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BGH - Entscheidung vom 20.04.2021

X ZR 56/19

Normen:
EPÜ Art. 84

BGH, Urteil vom 20.04.2021 - Aktenzeichen X ZR 56/19

DRsp Nr. 2021/9709

Streitpatent betreffend eine Verschleißschutzschicht auf Basis von Kunstharz mit eingelagerten Hartstoffpartikeln

1. Das mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilte europäische Patent 1 339 545, das eine Verschleißschutzschicht betrifft, ist offenbart und patentfähig.2. In einem Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren ist eine Prüfung auf Klarheit jedenfalls insoweit nicht statthaft, als die mutmaßliche Unklarheit bereits in den erteilten Ansprüchen enthalten war.

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des 4. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 19. Februar 2019 wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.

Normenkette:

EPÜ Art. 84 ;

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des am 30. November 2001 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 8. Dezember 2000 angemeldeten und mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 339 545 (Streitpatents), das eine Verschleißschutzschicht betrifft. Patentanspruch 1, auf den zehn weitere Ansprüche zurückbezogen sind, lautet in der erteilten Fassung:

Verschleißschutzschicht auf Basis von Kunstharz mit eingelagerten Hartstoffpartikeln, wobei die Hartstoffpartikel eine Härte nach Mohs von mindestens 6 aufweisen, dadurch gekennzeichnet, dass zusätzlich in der Schicht weitere kompakte und im wesentlichen schneidkantenfreie, runde Feststoffpartikel in Form von Kugeln mit einer Härte nach Mohs von mindestens 5 enthalten sind, wobei die Korngrößenverteilung der runden Feststoffpartikel mindestens beim kleinsten Korndurchmesser der Hartstoffpartikel beginnt und maximal beim fünffachen Wert des größten Hartstoffpartikeldurchmessers endet und der mittlere Korndurchmesser der Feststoffpartikel größer ist als der mittlere Korndurchmesser der Hartstoffpartikel.

Die Klägerin hat geltend gemacht, das Streitpatent offenbare die Erfindung nicht so, dass ein Fachmann sie ausführen könne, und sein Gegenstand sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Streitpatent zuletzt mit einem Haupt- und fünf Hilfsanträgen in geänderten Fassungen verteidigt.

Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt, soweit die Beklagte es nicht mehr verteidigt hat, und die Klage im Übrigen abgewiesen. Dagegen wendet sich die Berufung der Klägerin, die weiterhin die vollständige Nichtigerklärung begehrt. Die Beklagte tritt dem Rechtsmittel entgegen und verteidigt das Streitpatent ergänzend mit modifizierten Fassungen ihrer in erster Instanz zuletzt gestellten Hilfsanträge.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

I. Das Streitpatent betrifft eine Verschleißschutzschicht auf Kunstharzbasis mit eingelagerten Partikeln.

1. Nach der Beschreibung des Streitpatents war es im Stand der Technik bekannt, auf die Oberflächen von Möbeln oder Fußböden Laminate aufzubringen, um ihnen ein dekoratives Aussehen zu verleihen.

Solche Laminate bestünden aus einer oder mehreren Schichten Papier und einer Imprägnierung aus Kunstharz. Letztere diene dazu, die Empfindlichkeit der Oberfläche gegenüber mechanischer, thermischer und chemischer Beanspruchung zu verringern (Abs. 3).

Um die Abriebfestigkeit weiter zu erhöhen, sei wiederholt versucht worden, Hartstoffpartikel in der Harzschicht des obersten Papiers einzulagern (Abs. 6). Dies führe aber dazu, dass die Spiegeloberflächen der zur Herstellung eingesetzten Pressplatten oder Pressbänder verkratzten und schnell unbrauchbar würden (Abs. 12).

Um dies zu vermeiden, sei vorgeschlagen worden, die Viskosität des Kunstharzes so zu erhöhen, dass keine Hartstoffpartikel mehr herausragten. Dies führe aber zu Lufteinschlüssen und mangelhafter Transparenz (Abs. 13). Alternativ sei versucht worden, zusätzlich zu den Hartstoffpartikeln vorgehärtete Harzpartikel einzuarbeiten. Diese müssten zum Schutz der Werkzeuge größer sein als die Hartstoffpartikel, setzten aber die Abriebfestigkeit der Verschleißschicht stark herab, weil sie nicht über eine ausreichende Härte verfügten. Außerdem erreichten sie häufig nur bei vollständiger Aushärtung unter Druck eine ausreichende Transparenz (Abs. 14).

2. Vor diesem Hintergrund betrifft das Streitpatent das technische Problem, Laminate mit hoher Abriebfestigkeit und guter dekorativer Wirkung zur Verfügung zu stellen, bei deren Herstellung die eingesetzten Werkzeuge möglichst geschont werden.

3. Zur Lösung schlägt das Streitpatent in der in erster Linie verteidigten Fassung von Patentanspruch 1 ein Erzeugnis vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (die Änderung gegenüber der erteilten Fassung ist hervorgehoben):

1.

Verschleißschutzschicht auf Basis von Kunstharz

1.1

mit eingelagerten Hartstoffpartikeln,

1.1.1

die eine Härte nach Mohs von mindestens 6 aufweisen;

1.2

in der Schicht sind zusätzlich weitere kompakte und im Wesentlichen schneidkantenfreie, runde Feststoffpartikel in Form von Kugeln enthalten, wobei

1.2.1

die Feststoffpartikel eine Härte nach Mohs von mindestens 5 aufweisen,

1.2.2

die Korngrößenverteilung der runden Feststoffpartikel mindestens beim kleinsten Korndurchmesser der Hartstoffpartikel beginnt und maximal beim fünffachen Wert des größten Hartstoffpartikeldurchmessers endet,

1.2.3

der mittlere Korndurchmesser der Feststoffpartikel größer ist als der mittlere Korndurchmesser der Hartstoffpartikel,

1.2.4

die Feststoffpartikel gegenüber den Hartstoffpartikeln eine verminderte Härte aufweisen.

4. Einige Merkmale bedürfen der Erläuterung:

a) Die Korngrößenverteilung im Sinne von Merkmal 1.2.2 gibt den Bereich an, innerhalb dessen der Korndurchmesser der Hartstoffpartikel im Sinne von Merkmal 1.1 und der Feststoffpartikel im Sinne von Merkmal 1.2 variiert.

aa) Das Streitpatent gibt weder für die Hart- noch für die Feststoffpartikel eine bestimmte Korngrößenverteilung vor. Es legt in Merkmal 1.2.2 lediglich eine relative Unter- und Obergrenze für den Korndurchmesser der Feststoffpartikel fest, und zwar dahin, dass dieser Durchmesser mindestens so groß sein muss wie der kleinste Korndurchmesser der Hartstoffpartikel und höchstens fünfmal so groß sein darf wie der größte Korndurchmesser dieser Partikel.

Wie das Patentgericht zutreffend angenommen hat, ist Merkmal 1.2.2 nicht zu entnehmen, dass schlechthin jedes in der Schutzschicht vorhandene Hart- oder Feststoffteilchen bei der Festlegung dieser Grenzen berücksichtigt werden muss. Vielmehr können besonders kleine oder besonders große Partikel außer Betracht bleiben, wenn ihr Anteil an der Gesamtheit der Partikel nicht wesentlich ist und sie keinen wesentlichen Einfluss auf die Festigkeit und Abrasivität der Schutzschicht haben.

bb) Entgegen der Auffassung der Berufung ergibt sich aus dem Umstand, dass bei den im Streitpatent geschilderten Beispielen Hartstoffpartikel in kommerziell erhältlichen Schüttungen eingesetzt werden, nicht, dass die Korngrößenverteilung nach Merkmal 1.2.2 den hierbei üblichen Verhältnissen entsprechen muss.

Wie das Patentgericht zutreffend dargelegt hat, ist der Schilderung dieser Beispiele zu entnehmen, dass die Korngrößenverteilung innerhalb dieses üblichen Bereichs liegen kann. Zu Recht ist das Patentgericht aber nicht davon ausgegangen, dass andere Größenverteilungen damit ausgeschlossen sind. Dies ergibt sich, wie die Berufung insoweit zutreffend darlegt, schon aus dem Umstand, dass die Größenverteilung der Feststoffpartikel bei den Ausführungsbeispielen 2 und 3 durch Sieben gezielt beeinflusst wird (Abs. 32).

Technischen Normen wie den bei der Beschreibung der Beispiele angeführten Standards der Fédération Européenne des Fabricants de Produits Abrasifs (FEPA) kann allerdings Bedeutung für die Beurteilung der Frage zukommen, nach welchen Kriterien die maßgebliche Unter- und Obergrenze zu bestimmen sind. So spricht einiges dafür, bei Schüttungen, die an dem für Körnungen aus Elektrokorund und Siliciumcarbid am Prioritätstag einschlägigen FEPA-Standard 42-D-1984 (KSVR1) ausgerichtet sind, die darin vorgesehene Systematik zugrunde zu legen, nach der es zur Einhaltung der Vorgaben ausreicht, wenn der definierte Mindestdurchmesser von nicht mehr als 6% der Partikel unterschritten und der definierte Höchstwert von nicht mehr als 3 % der Partikel erreicht oder überschritten wird (S. 5 unter 3.2.1).

Damit ist aber nicht ausgeschlossen, dass Schüttungen eingesetzt werden, die diesem Standard nicht entsprechen. Zumindest für diese sind die maßgeblichen Ober- und Untergrenzen durch eine funktionsbezogene Betrachtung im Einzelfall zu bestimmen.

b) Der mittlere Korndurchmesser im Sinne von Merkmal 1.2.3 kann, wie das Patentgericht zutreffend und insoweit unbeanstandet angenommen hat, auf unterschiedliche Weise bestimmt werden.

aa) Angesichts des Umstands, dass den Größenunterschieden zwischen den beiden unterschiedlichen Partikelarten nach dem Streitpatent zentrale Bedeutung zukommt, dürfte es in der Regel nicht ausreichen, den Durchmesser anhand eines Mittelwerts aus dem kleinsten und dem größten relevanten Durchmesser zu bestimmen. Vielmehr ist eine Gewichtung anhand der Menge von Partikeln erforderlich, die zu den im Einzelnen betrachteten Größenklassen gehören.

bb) Auch eine solche Gewichtung kann, wie die Parteien übereinstimmend vortragen, auf der Grundlage unterschiedlicher Untersuchungsmethoden (insbesondere Sieben und Sedimentieren) erfolgen. Zudem hängt das Ergebnis von den im Einzelfall gewählten Parametern ab, etwa der Anzahl der einzelnen Siebvorgänge und der dabei gewählten Schrittweite.

Insoweit enthält Merkmal 1.2.3 keine näheren Vorgaben.

cc) Wie die Beklagte im Ansatz zu Recht geltend macht, ist nach Merkmal 1.2.3 für die beiden Partikelarten nicht zwingend dieselbe Methode heranzuziehen.

Dies ergibt sich aus der Schilderung der Ausführungsbeispiele 2 bis 4, bei denen die Zusammensetzung der Hartstoffpartikel durch Sedimentation, diejenige der Feststoffpartikel hingegen durch Siebung bestimmt wird (Abs. 29 ff.).

Die Heranziehung unterschiedlicher Methoden ist jedenfalls dann unbedenklich, wenn auf dieser Grundlage hinreichend sicher die Schlussfolgerung gezogen werden kann, dass sich bei Anwendung anderer Methoden zwar die Werte für den mittleren Korndurchmesser der beiden Partikelarten ändern können, nicht aber die Antwort auf die Frage, welche Partikelart den größeren Wert aufweist.

Führen unterschiedliche Methoden bezüglich der zuletzt genannten Frage zu unterschiedlichen Ergebnissen, müssen zusätzliche Maßnahmen getroffen werden, um die Vergleichbarkeit der Werte für die beiden Partikelarten zu gewährleisten. Hierzu kann, wie das Patentgericht zutreffend angenommen hat, gehören, dass für beide Partikelarten dieselbe Methode angewendet wird.

Führen die aus fachlicher Sicht in Betracht kommenden Methoden auch bei Einhaltung dieser engeren Vorgaben zu unterschiedlichen Ergebnissen, bedarf es der wertenden Betrachtung im Einzelfall. So kann es sich anbieten, einer Beurteilung, die sich auf der Grundlage einer Vielzahl anerkannter Methoden ergibt, den Vorzug gegenüber einer Beurteilung zu geben, die sich nur auf der Grundlage einer eher ungebräuchlichen Methode oder bei Heranziehung eher ungewöhnlicher Untersuchungsparameter ergibt. Ergibt sich auch auf dieser Grundlage keine sichere Beurteilung, ist Merkmal 1.2.3 nicht verwirklicht.

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Die Erfindung sei so offenbart, dass der Fachmann, ein Ingenieur mit ausreichender Erfahrung bei der Entwicklung von Laminaten und insbesondere von Verschleißschutzschichten, sie ausführen könne. Der Begriff "kompakte Partikel" sei weit gefasst. Jedoch genüge das in der Streitpatentschrift geschilderte Ausführungsbeispiel mit Vollkugeln aus Glas zur Offenbarung eines gangbaren Wegs. Mögliche Abweichungen bei der Bestimmung der absoluten Korngrößen beeinträchtigten die Nacharbeitbarkeit und die Identifizierbarkeit der streitpatentgemäßen Lehre schon deshalb nicht, weil die Merkmale 1.2.2 und 1.2.3 nur relative Größen vorsähen.

Der Gegenstand der verteidigten Fassung von Patentanspruch 1 sei patentfähig. Die japanische Patentanmeldung 2000-6325 (MH19; deutsche Übersetzung in MH2D) schlage zwar ein Dekormaterial mit einer abriebbeständigen Harzschicht vor, welche kugelförmige und amorphe Teilchen enthalte. Die Entgegenhaltung offenbare aber nicht unmittelbar und eindeutig, dass die amorphen Teilchen härter seien als die kugelförmigen. Zudem treffe MH19 keine Aussage zu den Grenzen der Korngrößenverteilung. Der Fachmann habe auch keine Veranlassung gehabt, die in MH19 vorgeschlagene Lösung in Richtung auf den Gegenstand des Streitpatents fortzuentwickeln. Ausgehend von MH19 liege in der streitpatentgemäßen Lösung vielmehr ein Rückschritt. Auch liege in der Korngrößenverteilung nach Merkmal 1.2.2 ein eigenständiger technischer Beitrag. Die Klägerin habe das Patentgericht nicht davon zu überzeugen vermocht, dass sich die relativen Werte in naheliegender Weise ergeben hätten oder beliebig seien. Dass die Beklagte in dem nach dem Prioritätstag angemeldeten europäischen Patent 2 147 157 eine Verschleißschicht mit umgekehrtem Größenverhältnis beanspruche, begründe insoweit kein Indiz. Die übrigen Entgegenhaltungen lägen weiter ab und könnten deshalb ein für die Klägerin günstigeres Ergebnis nicht begründen.

III. Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Berufungsverfahren stand.

1. Zu Recht hat das Patentgericht die ausführbare Offenbarung der Erfindung bejaht.

a) Wie das Patentgericht zutreffend angenommen hat, reicht die Schilderung der Beispiele 2 bis 4 in der Streitpatentschrift (Abs. 31 ff.) aus, um einen Weg aufzuzeigen, auf dem die Erfindung ausgeführt werden kann.

Dass die angestrebten Wirkungen möglicherweise nicht mit jeder Mischung und mit jedem beliebigen Größenverhältnis in gleicher Weise erzielt werden können, ist schon deshalb unerheblich, weil die Erzielung dieser Wirkungen im Patentanspruch nicht zwingend vorgesehen ist.

Unabhängig davon zeigt die Streitpatentschrift die wesentlichen Parameter auf, durch deren Variation im Rahmen von Versuchen Kombinationen auffindbar sind, mit denen sich diese Wirkungen erzielen lassen, insbesondere auch durch die Beschreibung der Beispiele 2 bis 4, bei denen im Einzelnen bezeichnete, kommerziell erhältliche Produkte eingesetzt werden (Abs. 29, 31).

b) Dass die Beurteilung der Frage, welche Werte für den Größenvergleich nach Merkmal 1.2.2 maßgeblich sind, im Einzelfall Schwierigkeiten bereiten kann, steht der Ausführbarkeit nicht entgegen.

Diesbezügliche Schwierigkeiten bilden, wie die Beklagte zu Recht geltend macht, kein Hindernis bei dem Bemühen, eine Kombination zu finden, die Merkmal 1.2.2 zweifelsfrei erfüllt. Sie erschweren allenfalls die Beurteilung, welche Ausführungsformen noch zum Gegenstand oder zum Schutzbereich des Streitpatents gehören. Dies ist indes keine Frage der Ausführbarkeit, sondern eine Frage der Auslegung bzw. der Äquivalenz. Eine ausführbare Offenbarung kann nicht schon deshalb verneint werden, weil sich die hierfür maßgebliche rechtliche Beurteilung in bestimmten Konstellationen als komplex erweisen kann.

c) Hinsichtlich des Vergleichs der mittleren Korndurchmesser nach Merkmal 1.2.3 gilt nichts Anderes.

Auch insoweit ermöglichen die Festlegungen und Erläuterungen in der Streitpatentschrift eine Vielzahl von Ausgestaltungen, die dieses Merkmal zweifelsfrei erfüllen. Dass die Beurteilung dieses Merkmals in bestimmten Konstellationen rechtliche Schwierigkeiten aufwerfen mag, steht einer ausführbaren Offenbarung auch insoweit nicht entgegen.

2. Entgegen der Auffassung der Berufung hat das Patentgericht zu Recht davon abgesehen, die Merkmale 1 bis 1.2.3 auf das Erfordernis der Klarheit im Sinne von Art. 84 EPÜ zu untersuchen.

In einem Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren ist eine Prüfung auf Klarheit jedenfalls insoweit nicht statthaft, als die mutmaßliche Unklarheit bereits in den erteilten Ansprüchen enthalten war (vgl. BGH, Urteil vom 27. Oktober 2015 - X ZR 11/13, GRUR 2016, 361 Rn. 31 - Fugenband; Urteil vom 19. Januar 2016 - X ZR 141/13, GRUR 2016, 475 Rn. 39 - Rezeptortyrosinkinase I; Urteil vom 15. Dezember 2020 - X ZR 180/18 Rn. 41 - Scheibenbremse; EPA, Entscheidung vom 24. März 2015 - G 3/14, ABl. 2015, A102 Rn. 73 ff.).

Im Streitfall sind die Merkmale 1 bis 1.2.3 bereits in der erteilten Fassung von Patentanspruch 1 enthalten. Bezüglich der Frage, ob diese Merkmale hinreichend klar formuliert sind, haben sich durch Hinzufügen von Merkmal 1.2.4 keine neuen Gesichtspunkte ergeben.

Dass Merkmal 1.2.4 für sich gesehen zu Unklarheit führt, ist weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.

3. Ebenfalls zu Recht hat das Patentgericht den verteidigten Gegenstand als patentfähig angesehen.

a) Dass dieser Gegenstand neu ist, zieht die Berufung nicht in Zweifel.

b) Zutreffend hat das Patentgericht entschieden, dass der verteidigte Gegenstand ausgehend von MH19 nicht nahegelegt war.

aa) MH19 offenbart eine dem Verschleißschutz dienende Harzschicht, in die kleinere, amorphe Teilchen und größere, kugelförmige Teilchen eingearbeitet sind (MH2D Abs. 6).

Die kugelförmigen Teilchen dienen der Abriebbeständigkeit, die amorphen Teilchen der Regulierung des Glanzes (MH2D Abs. 8).

bb) Damit fehlt es, wie das Patentgericht zu Recht entschieden hat und auch die Berufung nicht in Zweifel zieht, an einer unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung von Merkmal 1.2.4.

cc) Zu Recht ist das Patentgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass ausgehend von MH19 kein Anlass bestand, für die amorphen Teilchen ein härteres Material auszuwählen als für die kugelförmigen Teilchen.

Wie bereits oben dargelegt wurde, kommt bei der in MH19 offenbarten Schutzschicht den kugelförmigen Teilchen die Funktion zu, eine ausreichende Abriebfestigkeit zu gewährleisten, während die amorphen Teilchen lediglich der Beeinflussung der optischen Eigenschaften dienen. Bei dieser Zielsetzung ergab sich kein Anlass, die amorphen Teilchen härter auszugestalten als die kugelförmigen.

Dass sich die in MH19 enthaltenen Aufzählungen von in Frage kommenden Materialien zum Teil überschneiden und theoretisch Kombinationen ermöglichen, bei denen Merkmal 1.2.4 verwirklicht wäre, kann angesichts dessen nicht zu einer abweichenden Beurteilung führen. Für die Auswahl einer Kombination, bei der die für die Abriebfestigkeit maßgeblichen Teilchen eine geringere Härte aufweisen als Teilchen, die lediglich zur Beeinflussung der optischen Eigenschaften dienen, gab es auch vor diesem Hintergrund keinen Anlass.

c) Aus dem US-Patent 5 344 704 (MH26) ergibt sich keine abweichende Beurteilung. Deshalb kann offenbleiben, ob es auf Nachlässigkeit beruht, dass die Klägerin sich erstmals in zweiter Instanz auf diese Entgegenhaltung beruft, obwohl diese schon in der Beschreibung des Streitpatents behandelt wird (zu diesem Gesichtspunkt BGH, Urteil vom 27. August 2013 - X ZR 19/12, BGHZ 198, 187 = GRUR 2013, 1272 Rn. 29 - Tretkurbeleinheit).

aa) MH26 offenbart eine Schutzschicht für ein Laminat, die zur Schonung der eingesetzten Werkzeuge vorgehärtete Harzteile und - optional - mineralische Teilchen von kleiner Teilchengröße und einer Mohs-Härte von mindestens 7 enthält (Anspruch 1).

bb) Damit ist zwar Merkmal 1.2.4 offenbart, nicht aber Merkmal 1.2.1.

Nach dem Vorbringen der Berufung weisen gehärtete Melamin-Teilchen, wie sie in MH26 offenbart sind, eine Mohs-Härte von etwa 4 auf.

cc) MH26 lässt sich auch keine Anregung zur Auswahl eines härteren Materials entnehmen.

Wie auch die Berufung nicht verkennt, dienen die Harzteilchen in MH26 als Abstandshalter, um einem Verschleiß der zur Herstellung der Laminatschicht eingesetzten Werkzeuge entgegenzuwirken. Aus dieser Zielsetzung ergab sich keine Anregung, das in MH26 offenbarte Material durch ein härteres zu ersetzen.

Nach den Ausführungen in MH26 ermöglicht der Einsatz von Harzteilen zudem eine möglichst große Transparenz der Schutzschicht, weil diese Teilchen aus demselben Material bestehen und deshalb denselben Lichtbrechungsfaktor aufweisen wie die sie umgebende Harzschicht (Sp. 3 Z. 11 ff.). Auch unter diesem Aspekt ergab sich keine Anregung, nach einem anderen Material zu suchen.

dd) Aus der Übersetzung des europäischen Patents 737 567 (DE 695 31 485 T2, MH13) ergeben sich keine weitergehenden Anregungen.

MH13 offenbart eine Schutzschicht, die zur Verbesserung der Abriebfähigkeit kugelförmige Teilchen enthält, deren Härte größer ist als diejenige des Bindemittels, deren Einsatz aufgrund der Kugelform aber einen übermäßigen Verschleiß der Werkzeuge vermeidet.

Daraus mag sich die Erkenntnis ergeben haben, dass die Verschleißwirkung von Teilchen, die der Erhöhung der Abriebfestigkeit dienen, verringert werden kann, wenn diese Kugelform haben. Dies gab indes keine Veranlassung, kugelförmige Teilchen einzusetzen, um die Verschleißwirkung von anderen Teilchen aus einem härteren Material zu reduzieren.

ee) Ebenfalls keine weitergehenden Anregungen ergeben sich aus dem US-Patent 5 702 806 (MH8).

MH8 offenbart Laminate mit einer Schutzschicht, die kleinere Partikel enthält. Als geeignete Materialien werden Polymere, Korund oder Glaskugeln angeführt.

Daraus ergab sich keine Anregung, Glaskugeln zusammen mit Partikeln aus einem härteren Material einzusetzen, um die von letzterem ausgehende Verschleißwirkung zu reduzieren.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 97 Abs. 1 ZPO .

Von Rechts wegen

Verkündet am 20. April 2021

Vorinstanz: BPatG, vom 19.02.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 4 Ni 48/17 (EP)