nicht gehalten hätten, mithin die rückwirkende Nichtanwendung dieser Regelung lediglich das tatsächliche Verhalten aller Beteiligter nachzeichnete. So liegt es hier aber nicht. Im Gegenteil würde - was die Bundesnetzagentur zutreffend erkannt hat - die rückwirkende Anwendung zugunsten derjenigen, die die Netzentgeltermäßigung zu Unrecht in Anspruch genommen haben, diejenigen privilegieren, die sich an den geltenden Regelungsrahmen nicht gehalten haben. Soweit die Bundesnetzagentur vor diesem Hintergrund entschieden hat, allgemein keine rückwirkende Änderung vorzunehmen, mit der Folge, dass nur die beiden Letztverbraucher, die die Festlegung 2013 rechtzeitig angefochten haben, in den Jahren 2014 bis 2016 unter Berücksichtigung ihres kaufmännisch-bilanziellen Strombezugs ein individuelles Netzentgelt wirksam vereinbaren konnten, ist diese Ermessensentscheidung - soweit sie gerichtlich überprüfbar ist (vgl. BGH, Beschluss vom 3. Juni 2014, aaO Rn. 15) - nicht zu beanstanden.

(2) Das gilt auch im Hinblick auf die von der Betroffenen für sich in Anspruch genommenen besonderen Umstände des vorliegenden Falles. Dabei muss hier nicht entschieden werden, ob und unter welchen Voraussetzungen die von der Betroffenen in dem von der Bundesnetzagentur vor Erlass der Änderungsfestlegung eingeleiteten Konsultationsverfahren schon nicht geltend gemachten Umstände im gerichtlichen Verfahren (überhaupt) berücksichtigungsfähig sind. Die Betroffene führt an, die Bundesnetzagentur habe mit Bescheid vom 17. Januar 2014 für 2012 ein individuelles Netzentgelt genehmigt, obwohl sie ihre Anschlusssituation zutreffend offengelegt habe. Auf ihre fristgerecht vor Ablauf des 30. September 2014 erstattete Anzeige der mit der Netzbetreiberin geschlossenen Vereinbarung für 2014 bis 2016 habe sie keine Rückmeldung erhalten; zu keinem Zeitpunkt sei sie von der Bundesnetzagentur gefragt worden, ob ihr Strombezug physikalisch oder kaufmännisch-bilanziell erfolge, obwohl andere Unternehmen nach der Art der Entnahme befragt worden seien. Sie habe Kosten in Höhe von insgesamt rund einer Million Euro in Kauf genommen, um eine netzstabilisierende Bandlast zu erreichen.

Mit diesen Umständen hat sich die Bundesnetzagentur - wie oben dargestellt - in der für eine Festlegung gemäß § 29 EnWG erforderlichen und ausreichenden allgemeinen Form auseinandergesetzt. Die Betroffene hat die Festlegung 2013 bestandskräftig werden lassen, obwohl sie die zumutbare Möglichkeit hatte, sie zur Kenntnis zu nehmen und dagegen ein Rechtsmittel einzulegen. Großverbraucher hatten allen Anlass, 2013 die gesetzlichen und regulatorischen Entwicklungen, die für sie von erheblicher wirtschaftlicher Bedeutung waren, zu verfolgen. Denn nachdem zunächst ab dem Jahr 2011 gemäß § 19 Abs. 2 StromNEV in der Fassung vom 4. August 2011 Großverbraucher von der Zahlung von Netzentgelten vollständig befreit waren, hat das Beschwerdegericht diese Regelung durch Beschluss vom 8. Mai 2013 (VI-3 Kart 178/12; vgl. nachfolgend BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2015 - EnVR 32/13, RdE 2016, 65 Rn. 7) für nichtig erklärt. Bereits am 6. März 2013 hatte die Europäische Kommission wegen der Befreiung ein Beihilfeverfahren eingeleitet (Kommissionsbeschluss, Erwägungsgrund 2). Der Verordnungsgeber hat in der Folge mit Wirkung vom 22. August bis zum 31. Dezember 2013 die teilweise übergangsweise geltende Vorschrift des § 19 Abs. 2 StromNEV 2013 erlassen und der Bundesnetzagentur in § 19 Abs. 2 Satz 6 ff. StromNEV 2013 (§ 19 Abs. 2 Satz 7 ff. StromNEV 2014) für die Zukunft die Möglichkeit eröffnet, bei Erlass einer Festlegung vom Genehmigungs- zum Anzeigeverfahren zu wechseln. Auf dieser Grundlage hat die Bundesnetzagentur das Verfahren zum Erlass der Festlegung 2013 eingeleitet und dies am 25. September 2013 auf ihrer Internetseite bekanntgemacht. Daraufhin sind 57 Stellungnahmen von Netzbetreibern, Unternehmen, Verbänden und Behörden eingegangen (Festlegung 2013 S. 9 und 10). Die am 11. Dezember 2013 erlassene Festlegung 2013 enthält zahlreiche Vorgaben für die sachgerechte Ermittlung individueller Netzentgelte und für die Durchführung des Anzeigeverfahrens.

Dass die Betroffene für den früheren Rechtszustand 2012 eine Genehmigung erhalten hatte, war vor dem genannten Hintergrund nicht geeignet, schutzwürdiges Vertrauen auch für den ab dem Jahr 2014 geltenden Rechtszustand zu begründen. Dies gilt ebenso für den Umstand, dass die Bundesnetzagentur die zwischen der Betroffenen und der Netzbetreiberin getroffene Vereinbarung individueller Netzentgelte - wie andere entsprechende Vereinbarungen - nicht untersagt hat, nachdem sie ihr im August 2014 von der Betroffenen angezeigt worden war. Denn § 19 Abs. 2 StromNEV 2014 weist dem Letztverbraucher die Verantwortung dafür zu, dass die für ein individuelles Netzentgelt erforderlichen Voraussetzungen eingehalten sind (vgl. zur Abschaffung oder Reduzierung von Genehmigungserfordernissen zugunsten von Anzeigeverfahren Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG , 9. Aufl., § 9 Rn. 87 ff.; § 35 Rn. 34 ff.; 155 ff.). Für die Anzeige waren gemäß § 19 Abs. 2 Satz 11 StromNEV 2014 die betroffenen Letztverbraucher verantwortlich. Sie hatten der Bundesnetzagentur mit der Anzeige alle zur Beurteilung der Voraussetzungen für ein individuelles Netzentgelt erforderlichen Unterlagen vorzulegen. Eine Anzeige konnte nur erstattet werden, weil die Bundesnetzagentur die Kriterien der sachgerechten Ermittlung individueller Netzentgelte durch die Festlegung 2013 nach § 19 Abs. 2 Satz 7 StromNEV 2014 konkretisiert hatte. Die Betroffenen hatten also Anlass, sich mit den in der Festlegung 2013 enthaltenen Kriterien im Einzelnen zu befassen, zumal die Vereinbarung eines individuellen Netzentgelts gemäß § 19 Abs. 2 Satz 17 StromNEV 2014 unter dem Vorbehalt erfolgt, dass die Voraussetzungen hierfür tatsächlich erfüllt werden. Ist dies nicht der Fall, sind die sich nach den tatsächlichen Verhältnissen ergebenden Netzentgelte abzurechnen (§ 19 Abs. 2 Satz 18 StromNEV 2014). In dem hier vorgesehenen reinen Anzeigeverfahren mit Untersagungsbefugnis ergeht kein Verwaltungsakt, soweit die Behörde nicht von ihrer Untersagungsbefugnis Gebrauch macht. In der bloßen Entgegennahme der Anzeige ist keine Regelung dahingehend zu sehen, dass das angezeigte Vorhaben den Vorschriften entspricht (vgl. BVerwGE 153, 99 Rn. 20 f.; Stelkens in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG , 9. Aufl., § 35 Rn. 157). Da der Verordnungsgeber das Risiko für die Erfüllung der Voraussetzungen für das individuelle Netzentgelt durch den Wechsel vom Genehmigungs- zum Anzeigeverfahren auf die Betroffenen verlagert hat, konnte durch die bloße Entgegennahme der Anzeige durch die Bundesnetzagentur kein schutzwürdiges Vertrauen entstehen.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 90 EnWG ; die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 GKG und § 3 ZPO .

Verkündet am: 23. März 2021

Vorinstanz: OLG Düsseldorf, vom 11.09.2019 - Vorinstanzaktenzeichen VI-3 Kart 134/18 (V)