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BGH - Entscheidung vom 23.03.2021

XIII ZB 69/20

Normen:
FamFG § 417 Abs. 2 S. 2 Nr. 3-5

BGH, Beschluss vom 23.03.2021 - Aktenzeichen XIII ZB 69/20

DRsp Nr. 2021/8242

Sicherungshaft zur Überstellung eines syrischen Staatsangehörigen nach Rumänien

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Person des Vertrauens des Betroffenen wird der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Detmold vom 18. September 2020 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass der Beschluss des Amtsgerichts Detmold vom 3. Mai 2018 den Betroffenen in seinen Rechten verletzt hat.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen der Person des Vertrauens des Betroffenen in allen Instanzen werden der Stadt Detmold auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Normenkette:

FamFG § 417 Abs. 2 S. 2 Nr. 3 -5;

Gründe

I. Der Betroffene, ein syrischer Staatsangehöriger, reiste im November 2016 in das Bundesgebiet ein. Nachdem er bereits in Rumänien Asyl beantragt hatte, stellte er auch in Deutschland einen Asylantrag. Diesen lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge mit Bescheid vom 6. Juni 2017 als unzulässig ab und ordnete die Abschiebung des Betroffenen nach Rumänien an. Eine für den 23. April 2018 geplante Flugüberstellung scheiterte, weil sich der Betroffene nicht in der ihm zugewiesenen Unterkunft aufhielt.

Auf Antrag der beteiligten Behörde hat das Amtsgericht mit Beschluss vom 3. Mai 2018 Haft zur Sicherung der Überstellung des Betroffenen nach Rumänien bis zum 30. Mai 2018 angeordnet. Die dagegen gerichtete, nach der am 29. Mai 2018 erfolgten Überstellung mit dem Antrag auf Feststellung der Rechtsverletzung des Betroffenen fortgesetzte Beschwerde der Person des Vertrauens des Betroffenen (fortan: Vertrauensperson) hat das Landgericht zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Vertrauensperson.

II. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht meint, die Vertrauensperson sei beschwerdebefugt, da sie im ersten Rechtszug beteiligt worden sei. Die Beschwerde sei jedoch unbegründet, da die Haftanordnung auf einem zulässigen Haftantrag beruht habe und auch die übrigen Voraussetzungen für die Anordnung von Sicherungshaft vorgelegen hätten.

2. Dies hält rechtlicher Nachprüfung im Ergebnis nicht stand.

a) Zutreffend geht das Beschwerdegericht allerdings von einem eigenen Beschwerderecht der Vertrauensperson nach § 429 Abs. 2 Nr. 2 FamFG aus, da diese im ersten Rechtszug beteiligt worden ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. März 2012 - V ZB 205/11, juris Rn. 3 ff., und vom 19. Mai 2020 - XIII ZB 82/19, InfAuslR 2020, 387 Rn. 13 u. 15, jeweils mwN). Die Vertrauensperson hat ihre Beteiligung nach §§ 7 , 418 FamFG schriftlich beantragt und ist vom Amtsgericht zum Anhörungstermin am 3. Mai 2018 geladen worden. Dies ist für eine Beteiligung im Sinne des § 429 Abs. 2 FamFG ausreichend, da ein förmlicher Hinzuziehungsakt nicht erforderlich ist, sondern das Gericht lediglich - gegebenenfalls konkludent - zum Ausdruck bringen muss, dass es der Vertrauensperson eine Einflussnahme auf das Verfahren in derselben Instanz ermöglichen will (vgl. zur entsprechenden Konstellation im Betreuungsrecht BGH, Beschlüsse vom 27. März 2019 - XII ZB 417/18, FamRZ 2019, 1091 Rn. 7 f.; vom 13. März 2019 - XII ZB 523/18, FamRZ 2019, 915 Rn. 6 u. 8; vom 18. Oktober 2017 - XII ZB 213/16, FamRZ 2018, 197 Rn. 8, jew. mwN). Dass die Vertrauensperson im Entscheidungsrubrum nicht als Beteiligte aufgeführt wird, steht einer tatsächlichen Hinzuziehung zum Verfahren im Sinne des § 7 FamFG nicht entgegen (vgl. BGH, FamRZ 2018, 197 Rn. 8).

b) Das Beschwerdegericht nimmt jedoch zu Unrecht an, dass die Haftanordnung rechtmäßig sei. Wie die Rechtsbeschwerde zu Recht rügt, fehlt es an einem zulässigen Haftantrag.

aa) Ein zulässiger Haftantrag der beteiligten Behörde ist eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung. Zulässig ist der Haftantrag nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zur zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungs- oder Überstellungsvoraussetzungen, zur Erforderlichkeit der Haft, zur Durchführbarkeit der Abschiebung oder Überstellung und zur notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG ). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein; sie müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte ansprechen. Sind diese Anforderungen nicht erfüllt, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet werden (st. Rspr., vgl. BGH, Beschlüsse vom 15. September 2011 - V ZB 123/11, InfAuslR 2012, 25 Rn. 8; vom 12. November 2019 - XIII ZB 5/19, InfAuslR 2020, 165 Rn. 8, und vom 14. Juli 2020 - XIII ZB 74/19, juris Rn. 7).

bb) Diesen Anforderungen wird der Haftantrag nicht gerecht. In ihrem Antragsschreiben vom 3. Mai 2018 teilt die beteiligte Behörde im Hinblick auf die beantragte Haftdauer zwar mit, dass der Flug nach Bukarest für den 29. Mai 2018 terminiert sei, und aus den beigefügten Anlagen ergibt sich auch eine entsprechende Flugbuchung für den Betroffenen und seine Ehefrau. Es fehlen jedoch Ausführungen dazu, warum der gebuchte Flug nach Ergreifen des Betroffenen am 3. Mai 2018 nicht auf einen früheren Termin verlegt werden konnte. Der Zeitraum von der Festnahme des Betroffenen bis zum Tag der geplanten Abschiebung war mit über drei Wochen nicht so kurz, dass sich seine Notwendigkeit unter den gegebenen Umständen - für den Betroffenen lag ein gültiges Passersatzpapier vor, es war ein Flug ohne Sicherheitsbegleitung geplant und die Überstellung sollte in ein europäisches Land erfolgen - von selbst verstünde. Die beteiligte Behörde hätte daher vor dem Hintergrund, dass die Haft auf die kürzest mögliche Dauer zu beschränken ist, durch Angaben zu Terminen und zur Frequenz nutzbarer Flugverbindungen und zur Buchungslage (vgl. BGH, Beschlüsse vom 12. Februar 2020 - XIII ZB 16/19, InfAuslR 2020, 241 Rn. 10, und vom 25. August 2020 - XIII ZB 112/19, juris Rn. 8, jew. mwN) oder auf sonstige Weise erläutern müssen, dass und warum ein früherer Transfer nicht möglich war.

cc) Der Fehler ist nicht geheilt worden (vgl. zur Möglichkeit der Heilung Beschluss vom 12. Februar 2020 - XIII ZB 16/19, InfAuslR 2020, 241 Rn. 12, mwN).

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 , § 83 Abs. 2 FamFG . Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG .

Vorinstanz: AG Detmold, vom 03.05.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 23 XIV(B) 193/18
Vorinstanz: LG Detmold, vom 18.09.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 3 T 120/18
Vorinstanz: LG Detmold, vom 21.09.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 3 T 120/18