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BGH - Entscheidung vom 10.02.2021

XII ZB 158/20

Normen:
geltenden Fassung VBVG § 4 Abs. 3 Nr. 1 in der ab 27. Juli 2019
VBVG § 4 Abs. 3 Nr. 1
VBVG § 4 Abs. 3 Nr. 1
BGB § 1836 Abs. 1 S. 2
BGB § 1908i Abs. 1 S. 1

Fundstellen:
FamRZ 2021, 799
FuR 2021, 320
MDR 2021, 965

BGH, Beschluss vom 10.02.2021 - Aktenzeichen XII ZB 158/20

DRsp Nr. 2021/4565

Übertragung der Aufgabenbereich der Vermögenssorge an einen Betreuer; Erworbene Kenntnisse eines Betreuers in der Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann sind Qualifikationsmerkmale für die Führung einer Betreuung und Rechtfertigung für eine Vergütungserhöhung

Ist dem Betreuer der Aufgabenbereich der Vermögenssorge übertragen, sind die im Kernbereich einer abgeschlossenen Berufsausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel erworbenen Kenntnisse regelmäßig für die Führung der Betreuung nutzbar und rechtfertigen eine Erhöhung der Vergütung des Berufsbetreuers nach § 4 Abs. 3 Nr. 1 VBVG .

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss der 5. Zivilkammer des Landgerichts Göttingen vom 17. März 2020 aufgehoben.

Auf die Beschwerde der weiteren Beteiligten zu 1 wird der Beschluss des Amtsgerichts Osterode am Harz vom 12. November 2019 dahingehend abgeändert, dass die der Betreuerin aus der Staatskasse zu erstattende Vergütung für ihre Tätigkeit in der Zeit vom 13. August 2019 bis 12. November 2019 auf

390 €

festgesetzt wird.

Die Rechtsmittelverfahren sind gerichtskostenfrei. Die außergerichtlichen Kosten der Rechtsmittelverfahren trägt der weitere Beteiligte zu 2.

Wert: 75 €

Normenkette:

VBVG § 4 Abs. 3 Nr. 1 ; BGB § 1836 Abs. 1 S. 2; BGB § 1908i Abs. 1 S. 1;

Gründe

I.

Die Beteiligten zu 1 und 2 streiten über die Höhe der Betreuervergütung für den Abrechnungszeitraum vom 13. August 2019 bis 12. November 2019.

Die Beteiligte zu 1 (im Folgenden: Betreuerin) ist seit dem Jahr 2012 als Berufsbetreuerin der mittellosen Betroffenen bestellt. Die Betreuung für die unter einer mittelgradigen Intelligenzminderung leidende Betroffene umfasst den Aufgabenkreis Gesundheitssorge, Vermögenssorge, Wohnungsangelegenheiten, Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post sowie Rechts-, Antrags- und Behördenangelegenheiten.

Die Betreuerin hat im Jahr 1997 eine Ausbildung zur Kauffrau im Einzelhandel abgeschlossen.

Für den oben genannten Abrechnungszeitraum hat die Betreuerin für ihre Tätigkeit die Festsetzung einer Betreuervergütung in Höhe von 390 € beantragt, der sie im Hinblick auf ihre Ausbildung eine monatliche Fallpauschale von 130 € nach der Vergütungstabelle B (Nr. 5.2.1) zugrunde gelegt hat.

Das Amtsgericht hat dem Antrag auf der Grundlage einer monatlichen Fallpauschale nach der Vergütungstabelle A (Nr. 5.2.1) lediglich in Höhe von 315 € stattgegeben und die Beschwerde zugelassen. Das Landgericht hat die Beschwerde der Betreuerin zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt die Betreuerin weiterhin ihren ursprünglichen Antrag in Höhe von 390 €.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Ausbildung der Betreuerin zur Kauffrau im Einzelhandel rechtfertige keine Vergütung nach § 4 Abs. 3 Nr. 1 VBVG . Es könne nicht festgestellt werden, dass die Ausbildung in ihrem Kernbereich auf die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse ausgerichtet sei.

Diejenigen Bestandteile der Ausbildung, die eine gewisse Relevanz für Teilbereiche einer Betreuung (wie der Vermögenssorge) hätten, seien der Betreuerin letztlich insgesamt berufsbezogen vermittelt worden. Dies werde durch das - vom Beschwerdegericht verwertete - Gutachten der Industrie- und Handelskammer Dresden vom 10. Dezember 2015 bestätigt (nachfolgend: Stellungnahme der IHK). Hiernach sei etwa das Rechnungswesen bezogen auf den Einund Verkauf von Waren unterrichtet worden, weshalb diejenigen Kenntnisse, die von allgemeiner Natur seien, keinen hinreichend quantifizierbaren Anteil an der Ausbildung hätten. Hierbei handele es sich allenfalls um wirtschaftliche Nebenaspekte. So mache das berufsbezogene Rechnungswesen mit 280 Stunden zwar einen vermeintlichen Großteil der Ausbildung von 880 Stunden aus (31,8 %). Im Detail erscheine der betreuungsrelevante Anteil unabhängig davon, dass die in der Ausbildung vermittelten Kenntnisse über das Allgemeinwissen hinausgingen, jedoch kaum noch nennenswert, weil das Rechnungswesen auf den Kontenrahmen des Einzelhandels bezogen sei. Diese Berufsbezogenheit setze sich auch in der praktischen Ausbildung fort. In der Gesamtschau seien die Ausbildungsinhalte somit derart eng mit der Aufgabe der Einzelhandelskauffrau verknüpft, dass die Kenntnisse nicht für die Führung einer Betreuung nutzbar seien bzw. kein erheblicher Teil der Ausbildungszeit auf die Vermittlung betreuungsrelevanten Wissens entfalle. Auch die Abschlussprüfung lasse keine abweichende Beurteilung zu. Den Prüfungsfächern Ware und Verkauf sowie praktische Übung komme in diesem Rahmen das doppelte Gewicht gegenüber den anderen Prüfungsfächern zu. Das Rechnungswesen als einzig theoretisch betreuungsrelevanter Teilbereich sei mit lediglich 8,75 % Prüfungsbestandteil.

2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

Die Rechtsbeschwerde beanstandet zu Recht, dass die Würdigung des Beschwerdegerichts, die der Betreuerin in ihrer Ausbildung vermittelten wirtschaftlichen Kenntnisse (des Rechnungswesens) seien weit überwiegend nicht für die Führung der Betreuung nutzbar und ihre Ausbildung sei im Kernbereich nicht auf die Vermittlung betreuungsrelevanten Wissens ausgerichtet, rechtsfehlerhaft ist.

a) Nach §§ 1908 i Abs. 1 Satz 1, 1836 Abs. 1 Satz 2 BGB erhält der Betreuer für seine Tätigkeit eine Vergütung, wenn das Gericht bei der Bestellung des Betreuers - wie hier - feststellt, dass die Betreuung berufsmäßig geführt wird. Nach § 4 Abs. 2 VBVG in der hier maßgeblichen ab dem 27. Juli 2019 geltenden Fassung (Art. 4 des Gesetzes zur Anpassung der Betreuer- und Vormündervergütung vom 22. Juni 2019; BGBl. I S. 866 ) richtet sich die Höhe der Vergütung eines Berufsbetreuers grundsätzlich nach der Vergütungstabelle A (gemäß Anlage zu § 4 Abs. 1 VBVG ). Verfügt der Betreuer über besondere Kenntnisse, die für die Führung der Betreuung nutzbar sind, richtet sich die Betreuervergütung nach der Vergütungstabelle B, wenn diese Kenntnisse durch eine abgeschlossene Lehre oder eine vergleichbare abgeschlossene Ausbildung erworben sind (§ 4 Abs. 3 Nr. 1 VBVG ; zu der bis zum 26. Juli 2019 geltenden Gesetzesfassung vgl. Senatsbeschluss vom 28. Oktober 2020 - XII ZB 143/19 - juris Rn. 13).

Zur Vorschrift des § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG in der bis zum 26. Juli 2019 geltenden Fassung (im Folgenden: aF) hat der Senat entschieden, dass besondere und für die Führung der Betreuung nutzbare Kenntnisse solche sind, die über das jedermann zu Gebote stehende Wissen hinausgehen und den Betreuer in die Lage versetzen, seine Aufgaben zum Wohl des Betreuten besser und effektiver zu erfüllen (vgl. Senatsbeschlüsse vom 21. Oktober 2020 - XII ZB 363/20 - juris Rn. 14 mwN und vom 17. Juni 2020 - XII ZB 350/18 FamRZ 2020, 1592 Rn. 13 mwN).

Zudem hat der Senat zu § 4 Abs. 1 Satz 2 VBVG aF entschieden, dass besondere betreuungsrelevante Kenntnisse eines Betreuers nur dann einen erhöhten Stundensatz rechtfertigen, wenn sie durch die dort genannten Ausbildungen erworben wurden. Es genügt daher nicht, wenn die Ausbildung gleichsam am Rande auch die Vermittlung betreuungsrelevanter Kenntnisse zum Inhalt hat. Erforderlich ist vielmehr, dass sie in ihrem Kernbereich hierauf ausgerichtet ist. Davon ist auszugehen, wenn ein erheblicher Teil der Ausbildung auf die Vermittlung solchen Wissens gerichtet ist und dadurch das erworbene betreuungsrelevante Wissen über ein Grundwissen deutlich hinausgeht (vgl. Senatsbeschlüsse vom 21. Oktober 2020 - XII ZB 363/20 - juris Rn. 15 mwN und vom 17. Juni 2020 - XII ZB 350/18 - FamRZ 2020, 1592 Rn. 14 mwN). Bei der Entscheidung über eine erhöhte Vergütung muss das Gericht eine konkrete Betrachtung des tatsächlichen Inhalts der Ausbildung vornehmen, insbesondere den Umfang der für die Betreuung nutzbaren Ausbildungsinhalte bzw. deren Anteil an der Gesamtausbildungszeit feststellen und in die Würdigung einbeziehen, inwieweit diese Kenntnisse selbständiger und maßgeblicher Teil der Abschlussprüfung sind. Der Umfang bzw. Anteil der Vermittlung für die Betreuung nutzbarer Kenntnisse muss dabei nicht so genau festgestellt werden, dass ein exakter Prozentanteil angegeben werden kann. Es genügt, wenn aufgrund des erkennbaren zeitlichen Aufwands oder anderer Anhaltspunkte feststeht, dass ein erheblicher Teil der Ausbildungszeit auf die Vermittlung solchen Wissens fällt (vgl. Senatsbeschlüsse vom 29. Januar 2020 - XII ZB 530/19 - FamRZ 2020, 787 Rn. 12 mwN und vom 6. April 2016 - XII ZB 43/16 - juris Rn. 4 mwN).

An dieser Rechtsprechung hält der Senat auch nach der Novellierung des Vormünder- und Betreuervergütungsgesetzes fest. Denn durch das Gesetz zur Anpassung der Betreuer- und Vormündervergütung vom 22. Juni 2019 wollte der Gesetzgeber vornehmlich die Vergütung für berufliche Betreuer durch die Einführung von Fallpauschalen mit erhöhten Sätzen anpassen. Die unter dem bisherigen Recht geltenden Kriterien zur Bestimmung der Vergütung des Betreuers - wie die Qualifikation des Betreuers - sollten dabei aber ausdrücklich beibehalten werden (Senatsbeschluss vom 4. November 2020 - XII ZB 230/20 - juris Rn. 10).

Die Frage, unter welchen Umständen ein Berufsbetreuer nach diesen Maßstäben im Einzelfall die Voraussetzungen erfüllt, die die Bewilligung einer erhöhten Vergütung rechtfertigen, obliegt dabei einer wertenden Betrachtung des Tatrichters. Dessen Würdigung kann im Rechtsbeschwerdeverfahren nur eingeschränkt darauf überprüft werden, ob er die maßgebenden Tatsachen vollständig und fehlerfrei festgestellt und gewürdigt, Rechtsbegriffe verkannt oder Erfahrungssätze verletzt und die allgemein anerkannten Maßstäbe berücksichtigt und richtig angewandt hat (Senatsbeschluss vom 17. Juni 2020 - XII ZB 350/18 FamRZ 2020, 1592 Rn. 16 mwN).

b) Im hier vorliegenden Fall sind die der Betreuerin in ihrer Ausbildung vermittelten wirtschaftlichen Kenntnisse entgegen der Ansicht des Beschwerdegerichts weitgehend für die Führung der Betreuung nutzbar. Das Beschwerdegericht hat den Rechtsbegriff der für die Führung der Betreuung „nutzbaren“ Kenntnisse iSv § 4 Abs. 3 VBVG verkannt (vgl. dazu Senatsbeschluss vom 15. Februar 2017 - XII ZB 465/15 - NJW-RR 2017, 646 Rn. 4) und darüber hinaus die in diesem Zusammenhang maßgeblichen Tatsachen nicht vollständig gewürdigt.

aa) Fachkenntnisse, die die Betreuung für einen Aufgabenbereich erleichtern, wie wirtschaftliche Kenntnisse im Bereich der Vermögenssorge, sind für die Betreuung nutzbar (vgl. Senatsbeschluss vom 22. August 2012 - XII ZB 319/11 NJW-RR 2012, 1475 Rn. 17). Denn wer über ökonomische Fachkenntnisse verfügt, kann sowohl die zur Vermögenssorge gehörenden Dokumentations- und Rechnungslegungspflichten als auch die Pflicht zur wirtschaftlichen Vermögensverwaltung besser und effektiver erfüllen (MünchKomm/Fröschle BGB 8. Aufl. § 4 VBVG Rn. 14). Zu diesen ökonomischen Fachkenntnissen zählen auch betriebswirtschaftliche Kenntnisse (vgl. BayObLG FamRZ 2000, 844 , 845; OLG Zweibrücken FamRZ 2000, 551 ; Jürgens/von Crailsheim Betreuungsrecht 6. Aufl. § 3 VBVG Rn. 3).

bb) Nach den vom Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen sind der Betreuerin in ihrer Ausbildung betriebswirtschaftliche Kenntnisse vermittelt worden.

Das Beschwerdegericht hat seine Feststellungen zum Inhalt der Ausbildung auf der Grundlage der hierfür maßgeblichen Verordnung über die Berufsausbildung zum Kaufmann im Einzelhandel/zur Kauffrau im Einzelhandel vom 14. Januar 1987 (BGBl. I S. 153 ; nachfolgend „Ausbildungsordnung“) und des Ausbildungsrahmenplans (Anlage 1 zu § 4 der Ausbildungsordnung; nachfolgend „Ausbildungsrahmenplan“) getroffen. Auf dieser Grundlage hat es festgestellt, dass der Betreuerin wirtschaftliche Kenntnisse im Bereich des Rechnungswesens vermittelt worden sind. Hinsichtlich der konkreten Ausbildungsinhalte (gemäß Ausbildungsrahmenplan) hat es auf die Stellungnahme der Betreuerin vom „09.10.2020“ (richtig: 9. Januar 2020) Bezug genommen. Aus dieser bzw. aus Ziffer 6 des Ausbildungsrahmenplans folgt, dass der Betreuerin in ihrer Ausbildung Kenntnisse im Rechnungswesen unter anderem wie folgt vermittelt wurden: Aufgaben und Funktionen des betrieblichen Rechnungswesens, Kostenarten des Ausbildungsbetriebs, wichtige betriebliche Leistungskennzahlen, Abgleichen von Rechnungen mit Lieferscheinen, Mitwirkung bei der Erstellung von Erfolgsrechnungen und statistischen Arbeiten, Bedeutung der Buchführung und Mitwirkung bei vorbereitenden Arbeiten, Bedeutung bzw. Aufgabe sowie Mitwirkung bei der Inventur, Kalkulation des Verkaufspreises anhand von Kalkulationsmethoden, Kenntnis der Zahlungs- und Kreditmöglichkeiten und deren Abwicklung mit Kreditinstituten, Lieferanten und Kunden sowie Mitwirkung bei der Abwicklung des Zahlungsverkehrs, Kenntnis betrieblicher Steuern, Abgaben, betrieblicher Risiken und Versicherungsmöglichkeiten sowie Mitwirkung bei der Abwicklung eingetretener Versicherungsfälle.

Weiter ist in der Stellungnahme der Betreuerin unter Verweis auf § 8 Abs. 3 Nr. 1 der Ausbildungsordnung ausgeführt, dass im Fach Einzelhandelsbetriebslehre (welches das Rechnungswesen beinhaltet) grundlegende Fertigkeiten und Kenntnisse unter anderem zur Planung, Steuerung und Kontrolle der Kosten vermittelt werden.

Schließlich ist in dieser Stellungnahme ausgeführt, dass die Ausbildungsinhalte - auch die wirtschaftlichen - auf den Erwerb einer Handlungskompetenz für das Führen eines Einzelhandelsunternehmens ausgerichtet sind. Dies ergibt sich im Übrigen auch aus der vom Beschwerdegericht zur Feststellung der Ausbildungsinhalte ebenfalls in Bezug genommenen (sachverständigen) Stellungnahme der IHK.

cc) Aufgrund dieser Kenntnisse ist die Betreuerin in der Lage, die Betreuung besser und effektiver zu erfüllen, als ein Betreuer ohne diese Kenntnisse.

Der Betreuerin ist die Vermögenssorge übertragen. Ihre betriebswirtschaftlichen Kenntnisse (wie etwa diejenigen über die Buchführung, die Planung, Steuerung und Kontrolle der Kosten, die Erfolgsrechnungen sowie über die Zahlungs- und Kreditmöglichkeiten und deren Abwicklung mit Kreditinstituten) erleichtern ihr jedenfalls grundlegend auch die Verwaltung des Vermögens eines Betreuten, wie etwa die systematische Bestandserfassung und Dokumentation (§ 1908 i Abs. 1 Satz 1 iVm § 1802 BGB ) der Vermögenswerte und Verbindlichkeiten (vgl. Staudinger/Veit BGB [2020] § 1802 Rn. 15, 27), die Wirtschaftsplanung unter Berücksichtigung sämtlicher Einnahmen und Ausgaben (vgl. § 1908 i Abs. 1 Satz 1 iVm § 1841 Abs. 1 Satz 1 BGB ; Bienwald/Sonnenfeld/Harm/Bienwald Betreuungsrecht 6. Aufl. Anhang zu § 1908 i BGB Rn. 11) und deren Umsetzung, die ordnungsgemäße Verwaltung des Vermögens nach den Grundsätzen einer wirtschaftlichen Vermögensverwaltung (vgl. § 1908 i Abs. 1 Satz 1 iVm § 1811 Satz 2 BGB ) oder die ordnungsgemäße Rechnungslegung (§ 1908 i Abs. 1 Satz 1 iVm §§ 1840 f., 1890 ff. BGB ). Dies gilt umso mehr, als die Betreuerin - was vom Beschwerdegericht im Rahmen seiner Würdigung fehlerhaft nicht berücksichtigt worden ist - durch die vermittelten Kenntnisse auch die Handlungskompetenz zum selbständigen wirtschaftlichen Führen eines kaufmännischen Unternehmens erworben hat (ebenso LG Saarbrücken Beschluss vom 5. August 2002 - 5 T 312/02 - juris Rn. 13, 16 - zu § 1 BVormVG ).

Sind - wie hier - Kenntnisse vorhanden, die für die Führung der Betreuung in einem Aufgabenbereich allgemein nutzbar sind, wird gemäß § 4 Abs. 4 Satz 1 iVm § 3 Abs. 2 Satz 1 VBVG vermutet, dass dies auch für die konkret übertragene Betreuung der Fall ist.

Die Annahme des Beschwerdegerichts, der Nutzbarkeit der Kenntnisse stehe vorliegend entgegen, dass sie „berufsbezogen“ bzw. „eng mit der Aufgabe der Einzelhandelskauffrau“ vermittelt worden sind, kann deswegen keinen Bestand haben.

c) Die Ausbildung zur Kauffrau im Einzelhandel ist auch in ihrem Kernbereich auf die Vermittlung betreuungsrelevanten Wissens ausgerichtet.

aa) Es fällt ein erheblicher Teil der Gesamtausbildungszeit auf die Vermittlung solchen Wissens. Die Gesamtausbildungszeit zur Kauffrau im Einzelhandel umfasst nach den vom Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen 880 Stunden im theoretischen Unterricht, wovon auf das (betreuungsrelevante) Rechnungswesen 280 Stunden entfallen. Dies entspricht nahezu einem Drittel der Gesamtunterrichtszeit, mithin einem erheblichen Teil.

Dem steht nicht entgegen, dass die Ausbildung im überwiegenden Teil der Gesamtstundenzahl auf die Wissenserlangung anderer Fächer ausgerichtet ist (Senatsbeschluss vom 23. Oktober 2013 - XII ZB 429/13 - FamRZ 2014, 116 Rn. 19).

Auch der vom Beteiligten zu 2 (Staatskasse) aufgezeigte Umstand, dass ausweislich der Stellungnahme der IHK für die praktische (im Gegensatz zur theoretischen) Ausbildung keine Zeitrichtwerte der einzelnen Ausbildungsfächer vorgegeben sind, ändert hieran nichts. Denn aus dieser Stellungnahme geht auch ohne eine genaue zeitliche Zuordnung der jeweiligen Ausbildungsfächer im praktischen Unterricht hervor, dass das Fach Rechnungswesen (auch) in diesem Ausbildungsabschnitt erheblicher Ausbildungsbestandteil - nämlich im dritten Praxisjahr - ist.

bb) Das dadurch von der Betreuerin in ihrer Ausbildung erworbene betreuungsrelevante Wissen geht über ein Grundwissen deutlich hinaus. Zwar hat das Beschwerdegericht hierzu lediglich ausgeführt, dass die vermittelten Kenntnisse „über das Allgemeinwissen hinausgehen“. Aus den in diesem Zusammenhang vom Beschwerdegericht getroffenen Feststellungen folgt aber zugleich, dass die in der Ausbildung vermittelten Kenntnisse auch „deutlich“ über das Allgemeinwissen bzw. Grundwissen hinausgehen. Denn die von ihm hierzu in Bezug genommene Stellungnahme der IHK hebt in diesem Zusammenhang die Dauer (insgesamt drei Jahre gemäß § 2 der Ausbildungsordnung bzw. 280 Unterrichtsstunden zum Rechnungswesen) und Systematik (fachlich aufeinander aufbauende Bereiche in Theorie und Praxis) der Ausbildung hervor. Derart vermittelte Kenntnisse heben sich deutlich von einem bloßen Grundwissen ab.

cc) Das Fach Rechnungswesen ist auch selbständiger Teil der Abschlussprüfung. Denn es ist ausweislich der Stellungnahme der IHK eigenständiger Bestandteil des Prüfungsfachs „Einzelhandelsbetriebslehre“.

dd) Schließlich ist das Fach Rechnungswesen auch maßgeblicher Teil der Abschlussprüfung. Es ist mit 14 Aufgaben Bestandteil der insgesamt 118 Aufgaben umfassenden schriftlichen Abschlussprüfung (vgl. Stellungnahme der IHK). Dies entspricht einem Anteil von über 1/10 an sämtlichen schriftlichen Prüfungsaufgaben. Auch und gerade der Umstand, dass auf das Fach Rechnungswesen ausweislich der Stellungnahme der IHK die meisten Aufgaben (14) aller (Einzel-)Prüfungsfächer in der schriftlichen Abschlussprüfung entfallen, zeigt, dass es sich hierbei nicht um einen nur unmaßgeblichen Teil der Abschlussprüfung handelt. Dieser Umstand wurde vom Beschwerdegericht im Rahmen seiner Würdigung fehlerhaft nicht berücksichtigt.

Deshalb kommt auch dem (vom Beschwerdegericht herangezogenen) Gesichtspunkt, dass bei der Ermittlung des Gesamtergebnisses neben den drei schriftlichen Prüfungsfächern („Einzelhandelsbetriebslehre“ - welches das Fach Rechnungswesen beinhaltet -, „Wirtschaft und Sozialkunde“ sowie „Ware und Verkauf“) noch ein mündliches Prüfungsfach („Praktische Übungen“) gewertet wird und dabei den beiden zuletzt genannten Fächern gegenüber den übrigen das doppelte Gewicht zukommt (§ 8 Abs. 7 der Ausbildungsordnung), keine ausschlaggebende Bedeutung zu. Dies gilt umso mehr, als nach § 8 Abs. 8 Satz 2 der Ausbildungsordnung die Bewertung der Prüfungsleistung im Prüfungsfach „Einzelhandelsbetriebslehre“ mit „ungenügend“ zum Nichtbestehen der gesamten Abschlussprüfung führt, wobei das Fach Rechnungswesen maßgeblicher Bestandteil (35 %) dieses Prüfungsfachs ist. Ungenügende Kenntnisse im Rechnungswesen können somit maßgeblich zum Nichtbestehen der Gesamtprüfung beitragen. Auch dieser Umstand, der vom Beschwerdegericht ebenfalls nicht berücksichtigt worden ist, spricht dafür, dass das Rechnungswesen ein nicht nur unmaßgeblicher Teil der Abschlussprüfung ist.

3. Die angefochtene Entscheidung kann danach keinen Bestand haben (§ 74 Abs. 5 FamFG ). Auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen ist der Senat zu einer abschließenden Entscheidung in der Sache in der Lage (§ 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG ).

Von einer weiteren Begründung der Entscheidung wird abgesehen, weil sie nicht geeignet wäre, zur Klärung von Rechtsfragen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung beizutragen (§ 74 Abs. 7 FamFG ).

Vorinstanz: AG Osterode, vom 12.11.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 7 XVII O 5411
Vorinstanz: LG Göttingen, vom 17.03.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 5 T 1/20
Fundstellen
FamRZ 2021, 799
FuR 2021, 320
MDR 2021, 965