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BGH - Entscheidung vom 01.04.2021

I ZR 45/20

Normen:
ZPO § 308 Abs. 1 S. 1
UrhG § 54 Abs. 1
UrhG § 54b Abs. 1
VGG § 35
VGG § 129 Abs. 2 S. 1
VGG § 130 Abs. 1 S. 1
ZPO § 308 Abs. 1 S. 1
UrhG § 54 Abs. 1
UrhG § 54b Abs. 1
VGG § 35
VGG § 129 Abs. 2 S. 1
VGG § 130 Abs. 1 S. 1
VGG § 35
UrhG § 54 Abs. 1
UrhG § 54b Abs. 1

Fundstellen:
BB 2021, 1729
CR 2021, 579
GRUR 2021, 1181
MMR 2021, 833
WRP 2021, 1160
ZUM 2021, 854

BGH, Urteil vom 01.04.2021 - Aktenzeichen I ZR 45/20

DRsp Nr. 2021/10842

Revision im Zusammenhang mit der begehrten Erhöhung der Vergütungssätze nach Vertragsbeendigung durch eine Partei eines Gesamtvertrags; Gesamtvertrag zwischen den Herstellern von USB-Sticks und Speicherkarten und der Zentralstelle für private Überspielungsrechte über die Zahlung urheberrechtlicher Vergütungsansprüche; Festsetzung der Höhe der Vergütungssätze nach billigem Ermessen

a) Die Partei eines Gesamtvertrags, die nach Vertragsbeendigung eine Erhöhung der Vergütungssätze begehrt, trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass eine Änderung der Sachlage eingetreten ist, die eine solche Abänderung rechtfertigt (Festhaltung an BGH, Urteil vom 20. Februar 2013 - I ZR 189/11, GRUR 2013, 1037 Rn. 41 = WRP 2013, 1357 - Weitergeltung als Tarif, mwN).b) Die in einem Gesamtvertrag vorgenommene Festsetzung einer Verzinsungspflicht für Vergütungsansprüche aus zurückliegenden Abrechnungsperioden ist grundsätzlich angemessen, weil aufgrund der Verfahrensdauer die Zeiträume, für die Vergütungen nachzuentrichten sind, im Falle der gerichtlichen Festsetzung regelmäßig länger sind als im Falle der vertraglichen Vereinbarung eines Gesamtvertrags (Fortführung von BGH, Urteil vom 19. November 2015 - I ZR 151/13, GRUR 2016, 792 Rn. 116 = WRP 2016, 1123 - Gesamtvertrag Unterhaltungselektronik).c) Bei der gerichtlichen Festsetzung eines Gesamtvertrags verstößt die Festsetzung einer den Antrag einer Partei übersteigenden Zinshöhe gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO (Fortführung von BGH, Urteil vom 19. November 2015 - I ZR 151/13, GRUR 2016, 792 Rn. 97 = WRP 2016, 1123 - Gesamtvertrag Unterhaltungselektronik).

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des 6. Zivilsenats des Oberlandesgerichts München vom 6. Februar 2020 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels im Kostenpunkt und insoweit aufgehoben, als in § 10 Abs. 8 Satz 1 des Gesamtvertrags die Höhe der vom Vergütungsschuldner zu zahlenden Zinsen festgesetzt worden ist.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Oberlandesgericht zurückverwiesen.

Normenkette:

VGG § 35; UrhG § 54 Abs. 1 ; UrhG § 54b Abs. 1 ;

Tatbestand

Der Kläger ist eine Vereinigung, deren Mitglieder USB-Sticks oder Speicherkarten herstellen oder in die Bundesrepublik Deutschland einführen.

Die Beklagte zu 1, die Zentralstelle für private Überspielungsrechte (ZPÜ), ist ein Zusammenschluss deutscher Verwertungsgesellschaften, die urheberrechtliche Vergütungsansprüche nach § 54 UrhG für die Vervielfältigung von Audiowerken und audiovisuellen Werken geltend machen können. Nach § 5 Abs. 2 des Gesellschaftsvertrags der Beklagten zu 1 vom 29. November 2011 nimmt die Beklagte zu 1 die ihr übertragenen Rechte im eigenen Namen wahr. Die Beklagten zu 2 und 3 sind Verwertungsgesellschaften, die ebenfalls zur Geltendmachung von Vergütungsansprüchen nach § 54 Abs. 1 UrhG berechtigt sind.

Zwischen den Parteien bestand ein Gesamtvertrag vom 18. Dezember 2009/24. März 2010 zur Regelung der Vergütungspflicht von USB-Sticks und Speicherkarten gemäß den §§ 54 ff. UrhG für die Zeit ab dem 1. Januar 2010, in dem eine Vergütung von jeweils 0,10 € pro Stück (ohne Umsatzsteuer) sowie ein Gesamtvertragsnachlass von 20% vorgesehen war. Der Gesamtvertrag wurde von den Beklagten mit Wirkung zum 31. Dezember 2011 ordentlich gekündigt. Im Anschluss hieran vereinbarten die Parteien eine Verlängerung des Gesamtvertrags bis zum 30. Juni 2012.

Die Parteien streiten nunmehr um die Festsetzung eines Gesamtvertrags betreffend die Vergütung für die Herstellung und den Import von USB-Sticks und Speicherkarten rückwirkend für die Zeit ab dem 1. Juli 2012.

In dem von den Parteien geführten, im Jahr 2012 eingeleiteten Schiedsstellenverfahren hat die Schiedsstelle bei dem Deutschen Patent- und Markenamt am 17. Mai 2018 einen Einigungsvorschlag unterbreitet, der für die Zeit ab dem 1. Juli 2012 eine Gerätevergütung pro Stück (ohne Umsatzsteuer) für Speicherkarten und USB-Sticks mit einer Speicherkapazität bis einschließlich 4 GB von 0,15 € sowie für Speicherkarten und USB-Sticks mit einer Speicherkapazität von mehr als 4 GB von 0,35 € vorsieht, wobei den am Gesamtvertrag beteiligten Herstellern und Importeuren ein Gesamtvertragsnachlass von 20% gewährt wird. Gegen diesen Einigungsvorschlag haben der Kläger am 21. Juni 2018 und die Beklagten am 15. Juni 2018 Widerspruch eingelegt.

Am 16. Mai 2012 veröffentlichten die Beklagten einen Tarif für USB-Sticks und Speicherkarten für die Zeit ab dem 1. Juli 2012, der eine Vergütung für USB-Sticks und Speicherkarten mit einer Speicherkapazität kleiner oder gleich 4 GB von 0,91 € sowie für USB-Sticks und Speicherkarten mit einer Speicherkapazität von mehr als 4 GB von 1,95 € vorsah.

Im Februar 2018 schlossen die Parteien einen "Gesamtvertrag zur Regelung der urheberrechtlichen Vergütungspflicht gemäß §§ 54 ff. UrhG für CD- und DVD-Rohlinge für die Zeit ab dem 1. Januar 2008" (Gesamtvertrag CD- und DVD-Rohlinge) ab.

Am 24. Mai 2019 schlossen die Beklagten mit dem Bundesverband Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien e.V. (Bitkom) und dem Gesamtverband der Werbeartikelwirtschaft e.V. (GWW) jeweils inhaltsgleiche Gesamtverträge für USB-Sticks und Speicherkarten für den Zeitraum ab 1. Juli 2012.

Der Kläger hat die Festsetzung eines Gesamtvertrags für USB-Sticks und Speicherkarten für den Zeitraum ab 1. Juli 2012 beantragt, der eine Vergütungspflicht in Höhe von 0,10 € je Stück und einen darauf zu gewährenden Gesamtvertragsnachlass von 20% vorsieht. Eine Verzinsung sieht der vom Kläger beantragte Gesamtvertrag nur für den Fall des Verzugs nach Maßgabe der §§ 247 , 288 BGB ab dem 10. Tag des Verzugs vor.

Die Beklagten sind dem Antrag des Klägers mit einem Gegenantrag entgegengetreten, der auf die Festsetzung eines Gesamtvertrags gerichtet ist, der sich inhaltlich an den von den Beklagten am 24. Mai 2019 mit den Verbänden Bitkom und GWW abgeschlossenen Gesamtvertrag anlehnt. Im Vertragsentwurf der Beklagten heißt es in § 10 Abs. 8:

Die für die jeweiligen Kalenderjahre bestehende Vergütungsschuld, wie sie sich auf Grundlage der nach Absatz 1 zu erteilenden Auskünfte ergibt, ist in den jeweiligen Folgejahren mit den in diesen geltenden durchschnittlichen Zinssätzen zu verzinsen, die von der Deutschen Bundesbank für die Anlage von allen Termingeldern von nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften für das jeweilige Jahr veröffentlicht werden.

Das Oberlandesgericht hat einen Gesamtvertrag zur Regelung der urheberrechtlichen Vergütungspflicht nach § 54 Abs. 1 UrhG von USB-Sticks und Speicherkarten für die Zeit ab dem 1. Juli 2012 festgesetzt, der folgende Regelung zur Vergütungshöhe vorsieht:

§ 3 Vergütung

(1) Für die Vertragsprodukte werden folgende Vergütungen gemäß § 54 Abs. 1 pro Stück vereinbart:

Produkt  Vergütung  Vergütung 
1.7.2012 bis 31.12.2019 (in €)  ab 1.1.2020 (in €) 
USB-Sticks mit einer Speicherkapazität kleiner oder gleich 8 GB  0,14  0,30 
USB-Sticks mit einer Speicherkapazität größer 8 GB  0,30  0,30 
Speicherkarten mit einer Speicherkapazität kleiner oder gleich 8 GB  0,14  0,30 
Speicherkarten mit einer Speicherkapazität größer 8 GB  0,30  0,30 

(2) Auf die Vergütungssätze gemäß Absatz 1 gewähren die Verwertungsgesellschaften den Gesamtvertragsmitgliedern einen Nachlass von 20%, so dass sich für die Gesamtvertragsmitglieder folgende Vergütungen gemäß § 54 Abs. 1 UrhG pro Stück ergeben:

Produkt  Vergütung  Vergütung 
1.7.2012 bis 31.12.2019 (in €)  ab 1.1.2020 (in €) 
USB-Sticks mit einer Speicherkapazität kleiner oder gleich 8 GB  0,14  0,30 
USB-Sticks mit einer Speicherkapazität größer 8 GB  0,30  0,30 
Speicherkarten mit einer Speicherkapazität kleiner oder gleich 8 GB  0,14  0,30 
Speicherkarten mit einer Speicherkapazität größer 8 GB  0,30  0,30 

(3) Auf die Vergütungen nach den Absätzen 1 und 2 fällt nach der geltenden gesetzlichen Regelung keine Umsatzsteuer an.

(...)

Der vom Oberlandesgericht festgesetzte Gesamtvertrag sieht zur Verzinsung in § 10 Abs. 8 folgende Regelung vor:

Die für die jeweiligen Kalenderjahre bestehende Vergütungsschuld, wie sie sich auf Grundlage der nach Absatz 1 zu erteilenden Auskünfte ergibt, ist in den jeweiligen Folgejahren gemäß §§ 247 , 288 Abs. 2 BGB zu verzinsen. Der Zeitraum, für den diese Zinsen berechnet werden, beginnt für die jeweilige Vergütungsforderung je Kalenderjahr jeweils mit dem 1. März des folgenden Kalenderjahres und endet mit dem Tag der Gutschrift der Vergütungsschuld auf dem Konto der ZPÜ, spätestens jedoch mit Fälligkeit der Rechnung gemäß Absatz 3. Die Zinsberechnung erfolgt nach Eingang der Zahlung. Die Zinsen werden für die jeweiligen Kalenderjahre gesondert berechnet.

Zum vom Oberlandesgericht festgesetzten Vertrag gehören ferner Anlage 1 (Muster-Beitrittserklärung), Anlage 2 (Muster-Kündigung), Anlage 3 (Regelung zum Entfallen der Vergütungspflicht für Business-Vertragsprodukte), Anlage 4 (Muster-Pflichtenübernahme) und Anlage 5 (Muster-Auskunftserteilung).

Der Kläger verfolgt mit seiner vom Oberlandesgericht zugelassenen Revision, deren Zurückweisung die Beklagten beantragen, seinen Antrag auf Vertragsfestsetzung weiter.

Entscheidungsgründe

I. Das Oberlandesgericht hat angenommen, der festgesetzte Gesamtvertrag entspreche der Billigkeit, und weiter zur Begründung ausgeführt:

Die Angemessenheit der Vergütungshöhe werde durch die entsprechenden Vergütungsregelungen indiziert, die in den zwischen den Beklagten und Bitkom sowie GWW vereinbarten Gesamtverträgen enthalten seien. Der Vorschlag der Schiedsstelle laute sogar auf eine höhere als die von den Beklagten begehrte Vergütung. Der Kläger könne sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Beklagten den vormals bestehenden Gesamtvertrag mit einer Vergütungshöhe von 0,10 € pro USB-Stick und Speicherkarte gekündigt hätten. Die danach gefundene Einigung zwischen den Beklagten und den Gesamtvertragspartnern Bitkom und GWW zeige, dass sowohl die Verwerterseite als auch die Verwertungsgesellschaften übereinstimmend zu dem Ergebnis gelangt seien, dass eine höhere Vergütung angemessen sei.

Die weiteren Regelungen des Gesamtvertrags entsprächen denjenigen, mit denen sich die Parteien in dem Gesamtvertrag CD- und DVD-Rohlinge einverstanden erklärt hätten. Es könne nicht festgestellt werden, dass im Streitfall insoweit abweichende Regelungen angezeigt wären. Es handele sich bei den Produktgruppen USB-Sticks und Speicherkarten sowie CD- und DVD-Rohlinge um Massenprodukte, die über dieselben Vertriebswege abgesetzt würden.

Eine der in § 2 getroffenen Regelung zum Beitritt und Kündigungsrecht der Gesamtvertragsmitglieder entsprechende Regelung enthalte der vom Kläger beantragte Vertrag nicht. Die Angemessenheit dieser Regelung werde durch den Gesamtvertrag CD- und DVD-Rohlinge indiziert.

Die von dem Kläger mit § 11 Abs. 2 beantragte Informationspflicht der ZPÜ finde im Gesamtvertrag CD- und DVD-Rohlinge keine Entsprechung. Die dort getroffene Regelung schließe - im Gegenteil - eine Nachweispflicht der ZPÜ gerade aus. Der Kläger habe nicht dargetan, dass die von ihm begehrte Regelung der Angemessenheit entspreche.

Die festgesetzten Regelungen zur Entstehung des Vergütungsanspruchs (§ 5), zu den Ausnahmen von der Vergütungspflicht (§ 6), zur Übernahme der Pflichten durch Dritte (§ 7), zur Zahlungsweise und Fälligkeit (§ 9), zur Unterstützung durch den Kläger (§ 11), zu den Pflichten der Gesamtvertragsmitglieder (§ 12), zu den Pflichten der Verwertungsgesellschaften (§ 13), zur Laufzeit des Vertrags (§ 14), zur Erledigung anhängiger Einzelverfahren (§ 15), zum Haftungsausschluss des Klägers sowie zu den Schlussbestimmungen (§ 17) entsprächen im Wesentlichen denjenigen im Gesamtvertrag CD- und DVD-Rohlinge. Soweit der Antrag des Klägers hiervon abweiche, sei nicht vorgetragen, warum eine anderweitige Vereinbarung als angemessen anzusehen sei. Mit Blick auf § 7 sei insbesondere nicht ersichtlich, warum der Kläger beanspruchen können sollte, dass die Verpflichtungen eines Herstellers oder Importeurs zur Geräteabgabe durch einen Dritten, der nicht Gesamtvertragsmitglied sei, übernommen werden könnten.

Die festgesetzte Regelung zur Auskunfts- und Meldepflicht (§ 8) entspreche ebenfalls derjenigen im Gesamtvertrag CD- und DVD-Rohlinge. Die Regelung zur Nachweispflicht für einen Vergütungsbetrag ab 200.000 € sei für den Kläger im Vergleich zum Gesamtvertrag CD- und DVD-Rohlinge günstiger, weil dort die Nachweispflicht bereits ab 60.000 € gelte. Eine Unangemessenheit der von den Beklagten vorgeschlagenen Regelung könne nicht festgestellt werden. Soweit die vom Kläger beantragte Fassung des § 8 vom Gesamtvertrag CD- und DVD-Rohlinge abweiche, sei nicht vorgetragen, warum eine anderweitige Regelung als angemessen anzusehen sei.

Die Regelung zur Verzinsung in § 10 Abs. 8 trage dem Umstand Rechnung, dass nach bestandskräftiger Feststellung des Gesamtvertrags ein Beitritt rückwirkend zum 1. Juli 2012 möglich sei und eine Verpflichtung zur Zahlung erst nach Auskunftserteilung und Rechnungslegung bestehe. Es sei nicht unangemessen, diese verspätete Zahlung der Vergütung durch eine Verzinsung der Nachzahlung auszugleichen. Mit dem Argument der Niedrig- oder gar Negativzinsphase könne ein geldwerter Vorteil auf Seiten der Vergütungsschuldner ebenso wenig in Abrede gestellt werden wie ein den Urheberrechtsinhabern drohender finanzieller Nachteil, wenn die Vergütungen erst mit mehrjähriger Verzögerung ausgeschüttet würden. Die gefundene Regelung sei deshalb auch unter Berücksichtigung des Umstands angemessen, dass die Gesamtverträge mit Bitkom und GWW eine solche nicht enthielten.

II. Die Revision hat überwiegend keinen Erfolg. Die vom Oberlandesgericht vorgenommene Gesamtvertragsfestsetzung ist bis auf die Regelung zur Verzinsung der Vergütungsforderung in § 10 Abs. 8 revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

1. Nach § 35 VGG (vormals § 12 UrhWG ) ist eine Verwertungsgesellschaft verpflichtet, mit Nutzervereinigungen über die von ihr wahrgenommenen Rechte einen Gesamtvertrag zu angemessenen Bedingungen abzuschließen.

a) Der Kläger ist eine Nutzervereinigung im Sinne von § 35 VGG. Nutzer ist nach der in § 8 VGG niedergelegten Legaldefinition jede natürliche oder juristische Person, die eine Handlung vornimmt, die der Erlaubnis des Rechtsinhabers bedarf, oder die zur Zahlung einer Vergütung an den Rechtsinhaber verpflichtet ist. Von dem Begriff des Nutzers sind auch Hersteller, Importeure und Händler von Geräten und Speichermedien im Sinne von §§ 54 und 54b UrhG erfasst (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines VG-Richtlinie-Umsetzungsgesetzes, BT-Drucks. 18/7223, S. 83 f.). Der Kläger ist eine Vereinigung, deren Mitglieder als Hersteller und Importeure von Speichermedien, deren Typ zur Vornahme von Vervielfältigungen zum privaten und sonstigen eigenen Gebrauch nach § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG benutzt wird, gemäß § 54 Abs. 1 und § 54b Abs. 1 UrhG zur Zahlung einer angemessenen Vergütung verpflichtet sind.

Soweit sich die Anzahl der Gesellschafter des Klägers im Laufe des Verfahrens verringert hat, ist von den Beklagten nicht geltend gemacht und im Übrigen auch nicht ersichtlich, dass den Beklagten der Abschluss eines Gesamtvertrags deshalb nicht mehr zuzumuten ist (§ 35 Halbsatz 2 VGG).

b) Die Beklagten zu 2 und zu 3 sind Verwertungsgesellschaften gemäß § 35 VGG. Nach § 2 Abs. 1 VGG ist eine Verwertungsgesellschaft eine Organisation, die gesetzlich oder auf Grundlage einer vertraglichen Vereinbarung berechtigt ist und deren ausschließlicher oder hauptsächlicher Zweck es ist, für Rechnung mehrerer Rechtsinhaber Urheberrechte oder verwandte Schutzrechte zu deren kollektiven Nutzen wahrzunehmen, gleichviel, ob in eigenem oder in fremdem Namen. Die Beklagten zu 2 und zu 3 sind Organisationen, die auf der Grundlage von mit Wahrnehmungsberechtigten geschlossenen Verträgen zur Wahrnehmung vertraglicher und gesetzlicher Vergütungsansprüche berechtigt sind.

Die Beklagte zu 1 ist eine abhängige Verwertungseinrichtung, auf die § 35 VGG entsprechend anwendbar ist. Nach § 3 Abs. 1 VGG ist eine abhängige Verwertungseinrichtung eine Organisation, deren Anteile zumindest indirekt oder teilweise von mindestens einer Verwertungsgesellschaft gehalten werden oder die zumindest indirekt oder teilweise von mindestens einer Verwertungsgesellschaft beherrscht wird. Soweit die abhängige Verwertungseinrichtung Tätigkeiten einer Verwertungsgesellschaft ausübt, sind nach § 3 Abs. 2 Satz 1 VGG die für diese Tätigkeiten geltenden Bestimmungen des Verwertungsgesellschaftengesetzes entsprechend anzuwenden. Danach ist die Beklagte zu 1 als Inkassogesellschaft, der die in ihr zusammengeschlossenen Verwertungsgesellschaften die von ihnen gemäß § 54h Abs. 1 UrhG wahrzunehmenden Ansprüche nach § 54 Abs. 1 und § 54b Abs. 1 UrhG zur Einziehung übertragen haben, in entsprechender Anwendung von § 35 VGG zum Abschluss eines Gesamtvertrags verpflichtet (vgl. Begründung zum Regierungsentwurf eines VG-Richtlinie-Umsetzungsgesetzes, BT-Drucks. 18/7223, S. 72; BGH, Urteil vom 16. März 2017 - I ZR 36/15, GRUR 2017, 694 Rn. 25 = WRP 2017, 826 - Gesamtvertrag PCs).

c) Einer einvernehmlichen Einbeziehung mehrerer Verwertungsgesellschaften in den Abschluss eines Gesamtvertrags mit einer Nutzervereinigung über von diesen Verwertungsgesellschaften wahrgenommene Rechte steht § 35 VGG nicht entgegen (BGH, Urteil vom 21. Juli 2016 - I ZR 212/14, GRUR 2017, 161 Rn. 30 = WRP 2017, 193 - Gesamtvertrag Speichermedien, mwN).

2. Da das Verfahren nach dem 1. Juni 2016 bei Gericht anhängig geworden ist, finden auf das gerichtliche Verfahren die Vorschriften der §§ 128 bis 131 VGG Anwendung (vgl. § 139 Abs. 3 VGG). Nachdem sich die Parteien nicht über den Abschluss eines Gesamtvertrags geeinigt haben, konnte jeder Beteiligte - nach Anrufung der Schiedsstelle (§ 92 Abs. 1 Nr. 3, § 128 Abs. 1 Satz 1 VGG) - vor dem für den Sitz der Schiedsstelle zuständigen Oberlandesgericht, also vor dem Oberlandesgericht München, gemäß § 129 Abs. 1 Satz 1 VGG Klage auf Festsetzung eines Gesamtvertrags erheben (zu § 16 UrhWG vgl. BGH, GRUR 2017, 161 Rn. 31 - Gesamtvertrag Speichermedien, mwN).

3. Die Festsetzung eines Gesamtvertrags durch das Oberlandesgericht erfolgt gemäß § 130 Satz 1 VGG nach billigem Ermessen. Sie ist eine rechtsgestaltende Entscheidung, für die dem Oberlandesgericht ein weiter Ermessensspielraum eingeräumt ist. Sie kann vom Revisionsgericht - abgesehen von gerügten Verfahrensverstößen - nur darauf überprüft werden, ob das Oberlandesgericht sein Ermessen fehlerfrei ausgeübt hat. Das ist nicht der Fall, wenn das Oberlandesgericht den Begriff der Billigkeit verkannt oder die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten oder von seinem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht hat oder von einem rechtlich unzutreffenden Ansatz ausgegangen ist, der ihm den Zugang zu einer fehlerfreien Ermessensausübung versperrt hat. Die Begründung der festsetzenden Entscheidung muss dem Revisionsgericht die Möglichkeit geben, in eine solche - eingeschränkte - Überprüfung einzutreten. Insbesondere muss sich aus ihr ergeben, weshalb von vergleichbaren Regelungen in anderen Gesamtverträgen abgewichen oder Vorschlägen der Schiedsstelle nicht gefolgt wird (vgl. BGH, Urteil vom 20. März 2013 - I ZR 84/11, GRUR 2013, 1220 Rn. 19 = WRP 2013, 1627 - Gesamtvertrag Hochschul-Intranet; Urteil vom 18. Juni 2014 - I ZR 215/12, GRUR 2015, 61 Rn. 31 = WRP 2015, 56 - Gesamtvertrag Tanzschulkurse; Urteil vom 19. November 2015 - I ZR 151/13, GRUR 2016, 792 Rn. 24 = WRP 2016, 1123 - Gesamtvertrag Unterhaltungselektronik; BGH, GRUR 2017, 161 Rn. 32 - Gesamtvertrag Speichermedien).

Das Oberlandesgericht ist nach der für das Verfahren über einen Anspruch auf Abschluss eines Gesamtvertrags gemäß § 129 Abs. 2 Satz 1 VGG entsprechend anwendbaren Bestimmung des § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO jedoch nicht befugt, einer Partei etwas zuzusprechen, was nicht beantragt ist. Das Ermessen des Oberlandesgerichts bei der Festsetzung des Inhalts eines Gesamtvertrags ist durch die Parteianträge begrenzt (vgl. zu § 16 UrhWG BGH, GRUR 2016, 792 Rn. 97 - Gesamtvertrag Unterhaltungselektronik, mwN).

Nach diesen Maßstäben halten die Festsetzungen des Oberlandesgerichts einer revisionsrechtlichen Nachprüfung allein hinsichtlich der Verzinsung der Vergütungsansprüche nicht stand.

a) Die Revision wendet sich nicht gegen die Annahme des Oberlandesgerichts, dass die Beklagte zu 1 als Inkassogesellschaft derjenigen Verwertungsgesellschaften, die die Ansprüche der Urheber und Leistungsschutzberechtigten auf Zahlung einer Geräte- und Speichermedienvergütung für die Vervielfältigung von Audiowerken und audiovisuellen Werken wahrnehmen, und die Beklagten zu 2 und zu 3 als zur Wahrnehmung der Ansprüche auf Zahlung einer Geräte- und Speichermedienvergütung für die Vervielfältigung von stehendem Text und Bild berechtigte Verwertungsgesellschaften (§ 54h Abs. 1 UrhG ) von den Mitgliedern des Klägers, die Speichermedien herstellen oder in den Geltungsbereich des Urheberrechtsgesetzes importieren, gemäß § 54 Abs. 1 , § 54b Abs. 1 UrhG dem Grunde nach die Zahlung einer angemessenen Vergütung verlangen können. Die Revision wendet sich weiter nicht gegen die Feststellung, dass USB-Sticks und Speicherkarten, die Gegenstand des festgesetzten Gesamtvertrags sind, nach § 54 Abs. 1 , § 54b Abs. 1 UrhG vergütungspflichtige Geräte darstellen. Rechtsfehler sind insoweit auch nicht ersichtlich.

b) Die Revision macht geltend, das Oberlandesgericht habe von dem ihm eingeräumten Ermessen nicht in einer dem Zweck der Ermächtigung entsprechenden Weise Gebrauch gemacht, weil es die Regelung zur Vergütungshöhe den zwischen den Beklagten und den Verbänden Bitkom und GWW vereinbarten Gesamtverträgen für USB-Sticks und Speicherkarten entnommen habe und die weiteren Regelungen dem von den Parteien vereinbarten Gesamtvertrag CD- und DVD-Rohlinge. Eine Vorgehensweise, bei der selektiv aus verschiedenen Vertragswerken jeweils die Regelungen übernommen würden, die eine Partei zulasten der anderen begünstigten, könne schon im Ansatz nicht zu angemessenen Bedingungen führen. Die Beurteilung des Oberlandesgerichts sei weiter ermessensfehlerhaft, weil es die Übernahme gesamtvertraglicher Regelungen für CD- und DVD-Rohlinge in einen Gesamtvertrag für USB-Sticks und Speicherkarten nicht nachvollziehbar begründet habe und hierbei in das rechtliche Gehör des Klägers verletzender und willkürlicher Weise verfahren sei. Hiermit hat die Revision keinen Erfolg.

aa) Bei der Festsetzung eines Gesamtvertrags können vergleichbare Regelungen in anderen Gesamtverträgen insbesondere dann einen gewichtigen Anhaltspunkt für die Billigkeit einer Regelung bieten, wenn diese Verträge zwischen den Parteien oder unter Beteiligung einer der Parteien geschlossen worden sind (vgl. BGH, GRUR 2013, 1220 Rn. 20 - Gesamtvertrag Hochschul-Intranet; GRUR 2017, 694 Rn. 58 - Gesamtvertrag PCs). Insofern unterliegt es im Ausgangspunkt keinen rechtlichen Bedenken, dass das Oberlandesgericht bei der Festsetzung auf die Indizwirkung zwischen den Parteien oder unter Beteiligung einer der Parteien geschlossener Gesamtverträge abgestellt hat.

bb) Soweit die Revision geltend macht, das Oberlandesgericht habe in nicht dem Zweck der Ermächtigung entsprechender Weise selektiv Regelungen aus verschiedenen Gesamtverträgen zum Nachteil des Klägers zusammengestellt, dringt sie hiermit nicht durch.

Das Oberlandesgericht hat das Regelungswerk des festgesetzten Gesamtvertrags bis auf die Vergütungssätze dem zwischen den Parteien abgeschlossenen Gesamtvertrag CD- und DVD-Rohlinge entnommen. Nach den von der Revision nicht angegriffenen Feststellungen des Oberlandesgerichts handelt es sich bei beiden Produktgruppen um Massenprodukte, die über dieselben Vertriebswege abgesetzt werden. Die auf dieser Grundlage getroffene Beurteilung des Oberlandesgerichts, bei dem Vergleich der jeweiligen Vertragsprodukte könne nicht festgestellt werden, dass im Falle von USB-Sticks und Speicherkarten abweichende Regelungen angezeigt seien, lässt keine dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechende Ermessensausübung erkennen. Die Revision legt auch nicht dar, warum die Übernahme von Regelungsbestandteilen aus dem Gesamtvertrag CD- und DVD-Rohlinge - etwa zur Entstehung des Vergütungsanspruchs, zu den Ausnahmen von der Vergütungspflicht, zur Übernahme der Pflichten durch Dritte, zur Auskunfts- und Meldepflicht, zur Zahlungsweise und Fälligkeit, zur Unterstützung durch den Kläger, zu den Pflichten der Gesamtvertragsmitglieder, zu den Pflichten der Verwertungsgesellschaften, zur Laufzeit des Vertrags, zur Erledigung anhängiger Einzelverfahren, zum Haftungsausschluss des Klägers sowie zu den Schlussbestimmungen - im Falle von USB-Sticks und Speicherkarten zweckwidrig ist. Allein der Umstand, dass das Oberlandesgericht sich bei der Festsetzung der Vergütungshöhe auf die Indizwirkung eines anderen Gesamtvertrags gestützt hat, der identische Vertragsprodukte betrifft, begründet keinen Ermessensfehler. Der von der Revision erhobene Willkürvorwurf geht vor diesem Hintergrund erst recht fehl.

cc) Ohne Erfolg bleibt auch die Rüge, die Würdigung des Oberlandesgerichts leide infolge der Außerachtlassung von Vortrag des Klägers an Ermessensfehlern. Soweit das Oberlandesgericht ausgeführt hat, der Kläger habe jeweils nicht vorgetragen, warum eine anderweitige Vereinbarung angemessen sei, kann hieraus nicht geschlossen werden, dass es den vom Kläger zur Begründung seines Antrags gehaltenen Sachvortrag und sein Argument, mangels einer maßgeblichen Änderung der tatsächlichen Umstände sei zu vermuten, dass die im vormals zwischen den Parteien vereinbarten Gesamtvertrag für USB-Sticks und Speicherkarten enthaltenen Regelungen weiterhin angemessen seien, nicht berücksichtigt hat.

Das Oberlandesgericht hat auch nicht, wie von der Revision gerügt, seine Hinweispflicht nach § 139 ZPO verletzt, indem es vor Erlass seines Urteils nicht darauf hingewiesen hat, dass es den festzusetzenden Gesamtvertrag bis auf die Vergütungshöhe an dem Gesamtvertrag CD- und DVD-Rohlinge zu orientieren beabsichtigte. Entgegen der Auffassung der Revision hat das Oberlandesgericht damit keine Überraschungsentscheidung getroffen, sondern das ihm im Rahmen des § 130 Abs. 1 Satz 1 VGG zustehende Ermessen ausgeübt. Sämtliche vom Oberlandesgericht gewürdigten Gesamtverträge waren Gegenstand des Vortrags der Parteien, so dass auch der Kläger die Möglichkeit hatte, hierzu Stellung zu nehmen. Jedenfalls trägt die Revision nicht spezifiziert vor, welchen Vortrag der Kläger im Falle des von der Revision vermissten Hinweises gehalten hätte, sondern begnügt sich mit der pauschalen Behauptung, in diesem Fall wäre auf das Gesamtgefüge eines Gesamtvertrags und Wechselwirkungen zwischen vorteilhaften und nachteiligen Regelungen hingewiesen worden. Damit genügt die Revision nicht den Anforderungen an die Darlegung einer entscheidungserheblichen Hinweispflichtverletzung (dazu vgl. BGH, Urteil vom 15. Februar 2018 - I ZR 243/16, GRUR 2018, 740 Rn. 13 = WRP 2018, 824 - Gewohnt gute Qualität, mwN).

c) Die Revision beanstandet vergeblich, das Oberlandesgericht habe bei der Festsetzung der Höhe der Vergütungssätze die Indizwirkung von Gesamtverträgen ermessensfehlerhaft berücksichtigt und hierbei die Grundsätze der Darlegungs- und Beweislast sowie den Umstand verkannt, dass die Beklagten Normadressaten des § 19 GWB seien.

aa) Die Höhe der nach § 54 Abs. 1 , § 54b Abs. 1 UrhG geschuldeten Vergütung entspricht der Höhe des Schadens, den Urheber und Leistungsschutzberechtigte dadurch erleiden, dass das jeweilige Gerät oder Speichermedium als Typ ohne ihre Erlaubnis tatsächlich für nach § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG zulässige Vervielfältigungen genutzt wird. Zum Ausgleich dieses Schadens ist grundsätzlich die angemessene Vergütung zu zahlen, die die Nutzer hätten entrichten müssen, wenn sie die Erlaubnis für die Vervielfältigungen eingeholt hätten (BGH, GRUR 2016, 792 Rn. 30 bis 41 - Gesamtvertrag Unterhaltungselektronik; GRUR 2017, 161 Rn. 38 bis 48 - Gesamtvertrag Speichermedien; GRUR 2017, 694 Rn. 40 - Gesamtvertrag PCs; vgl. auch EuGH, Urteil vom 22. September 2016 - C-110/15, GRUR Int. 2016, 1066 Rn. 26 = WRP 2016, 1482 - Microsoft u.a./MIBAC u.a.).

Für die Bestimmung der angemessenen Vergütung können bereits abgeschlossene Gesamtverträge herangezogen werden. Die Annahme der indiziellen Wirkung vereinbarter Gesamtverträge knüpft an den Umstand an, dass ein im Wege privatautonomer Verhandlungen zwischen sachkundigen Verhandlungspartnern erzieltes Vertragsergebnis ein angemessenes Abbild des den Urheberrechtsinhabern durch die in § 53 Abs. 1 bis 3 UrhG genannten Nutzungen tatsächlich entstehenden Schadens darstellt (BGH, Urteil vom 10. September 2020 - I ZR 66/19, GRUR 2021, 604 Rn. 22 = WRP 2021, 644 - Gesamtvertragsnachlass).

Die Angemessenheit der Vergütungshöhe kann sich etwa aus früheren Gesamtverträgen der Parteien über dieselben oder vergleichbare Nutzungen ergeben (vgl. BGH, Urteil vom 5. April 2001, I ZR 132/98, GRUR 2001, 1139 , 1142 [juris Rn. 63] = WRP 2001, 1345 - Gesamtvertrag privater Rundfunk; BGH GRUR 2015, 61 Rn. 34 - Gesamtvertrag Tanzschulkurse). Eine Indizwirkung kann weiter solchen Gesamtverträgen zukommen, die einen nach Vertragsprodukten und Zeitraum übereinstimmenden Inhalt haben. Eine Indizwirkung kommt auch in Betracht, wenn der in Bezug genommene Gesamtvertrag dem festzusetzenden Gesamtvertrag zeitlich nachgelagert ist, weil die für einen späteren Zeitraum von den Vertragsparteien als angemessen angesehene Vergütungshöhe auch für den davor liegenden Zeitraum aussagekräftig sein kann (vgl. BGH, GRUR 2017, 694 Rn. 58 - Gesamtvertrag PCs, mwN). Umgekehrt kann ein zeitlich vorgelagerter Gesamtvertrag indizielle Wirkung für die angemessene Vergütungshöhe haben, sofern nicht spätere tatsächliche oder rechtliche Entwicklungen für eine abweichende Festlegung sprechen. Eine indizielle Wirkung im vorstehenden Sinne kann nicht nur vertraglich vereinbarten, sondern auch gerichtlich festgesetzten Gesamtverträgen zukommen (BGH, GRUR 2021, 604 Rn. 22 - Gesamtvertragsnachlass).

Diejenige Partei eines Gesamtvertrags, die nach Vertragsbeendigung eine Erhöhung der Vergütungssätze begehrt, trägt die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass eine Änderung der Sachlage eingetreten ist, die eine solche Abänderung rechtfertigt (vgl. zu § 27 UrhWG aF BGH, Urteil vom 20. Februar 2013 - I ZR 189/11, GRUR 2013, 1037 Rn. 41 = WRP 2013, 1357 - Weitergeltung als Tarif, mwN).

bb) Die Revision beanstandet ohne Erfolg, das Oberlandesgericht habe in ermessensfehlerhafter Weise die Indizwirkung nicht dem zwischen den Parteien zuvor bestehenden Gesamtvertrag für USB-Sticks und Speicherkarten, sondern den zwischen Beklagten und Bitkom sowie GWW abgeschlossenen Gesamtverträgen entnommen.

(1) Es trifft allerdings zu, dass - wie die Revision geltend macht - sich aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kein Vorrang eines Gesamtvertrags, der nur unter Beteiligung einer der Parteien geschlossen worden ist, vor einem zwischen beiden Parteien geschlossenen Gesamtvertrag ergibt. Die Bestimmung der angemessenen Vergütungshöhe entzieht sich vielmehr, wie soeben dargestellt (Rn. 42 ff.), einer solchen schematischen Betrachtungsweise.

(2) Vom Vorliegen einer gegenüber dem vormals zwischen den Parteien bestehenden Gesamtvertrag geänderten Sachlage ist das Oberlandesgericht im Streitfall ausgegangen, indem es den zwar ohne Beteiligung des Klägers, aber von den Beklagten mit Bitkom und GWW abgeschlossenen Gesamtverträgen wegen der Übereinstimmung der Vertragsprodukte und ihres auch im Streitfall einschlägigen Zeitraums maßgebliche Indizwirkung für die Vergütungshöhe zugesprochen hat. Die Annahme des Oberlandesgerichts, der Umstand, dass die Beklagten und die Verwerterseite für den an den zwischen den Parteien vormals bestehenden Gesamtvertrag anschließenden Zeitraum eine höhere Vergütung vereinbart hätten, lasse eine höhere Vergütung als angemessen erscheinen, unterliegt daher keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Sie lässt zugleich erkennen, dass das Oberlandesgericht den vormals zwischen den Parteien bestehenden Gesamtvertrag über USB-Sticks und Speicherkarten bei seinen Überlegungen - entgegen der Ansicht der Revision - berücksichtigt hat.

(3) Ohne Erfolg wendet die Revision ein, das Oberlandesgericht habe keine Feststellungen dazu getroffen, dass der Kläger und die Parteien der für die Vergütungshöhe indiziell herangezogenen Gesamtverträge Bitkom und GWW nach der jeweiligen Mitgliedschaft vergleichbar seien. Die Revision vermag nicht darauf zu verweisen, dass das Oberlandesgericht vom Kläger gehaltenen Vortrag zu einer etwaig abweichenden Mitgliederstruktur von Bitkom und GWW übergangen hat.

(4) Zu Recht hat das Oberlandesgericht zudem in seine Beurteilung einbezogen, dass der Schiedsstellenvorschlag sogar höhere als die von den Beklagten beantragten Vergütungssätze vorsieht. Vorschläge der Schiedsstelle, die wesentlich häufiger als das Oberlandesgericht mit Gesamtvertragsverfahren und der Überprüfung von Tarifen befasst und daher besonders sachkundig ist, können ebenfalls eine Vermutung der Angemessenheit für sich haben (vgl. BGH, GRUR 2001, 1139 , 1142 [juris Rn. 64] - Gesamtvertrag privater Rundfunk; GRUR 2013, 1220 Rn. 21 - Gesamtvertrag Hochschul-Intranet).

cc) Entgegen der Auffassung der Revision beruht die Beurteilung des Oberlandesgerichts auch nicht auf einer Verkennung der Darlegungs- und Beweislast. Vielmehr hat das Oberlandesgericht den von den Beklagten zu führenden Nachweis einer Änderung der Sachlage, die eine Erhöhung der Vergütungssätze gegenüber dem zwischen den Parteien vormals bestehenden Gesamtvertrag rechtfertigt, mit Blick auf die von den Beklagten in Bezug genommenen Gesamtverträge mit Bitkom und GWW als erbracht angesehen.

dd) Ohne Erfolg macht die Revision geltend, das Oberlandesgericht habe in ermessensfehlerhafter Weise den Umstand außer Betracht gelassen, dass die Beklagten Normadressaten des § 19 GWB sind.

Das in § 19 GWB geregelte Verbot des Missbrauchs einer marktbeherrschenden Stellung steht der vom Oberlandesgericht vorgenommenen Festsetzung nicht entgegen. Zwar sind die Mitglieder der Beklagten zu 1 sowie die Beklagten zu 2 und 3 als für den Bereich der Wahrnehmung der Urheber- und Leistungsschutzrechte marktbeherrschende Verwertungsgesellschaften Normadressaten (vgl. EuGH, Urteil vom 27. Februar 2014 - C-351/12, GRUR 2014, 473 Rn. 80 und 86 = WRP 2014, 418 - OSA; BGH, Urteil vom 10. September 2020 - I ZR 63/19, GRUR 2021, 600 Rn. 28 = WRP 2021, 647 - Außenseiter, mwN). Darin, dass sie die Festsetzung eines Gesamtvertrags durch das Oberlandesgericht nach billigem Ermessen beanspruchen, liegt jedoch keine missbräuchliche Ausnutzung ihrer marktbeherrschenden Stellung (vgl. BGH, Urteil vom 30. Januar 2008 - I ZR 131/05, GRUR 2008, 786 Rn. 41 = WRP 2008, 1229 - Multifunktionsgeräte; BGH, GRUR 2017, 694 Rn. 64 - Gesamtvertrag PCs). Im Übrigen wird, indem bereits abgeschlossenen Gesamtverträgen indizielle Wirkung bei der Bestimmung der Angemessenheit der Vergütung beigemessen wird, nicht nur dem Angemessenheitsgebot der §§ 35, 38 VGG, sondern gerade auch dem kartellrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz, dem die Beklagten unterliegen, Rechnung getragen (vgl. BGH, GRUR 2001, 1139 , 1142 [juris Rn. 63] - Gesamtvertrag privater Rundfunk).

d) Erfolg hat die Revision lediglich insoweit, als sie sich gegen die Festsetzung der Regelungen über die Verzinsung der Vergütungsforderung in § 10 Abs. 8 richtet.

aa) Der Kläger wendet sich allerdings nicht dagegen, dass im Gesamtvertrag eine Verzinsung dem Grunde nach festgesetzt worden ist. Die Festlegung einer Verzinsungspflicht für Vergütungsansprüche aus zurückliegenden Abrechnungsperioden ist im Falle der gerichtlichen Festsetzung eines Gesamtvertrags grundsätzlich angemessen, weil aufgrund der Verfahrensdauer die Zeiträume, für die Vergütungen nachzuentrichten sind, regelmäßig länger sind als im Falle der vertraglichen Vereinbarung eines Gesamtvertrags (vgl. auch BGH, GRUR 2016, 792 Rn. 116 - Gesamtvertrag Unterhaltungselektronik).

bb) Erfolgreich greift die Revision die vom Oberlandesgericht in § 10 Abs. 8 Satz 1 festgesetzte Zinshöhe an. Hiermit hat das Oberlandesgericht den Beklagten unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO mehr als von ihnen beantragt zugesprochen, so dass die Festsetzung der Zinshöhe keinen Bestand haben kann.

(1) Die Beklagten haben beantragt, in § 10 Abs. 8 Satz 1 des Gesamtvertrags folgende Zinshöhe festzulegen:

Die für die jeweiligen Kalenderjahre bestehende Vergütungsschuld, wie sie sich auf Grundlage der nach Absatz 1 zu erteilenden Auskünfte ergibt, ist in den jeweiligen Folgejahren mit den in diesen geltenden durchschnittlichen Zinssätzen zu verzinsen, die von der Deutschen Bundesbank für die Anlage von allen Termingeldern von nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften für das jeweilige Jahr veröffentlicht werden.

Das Oberlandesgericht hat stattdessen das Zinsmaß der §§ 247 , 288 Abs. 2 BGB festgesetzt, mithin Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz.

(2) Die Revision macht mit Erfolg geltend, dass die festgesetzte Zinshöhe die beantragte übersteigt.

Der nach § 247 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 BGB jeweils halbjährlich veränderliche und von der Bundesbank im Bundesanzeiger bekanntzugebende Basiszinssatz betrug - exemplarisch - seit dem 1. Juli 2012 0,12% und seit dem 1. Januar 2020 -0,88%. Der Zins nach §§ 247 , 288 Abs. 2 BGB belief sich damit - exemplarisch - seit dem 1. Juli 2012 auf 9,12% und seit dem 1. Januar 2020 auf 8,12%.

Die den Gegenstand des Antrags der Beklagten bildenden Zinssätze, die von der Deutschen Bundesbank für die Anlage von allen Termingeldern von nichtfinanziellen Kapitalgesellschaften jährlich veröffentlicht werden, beliefen sich im Juli 2012 auf zwischen 0,38% (täglich fällig), 0,39% (vereinbarte Laufzeit bis zu einem Jahr), 1,29% (vereinbarte Laufzeit über ein bis zwei Jahre) und 1,61% (vereinbarte Laufzeit von über zwei Jahren). Im Januar 2020 beliefen sich diese Zinssätze auf zwischen -0,06% (täglich fällig), 0,11% (vereinbarte Laufzeit bis zu einem Jahr), 1,12% (vereinbarte Laufzeit über ein bis zwei Jahre) und 0,34% (vereinbarte Laufzeit von über zwei Jahren).

(3) Damit hat das Oberlandesgericht unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 Satz 1 ZPO höhere Zinssätze als von den Beklagten beantragt festgesetzt.

Die Annahme einer grundsätzlich möglichen Heilung eines Verstoßes gegen § 308 ZPO durch eine im Antrag der begünstigten Partei auf Zurückweisung des Rechtsmittels zum Ausdruck kommende Genehmigung kommt in der Revisionsinstanz - so auch im Streitfall - nicht in Betracht, weil eine Klageerweiterung in der Revisionsinstanz ausgeschlossen ist (vgl. nur BGH, Urteil vom 18. Dezember 2019 - IV ZR 65/19, VersR 2020, 276 Rn. 26 mwN; Zöller/Feskorn, ZPO , 33. Aufl., § 308 Rn. 7).

4. Eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nach Art. 267 Abs. 3 AEUV ist nicht veranlasst (vgl. EuGH, Urteil vom 6. Oktober 1982 - 283/81, Slg. 1982, 3415 Rn. 21 = NJW 1983, 1257 - Cilfit u.a.; Urteil vom 1. Oktober 2015 - C-452/14, GRUR Int. 2015, 1152 Rn. 43 - Doc Generici, mwN). Im Streitfall stellt sich keine entscheidungserhebliche Frage zur Auslegung des Unionsrechts, die nicht bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt oder nicht zweifelsfrei zu beantworten ist.

III. Die Revision des Klägers führt danach unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels zur Aufhebung des angefochtenen Urteils, soweit darin in § 10 Abs. 8 Satz 1 des Gesamtvertrags die Höhe der vom Vergütungsschuldner zu zahlenden Zinsen festgesetzt worden ist. Die übrigen Festsetzungen des Gesamtvertrages stehen mit der allein rechtsfehlerhaften Regelung zur Zinshöhe nicht in einem inhaltlichen oder redaktionellen Zusammenhang, der es erforderte, das Urteil hinsichtlich sämtlicher Bestimmungen des Gesamtvertrags aufzuheben (vgl. BGH, GRUR 2017, 161 Rn. 109 - Gesamtvertrag Speichermedien, mwN). Da die in der Vertragsfestsetzung liegende Rechtsgestaltung dem Tatgericht vorbehalten ist (vgl. BGH, GRUR 2013, 1220 Rn. 87 - Gesamtvertrag Hochschul-Intranet), ist die Sache im Umfang der Aufhebung zur erneuten Festsetzung des Gesamtvertrags an das Oberlandesgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1 ZPO ), dem auch die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens zu übertragen ist.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 1. April 2021

Vorinstanz: OLG München, vom 06.02.2020 - Vorinstanzaktenzeichen WG
Fundstellen
BB 2021, 1729
CR 2021, 579
GRUR 2021, 1181
MMR 2021, 833
WRP 2021, 1160
ZUM 2021, 854