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BGH - Entscheidung vom 10.02.2021

6 StR 326/20

Normen:
StGB § 55
StGB § 176 Abs. 4
StPO § 69 Abs. 3
StPO § 136a Abs. 1 S. 1

Fundstellen:
NJW 2021, 2375
NStZ-RR 2021, 142
NStZ-RR 2022, 129
NStZ-RR 2022, 132

BGH, Urteil vom 10.02.2021 - Aktenzeichen 6 StR 326/20

DRsp Nr. 2021/4092

Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und mit Entziehung einer Minderjährigen; Fehlerhafte Belehrung i.R. der polizeilichen und ermittlungsrichterlichen Vernehmungen; Schutz des Zeugen vor Konflikten zwischen prozessualer Wahrheitspflicht und engen sozialen Bindungen

1. Dem Argument eines Abweichens der Anklage von den Bekundungen eines Zeugen hinsichtlich der konkreten Tathandlungsalternative kommt für die Beweiswürdigung keine Bedeutung zu, wenn die Strafkammer die Aussage des Zeugen zu seinen Beobachtungen als glaubhaft angesehen und auch keine Zweifel an der Zuverlässigkeit seiner konkret und detailliert geschilderten Wahrnehmungen geäußert hat und nicht fernliegend ist, dass die Anklage zugunsten des Angeklagten die ihn weniger beschwerende, von dem Zeugen ausdrücklich für möglich gehaltene Handlungsvariante zugrunde gelegt hat.2. Die Regelungen gemäß § 136a Abs. 3 Satz 2, § 69 Abs. 3 StPO über ein Verwertungsverbot sind auf versehentliche Belehrungsfehler nicht anwendbar. Der Schutz des Zeugen vor Konflikten zwischen prozessualer Wahrheitspflicht und engen sozialen Bindungen, dem das in § 52 StPO eingeräumte Zeugnisverweigerungsrecht dienen soll, wird demgegenüber durch die zum Verstoß gegen Belehrungspflichten entwickelten Grundsätze gewährleistet. Insoweit gilt, dass aus dem (versehentlichen) Verstoß gegen die Belehrungspflicht zwar ein Beweisverwertungsverbot folgt; er kann aber geheilt werden, wenn der aussageverweigerungsberechtigte Zeuge der Verwertung seiner Aussage nach ordnungsgemäßer Belehrung zustimmt.

Tenor

1.

Auf die Revision der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Cottbus vom 3. März 2020, soweit es den Angeklagten P. betrifft, im Freispruch zu Fall 96 der Anklage mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben.

Die weitergehende Revision sowie die Revision der Staatsanwaltschaft betreffend die Angeklagte R. werden verworfen.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des den Angeklagten P. betreffenden Rechtsmittels, an eine andere als Jugendschutzkammer zuständige Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Die Staatskasse hat die Kosten des die Angeklagte R. betreffenden Rechtsmittels und die der Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

2.

Die Revision des Angeklagten P. gegen das vorgenannte Urteil des Landgerichts Cottbus wird verworfen.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels und die der Nebenklägerin hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen zu tragen.

Normenkette:

StGB § 55 ; StGB § 176 Abs. 4 ; StPO § 69 Abs. 3 ; StPO § 136a Abs. 1 S. 1;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten P. wegen dreier Fälle des schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen und mit Entziehung einer Minderjährigen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten, die Angeklagte R. wegen dreier Fälle der Beihilfe zum schweren sexuellen Missbrauch von Kindern in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, in zwei Fällen in weiterer Tateinheit mit Entziehung einer Minderjährigen, in einem Fall zudem mit sexuellem Missbrauch von Kindern, zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren - unter Aussetzung der Vollstreckung zur Bewährung - verurteilt. Im Übrigen hat es die Angeklagten freigesprochen. Die zu Ungunsten der Angeklagten eingelegten, jeweils auf die Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten - vom Generalbundesanwalt teilweise vertretenen - Revisionen der Staatsanwaltschaft richten sich gegen die Freisprüche und erheben weitere den Schuldspruch der Angeklagten R. sowie die Strafaussprüche betreffende Beanstandungen. Das den Angeklagten P. betreffende Rechtsmittel führt zur Aufhebung seines Freispruchs im Fall 96 der Anklage, während die Revision betreffend die Angeklagte R. erfolglos bleibt. Die auf die Sach- und Verfahrensrüge gestützte Revision des Angeklagten P. hat keinen Erfolg.

I.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts vollzog der Angeklagte in drei Fällen in der Zeit vom 6. Oktober 2017 bis zum 17. März 2018 mit der aus der Heimunterbringung abgängigen und durch die Angeklagten versteckten Nebenklägerin, der damals zwölf bzw. 13 Jahre alten Tochter der Angeklagten R. , seiner Lebensgefährtin, den vaginalen Geschlechtsverkehr, was die dabei anwesende Angeklagte duldete. Nicht zu überzeugen vermochte sich das Landgericht dagegen von einer Vielzahl weiterer angeklagter Taten, so unter anderem davon, dass sich der Angeklagte P. mit Wissen und Duldung der Angeklagten R. am 17. März 2018, dem Abend vor der Erstürmung ihrer Wohnung durch die Polizei, im Bad von der Nebenklägerin bis zum Samenerguss manuell befriedigen ließ (Fall 96).

2. Seine Feststellungen in den Verurteilungsfällen hat das Landgericht angesichts des Bestreitens des Angeklagten P. vor allem auf die Aussagen zweier Journalisten gestützt, denen die - in der Hauptverhandlung schweigende - Angeklagte R. die Taten "bereitwillig" geschildert habe. Große Teile des Interviews seien überdies durch Videomitschnitte belegt. Die Mitteilungen der Angeklagten stünden im Einklang mit den "generellen Angaben" der Nebenklägerin, die - obschon wenig detailreich und im Einzelnen inkonstant - in allen Vernehmungen, mehreren Gesprächen mit Klinik-Mitarbeiterinnen und Betreuern sowie gegenüber dem aussagepsychologischen Sachverständigen "durchgängig" sexuelle Handlungen mit dem Angeklagten P. im Beisein ihrer Mutter, der Angeklagten R. , geschildert habe. Zudem seien in dem von der Nebenklägerin bei ihrem Auffinden getragenen Slip Spermaspuren des Angeklagten gesichert worden.

II.

1. Während die von der Staatsanwaltschaft erhobene Verfahrensrüge und ihre weiteren Ausführungen zur Sachrüge aus den zutreffenden Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts nicht durchdringen, begegnet der Freispruch des Angeklagten P. im Fall 96 durchgreifenden rechtlichen Bedenken.

a) Denn dieser beruht auf einer lücken- und damit rechtsfehlerhaften Beweiswürdigung, weil die Urteilsgründe die gebotene umfassende Auseinandersetzung mit den Angaben des Zeugen B. vermissen lassen.

aa) Der Zeuge hat in der Hauptverhandlung bekundet, er habe am 17. März 2018 als Polizeibeamter von einem Einsatzfahrzeug aus mit einem Fernglas die Wohnung der Angeklagten observiert. Dabei habe er durch das Badezimmerfenster eine jüngere weibliche Person, die Nebenklägerin, beobachtet, die sich vor den Angeklagten hingekniet habe. Aus den Kopfbewegungen der jungen Frau und den Hüftbewegungen des Angeklagten habe er darauf geschlossen, dass sie Oralverkehr an ihm ausgeübt habe. Es könne auch sein, dass die Nebenklägerin den Angeklagten mit der Hand befriedigt habe; den Genitalbereich des Angeklagten habe er nicht sehen können. Die Angeklagte R. habe das Badezimmer wenig später betreten. Zu diesem Zeitpunkt habe die Nebenklägerin den Raum bereits verlassen gehabt (UA S. 63 f.).

bb) Diese Aussage hat die Strafkammer ihren Feststellungen zu den Beobachtungen des Zeugen zugrunde gelegt (UA S. 29) und mithin als glaubhaft angesehen. Sie hat auch keine Zweifel an der Zuverlässigkeit seiner konkret und detailliert geschilderten Wahrnehmungen geäußert. Gleichwohl hat sie seinen Bekundungen die Beweisbedeutung abgesprochen, weil der Zeuge "Oralsex" beobachtet haben wolle, die Tat jedoch als "manuelle Befriedigung" angeklagt gewesen sei (UA S. 64). Diesem Argument eines Abweichens der Anklage von den Bekundungen eines Zeugen kommt indes für die Beweiswürdigung keine Bedeutung zu, zumal nicht fernliegend ist, dass die Anklage zugunsten des Angeklagten die ihn weniger beschwerende, von dem Zeugen ausdrücklich für möglich gehaltene Handlungsvariante zugrunde gelegt hat.

Der von der Strafkammer zudem im Rahmen der Würdigung der Zeugenaussage herangezogene Gesichtspunkt, die Nebenklägerin habe durchgängig betont, dass sämtliche sexuellen Handlungen im Beisein ihrer Mutter stattgefunden hätten, berücksichtigt nicht ihre konkreten - freilich von den Beobachtungen des Polizeibeamten teilweise abweichenden - Schilderungen der "Situation im Badezimmer am 17. März 2018" gegenüber dem aussagepsychologischen Sachverständigen (UA S. 66).

2. Die gegen den Angeklagten verhängte Gesamtfreiheitsstrafe kann bestehen bleiben. Das neue Tatgericht wird gegebenenfalls nach § 55 StGB zu verfahren haben (vgl. BGH, Urteile vom 21. Dezember 1982 - 1 StR 662/82, NJW 1983, 1130 , 1131; vom 1. November 1988 - 5 StR 259/88 Rn. 8; vom 21. Juni 2007 - 4 StR 69/07 Rn. 25).

3. Demgegenüber kann der Freispruch der Angeklagten R. auch hinsichtlich dieses Falles bestehen bleiben, weil er nicht auf der fehlerhaften Würdigung der Aussage des Zeugen B. beruht. Denn der Zeuge hat ausdrücklich bekundet, dass die Nebenklägerin - nach Vornahme der sexuellen Handlungen am Angeklagten - das Badezimmer verlassen und die Angeklagte R. es sodann betreten habe. Für eine Kenntnis der Angeklagten von der danach gegebenenfalls in ihrer Abwesenheit vorgenommenen sexuellen Handlung und deren Billigung lässt sich aus der Aussage des Zeugen nichts herleiten.

4. Soweit das Landgericht betreffend die Angeklagte R. bei der Bestimmung des Strafrahmens im Fall II. 3 der Urteilsgründe (UA S. 105) eine Sperrwirkung des mitverwirklichten § 176 Abs. 4 StGB angenommen hat, ohne eine - von der Strafkammer im Übrigen angewandte - Strafrahmenverschiebung nach §§ 21 , 49 Abs. 2 StGB zu erörtern, kann der Senat ein Beruhen des Urteils auf diesem Rechtsfehler zulasten der Angeklagten (§ 301 StPO ) ausschließen.

III.

Die Revision des Angeklagten P. hat keinen Erfolg.

Die sachlich-rechtliche Nachprüfung des Urteils hat keinen Rechtsfehler zu seinen Lasten ergeben. Näherer Erörterung bedürfen lediglich folgende Verfahrensrügen:

1. Ohne Erfolg wird die Verletzung von § 136a Abs. 1 Satz 1, § 69 Abs. 3 StPO gerügt.

a) Dieser Rüge liegt folgendes Geschehen zu Grunde:

Die Nebenklägerin wurde vor ihren polizeilichen und ermittlungsrichterlichen Vernehmungen darüber belehrt, dass sie im Hinblick auf ihre Mutter, die Angeklagte R. , zeugnisverweigerungsberechtigt sei; ein Zeugnisverweigerungsrecht betreffend den Angeklagten P. bestehe jedoch nicht. In einer nachfolgenden Vernehmung durch die Staatsanwältin wurde sie über ihr umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht belehrt, das im gesamten Verfahren bestehe und auch schon bei der richterlichen Vernehmung bestanden habe; der Verwertung ihrer früheren Angaben stimmte die Nebenklägerin auf entsprechende Nachfrage zu. In der Hauptverhandlung hat die Nebenklägerin von ihrem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch gemacht. Nach ausführlicher Belehrung (RB S. 18) hat sie jedoch - wie sie anwaltlich beraten zuvor bereits schriftlich mitgeteilt hatte - "sämtliche ihrer Aussagen aus dem Ermittlungsverfahren 'freigegeben'" und bekundet, dass diese "insgesamt verwertet werden" sollten (UA S. 39).

b) Die fehlerhafte Belehrung der Nebenklägerin begründet kein Verwertungsverbot nach § 136a Abs. 3 Satz 2, § 69 Abs. 3 StPO .

aa) Zwar stand ihr das Recht zu, das Zeugnis auch betreffend den Angeklagten P. zu verweigern. Denn in Verfahren gegen mehrere Beschuldigte ist der Zeuge zur Verweigerung des Zeugnisses hinsichtlich aller Beschuldigter berechtigt, sofern der Sachverhalt, zu dem er aussagen soll, auch seinen Angehörigen betrifft (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 23. Juli 1986 - 3 StR 164/86, BGHSt 34, 138 , 139; Beschluss vom 10. Januar 1984 - 5 StR 732/83, NStZ 1984, 176 , 177). Dieser Fall war hier gegeben. Über ihr auch den Angeklagten P. betreffendes Zeugnisverweigerungsrecht hätte die Nebenklägerin vor ihren polizeilichen und ermittlungsrichterlichen Vernehmungen belehrt werden müssen (§ 52 Abs. 3 Satz 1 StPO ).

bb) Daraus folgt jedoch kein Verwertungsverbot nach § 136a Abs. 3 Satz 2, § 69 Abs. 3 StPO . Denn diese Regelungen sind jedenfalls auf versehentliche Belehrungsfehler nicht anwendbar.

(1) Die Norm des § 136a Abs. 1 StPO konkretisiert das verfassungsrechtliche Gebot, auch im Strafverfahren die Menschenwürde des Vernommenen zu achten; sie ist Ausdruck des Grundsatzes, dass die Wahrheit nicht um jeden Preis, sondern nur auf "justizförmige" Weise, d.h. in einem rechtsstaatlich geordneten Verfahren erforscht werden darf (vgl. BVerfG, NJW 1984, 428 mwN.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO , 63. Aufl., § 136a Rn. 1; LR-StPO/Gleß, 27. Aufl., § 136a Rn. 3; BeckOK-StPO/Monka, 35. Ed., § 136a Rn. 1). Die Vorschrift stellt für die staatlich veranlasste Informationsgewinnung elementare Grundsätze auf, die sich unabdingbar aus dem grundgesetzlichen Verständnis des Rechtsstaats ableiten (LR-StPO/Gleß, aaO). Deshalb nennt Absatz 1 schwerwiegende, zum Teil mit hoher Strafe bedrohte Verstöße und versieht sie mit der strengen Rechtsfolge des absoluten Beweisverwertungsverbots (§ 136a Abs. 3 Satz 2 StPO ). Dem Vernommenen wird hierüber kein Verfügungsrecht eingeräumt (§ 136a Abs. 3 Satz 1 und 2 StPO ). Der Regelung kommt daher zum einen eine Sanktionsfunktion zulasten verbotswidrig handelnder Strafverfolgungsorgane zu; zum anderen soll sie der Anwendung unzulässiger Methoden präventiv entgegenwirken.

(2) Entsprechend diesen Gesetzeszwecken erfasst § 136a Abs. 1 StPO nur die Beeinträchtigung der Aussagefreiheit durch gezielten Einsatz unzulässiger Mittel. Eine unvorsätzliche Irreführung ist keine Täuschung im Sinne des § 136a Abs. 1 Satz 1 StPO . Diese setzt vielmehr die wissentliche Irreleitung voraus; fahrlässige Fehlleistungen genügen nicht. Dieser Grundsatz ist von der Rechtsprechung für die Vernehmung von Beschuldigten anerkannt (vgl. BGH, Urteile vom 31. Mai 1968 - 4 StR 19/68, BGHSt 22, 170 , 175; vom 1. April 1992 - 5 StR 457/91, BGHSt 38, 263 , 268; Beschlüsse vom 7. Juni 1983 - 5 StR 409/81, BGHSt 31, 395 , 399 f.; vom 16. März 1989 - 1 StR 608/88, StV 1989, 515 m. abl. Anm. Achenbach; vom 21. Mai 2004 - 1 StR 170/04, NStZ 2004, 631 ; KK-StPO/Diemer, 8. Aufl., § 136a Rn. 19; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, Rn. 13) und gilt nach § 69 Abs. 3 StPO gleichermaßen für die Vernehmung von Zeugen.

(3) Der Schutz des Zeugen vor Konflikten zwischen prozessualer Wahrheitspflicht und engen sozialen Bindungen, dem das in § 52 StPO eingeräumte Zeugnisverweigerungsrecht dienen soll, wird demgegenüber durch die zum Verstoß gegen Belehrungspflichten entwickelten Grundsätze gewährleistet. Insoweit gilt, dass aus dem (versehentlichen) Verstoß gegen die Belehrungspflicht zwar ein Beweisverwertungsverbot folgt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 52 Rn. 32, mwN); er kann aber geheilt werden, wenn der aussageverweigerungsberechtigte Zeuge der Verwertung seiner Aussage nach ordnungsgemäßer Belehrung zustimmt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. Dezember 1958 - GSSt 3/58, BGHSt 12, 235 , 242; vom 22. Juni 1989 - 1 StR 231/89, NStZ 1989, 484 ; Urteile vom 15. Juli 1998 - 1 StR 234/98, NStZ 1999, 91 ; vom 23. September 1999 - 4 StR 189/99, BGHSt 45, 203 , 205 ff.; BeckOK-StPO/Huber, 35. Ed., § 52 Rn. 36; KK-StPO/Bader, aaO, § 52 Rn. 36).

cc) Anhaltspunkte, die auf eine vorsätzlich falsche Belehrung hinweisen, sind von der Revision nicht dargetan (§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ). Gerade der Wortlaut der erteilten Belehrungen, die das Zeugnisverweigerungsrecht der Nebenklägerin gegenüber der Mutter einerseits und ihre - angebliche - Aussagepflicht gegenüber deren Lebensgefährten andererseits betonen, weisen vielmehr darauf hin, dass die Vernehmenden einem Rechtsirrtum erlegen waren. Hätten diese bewusst über die wahre Rechtslage täuschen wollen, wäre eingedenk der möglichen rechtlichen Folgen einer vorsätzlich falschen Belehrung keine solchermaßen detaillierte Protokollierung, sondern ein formelhafter Hinweis auf eine vorgenommene Belehrung zu erwarten gewesen.

2. Auch die Beanstandung des Beschwerdeführers, dass die Staatsanwältin nach ihrer eigenen Vernehmung als Zeugin weiter als Sitzungsvertreterin der Staatsanwaltschaft an der Hauptverhandlung mitgewirkt hat, bleibt ohne Erfolg.

In Fällen, in denen - wie hier - nach der Zeugenvernehmung die vernommene und eine weitere hinzugezogene Staatsanwältin gemeinsam ihre Behörde in der Hauptverhandlung vertreten haben, liegt ein Verfahrensfehler nur dann vor, wenn die vernommene Staatsanwältin bei ihrer weiteren Aufgabenwahrnehmung die Grenzen einer zulässigen Mitwirkung nicht beachtet hat. Mit der Verfahrensrüge, die eine verfahrensfehlerhafte Wahrnehmung der Sitzungsvertretung durch die als Zeugin vernommene Staatsanwältin geltend macht, muss daher im Rahmen des nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO erforderlichen Tatsachenvortrags dargetan werden, dass sie bei der Aufgabenwahrnehmung in der Hauptverhandlung ihre eigenen zeugenschaftlichen Bekundungen gewürdigt oder in sonstiger Weise die Grenzen einer zulässigen Mitwirkung überschritten hat (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Februar 2018 - 4 StR 550/17, NStZ 2018, 482 , 483 mwN). Hier hat der Beschwerdeführer nicht den Inhalt der von ihm beanstandeten Auseinandersetzung der vernommenen Staatsanwältin mit dem vom Angeklagten P. erhobenen Vorwurf mitgeteilt, sie habe verbotene Vernehmungsmethoden angewandt (vgl. RB S. 29, 1. Absatz). Die Beweiswürdigung wurde - laut Revisionsvortrag - von der weiteren anwesenden Staatsanwältin vorgenommen.

Von Rechts wegen

Vorinstanz: LG Cottbus, vom 03.03.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 1250 Js 5892/18 23 KLs 25/18 53 Ss 120/20
Fundstellen
NJW 2021, 2375
NStZ-RR 2021, 142
NStZ-RR 2022, 129
NStZ-RR 2022, 132