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BGH - Entscheidung vom 26.01.2021

X ZR 24/19

Normen:
PatG § 81
PatG § 81
PatG § 81
PatG § 119 Abs. 1

Fundstellen:
GRUR 2021, 696
MDR 2021, 498

BGH, Urteil vom 26.01.2021 - Aktenzeichen X ZR 24/19

DRsp Nr. 2021/4450

Patenstreit um die Herstellung von Phytase in Hefe; Weiterbestehen der Zulässigkeit einer Nichtigkeitsklage trotz Erlöschens des Streitpatents bei fortgesetztem Willen des Patentinhabers alle IP-Rechte bezüglich der betroffenen Produkte zu verteidigen

Eine Nichtigkeitsklage bleibt trotz Erlöschens des Streitpatents zulässig, wenn der Patentinhaber nach einem erfolglos gebliebenen gerichtlichen Antrag auf Durchführung eines Besichtigungsverfahrens auf Anfrage des Nichtigkeitsklägers hin erklärt, er sei nach wie vor gewillt, alle IP-Rechte bezüglich der betroffenen Produkte zu verteidigen.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des 3. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 20. November 2018 abgeändert.

Das europäische Patent wird dadurch teilweise für nichtig erklärt, dass in Patentanspruch 13 die Formulierung "or 5 to 5.5" gestrichen wird.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Normenkette:

PatG § 81 ; PatG § 119 Abs. 1 ;

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des am 23. Juni 1999 unter Inanspruchnahme einer US-Priorität vom 25. Juni 1998 angemeldeten und mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 090 129 (Streitpatents), das die Überexpression von Phytase in Hefesystemen betrifft. Das Streitpatent umfasst 32 Patentansprüche. Die Patentansprüche 1, 13, 18, 24 und 30 haben in einem Einspruchsverfahren folgende Fassung erhalten:

1. A method of producing phytase in yeast comprising:

providing an appA gene isolated from bacterial cells, which appA gene encodes a protein or polypeptide with phytase activity, expressing said appA gene in a yeast strain, and isolating the expressed protein or polypeptide.

13. The protein or polypeptide obtainable by a method according to claim 1 having phytase activity with optimum activity in a temperature range of 57 - 65°C and at a pH of 2.5 to 3.5 or 5 to 5.5.

18. A yeast strain comprising:

an appA gene isolated from bacterial cells, which appA gene encodes a protein or polypeptide with phytase activity and which is functionally linked to a promoter capable of expressing phytase in yeast, wherein said protein or polypeptide has increased thermostability when expressed in a yeast host cell as compared to that of said protein or polypeptide expressed in a non-yeast host cell.

24. A vector comprising:

an appA gene isolated from bacterial cells, which gene encodes a protein or polypeptide with phytase activity; a promoter functionally linked to the appA gene, said promoter capable of initiating transcription in yeast; and an origin of replication capable of maintaining the vector in yeast, wherein said protein or polypeptide has increased thermostability when expressed in a yeast host cell as compared to that of said protein or polypeptide expressed in a non-yeast host cell.

30. A method of converting phytate to inositol and inorganic phosphorus comprising:

providing an appA gene isolated from bacterial cells; expressing a protein or polypeptide with phytase activity from said gene in a yeast host cell; and contacting the protein or polypeptide with phytate to catalyze the conversion of phytate to inositol and inorganic phosphorus.

Die Klägerin hat das Streitpatent vollumfänglich angegriffen und mangelnde Ausführbarkeit, unzulässige Erweiterung sowie fehlende Patentfähigkeit geltend gemacht. Die Beklagte hat das Streitpatent in erster Linie in einer Fassung verteidigt, in der in Patentanspruch 13 die Passage "or 5 to 5.5" entfällt, hilfsweise in sechzehn weiteren geänderten Fassungen.

Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Dagegen wendet sich die Berufung der Beklagten, die das Streitpatent mit ihren erstinstanzlichen Anträgen und drei weiteren Hilfsanträgen verteidigt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung ist nicht nur statthaft und im Übrigen zulässig, sondern auch begründet. Sie führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung und Abweisung der Klage, soweit die Beklagte das Streitpatent verteidigt.

I. Die Klage ist allerdings trotz des Erlöschens des Streitpatents weiterhin zulässig.

Die Klägerin hat ein hinreichendes Rechtsschutzinteresse, denn sie hat Anlass, eine gerichtliche Inanspruchnahme wegen Handlungen während der Laufzeit des Patents zu befürchten.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats kann sich das für eine Nichtigkeitsklage erforderliche Rechtsschutzinteresse daraus ergeben, dass der Kläger Anlass zu der Besorgnis hat, er könne trotz Ablaufs der Schutzdauer Ansprüchen wegen zurückliegender Handlungen ausgesetzt sein. Ein Rechtsschutzinteresse ist in solchen Fällen nur zu verneinen, wenn eine Inanspruchnahme ernstlich nicht mehr in Betracht kommt (BGH, Beschluss vom 13. Juli 2020 - X ZR 90/18, GRUR 2020, 1074 Rn. 28 - Signalübertragungssystem; Urteil vom 22. September 2020 - X ZR 172/18, GRUR 2021, 42 Rn. 7 - Truvada).

Danach ist ein Rechtsschutzinteresse der Klägerin im Streitfall zu bejahen.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der von der Lizenznehmerin gestellte, aus formellen Gründen erfolglos gebliebene Antrag auf Durchführung eines Besichtigungsverfahrens bereits die hinreichende Besorgnis einer gerichtlichen Inanspruchnahme aus dem Streitpatent begründet. Eine solche Besorgnis ergibt sich jedenfalls aus dem Umstand, dass die Beklagte nach Abschluss des genannten Verfahrens und Ablauf des Klagepatents auf eine Anfrage der Klägerin hin erklärt hat, sie sei nach wie vor gewillt, alle IP-Rechte bezüglich Phytase-Produkten zu verteidigen.

II. Das Streitpatent betrifft die Herstellung von Phytase in Hefe.

1. Nach den Ausführungen in der Streitpatentschrift enthält Getreide für Nahrungs- und Futtermittel das für die Ernährung notwendige Element Phosphat nicht frei, sondern gebunden in Phytinsäure, die natürlich als Anion vorkommt und in dieser Form als Phytat bezeichnet wird. Bestimmte Enzyme, die als Phytasen bezeichnet werden, spalten Phytat in Inositol und Phosphat.

Phytasen kommen in einer Reihe von Pflanzen sowie in mit Wiederkäuern symbiotisch lebenden Bakterien vor. Wiederkäuer können deshalb in der Nahrung enthaltenes Phytat besser verwerten als andere Tiere. Tiere mit einfachen Mägen (Monogastrier), insbesondere Schweine und Geflügel, verfügen nicht über entsprechende Bakterien. Sie können das in Phytat gebundene Phosphat deshalb nur in geringerem Umfang verwerten. Dementsprechend werden Futtermittel für Monogastrier durch anorganisches Phosphat ergänzt. Dies führt zu erhöhtem Ressourcenverbrauch und zu Umweltproblemen wegen des höheren Phytatgehalts in den Ausscheidungen. Zudem können Mangelerscheinungen auftreten, weil Phytat gewisse im Futter enthaltene Spurenelemente (zum Beispiel Zink) bindet, so dass der Körper diese nicht mehr verwerten kann (Abs. 2).

Nach der Streitpatentschrift waren im Prioritätszeitpunkt verschiedene Methoden zum Klonen und Sequenzieren von Phytasen bekannt. Hierzu seien unterschiedliche Gene und Organismen eingesetzt worden, unter anderem Pilze wie Aspergillus niger, Aspergillus terreus und Myceliophthora thermophila sowie Mais (Abs. 3), ferner auch Bakterien wie Enterobacter sp. 4, Klebsiella terrigena und Bacillus sp. DS11 (Abs. 4).

Die Einführung des phyA-Gens in Aspergillus niger habe die Phytase-Aktivität im Vergleich zur natürlich vorkommenden Form auf das Zehnfache erhöht. Einer Anwendung im Rahmen der industriellen Tierhaltung stehe aber entgegen, dass die auf diesem Weg erzeugte Phytase teuer, nur in geringen Mengen verfügbar und bei Erhitzung instabil sei. Darüber hinaus sei Phytase aus Aspergillus niger für die Herstellung von Nahrungsmitteln für Menschen vermutlich nicht geeignet (Abs. 5).

2. Vor diesem Hintergrund betrifft das Streitpatent das technische Problem, eine möglichst einfach und kostengünstig zu erzeugende sowie für die Verwendung bei der industriellen Nahrungs- und Futtermittelherstellung geeignete Phytase bereit zu stellen (Abs. 8).

3. Zur Lösung sieht Patentanspruch 1 ein Verfahren mit den folgenden Merkmalen vor:

1.1  A method of producing phytase in yeast comprising:  Ein Verfahren zur Erzeugung einer Phytase in Hefe, umfassend: 
1.2  providing an appA gene isolated from bacterial cells,  das Bereitstellen eines aus bakteriellen Zellen isolierten appA-Gens, 
1.3  which appA gene encodes a protein or polypeptide with phytase activity,  das ein Protein oder ein Polypeptid mit Phytase-Aktivität kodiert, 
1.4  expressing said appA gene in a yeast strain,  die Expression dieses appA-Gens in einem Hefestamm 
1.4  expressing said appA gene in a yeast strain,  die Expression dieses appA-Gens in einem Hefestamm 
1.5  and isolating the expressed protein or polypeptide.  und die Isolierung des exprimierten Proteins oder Polypeptids. 

Patentanspruch 13 schützt ein herzustellendes Protein oder Polypeptid, die Patentansprüche 18 und 24 schützen einen für das Verfahren geeigneten Hefestamm bzw. Vektor und Patentanspruch 30 schützt ein Verfahren zur Umwandlung von Phytat in Inositol und Phosphor.

4. Den maßgebenden Fachmann hat das Patentgericht zutreffend als wissenschaftlich tätigen Biologen oder Biochemiker angesehen, der über Erfahrung in der rekombinanten Expression von Enzymen verfügt.

5. Verschiedene Merkmale bedürfen der näheren Betrachtung.

a) Merkmal 1.1 spezifiziert die mit dem Verfahren hergestellte Phytase nur dahingehend, dass sie in Hefe erzeugt wird.

Daraus ergibt sich weder eine Festlegung auf bestimmte Eigenschaften der Phytase noch eine Festlegung auf eine bestimmte Hefe.

b) Das zur Erzeugung der Phytase eingesetzte Gen wird in den Merkmalen 1.2 und 1.3 dahin spezifiziert, dass es sich um ein aus bakteriellen Zellen isoliertes appA-Gen handelt, welches ein Protein oder Polypeptid mit Phytase-Aktivität kodiert.

aa) Daraus ergibt sich keine Festlegung auf ein bestimmtes Bakterium.

Als im Stand der Technik bekanntes Gen mit diesen Eigenschaften und als bevorzugte Ausführungsform wird in der Beschreibung des Streitpatents das appAGen des Bakteriums Escherichia coli (E.coli) benannt, dessen Struktur unter der Zugangsnummer M58708 öffentlich hinterlegt ist (Abs. 21).

Aus der ausdrücklichen Bezeichnung als Beispiel und aus dem Umstand, dass Patentanspruch 1 kein bestimmtes Bakterium benennt, ergibt sich, dass Patentanspruch 1 den Einsatz auch von appA-Genen anderer Bakterien schützt.

In diesem Zusammenhang ist unerheblich, ob sich aus der Patentschrift oder aus sonstigen am Prioritätstag verfügbaren Quellen Hinweise darauf ergeben, auf welchem Wege andere appA-Gene erhältlich sind. Die genannten Formulierungen lassen erkennen, dass das Patent solche Gene grundsätzlich unabhängig von dieser Frage beansprucht.

bb) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ergibt sich aus der Bezeichnung als appA-Gen die Festlegung, dass das erfindungsgemäße Gen über die in Merkmal 1.3 vorgesehene Kodierung eines Proteins oder Polypeptids mit Phytase-Aktivität hinaus bestimmte weitere Eigenschaften aufweisen muss, die das appA-Gen aus E.coli charakterisieren.

(1) Das Streitpatent verwendet die Bezeichnung "appA-Gen" nicht als Synonym für jegliches Gen aus E.coli oder sonstigen Bakterien, das für ein Protein oder Polypeptid mit Phytase-Aktivität kodiert.

Schon aus der Beschreibung des Stands der Technik ergibt sich, dass es innerhalb desselben Organismus unterschiedliche Gene geben kann, die die zuletzt genannte Eigenschaft aufweisen. Auch für E.coli wird unter Bezugnahme auf die Veröffentlichung von Greiner et al. (Purification and Characterization of Two Phytases from E.coli, Arch. of Biochemistry and Biophysics 303 (1993), 107-113, D8) von zwei unterschiedlichen Phytasen (P1, P2) berichtet. Nur eine davon (P2) wird mit der vom appA-Gen erzeugten Phytase in Verbindung gebracht.

(2) Vor diesem Hintergrund kann auch für andere Bakterien nicht angenommen werden, dass jedes Gen, das eine Phytase erzeugt, als appA-Gen im Sinne des Streitpatents anzusehen ist. Die Subsumtion unter dieses Merkmal setzt vielmehr voraus, dass über die Kodierung eines Proteins oder Polypeptids mit Phytase-Aktivität hinaus weitere Eigenschaften vorhanden sind, die für das appA-Gen aus E.coli charakteristisch sind.

(3) Zu diesen Eigenschaften gehören jedenfalls die Aktivität als saure Histidin-Phosphatase und die Anwesenheit eines mit RHGXRXP oder RHG bezeichneten Motivs im aktiven Zentrum.

Diese beiden Eigenschaften sind, wie die Parteien im Kern übereinstimmend vortragen und auch das Patentgericht im Ansatz nicht verkannt hat, im Stand der Technik als spezifische Eigenschaften des appA-Gens aus E.coli beschrieben. Die Eigenschaft als saure Histidin-Phosphatase (acid phosphoanhydride phosphohydrolase) war sogar maßgeblich für die Namensgebung in einer Veröffentlichung von E. Dassa und Boquet aus dem Jahr 1985 (Identification of the gene appA for the acid phosphatase (pH optimum 2.5) of E.coli, Molecular and General Genetics 200 (1985), 68, G12). Aus weiteren Veröffentlichungen geht hervor, dass das appA-Gen aus E.coli das RHG -Motiv enthält (J. Dassa et al., The Complete Nucleotide Sequence of the E.coli Gene appA Reveals Significant Homology between pH 2.5 Acid Phosphatase and Glucose-1-Phosphatase, Journal of Bacteriology 172 (1990), 5497, 5498 Fig. 2, D3) und dass dieses Motiv für saure Phosphatasen charakteristisch ist (Ostanin et al., Overexpression, Site-directed Mutagenesis, and Mechanism of E.coli Acid Phosphatase, The Journal of Biological Chemistry 267 (1992), 22830, D12).

Auf die beiden zuletzt genannten Veröffentlichungen nimmt das Streitpatent im Zusammenhang mit dem appA-Gen aus E.coli ausdrücklich Bezug (Abs. 21). Dem ist zu entnehmen, dass als appA-Gen im Sinne des Streitpatents ein Gen anzusehen ist, das die darin genannten Eigenschaften aufweist - nicht nur in Bezug auf die Phytase-Aktivität, sondern zumindest auch in Bezug auf die im Zusammenhang damit angeführten Charakteristika, jedenfalls also die Aktivität im sauren Bereich und das Vorhandensein einer RHG -Gruppe betreffend.

Dass aus den im Stand der Technik verfügbaren Veröffentlichungen keine eindeutigen Erkenntnisse darüber verfügbar waren, ob Gene aus anderen Bakterien die genannten Eigenschaften aufweisen, führt entgegen der Auffassung des Patentgerichts nicht zu einer abweichenden Beurteilung. Diesem Umstand könnte allenfalls dann Bedeutung zukommen, wenn die Subsumtion unter den Begriff "appAGen" schon aufgrund anderer Kriterien möglich wäre und weitere Forschung zu der Erkenntnis geführt hätte, dass nicht jedes solchermaßen definierte Gen die oben genannten Charakteristika aufweist. Wie das Patentgericht im Ansatz zutreffend festgestellt hat, lässt der Stand der Technik aber nicht erkennen, dass es sich bei "appA" um eine in der Fachwelt etablierte Gattungsbezeichnung gehandelt hat. Gerade deshalb muss für die Auslegung diejenige Bedeutung den Ausschlag geben, die das Streitpatent diesem Begriff beimisst. Auch von diesem Ausgangspunkt aus ist dem Umstand, dass das Streitpatent insoweit auf D3 und D12 Bezug nimmt, zu entnehmen, dass die darin für das appA-Gen aus E.coli als charakteristisch bezeichneten Merkmale für die Subsumtion unter den Begriff "appA-Gen" maßgeblich sind.

(4) Ob darüber hinaus, wie die Klägerin geltend macht, weitere strukturelle Übereinstimmungen vorhanden sein müssen, ist für die Entscheidung des Streitfalls nicht relevant und kann deshalb offenbleiben.

III. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Es könne offenbleiben, ob die Erfindung so offenbart sei, dass ein Fachmann sie ausführen könne, sowie ob der Gegenstand des Patents über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinausgehe und neu sei. Jedenfalls beruhe er ausgehend von der Veröffentlichung von Greiner et al. (D8) nicht auf erfinderischer Tätigkeit.

Die in D8 als P2 bezeichnete Phytase, die bei einem pH-Wert von 4,5 aktiv sei, weise Übereinstimmungen mit der in einer Veröffentlichung von E. Dassa et al. aus dem Jahr 1982 (The Acid Phosphatase with Optimum pH of 2.5 of E.coli, The Journal of Biological Chemistry 257 (1982), 6669-6676, D4) beschriebenen Phosphatase auf, deren Optimum bei einem pH-Wert von 2,5 liege. In D8 werde hieraus die Schlussfolgerung gezogen, dass es sich um dieselbe Phosphatase handle, die besser als Phytase zu klassifizieren sei. Angesichts dessen erscheine dem Fachmann eine Aktivität dieser Phytase nicht nur im moderat sauren Milieu (pH 4,5), sondern auch in einem Milieu mit deutlich niedrigerem pH-Wert möglich. Dies wiederum lasse eine Verwendung im sauren Magen-Milieu möglich erscheinen. Angesichts des Ansehens der Forschungseinrichtung, aus der D8 stamme, habe der Fachmann keinen Grund gehabt, die dort veröffentlichten Erkenntnisse ohne weiteres als nicht glaubhaft zu verwerfen. Der Fachmann habe vielmehr Anlass gehabt, die Phytase P2 weiter zu untersuchen.

Aus der Veröffentlichung von J. Dassa et al. aus dem Jahr 1990 (D3) ergebe sich, dass das appA-Gen aus E.coli die in D4 beschriebene Phosphatase kodiere. Da außerdem bekannt sei, dass Phytasen in nahezu allen Organismen vorkämen und damit auch in verschiedenen Bakterienarten, habe für den Fachmann auf der Hand gelegen, dass nicht nur E.coli, sondern auch andere Bakterien ein Phytase kodierendes appA-Gen enthielten. Dies ergebe sich auch aus der Veröffentlichung von Sun (Cloning and Expression of Calpain and Phytase Genes for the Improvement of Animal Growth and Nutrition, Diss. Purdue University, Dezember 1996, D17).

Die Lehre, für die Expression der bakteriellen appA-Phytasen Hefen einzusetzen, könne eine erfinderische Tätigkeit ebenfalls nicht begründen. Der Fachmann müsse bei der Bestimmung der Wirtszellen zwar eine Auswahl unter einer Vielzahl von in Betracht kommenden Möglichkeiten treffen. Diese Auswahl gehe aber nicht über das allgemeine Wissen und Können hinaus. So gehe etwa aus D8 und aus einer Veröffentlichung von Wodzinski und Ullah (Phytase, Advances in Applied Microbiology 42 (1996), 263-302, D8a) hervor, dass es für die in Futtermitteln eingesetzten Phytasen nicht nur auf eine Aktivität bei möglichst niedrigen pH-Werten ankomme, sondern auch auf die Thermostabilität. Dem Fachmann sei seit langem bekannt, dass eine Glykosylierung zur thermischen Stabilität einen entscheidenden Beitrag leisten könne. Das ergebe sich etwa aus der Veröffentlichung von Vegarud und Christensen (Glycosylation of Proteins: A New Method of Enzyme Stabilization, Biotechnology and Bioengineering XVII (1975), 1391-1397, D14). Zur allgemeinen Fachkenntnis gehöre ferner, dass eine Glykosylierung in bakteriellen Expressionssystemen nicht erfolge. Der Fachmann konzentriere sich deshalb von vornherein auf eukaryontische Systeme. Veröffentlichungen wie etwa diejenige von Curry et al. (Expression and Secretion of a Cellulomonas fimi Exoglucanase in Saccharomyces cerevisiae, Applied And Environmental Microbiology 54 (1988), 476484, D15) sowie Olsen und Thomsen (Improvement of bacterial ß-glucanase thermostability by glycosylation, Journal of General Microbiology 137 (1991), 579-585, D16) richteten das Augenmerk dabei auf den Einsatz von Hefezellen. Ein solches Vorgehen unter Rückgriff auf die vielversprechende Phytase P2 und bekannte Expressionssysteme habe aus Kosten- und Zeitgründen wesentlich nähergelegen als eine völlig ergebnisoffene Suche nach neuen, geeigneten Phytase-Mutanten.

Die Entscheidung der Einspruchsabteilung des Europäischen Patentamts hinsichtlich des aus derselben Anmeldung wie das Streitpatent hervorgegangenen europäischen Patents 1 688 500 betreffe die Verwendung von bakteriellem appA und nicht ein rekombinantes Verfahren zur Herstellung bakterieller appA-Phytasen. Hinzu komme, dass dort eine abweichende Aufgabenstellung zugrunde gelegt worden sei.

IV. Diese Erwägungen halten der Überprüfung im Berufungsverfahren nicht stand.

Zu Unrecht hat das Patentgericht den Gegenstand von Patentanspruch 1 ausgehend von D8 als naheliegend angesehen.

1. Richtig ist, dass der Fachmann bei der Suche nach neuen, für die industrielle Herstellung insbesondere von Futtermitteln geeigneten Phytasen Anlass hatte, D8 zur Kenntnis zu nehmen und auszuwerten.

So hebt D8 Phytasen als wichtige Enzyme für die Futtermittelindustrie hervor und bescheinigt vor diesem Hintergrund dem als P2 bezeichneten Enzym unter gewissen Bedingungen eine hervorragende Phytaseaktivität (Tab. III). Auch liegt das in D8 hinsichtlich der Phytase-Aktivität genannte pH-Optimum von 4,5 innerhalb eines Bereichs, wie er auch für andere in diesem Zusammenhang bedeutsame Enzyme offenbart worden war, etwa in der europäischen Patentanmeldung 699 762 (D9: 3,5 bis 4,5) oder der internationalen Anmeldung 97/48812 (D11: 4,0 bis 5,5). Ferner entspricht die in D8 als Optimum angegebene Temperatur von 55°C den in D7 (55°C) und D11 (37 bis 55°C) angegebenen Werten. Das in D8 genannte thermische Optimum liegt zudem nicht allzu weit unter dem Wert der im Prioritätszeitpunkt bereits am Markt erhältlichen Phytase von BASF (60°C).

2. Der Fachmann wäre darüber hinaus auch ohne erfinderische Tätigkeit zu der Erkenntnis gelangt, dass die in D8 erörterte Phytase aus E.coli durch das appA-Gen kodiert wird.

Dabei kann offenbleiben, ob die als P2 bezeichnete Phytase identisch ist mit dem in D4 als "pH 2.5 acid phosphatase" bezeichneten Enzym, wie dies die Autoren von D8 als wahrscheinlich angesehen haben. Ebenso wenig braucht der Senat zu entscheiden, ob der Fachmann dementsprechend ausgehend von D4/D8 zu der in D3 offenbarten Sequenz des kodierenden Gens gelangt wäre. Denn jedenfalls wäre er, wie nach dem Prioritätstag veröffentlichte Untersuchungen bestätigt haben, durch weitere Versuche mit P2 zum appA-Gen von E.coli gelangt.

3. Im Ansatz zutreffend hat das Patentgericht schließlich angenommen, dass die Expression von bakteriellen Genen in Hefe eine dem Fachmann vertraute Vorgehensweise war.

Wie auch die Beklagte nicht in Zweifel zieht, führen D7 (S. 9: Pichia, Saccharomyces) und D11 (u.a. S. 28: Pichia Pastoris) neben anderen Pilzen, pflanzlichen Substanzen wie Sojabohnen, Mais, Raps, Kohl und Nachtschattengewächsen sowie Substraten von Geflügel, Schweinen oder Fischen auch Hefen als geeigneten Wirt für die Expression von bakteriellen, Phytase kodierenden Genen an.

4. Entgegen der Auffassung des Patentgerichts gaben diese Umstände dem Fachmann jedoch keine hinreichende Veranlassung, aus der Vielzahl von in Betracht kommenden Kombinationsmöglichkeiten (vgl. nur D8a S. 273-275 Tabellen II bis V zu in Frage kommenden Phytasen und entsprechenden Mikroorganismen sowie D7 S. 9 Abs. 3 und 4 zu Wirtszellen) eine Expression von bakteriellen appA-Genen in Hefe als in erster Linie oder besonders erfolgversprechend in Betracht zu ziehen. Angesichts der Vielzahl der in Betracht kommenden Möglichkeiten, der ungewissen Erfolgsaussichten und des für eine umfassende Versuchsreihe erforderlichen Aufwandes bestand insoweit keine ausreichende Erfolgserwartung.

a) Nach der Rechtsprechung des Senats lassen sich die Anforderungen an eine angemessene Erfolgserwartung, die dem Fachmann Veranlassung gibt, einen in Betracht kommenden Lösungsweg trotz nicht sicherer Vorhersehbarkeit der Resultate zu beschreiten, nicht allgemeingültig formulieren. Sie sind im Einzelfall unter Berücksichtigung des in Rede stehenden Fachgebiets, der Größe des Anreizes für den Fachmann, des erforderlichen Aufwands für das Beschreiten und Verfolgen eines bestimmten Ansatzes und der gegebenenfalls in Betracht kommenden Alternativen sowie ihrer jeweiligen Vor- und Nachteile zu bestimmen (BGH, Urteil vom 7. Juli 2020 - X ZR 150/18, GRUR 2020, 1178 Rn. 108 - Pemetrexed II; Urteil vom 16. April 2019 - X ZR 59/17, GRUR 2019, 1032 Rn. 31 - Fulvestrant).

b) Im Streitfall bestand angesichts der hohen Bedeutung, die dem Einsatz einer möglichst aktiven, säureresistenten und thermostabilen Phytase für die industrielle Herstellung von Futtermitteln zukommt, zwar ein hoher ökonomischer Anreiz, eine Alternative zu bereits am Markt erhältlichen Produkten zu finden. Hinzu mögen Gesichtspunkte des Umweltschutzes sowie der Gesundheit von Mensch und Tier kommen. Wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, bot es sich für den Fachmann auch eher an, bereits als Phytase identifizierte Substanzen zu untersuchen, statt sich auf die Suche nach neuen Phytasen zu machen, weil letzteres tendenziell mit noch größerem Aufwand und noch größerer Unsicherheit verbunden war.

c) Ungeachtet dessen waren die Erfolgsaussichten in Bezug auf eine Expression der aus D8 bekannten Phytase P2 in Hefe nicht ausreichend hoch.

Wie die Klägerin in der mündlichen Verhandlung verdeutlicht hat, gaben die in D8 (Tab. III) offenbarten Ergebnisse einen gewissen Anreiz, die Phytase P2 in Betracht zu ziehen, weil diese mit einem Wert von 6209 einen äußerst hohen Umsatz aufweist (Tab. III) und damit die Werte anderer untersuchter Phytasen, wie sich aus D8a (Tab. V) ergibt, mindestens um den Faktor 2 und zum Teil sogar um mehr als den Faktor 20 übertrifft.

Ungeachtet dessen ließen die in D8 offenbarten Werte zur Thermostabilität eine Eignung der Phytase P2 zur Herstellung von Futtermitteln als wenig wahrscheinlich erscheinen.

Dem Fachmann war am Prioritätstag zum Beispiel aus D9 bekannt, dass Futtermittel in der industriellen Herstellung bei Temperaturen zwischen 75°C und 85°C geformt werden (D9 S. 2 Z. 36 f.). Dies gab ihm Veranlassung, der Thermostabilität bei der Suche nach geeigneten Kandidaten großes Gewicht beizumessen.

Aus D8 konnte der Fachmann in diesem Zusammenhang entnehmen, dass die Aktivität der Phytase P2 ab 60°C stark abnimmt und ab 70°C nicht mehr feststellbar ist (S. 110 rechts Abs. 1). Selbst wenn er ungeachtet dessen weitere Versuche angestellt hätte, wäre er, wie sich aus den in der Streitpatentschrift (Abs. 85 Tab. 9) dokumentierten Werten ergibt, zu der Erkenntnis gelangt, dass die Aktivität nach 15-minütiger Einwirkung einer Temperatur von 80°C auf 0,1 des Ausgangswerts absinkt, während andere Phytasen noch eine Restaktivität von 50 bis 69 Prozent des Ausgangswerts zeigten.

Angesichts dessen musste der Fachmann damit rechnen, dass trotz des in D8 dokumentierten hohen Ausgangswerts bei den für die Futtermittelindustrie erforderlichen Temperaturen keine nennenswerte Aktivität mehr verbleiben würde.

Vor diesem Hintergrund begründete die Aussicht, die Thermostabilität durch Glykosylierung zu verbessern, keine hinreichende Erfolgserwartung.

(1) Wie das Patentgericht zutreffend dargelegt hat, gab es allerdings aus verschiedenen Veröffentlichungen Hinweise darauf, dass die Thermostabilität von Enzymen durch Glykosylierung, insbesondere bei Expression in Hefe gesteigert werden kann.

Zu den einschlägigen Veröffentlichungen gehören insbesondere diejenigen von Romanos (Advances in the use of Pichia pastoris for high-level gene expression, Current Opinion in Biotechnology 1995, 527-533, D13), Vegarud und Christensen (Glycosylation of Proteins: A New Method of Enzyme Stabilization, Biotechnology and Bioengineering XVII (1975), 1391-1397, D14), Curry et al. (Expression and Secretion of a Cellulomonas fimi Exoglucanase in Saccharomyces cerevisiae, Applied and Environmental Microbiology 1988, 476-484, D15) sowie Olsen und Thomsen (Improvement of bacterial ß-glucanase thermostability by glycosylation, Journal of General Microbiology 137 (1991), 579-585, D16).

(2) In allen diesen Entgegenhaltungen wird aber darauf hingewiesen, dass die Auswirkungen einer Glykosylierung nicht ohne weiteres absehbar sind und dass die Glykosylierung zu einer Verringerung der enzymatischen Aktivität führen kann.

In D13 wird als mögliches Risiko ein Rückgang oder sogar ein völliges Einbrechen der Aktivität erwähnt (S. 527 rechts unten). In D14 wird berichtet, die spezifische Aktivität habe sich durch die Glykosylierung verringert (S. 1396 unten). In D15 wird ausgeführt, es bleibe zu klären, ob eine hinreichende Ausbeute erzielt werden könne (S. 483 rechts oben). In D16 wird für die beiden dort untersuchten Enzyme ein Rückgang von 1180 auf 450 bzw. von 3690 auf 1940 Einheiten pro Milligramm angegeben (S. 583 links Mitte).

Darüber hinaus wird in D16 darauf hingewiesen, die Position und die Art der Glykosylierung sei für die Thermostabilität von größerer Bedeutung als die Menge des zugesetzten Glykans (S. 584 links unten).

(3) Trotz dieser Risiken mag für den Fachmann ein gewisser Anreiz bestanden haben, Versuche zur Verbesserung der Thermostabilität durch Glykosylierung durchzuführen. Eine angemessene Erfolgserwartung bestand aber nur in Bezug auf solche Phytasen, die schon von Haus aus bestimmte Mindestwerte erreichten und damit die Aussicht begründeten, dass mit einer Glykosylierung ein für den industriellen Einsatz ausreichendes Maß an Thermostabilität erreicht werden kann.

Diese Aussicht war bei der Phytase P2 aufgrund der geringen Restaktivität, die nach 15 Minuten bei einer Temperatur von 80°C verbleibt, nicht gegeben. Selbst wenn eine Glykosylierung zu einer Vervielfachung der Restaktivität geführt hätte, war aufgrund des geringen Ausgangswerts wenig wahrscheinlich, dass sich ein für den industriellen Einsatz geeignetes Ergebnis einstellen würde. Angesichts dessen hatte der Fachmann keinen Anlass, diesen Weg zu beschreiten.

V. Die angefochtene Entscheidung erweist sich nicht aus einem anderen Grund als im Ergebnis zutreffend (§ 119 Abs. 1 PatG ).

1. Der Gegenstand des Streitpatents ist neu.

a) Entgegen der Auffassung der Berufungserwiderung ist auch der Gegenstand von Patentanspruch 13 nicht durch die prioritätsältere, aber erst nach dem Prioritätstag veröffentlichte internationale Patentanmeldung 99/08539 (D1) vorweggenommen.

aa) D1 betrifft die Bereitstellung eines Enzyms für die Verwertung von in Phytat gebundenem Phosphat durch Monogastrier wie zum Beispiel Schweine und Geflügel.

Zur Herstellung der Phytase wird eine aus E.coli isolierte Nukleinsäuresequenz eingesetzt (S. 7 Z. 5 f.). Deren Aufbau ist in Figur 1 unter der Bezeichnung SEQ ID NO:1 dargestellt, der Aufbau der damit kodierten Aminosäuresequenz in Figur 2 unter der Bezeichnung SEQ ID NO:2 (S. 7 Z. 19-27).

Als geeignete Verfahren zur Herstellung der Phytase werden in D1 grundsätzlich alle üblichen Methoden bezeichnet (S. 12 Z. 4-8). Bei einer als bevorzugt bezeichneten und in dem (einzigen) Ausführungsbeispiel näher beschriebenen Ausführungsform erfolgt die Expression in E.coli (S. 15 Z. 2). Ergänzend wird ausgeführt, es könnten auch rekombinante Techniken eingesetzt werden (S. 21 Z. 13 f.). Als geeignete Wirtszellen kämen Bakterienzellen wie E.coli, Streptomyces, Bacillus subtilis, Pilzzellen wie Hefe, Insektenzellen wie Drosophila S2 und Spodoptera Sf9, Tierzellen wie CHO, COS oder Bowes-Melanom, Adenoviren, Pflanzenzellen und anderes in Betracht. Die Auswahl eines geeigneten Wirts liege im Handlungsbereich des Fachmanns und der im Stand der Technik bekannten Lehren (S. 22 Z. 16-20).

bb) Damit sind die Merkmale von Patentanspruch 1 nicht unmittelbar und eindeutig offenbart.

Dabei kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass das in D1 offenbarte Gen das appA-Gen aus E.coli ist. Auch auf der Grundlage dieser Prämisse ergab sich für den Fachmann nicht eindeutig und unmittelbar, dass die Expression dieses Gens in Hefe zu dem in D1 angestrebten Ergebnis führen würde.

Hefe wird zwar neben vielen anderen Substanzen als geeigneter Wirt benannt. Aus dem Hinweis, dass die Auswahl des Wirts aufgrund der im Stand der Technik bekannten Lehren erfolgt, ergibt sich jedoch, dass nicht jede angeführte Substanz ohne weiteres mit Erfolg eingesetzt werden kann, sondern dass es der Heranziehung zusätzlichen Fachwissens bedarf. Eine Erkenntnis, die sich erst unter Heranziehung von Fachwissen ergibt, reicht für eine eindeutige und unmittelbare Offenbarung nicht aus (BGH, Urteil vom 8. Juli 2010 - Xa ZR 124/07, GRUR 2010, 910 Rn. 62 - Fälschungssicheres Dokument; Urteil vom 20. Oktober 2020 - X ZR 158/18 Rn. 29 - Zigarettenpackung).

cc) Entgegen der Auffassung der Klägerin fehlt es auch an einer Vorwegnahme des Gegenstands von Patentanspruch 13.

Dabei kann zugunsten der Klägerin unterstellt werden, dass die in D1 offenbarte Aminosäuresequenz ebenfalls mit einem Verfahren erhältlich ist, wie es durch Patentanspruch 1 geschützt ist. Auch unter dieser Prämisse fehlt es an einer eindeutigen und unmittelbaren Offenbarung der Merkmalsgruppe 13.2.

Die darin vorgesehenen Temperatur- und pH-Werte sind nach den Ausführungen im Streitpatent eine Folge der Expression in Hefe. Eine solche ist aus den bereits angeführten Gründen in D1 nicht eindeutig und unmittelbar offenbart. Unabhängig davon kann nicht ohne weiteres davon ausgegangen werden, dass die in Merkmalsgruppe 13.2 vorgegebenen Werte durch jedes durch Patentanspruch 1 geschützte Verfahren erreicht werden können.

b) Entgegen der Einschätzung, die das Patentgericht in seinem nach § 83 Abs. 1 PatG erteilten Hinweis geäußert hat, ist der Gegenstand des Streitpatents in D11 nicht vollständig offenbart.

D11 offenbart zwar unter anderem die Herstellung von Phytase durch Expression eines aus dem Bakterium Selenomonas ruminantium stammenden Gens in Hefezellen (Pichia pastoris). Dieses in D11 als JY35 bezeichnete Gen ist aber dem Typ phyA zuzurechnen und weist nicht die oben aufgezeigten Charakteristika des appA-Gens auf.

c) Entsprechendes gilt in Bezug auf D7.

D7 offenbart die Herstellung von Phytase durch Expression eines aus einer mikrobiellen Quelle, vorzugsweise aus einem Bakterium der Gattung Bacillus gewonnenen Gens in einem pro- oder eukaryontischen Wirt, wobei als Beispiel für letzteres auch Hefen der Gattungen Pichia und Saccharomyces angeführt werden (S. 9 Abs. 4).

Das eingesetzte Gen wird aber als phyC-Gen bezeichnet. Dass es die mindestens erforderlichen strukturellen Ähnlichkeiten mit dem appA-Gen aufweist, ist weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich. Auch der in D7 angegebene pH-Wert von 7,5 spricht schließlich gegen die Annahme, dass es sich um eine saure Phosphatase handelt.

2. Wie das Patentgericht in seinem gemäß § 83 Abs. 1 PatG erteilten Hinweis zutreffend ausgeführt hat, geht der Gegenstand des Streitpatents nicht über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus.

a) In den ursprünglich eingereichten Unterlagen, deren Inhalt im Dokument WO 99/67398 A3 (K8) veröffentlicht ist, ist Anspruch 1 auf die Herstellung von Phytase durch Expression eines heterologen Gens in Hefe gerichtet. Die Ansprüche 15 und 16 sind auf ein solches Verfahren unter Einsatz eines Gens aus bakteriellen Zellen bzw. des appA-Gens aus E.coli gerichtet.

In der Beschreibung wird ergänzend ausgeführt, die Erfindung stelle ein Verfahren zur Herstellung von Phytase unter Einsatz eines isolierten appA-Gens zur Verfügung. Als bevorzugt wird das appA-Gen aus E.coli angeführt (S. 14 Z. 21-24).

b) Aus dem Zusammenhang dieser Ausführungen geht hinreichend deutlich hervor, dass Schutz auch für den Einsatz eines appA-Gens beliebigen bakteriellen Ursprungs im Sinne von Merkmal 1.2 beansprucht wird.

c) Entgegen der Auffassung der Klägerin ist auch die Kombination mit Merkmal 1.4 ursprungsoffenbart.

In der Beschreibung wird zwar eine Vielzahl von Organismen als mögliche Wirte benannt. Wie bereits dargelegt, sind die Ansprüche 15 und 16 aber auf Schutz für die Expression der dort genannten Gene in Hefe gerichtet. Aus den ergänzenden Ausführungen in der Beschreibung, wonach das appA-Gen aus E.coli nur eine bevorzugte Ausführungsform für ein appA-Gen darstellt, wird hinreichend deutlich, dass entsprechender Schutz auch für die Expression anderer bakterieller appAGene in Hefe beansprucht wird.

3. Wie das Patentgericht in seinem Hinweis ebenfalls zutreffend ausgeführt hat, ist die Erfindung so offenbart, dass ein Fachmann sie ausführen kann.

a) Entgegen der Auffassung der Klägerin fehlt es an einer hinreichenden Offenbarung nicht deshalb, weil ein Enzym mit Phytaseaktivität durch Expression in Hefe nur unter Einsatz geeigneter Signalpeptide erhältlich ist.

Wie das Patentgericht zutreffend ausgeführt hat, weist die Patentschrift auf diesen Umstand ausdrücklich hin (Abs. 35). Sie nimmt darüber hinaus auf Veröffentlichungen Bezug, in denen geeignete Signalpeptide benannt werden (Abs. 36). Damit versetzt sie den Fachmann in die Lage, das beanspruchte Verfahren auszuführen.

b) Entgegen der Auffassung der Klägerin fehlt es an einer ausführbaren Offenbarung des Gegenstands von Patentanspruch 4 nicht deshalb, weil die darin vorgesehene Verbindung des appA-Gens mit einem Transkriptionsverstärkungselement bei bakteriellen Genen nicht möglich ist.

Nach dem unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Beklagten ist eine solche Verbindung auch bei bakteriellen Genen möglich, wenn Sequenzen des eukaryontischen Wirtsorganismus mit prozessiert werden. Vor diesem Hintergrund ist Patentanspruch 4 ungeachtet seines insoweit potentiell missverständlichen Wortlauts dahin zu verstehen, dass er (nur) diese Ausgestaltung betrifft, nicht aber eine auch nach dem Vorbringen der Beklagten nicht mögliche Verbindung mit Sequenzen des bakteriellen Gens.

c) Ebenfalls zutreffend hat das Patentgericht eine ausführbare Offenbarung in Bezug auf den Gegenstand von Patentanspruch 13 bejaht.

aa) Nach den Ausführungen des Patentgerichts war der Fachmann am Prioritätstag in der Lage, durch Messung zu ermitteln, ob die beanspruchten Temperatur- und pH-Werte eingehalten sind. Dass es nach dem Vorbringen der Klägerin hierfür keine Standardmethode gab, ist angesichts dessen unerheblich.

bb) Dem Einwand, ein pH-Optimum zwischen 5,0 und 5,5 sei nur für phyAGene ausführbar offenbart, hat die Beklagte durch Streichung dieser Variante Rechnung getragen.

d) Entgegen der Auffassung der Klägerin fehlt es hinsichtlich des Gegenstands der Patentansprüche 18 und 24 nicht deshalb an einer ausführbaren Offenbarung, weil im Streitpatent einzelne Beispiele dargestellt werden, die nicht zum Erfolg führen.

Eine ausführbare Offenbarung erfordert nicht, dass jede theoretisch unter den Patentanspruch subsumierbare Kombination zu dem angestrebten Erfolg führt. Grundsätzlich genügt es vielmehr, wenn für jede beanspruchte Ausführungsform ein gangbarer Weg aufgezeigt wird. Dieser Anforderung wird das Streitpatent gerecht.

e) Zu Recht hat das Patentgericht schließlich den Gegenstand von Patentanspruch 30 als ausführbar offenbart angesehen, weil der darin vorgesehene Begriff "inorganic phosphorus" nicht im Sinne von anorganischem Phosphor als Element zu verstehen ist, sondern im Sinne von ohne weiteres verwertbarem Phosphat.

VI. Der Rechtsstreit ist zur Entscheidung reif (§ 119 Abs. 5 Satz 2 PatG ).

Das Streitpatent erweist sich aus den oben dargelegten Gründen in der mit dem Hauptantrag verteidigten Fassung als rechtsbeständig.

VII. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO .

Von Rechts wegen

Verkündet am: 26. Januar 2021

Vorinstanz: BPatG, vom 20.11.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 3 Ni 45/16 (EP)
Fundstellen
GRUR 2021, 696
MDR 2021, 498