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BGH - Entscheidung vom 06.04.2021

X ZR 54/19

Normen:
EPÜ Art. 54
PatG § 3
EPÜ Art. 54
PatG § 3
PatG § 3

Fundstellen:
GRUR 2021, 1043
MDR 2021, 953

BGH, Urteil vom 06.04.2021 - Aktenzeichen X ZR 54/19

DRsp Nr. 2021/9285

Patentfähigkeit des Streitpatents mit der Bezeichnung "Verfahren zur Herstellung von Ceroxid und Katalysator für die Abgasreinigung" als Erfindung und Neuheit

a) Eine die Neuheit ausschließende Offenbarung ist nicht bereits dann gegeben, wenn eine Entgegenhaltung Patentschutz für ein Erzeugnis mit bestimmten Eigenschaften beansprucht. Erforderlich ist vielmehr, dass sich der Entgegenhaltung unmittelbar und eindeutig eine konkrete technische Lehre entnehmen lässt, mit der sich die beanspruchten Eigenschaften erreichen lassen.b) Eine unmittelbare und eindeutige Offenbarung in diesem Sinn ist nicht gegeben, wenn die Entgegenhaltung lediglich einen Weg für die Verwirklichung einer Ausführungsform mit anderen Eigenschaften aufzeigt. Der Grundsatz, wonach es für die ausführbare Offenbarung einer technischen Lehre nicht erforderlich ist, für jede denkbare Ausführungsform einen gangbaren Weg zu deren Verwirklichung aufzuzeigen, ist in diesem Zusammenhang nicht anwendbar.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 15. Januar 2019 unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels abgeändert.

Das europäische Patent 1 435 338 wird dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass Patentanspruch 1 die folgende Fassung erhält und sich die übrigen Ansprüche auf diese Fassung zurückbeziehen:

A ceric oxide which is an oxide consisting essentially of ceric oxide, and wherein said ceric oxide has a specific surface area of not smaller than 30.0 m2/g and not more than 53.2 m2/g when subjected to calcination at 900 °C for 5 hours.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Von den erstinstanzlichen Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerin drei Fünftel und die Beklagte zwei Fünftel.

Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin vier Fünftel und die Beklagte ein Fünftel.

Normenkette:

PatG § 3 ;

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 435 338 (Streitpatents), das am 5. September 2002 unter Inanspruchnahme der Priorität einer japanischen Anmeldung vom 7. September 2001 angemeldet worden ist und ein Ceroxid, ein Verfahren zu seiner Herstellung und einen Katalysator für die Abgasreinigung betrifft. Das Streitpatent umfasst neun Patentansprüche, von denen die Patentansprüche 1, 6 und 9 in der Verfahrenssprache wie folgt lauten:

1. A ceric oxide which is an oxide consisting essentially of ceric oxide, and wherein said ceric oxide has a specific surface area of not smaller than 30.0 m2/g when subjected to calcination at 900°C for 5 hours.

6. A method for preparing a ceric oxide of claim 1, comprising the steps of:

(a) providing a cerium solution not less than 90 mol% of which cerium ions are tetravalent;

(b) holding said cerium solution prepared in step (a) at 60 to 220°C under heating;

(c) cooling said heated cerium solution;

(d) adding a precipitant to said cooled cerium solution so as to make the pH of the solution not lower than 7, to thereby obtain a precipitate; and

(e) calcining said precipitate.

9. A catalyst for purifying exhaust gas comprising a co-catalyst, wherein said co-catalyst comprises ceric oxide of claim 1.

Die Klägerin hat geltend gemacht, der Gegenstand des Streitpatents sei nicht patentfähig und nicht so offenbart, dass ein Fachmann ihn ausführen könne. Die Beklagte hat das Streitpatent in der erteilten Fassung und hilfsweise in siebzehn geänderten Fassungen verteidigt.

Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Dagegen wendet sich die Berufung der Beklagten, die das Streitpatent in erster Linie in der Fassung des erstinstanzlichen Hilfsantrags 9, hilfsweise in drei abermals geänderten Fassungen (Hilfsanträge 1 bis 3) und weiter hilfsweise in der Fassung des erstinstanzlichen Hilfsantrags 11 (jetzt Hilfsantrag A) sowie drei darauf bezogenen geänderten Fassungen (Hilfsanträge A1 bis A3) verteidigt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung hat teilweise Erfolg.

I. Das Streitpatent betrifft Ceroxid, ein Verfahren zu seiner Herstellung und einen Katalysator für die Abgasreinigung.

1. Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift bestehen Katalysatoren für die Abgasreinigung bei Fahrzeugen aus einem katalytisch aktiven Metall wie Platin, Palladium oder Rhodium und einem Cokatalysator zur Steigerung der katalytischen Aktivität. Beide Komponenten seien auf einem Träger aufgebracht, der beispielsweise aus Aluminium oder Cordierit bestehen könne.

Als Cokatalysator würden ceroxidhaltige Materialien verwendet. Ceroxid habe das Vermögen, unter einer oxidierenden Atmosphäre Sauerstoff zu absorbieren und unter einer reduzierenden Atmosphäre Sauerstoff zu desorbieren. Deshalb wandelten ceroxidhaltige Materialien in Abgasen enthaltene Schadstoffe wie Kohlenwasserstoff, Kohlenmonoxid oder Stickoxide mit einem außerordentlich hohen Wirkungsgrad um.

Um die Funktion des ceroxidhaltigen Materials auszulösen, müsse der Cokatalysator auf einer hohen Temperatur gehalten werden. Die Fahrzeughersteller hätten dieses Problem bislang dadurch gelöst, dass Katalysatoranlagen motornah verbaut würden, so dass die Abgase dem Katalysatorsystem unmittelbar nach dem Austritt aus dem Motor in heißem Zustand zugeführt würden.

Im Allgemeinen sei die Effizienz der Abgasnachbehandlung zudem proportional zu der Fläche, über die die aktive Schicht des Katalysators und das Abgas in Kontakt kämen, sowie zu dem Vermögen des Cokatalysators, Sauerstoff zu speichern und freizusetzen.

Ceroxide, die nach bisher bekannten Verfahren hergestellt seien, wiesen nicht die erforderliche Hitzebeständigkeit auf und verfügten nach einer Kalzinierung bei 900 °C über eine spezifische Oberfläche von allenfalls 15 m2/g, was zu wenig sei. Bei im Stand der Technik vorgeschlagenen ceroxidhaltigen Oxiden mit erhöhtem Sauerstoffspeichervermögen handle es sich nicht um hochreine Ceroxide, sondern um Mischoxide, in denen ein oder mehrere Elemente gelöst seien (Abs. 6).

2. Vor diesem Hintergrund betrifft das Streitpatent das technische Problem, ein Ceroxid mit hoher Hitzebeständigkeit, hohem Sauerstoffadsorptions- und -desorptionsvermögen auch bei niedrigen Temperaturen und großer spezifischer Oberfläche auch bei hohen Temperaturen bereitzustellen.

3. Zur Lösung dieses Problems schlägt das Streitpatent in der mit dem zweitinstanzlichen Hauptantrag verteidigten Fassung von Patentanspruch 1 ein Ceroxid vor, dessen Merkmale sich wie folgt gliedern lassen (Änderungen gegenüber der erteilten Fassung sind unterstrichen):

1.A Es handelt sich um ein Oxid, das im Wesentlichen aus Ceroxid (ceric oxide) besteht.

1.B Nach fünf Stunden Kalzinieren bei 900 °C beträgt die spezifische Oberfläche des Ceroxids

1.B.a nicht weniger als 30 m2/g

1.B.b und nicht mehr als 100 m2/g.

4. Patentanspruch 6 schützt ein durch fünf Merkmale näher charakterisiertes Verfahren zur Herstellung eines Ceroxids mit den Merkmalen von Anspruch 1, Patentanspruch 9 einen Katalysator für die Abgasreinigung mit einem Cokatalysator, der aus einem Ceroxid mit den Merkmalen von Anspruch 1 besteht.

5. Merkmal 1.A bedarf näherer Betrachtung.

a) Der Begriff "Ceroxid" bezeichnet lediglich Cer(IV)-oxid (CeO2, Cerdioxid), nicht hingegen Cer(III)-oxid (Ce2O3).

In der deutschen Sprache wird "Ceroxid" zwar als Oberbegriff für beide Verbindungen verwendet. Der in der Verfahrenssprache vorgesehene Begriff "ceric oxide" bezeichnet aber nur Cerdioxid. Dieser Bedeutungsgehalt ist für die Auslegung des Streitpatents maßgeblich.

Anhaltspunkte dafür, dass die Streitpatentschrift den Begriff in einer abweichenden Bedeutung verwendet, sind weder aufgezeigt noch sonst ersichtlich.

b) Die Formulierung "im Wesentlichen" ist, wie das Patentgericht zutreffend angenommen hat, dahin zu verstehen, dass in dem geschützten Stoff zwar weitere Bestandteile vorhanden sein dürfen, aber nur in solchen Mengenanteilen, dass sie keine wesentlichen Auswirkungen auf die spezifische Oberfläche des Cerdioxids nach einer fünfstündigen Kalzinierung bei 900 °C haben.

aa) In der Beschreibung des Streitpatents wird nicht ausdrücklich erläutert, welche Bedeutung die genannte Formulierung hat. Aus dem Umstand, dass das Streitpatent bei der Beschreibung des Stands der Technik unterscheidet zwischen Ceroxiden mit einem oder mehreren anderen Elementen und hochreinen Ceroxiden (high-purity ceric oxides, Abs. 6), ist jedoch abzuleiten, dass eine Substanz im Sinne von Patentanspruch 1 nur dann "im Wesentlichen" aus Cerdioxid besteht, wenn etwa vorhandene andere Elemente - anders als im Stand der Technik - für die wesentlichen Eigenschaften der Substanz keine Bedeutung haben. Dies führt zu der bereits vom Patentgericht zugrunde gelegten Auslegung.

bb) Wie das Patentgericht ebenfalls zutreffend angenommen hat, ergibt sich aus dem in der Beschreibung geschilderten Ausführungsbeispiel, bei dem als Ausgangsstoff eine Cer-Lösung mit einem Anteil von mindestens 90 Molprozent an vierwertigen Cer-Ionen eingesetzt wird, und aus Patentanspruch 6, der dieses Beispiel aufgreift, keine Aufweichung dieser Anforderungen.

Den Ausführungen zum Ausführungsbeispiel und den Merkmalen von Patentanspruch 6 mag zu entnehmen sein, dass eine Substanz, die Merkmal 1.A verwirklicht, auch mit einem Ausgangsstoff der genannten Art erhältlich ist. Hieraus kann aber nicht abgeleitet werden, dass ein Anteil von bis zu zehn Molprozent an dreiwertigem Cer oder anderen Elementen generell unschädlich ist. Merkmal 1.A bezieht sich nicht auf den zur Herstellung eingesetzten Ausgangsstoff, sondern auf das fertige Erzeugnis.

cc) Auch Patentanspruch 9 führt zu keinem anderen Verständnis von Merkmal 1.A. Dass der Cokatalysator nach diesem Anspruch auch andere Stoffe umfassen kann, ändert nichts an den Anforderungen, denen das Cerdioxid nach Patentanspruch 1 entsprechen muss.

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Berufungsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen wie folgt begründet:

Es könne dahingestellt bleiben, ob die technische Lehre von Patentanspruch 1 so offenbart sei, dass der Fachmann, ein promovierter, mit der Entwicklung von Abgaskatalysatoren befasster Chemiker mit Kenntnissen auf dem Gebiet der Katalyse, sie ausführen könne. Der Gegenstand des Streitpatents sei jedenfalls weder in der erteilten Fassung noch in den hilfsweise verteidigten Fassungen patentfähig.

Die in der erteilten Fassung von Patentanspruch 1 vorgesehenen Merkmale seien sämtlich in der französischen Patentanmeldung 2 756 819 (K4) offenbart. Der allgemeine Teil der Beschreibung von K4 offenbare Ceroxid und Cer-Zirkonium-Mischoxid als gleichwertige Lösungen. Der in K4 formulierte Anspruch 1 beziehe sich auf beide Lösungen. Anspruch 6, der eine spezifische Oberfläche von mindestens 20 m2/g, insbesondere von mindestens 30 m2/g nach einer sechsstündigen Kalzination bei 900 °C vorsehe, beziehe sich auf den gesamten Gegenstand von Patentanspruch 1. Auch die in K4 formulierten Verfahrensansprüche schützten alternativ die Herstellung von Ceroxid und von Cer-Zirkonium-Mischoxiden. Dass K4 kein Ausführungsbeispiel für Ceroxid aufzeige, führe nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Eine besondere Hervorhebung oder Betonung durch ein Ausführungsbeispiel sei für die neuheitsschädliche Offenbarung nicht erforderlich. Dem stehe nicht entgegen, dass Cer-Zirkonium-Mischoxide häufig eine größere spezifische Oberfläche aufwiesen als reines Ceroxid, denn Anspruch 6 definiere nur eine Untergrenze. Ceroxide mit einer spezifischen Oberfläche von mehr als 30 m2/g nach einer Kalzinierung bei 900 °C seien dem Fachmann schon aus den Veröffentlichungen von Terribile et. al. (The Synthesis and Characterization of Mesopourous High-Surface Area Ceria Prepared Using a Hybrid Organic/Inorganic Route, Journal of Catalysis 1998, S. 299-308, K3) und Holmgren et. al. (Interactions of CO with Pt/ceria catalysts, Applied Catalysis B: Environmental 1999, S. 215-230, K5) bekannt gewesen. Die Beklagte habe die von ihr gerügte mangelnde Nacharbeitbarkeit der Lehre der K4 in Bezug auf Ceroxid nicht nachweisen können. Der von ihr vorgelegte Versuchsbericht (B11) belege allenfalls die mangelnde Nacharbeitbarkeit des ersten von drei in K4 beschriebenen Beispielen. An einer unmittelbaren und eindeutigen Offenbarung von Merkmal 1.B fehle es nicht deshalb, weil die Beispiele der K4 zeigten, dass die spezifische Oberfläche mit sinkendem Zirkoniumoxid-Gehalt im Mischoxid abnehme. Die Beispiele belegten die technische Lehre der K4 auch insoweit nur punktuell.

Die im erstinstanzlichen Hilfsantrag 9 zusätzlich vorgesehene Obergrenze von 100 m2/g werde durch (K4) zwar nicht vorweggenommen. Sie betreffe aber kein zusätzliches technisches Merkmal, das über das allgemeine Können und Wissen des Fachmanns hinausgehe und als auf erfinderischer Tätigkeit beruhend angesehen werden könne. Entsprechend seien auch die mit den weiteren Hilfsanträgen verteidigten Gegenstände nicht patentfähig, soweit diese Anträge lediglich abweichende Werte für die Unter- und Obergrenze der spezifischen Oberfläche vorsähen.

III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren in einem entscheidenden Punkt nicht stand.

1. Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ist in K4 ein Cerdioxid mit den Merkmalen 1.A und 1.B.a nicht eindeutig und unmittelbar offenbart.

a) K4 offenbart Zusammensetzungen auf Basis von Ceroxid oder von Cer-Zirkonium-Mischoxid in Form von Extrudaten, die zur Abgasnachbehandlung bei Verbrennungsmotoren als Katalysatoren eingesetzt werden können, sowie Verfahren zur Herstellung dieser Extrudate (S. 1 Z. 9-11; S. 11 Z. 7-9).

Nach den allgemeinen Angaben in der Beschreibung von K4 sollen die beanspruchten Zusammensetzungen Ceroxid oder Cer-Zirkonium-Mischoxid mit einem Anteil von mindestens 50 Gewichtsprozent enthalten. Bei den Zusammensetzungen auf der Basis von Cer-Zirkonium-Mischoxid könne der Anteil von Cer und Zirkonium innerhalb eines großen Bereichs variieren. Die Zusammensetzungen könnten bei Bedarf Additive enthalten, von denen bekannt sei, dass sie die katalytischen Eigenschaften von Cer oder Zirkonium verbesserten, insbesondere die spezifische Oberfläche oder das Sauerstoffspeichervermögen (S. 2 Z. 13-25).

Die Zusammensetzungen könnten auch bei hohen Temperaturen beträchtliche spezifische Oberflächen haben. Deren Größe hänge von der Beschaffenheit der Bestandteile ab. Die größten Oberflächen würden mit Zusammensetzungen erreicht, bei denen der Anteil an Zirkonium überwiege (S. 3 Z. 9-12). Bei Zusammensetzungen mit einem überwiegenden Anteil an Cer könne die spezifische Oberfläche nach sechs Stunden Kalzinieren bei 900 °C mindestens 20 m2/g bzw. mindestens 30 m2/g betragen. Zusammensetzungen mit einem überwiegenden Anteil an Zirkonium wiesen nach sechs Stunden Kalzinieren bei 900 °C sogar eine spezifische Oberfläche von mindestens 30 m2/g bzw. mindestens 40 m2/g auf. Mit der Zugabe von Additiven könne die spezifische Oberfläche weiter vergrößert werden (S. 3 Z. 13-33).

Die in K4 geschilderten Ausführungsbeispiele betreffen Mischoxide mit folgenden Eigenschaften:

Beispiel  Anteil Cer  Anteil Zirkonium  Spezifische Oberfläche 
1 (S. 12 Z. 16 ff.)  62 %  38 %  39 m2/g 
2 (S. 13 Z. 1 ff.)  17 %  83 %  45 m2/g 
3 (S. 13 Z. 23 ff.)  75 %  25 %  30 m2/g 

Der in K4 formulierte Anspruch 1 bezieht sich auf Zusammensetzungen auf der Basis von Ceroxid oder Cer-Zirkonium-Mischoxiden, Anspruch 6 auf Zusammensetzungen nach Anspruch 1, die nach sechs Stunden Kalzinieren bei 900 °C eine spezifische Oberfläche von mindestens 20 m2/g, insbesondere 30 m2/g aufweisen.

b) Damit ist Merkmal 1.A zwar für sich gesehen offenbart, nicht aber in Kombination mit Merkmal 1.B.a.

aa) Mit dem Patentgericht kann allerdings angenommen werden, dass es an einer Offenbarung von Merkmal 1.B.a nicht schon deshalb fehlt, weil K4 eine Kalzinierungsdauer von sechs Stunden fordert, während Merkmal 1.B.a nur fünf Stunden vorsieht.

Nach den insoweit nicht angegriffenen und mit den Angaben in der Beschreibung des Streitpatents übereinstimmenden Feststellungen des Patentgerichts war dem Fachmann geläufig, dass eine länger dauernde Hitzeeinwirkung tendenziell zu einer Verringerung der spezifischen Oberfläche führt. Angesichts dessen erschloss sich für den Fachmann ohne ergänzende Überlegungen, dass die in K4 angegebenen Werte für die spezifische Oberfläche auch dann erreicht werden, wenn das Material nur für fünf Stunden kalziniert wird.

bb) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts geht aus K4 indessen nicht unmittelbar und eindeutig hervor, dass die für Cer-Zirkonium-Mischoxide genannten Untergrenzen für die spezifische Oberfläche und damit insbesondere der in Merkmal 1.B.a vorgegebene Wert von 30 m2/g bei Anwendung der dort offenbarten Verfahren auch mit Ceroxid erreichbar sind.

(1) Die Ausführungen im allgemeinen Teil der Beschreibung und der in K4 formulierte Anspruch 6 treffen diesbezüglich zwar keine Unterscheidung. Insbesondere ist Anspruch 6 so gefasst, dass er auch Ceroxide mit einer spezifischen Oberfläche von mehr als 30 m2/g umfasst. Der Umstand, dass K4 damit auch Schutz für Ceroxide mit den Merkmalen 1.A und 1.B.a beansprucht, reicht indessen für eine unmittelbare und eindeutige Offenbarung nicht aus.

(a) Ein Erzeugnis mit bestimmten Eigenschaften ist nicht schon dann offenbart, wenn eine Entgegenhaltung für eine solche Ausgestaltung Patentschutz beansprucht. Erforderlich ist vielmehr, dass sich der Entgegenhaltung unmittelbar und eindeutig eine konkrete technische Lehre entnehmen lässt, mit der sich die beanspruchten Eigenschaften verwirklichen lassen.

(b) Die Beschreibung von K4 offenbart nicht unmittelbar und eindeutig, dass Ceroxide mit einer spezifischen Oberfläche von mehr als 30 m2/g auf dem in der Beschreibung geschilderten Weg ohne zusätzliche Maßnahmen hergestellt werden können. Dem in der Beschreibung enthaltenen Hinweis, dass die spezifische Oberfläche mit zunehmendem Zirkoniumanteil typischerweise ansteigt und die höchsten Werte erzielt werden können, wenn der Anteil an Zirkonium den Ceranteil übersteigt, ist vielmehr zu entnehmen, dass die für ein bestimmtes Mischoxid angegebenen Werte nicht ohne weiteres auf Oxide anderer Zusammensetzung und erst recht nicht auf reines Ceroxid übertragen werden können.

Der damit aufgezeigte Zusammenhang steht in Einklang mit den oben wiedergegebenen Ergebnissen der drei Ausführungsbeispiele. Der für das dritte Ausführungsbeispiel angegebene Wert von 30 m2/g erfüllt zwar noch die Anforderungen von Merkmal 1.B.a. Der Vergleich mit Beispiel 1 zeigt aber, dass die spezifische Oberfläche durch Absenken des Zirkoniumanteils von 38 % auf 25 % zu einer Verringerung der spezifischen Oberfläche um fast ein Viertel führt. Auch wenn nicht ohne weiteres erwartet werden kann, dass insoweit ein proportionaler Zusammenhang besteht, deutet auch dies darauf hin, dass ein weiteres Absenken des Zirkoniumanteils zu einer spezifischen Oberfläche von weniger als 30 m2/g führt und dass für reines Ceroxid keine besseren Werte zu erwarten sind. Dies wiederum steht in Einklang mit dem Umstand, dass Anspruch 6 den Wert von 30 m2/g zwar besonders hervorhebt, als maßgebliche Untergrenze aber einen Wert von 20 m2/g benennt.

(2) Aus den Ansprüchen 10 und 11, die sich mit der Extrusion der nach K4 geschützten Erzeugnisse befassen und sich unter anderem auch auf Anspruch 6 beziehen, ergibt sich nichts Anderes. Diese Ansprüche betreffen zwar Produkte, die dadurch erhalten wurden, dass entweder eine Cersalzlösung und eine Base miteinander in Reaktion gebracht wurden oder eine wässrige Cer(IV)-Lösung in einem sauren Medium hydrolysiert wurde. Entgegen der Auffassung der Berufungserwiderung ergibt sich aus dem Umstand, dass die Ansprüche 10 und 11 anders als die Ansprüche 7, 8 und 9 nicht auch auf Cer-Zirkonium-Verbindungen verweisen, indessen nicht, dass hiermit Ceroxide mit den Merkmalen 1.A und 1.B.a unmittelbar und eindeutig offenbart wären. Die Ansprüche 10 und 11 erfassen zwar solche Ceroxide durch die Bezugnahme auf Anspruch 6, gehen aber wie dieser nicht über eine bloße Beanspruchung dieser Ceroxide hinaus und offenbaren ebenso wenig wie dieser eine entsprechende technische Lehre.

(3) Die Rechtsprechung des Senats, wonach es für die ausführbare Offenbarung einer technischen Lehre nach Art. 2 § 6 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 IntPatÜbkG nicht erforderlich ist, für jede denkbare Ausführungsform einen gangbaren Weg zu deren Verwirklichung aufzuzeigen (BGH, Beschluss vom 11. September 2013 - X ZB 8/12, BGHZ 198, 205 = GRUR 2013, 1210 Rn. 20 - Dipeptidyl-Peptidase-Inhibitoren; Urteil vom 17. Januar 2017 - X ZR 11/15, GRUR 2017, 493 Rn. 36 - Borrelioseassay; Urteil vom 12. März 2019 - X ZR 32/17, GRUR 2019, 713 Rn. 42 - Cer-Zirkonium-Mischoxid I), führt entgegen der Auffassung des Patentgerichts nicht zu einer anderen Beurteilung.

Diese Rechtsprechung betrifft die Frage, in welchem Umfang ein Patent aufgrund der in der Beschreibung geschilderten technischen Lehre vor dem Hintergrund des Stands der Technik Schutz für Ausführungsformen beanspruchen darf, die in der Beschreibung nicht in allen Details geschildert sind. Im Streitfall geht es hingegen darum, ob eine bestimmte technische Lehre, für die das Streitpatent Schutz begehrt, schon in einer Entgegenhaltung vorweggenommen wird. Für diese Frage ist nicht maßgeblich, für welchen Bereich die Entgegenhaltung ihrerseits bei der Beanspruchung eines Merkmals in verallgemeinerter Form aufgrund ihres Offenbarungsgehalts Schutz beanspruchen kann. Vielmehr ist ausschlaggebend, ob die Entgegenhaltung die konkrete technische Lehre des Streitpatents unmittelbar und eindeutig offenbart mit der Folge, dass das Streitpatent diese wegen fehlender Neuheit nicht mehr für sich beanspruchen kann. Eine Veröffentlichung kann auch dann neuheitsschädlich sein, wenn der Fachmann den Gegenstand des Streitpatents ohne Weiteres durch identisches Nacharbeiten der in der betreffenden Entgegenhaltung offenbarten Verfahren oder Ausführungsbeispiele in die Hand bekommen kann. Die Nacharbeitbarkeit in diesem Sinn betrifft die Frage, inwieweit eine Offenbarung in einer früheren Veröffentlichung den Bestand eines Patents berühren kann. Die betreffende frühere Entgegenhaltung muss daher konkret in Bezug auf die vom Streitpatent beanspruchte Lehre nacharbeitbar sein. Bei der Frage, ob ein Patent so deutlich und vollständig offenbart ist, dass seine technische Lehre ausführbar ist, geht es dagegen nicht um den Offenbarungsgehalt einer früheren Veröffentlichung im Verhältnis zu dem Patent, dessen Bestand zur Beurteilung ansteht, sondern darum, welchen Schutzbereich das betreffende Patent aufgrund seines Offenbarungsgehalts beanspruchen kann.

cc) Ob der Fachmann durch Nacharbeiten der in K4 offenbarten Verfahren und Beispiele ein Cerdioxid mit den Merkmalen 1.A und 1.B.a erhalten konnte, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Ein konkreter Weg, der zu diesem Ziel führte, war jedenfalls nicht offenbart.

Der Gegenstand des Streitpatents wäre unter diesem Gesichtspunkt durch K4 allenfalls dann vorweggenommen, wenn sich die Merkmale 1.A und 1.B.a zumindest bei einer der in K4 offenbarten Vorgehensweisen zwangsläufig eingestellt hätten. Diese Voraussetzung ist nicht erfüllt.

Die Klägerin macht zwar unter Vorlage von Versuchsberichten (K4b bis K4d) geltend, bei der Nacharbeitung des Beispiels 1 (K4b) und der als erstes Verfahren bezeichneten Methode (im Labormaßstab: K4c; in größerer Menge: K4d) ergebe sich eine spezifische Oberfläche von 30,7 m2/g, 30,3 m2/g bzw. 30,4 m2/g. Nach dem insoweit unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Beklagten, die sich auf eine Stellungnahme ihrer Mitarbeiterin Dr. B.

(B12) stützt, ist bei allen drei Versuchen die in K4 vorgegebene Zugabe von Ammoniaklösung bis zu einem pH-Wert von mehr als 8 (S. 7 Z. 35 für das erste Verfahren) bzw. mehr als 8,5 (S. 12 Z. 26 f. für das Beispiel 1) durch Einstellen eines pH-Werts von 10 umgesetzt worden. Dies entspricht zwar formal der genannten Vorgabe. Die Klägerin zeigt aber nicht auf, was Anlass hätte geben können, den vorgegebenen Mindestwert derart weit zu überschreiten und gerade einen Wert von 10 zu wählen. Dem kommt insbesondere deshalb Bedeutung zu, weil die angegebene spezifische Oberfläche bei allen drei Versuchen nur knapp oberhalb des vom Streitpatent beanspruchten Mindestwerts liegt und deshalb nicht auszuschließen ist, dass sich schon bei geringfügig anderen pH-Werten ein schlechteres Resultat eingestellt hätte.

Zusätzliche Zweifel daran, dass sich die Versuche innerhalb des durch K4 nahegelegten Rahmens halten, ergeben sich daraus, dass die Werte für die spezifische Oberfläche im Wesentlichem denjenigen entsprechen, die in K4 mit einem Mischoxid erreicht wurden. Wie bereits oben dargelegt wurde, ließen die Hinweise in der Beschreibung von K4 eher erwarten, dass sich bei einem Einsatz von reinem Ceroxid geringere Werte einstellen.

2. Der Gegenstand von Patentanspruch 1 war dem Fachmann auch nicht durch K4 nahegelegt.

a) Anregungen, die in K4 offenbarten Vorgehensweisen im Hinblick auf den dort formulierten Patentanspruch 6 so auszugestalten oder abzuwandeln, dass auch mit Cerdioxid eine spezifische Oberfläche von mindestens 30 m2/g erreicht werden kann, sind weder aufgezeigt noch sonst ersichtlich.

Aus K4 ergaben sich diesbezügliche Anregungen schon deshalb nicht, weil als Mittel der Wahl zur Erzielung höherer Werte die Steigerung des Zirkoniumanteils und die Zugabe von Additiven hervorgehoben werden (K4 S. 2 Z. 22-25; S. 3 Z. 11-12; Z. 17-20; Z. 28-32).

Auch die Ergebnisse der drei Ausführungsbeispiele, die zeigen, dass mit der Reduzierung des Zirkoniumanteils die spezifische Oberfläche kleiner wird, ließen - wie oben dargelegt - nicht erwarten, dass bei der Verwendung von reinem Ceroxid bessere Werte und insbesondere ein Mindestwert von 30 m2/g zu erzielen sind.

b) Ebenso wenig war dem Fachmann ein konkreter Weg nahegelegt, der ihn durch Nacharbeiten der in K4 offenbarten Verfahren und Beispiele in die Lage versetzt hätte, ohne erfinderisches Zutun ein Cerdioxid mit den Merkmalen 1.A und 1.B.a herzustellen. Eine erfinderische Tätigkeit kann nicht schon dann verneint werden, wenn sich nicht ausschließen lässt, dass dies gelungen wäre. Vielmehr müsste ein konkreter Weg ersichtlich sein, auf dem dieses Ziel erreichbar gewesen wäre. Auch diese Voraussetzung ist im Streitfall nicht gegeben. Denn es reicht nicht aus, dass der Fachmann auf irgendeinem Weg ein Cerdioxid mit den Merkmalen 1.A und 1.B.a erhalten hätte. Einen Anlass, dass der Fachmann die Beispiele der K4 genauso abwandelt, wie dies bei den in den Versuchsberichten K4b, K4c und K4d dargestellten Versuchen erfolgt ist, zeigt die Klägerin nicht auf. Vor diesem Hintergrund bedarf es keiner Beweisaufnahme darüber, ob der Fachmann auf den in den Versuchsberichten aufgezeigten Wegen zu einer spezifischen Oberfläche von mindestens 30 m2/g gelangt wäre.

IV. Die angefochtene Entscheidung erweist sich hinsichtlich des zweitinstanzlichen Hauptantrags aus anderen Gründen als im Ergebnis zutreffend (§ 119 Abs. 1 PatG ).

Entgegen der Auffassung der Berufung ergeben sich aus der Patentschrift keine hinreichenden Anhaltspunkte dafür, wie ein Fachmann den beanspruchten Höchstwert von 100 m2/g erreichen kann.

1. Nach der Rechtsprechung des Senats ist ein nach oben offener Bereich nur dann ausführbar offenbart, wenn sich die Erfindung nicht in der Eröffnung eines bestimmten Bereichs erschöpft, sondern eine darüber hinausgehende, verallgemeinerbare Lehre aufzeigt, die es dem Fachmann erstmals ermöglicht, nach weiteren Verbesserungsmöglichkeiten zu suchen und den im Patent konkret aufgezeigten Höchstwert zu übertreffen (BGH, Urteile vom 12. März 2019 - X ZR 32/17, GRUR 2019, 713 Rn. 45 - Cer-Zirkonium-Mischoxid I; X ZR 34/17, GRUR 2019, 718 Rn. 26 - Cer-Zirkonium-Mischoxid I; Urteil vom 6. August 2019 - X ZR 36/17 Rn. 104).

Eine verallgemeinerbare Lehre in diesem Sinne zeigt das Streitpatent nicht auf.

2. Ein nach oben begrenzter Bereich ist nur dann ausführbar offenbart, wenn das Patent mindestens ein konkretes Ausführungsbeispiel schildert, das den beanspruchten Höchstwert erreicht, oder konkrete Hinweise gibt, wie ausgehend von den geschilderten Beispielen eine weitere Steigerung zu erreichen ist.

Diese Voraussetzungen liegen im Streitfall ebenfalls nicht vor.

Für die in der Patentschrift beschriebenen Ausführungsbeispiele sind folgende Werte für die spezifische Oberfläche nach sechsstündigem Kalzinieren bei 900 °C angegeben:

Beispiel 1  33,6 m2/g 
Beispiel 2  36,6 m2/g 
Beispiel 3  47,7 m2/g 
Beispiel 4  44,6 m2/g 
Beispiel 5  42,3 m2/g 
Beispiel 6  31,1 m2/g 
Beispiel 7  30,8 m2/g 
Beispiel 8  40,7 m2/g 
Beispiel 9  48,0 m2/g 
Beispiel 10  53,2 m2/g 
Beispiel 11  50,3 m2/g 

Diese Ergebnisse geben zwar Hinweise darauf, wie der beanspruchte Mindestwert von 30 m2/g um mehr als zwei Drittel übertroffen werden kann. Sie lassen aber nicht erkennen, welche Maßnahmen geeignet sein könnten, den ausgewiesenen Höchstwert von 53,2 m2/g nochmals nahezu zu verdoppeln.

V. Die Sache ist zur Endentscheidung reif (§ 119 Abs. 5 Satz 2 PatG ).

1. Die Hilfsanträge 1, 2 und 3 sehen ebenso wie der Hauptantrag einen Wertebereich von 30 m2/g bis 100 m2/g vor und sind deshalb nicht anders zu beurteilen.

2. Der mit dem erstinstanzlichen Hilfsantrag 11 und jetzigen Hilfsantrag A verteidigte Gegenstand, der auf ein Ceroxid mit einer spezifischen Oberfläche im Bereich von 30 m2/g bis 53,2 m2/g beschränkt ist, erweist sich als rechtsbeständig.

a) Wie bereits oben dargelegt wurde, zeigt die Streitpatentschrift in Ausführungsbeispiel 10 einen konkreten Weg auf, auf dem dieser Höchstwert erreicht werden kann.

b) Der mit Hilfsantrag A verteidigte Gegenstand ist patentfähig.

aa) Dieser Gegenstand wird durch die Veröffentlichung von Rocchini et al. (Relationships between Structural/Morphological Modifications and Oxygen Storage-Redox Behaviour of Silica-Doped Ceria, Journal of Catalysis 2000, 461-478, B4) weder vorweggenommen noch nahegelegt.

(1) B4 berichtet über eine Studie zur Untersuchung des Verhaltens von Cerdioxid-Siliciumdioxid-Mischoxiden in reduzierender und oxidierender Atmosphäre (S. 462 li. Sp. Mitte).

Zu den Ergebnissen der Studie wird in B4 ausgeführt, mit Siliciumdioxid dotiertes Cerdioxid mit einer großen Oberfläche zeige ein besseres Reduktionsverhalten, was das Vermögen, Sauerstoff zu speichern oder freizusetzen, steigere. Dies sei von Bedeutung, wenn die Materialien hohen Temperaturen ausgesetzt würden (S. 473 unter "Discussion"). Bei einem Gehalt an Silicium von mehr als 3 Gewichtsprozent werde das Reduktionsverhalten ähnlich positiv beeinflusst, wie dies früher bei Zirkoniumdioxid beobachtet worden sei (S. 477 unter "Conclusions").

Unter den Materialien, die für die Durchführung der Studie eingesetzt wurden, ist auch reines Ceroxid aufgelistet. Für dieses wird eine spezifische Oberfläche von 77 m2/g ausgewiesen (S. 462 Tabelle 1).

(2) Damit fehlt es jedenfalls an einer Offenbarung von Merkmal 1.B.

Hierbei kann dahingestellt bleiben, ob die in Tabelle 1 genannten Werte die spezifische Oberfläche vor oder nach dem Kalzinieren angeben. Auch wenn zugunsten der Klägerin letzteres unterstellt wird, ergäbe sich daraus nur, dass die genannten Werte nach einer zweistündigen Kalzinierung mit einer Anfangstemperatur von 450 °C und einer nach 45 Minuten erreichten Endtemperatur von 900 °C erzielt worden sind. Entgegen der Auffassung der Klägerin können hieraus keine sicheren Schlussfolgerungen bezüglich der Frage gezogen werden, welche spezifische Oberfläche sich ergeben hätte, wenn die Temperatur von 900 °C nicht nur für 75 Minuten beibehalten worden wäre, sondern für fünf Stunden.

(3) B4 legt den mit Hilfsantrag A verteidigten Gegenstand auch nicht nahe.

Wie dargelegt befasst sich B4 hauptsächlich mit den Reduktionseigenschaften bei Dotierung mit Siliciumoxid. Das reine Ceroxid diente hierfür lediglich als Ausgangs- und Vergleichsmaterial. Daraus ergab sich keine Anregung, zur Verbesserung von Materialeigenschaften abweichend von dem in B4 verfolgten Ansatz reines Ceroxid heranzuziehen.

bb) Der mit Hilfsantrag A verteidigte Gegenstand wird auch nicht durch die Veröffentlichung von Holmgren et. al. (Interactions of CO with Pt/ceria catalysts, Applied Catalysis B: Environmental 1999, S. 215-230, K5) vorweggenommen oder nahegelegt.

K5 offenbart ein Ceroxid mit der Bezeichnung "Cerium oxide 99.5 H.S.A. 514" (K5 S. 216 unter 2.1), das ausweislich der Anlage B6b Siliciumoxid mit einem Anteil von 0,85 Gewichtsprozent enthält. Wie auch die Berufungserwiderung nicht in Zweifel zieht, hat die Zugabe von Siliciumxoxid schon in geringen Mengen Einfluss auf die spezifische Oberfläche von Ceroxid. Angesichts dessen ist ungeachtet des geringen Gewichtsanteils ein Ceroxid im Sinne von Merkmal 1.A nicht offenbart.

Eine Anregung, von der Zugabe von Silicium abzusehen, ergab sich aus K5 nicht.

cc) Hinsichtlich der US-amerikanischen Patentschrift 5 529 969 (K6) gilt nichts Anderes.

K6 offenbart ein Ceroxid mit einem Anteil von Siliciumoxid. Dieser beträgt zwar weniger als 1 Gewichtsprozent. K6 hebt jedoch hervor, dass gerade der Siliciumoxidanteil die spezifische Oberfläche stabilisiere (Abstract und Sp. 10 Z. 15-17). Dementsprechend ist Merkmal 1.A auch durch K6 weder offenbart noch nahegelegt.

dd) Der mit Hilfsantrag A verteidigte Gegenstand wird auch durch die US-amerikanische Patentschrift 5 712 218 (K7) nicht vorweggenommen oder nahegelegt.

K7 betrifft Cer-Zirkonium-Mischoxide. Als Ausführungsbeispiel 5 ist ein Mischoxid mit einem Zirkoniumgehalt von 17 % offenbart, dessen spezifische Oberfläche nach sechs Stunden Kalzinieren bei 900 °C mit 30 bis 33 m2/g angegeben wird.

Auch damit fehlt es an einer Offenbarung von Merkmal 1.A. Aus K7 ergab sich keine Veranlassung, auf die Zugabe von Zirkonium abweichend von dem dort offenbarten Ansatz zu verzichten.

ee) Schließlich wird der mit Hilfsantrag A verteidigte Gegenstand auch durch die US-Patentschrift 5 891 412 (K18) nicht vorweggenommen oder nahegelegt.

(1) K18 offenbart Oxide, die im Wesentlichen aus Ceroxid bestehen. Die spezifische Oberfläche nach zwei Stunden Kalzinieren bei 800 bis 900 °C wird mit mindestens 15 m2/g angegeben.

(2) Damit offenbart K18 zwar Merkmal 1.A, nicht jedoch die Merkmalsgruppe 1.B.

(3) Die von der Klägerin vorgelegten Versuchsberichte zu Nacharbeitungen des in K18 offenbarten Beispiels 1 (K19 und K30) vermögen nicht mit der für die richterliche Überzeugungsbildung nach § 286 ZPO erforderlichen Gewissheit die Schlussfolgerung zu stützen, dass der Fachmann durch die identische Nacharbeitung oder eine nahegelegte Abwandlung ein Ceroxid mit den Merkmalen von Patentanspruch 1 erhalten hätte.

Es bestehen bereits Zweifel, ob die in K19 und K30 dokumentierten Versuche unter Rahmenbedingungen stattgefunden haben, die denjenigen entsprechen, die bei einer Nacharbeitung von K18 vor dem Prioritätstag vorgelegen hätten. So hat die Klägerin bei dem in K19 und K30 dokumentierten Versuch zur Herstellung der Ausgangslösungen eine Cernitratlösung mit einer Ammoniumcarbonatlösung gemischt und damit keine der in K18 ausdrücklich als einsetzbar genannten Basen verwendet. In Beispiel 1 der K18 entstand eine kolloide Dispersion, nachdem der Cernitratlösung die dort als Base vorgesehene Ammoniaklösung zugegeben worden war (K18 Sp. 18 Z. 20-25). Demgegenüber ergibt sich aus K19, dass nach der Zugabe der Ammoniumcarbonatlösung zu der Cernitratlösung eine Lösung entstand.

Darüber hinaus bestehen Zweifel, ob das mit dem in K19 dokumentierten Versuch erhaltene Produkt dem Produkt entspricht, das nach Beispiel 1 der K18 erhalten wird. K19 enthält keine der Tabelle 1 der K18 vergleichbare Information über die Parameter des erhaltenen Produkts.

Schließlich deutet die als B18 vorgelegte Analyse des aus der Nacharbeitung der K18 erhaltenen Produkts darauf hin, dass dieses lediglich einen Ceranteil von 70,4 oder 70,9 Gewichtsprozent enthält und damit nicht als ein Ceroxid im Sinne von Merkmal 1.A anzusehen ist.

VI. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG sowie § 92 Abs. 1 und § 97 Abs. 1 ZPO .

Von Rechts wegen

Verkündet am: 6. April 2021

Vorinstanz: BPatG, vom 15.01.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 3 Ni 46/16 (EP)
Fundstellen
GRUR 2021, 1043
MDR 2021, 953