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BGH - Entscheidung vom 23.02.2021

X ZR 11/19

Normen:
PatG § 119 Abs. 1
PatG § 121 Abs. 2

BGH, Urteil vom 23.02.2021 - Aktenzeichen X ZR 11/19

DRsp Nr. 2021/8240

Nichtigkeitsverfahren gegen ein Streitpatent über eine Funkstation für ein Funkkommunikationssystem und ein Verfahren zum Betrieb einer solchen Funkstation wegen des Nichtberuhens auf erfinderischer Tätigkeit

Ein Merkmal ist nur vorweggenommen, wenn es sich für den Fachmann unmittelbar und eindeutig offenbart.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des 6. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 7. November 2018 abgeändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Normenkette:

PatG § 119 Abs. 1 ; PatG § 121 Abs. 2 ;

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 062 743 (Streitpatents). Das Streitpatent, das am 24. Dezember 1999 angemeldet worden und inzwischen durch Ablauf der Höchstschutzdauer erloschen ist, nimmt die Priorität von vier britischen Patentanmeldungen aus dem Zeitraum vom 16. Januar bis 24. September 1999 in Anspruch und umfasst sechs Ansprüche. Die Ansprüche 1 und 4, auf die die weiteren Ansprüche zurückbezogen sind, lauten in der Verfahrenssprache:

1.

A radio station for use in a radio communication system having a communication channel between the radio station and a further station, the channel comprising an uplink and a downlink control channel for transmission of control information and a data channel for the transmission of data, wherein closed loop power control means are provided for adjusting the power of the control and data channels, characterized by means for delaying the initial transmission of the data channel until after the initial transmission of the control channels during which delay the closed loop power control means is operable to adjust the control channel power.

4.

A method of operating a radio station in a radio communication system having a communication channel between the radio station and a further station, the channel comprising an uplink and a downlink control channel for transmission of control information and a data channel for the transmission of data, the method comprising adjusting the power of the control and data channels by means of closed loop power control and characterized by delaying the initial transmission of the data channel until after the initial transmission of the control channels during which delay the closed loop power control means is operable to adjust the control channel power.

Eine frühere Nichtigkeitsklage gegen das Streitpatent hat der Senat auf die Berufung der Beklagten abgewiesen (BGH, Urteil vom 11. Februar 2014 - X ZR 107/12, BGHZ 200, 63 = GRUR 2014, 542 - Kommunikationskanal).

Die Klägerin, die aus dem Streitpatent gerichtlich in Anspruch genommen wird, hat geltend gemacht, sein Gegenstand sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Schutzrecht in der erteilten Fassung und mit sechs Hilfsanträgen in geänderten Fassungen verteidigt.

Das Patentgericht hat das Streitpatent unter Abweisung der weitergehenden Klage für nichtig erklärt, soweit es über die Fassung nach Hilfsantrag IV hinausgeht. Dagegen richtet sich die Berufung der Beklagten, mit der sie das Streitpatent weiterhin in der erteilten Fassung und in den geänderten Fassungen der Hilfsanträge I bis III verteidigt. Die Klägerin tritt dem Rechtsmittel entgegen. Ihre eigene Berufung hat sie zurückgenommen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten ist zulässig, hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.

I. Das Streitpatent betrifft eine Funkstation, etwa eine Basis- oder eine Mobilstation, für ein Funkkommunikationssystem und ein Verfahren zum Betrieb einer solchen Funkstation.

1. In der Beschreibung wird ausgeführt, es gebe zwei grundlegende Arten der Kommunikation zwischen einer Basisstation und einer Mobilstation. Dabei handele es sich einmal um Benutzerverkehr (user traffic), etwa Sprach- oder Paketdaten, zum anderen um Steuerinformationen (control information), die benötigt würden, um verschiedene Parameter des Übertragungskanals einzustellen und zu überwachen, wodurch Basisstation und Mobilstation in die Lage versetzt würden, den Benutzerverkehr abzuwickeln (Abs. 2).

Die Steuerinformationen könnten unter anderem zur Regelung der Übertragungsleistung eingesetzt werden. In entsprechenden Netzen sei eine Leistungsregelung in beide Richtungen erforderlich. Die Regelung der Leistung der Mobilstation solle sicherstellen, dass die Basisstation die Signale verschiedener Mobilstationen auf etwa dem gleichen Leistungspegel empfange, die Mobilstation aber nicht mehr Leistung als erforderlich aufwende. Die Regelung der Leistung der Basisstation sei erforderlich, damit die Mobilstation die Daten mit geringer Fehlerquote erhalte, zugleich aber Interferenzen mit anderen Funkzellen oder Funksystemen reduziert würden (Abs. 3 Z. 16-20).

Im Stand der Technik erfolge die Leistungsregelung bei Zweiwege-Funkkommunikationssystemen in geschlossenen Regelkreisen. Dies bedeute, dass jede Station das empfangene Signal mit dem Zielwert vergleiche und der Gegenstelle erforderliche Änderungen signalisiere (Abs. 3 Z. 20-22).

Die Streitpatentschrift bezeichnet es als Nachteil dieser Methode, dass bei Beginn der Übertragung oder nach einer Unterbrechung derselben eine gewisse Zeit benötigt werde, bis die Leistungsregelung im geschlossenen Regelungskreis greife und sich die tatsächliche Leistung dem Zielwert hinreichend angenähert habe. Während dieses Zeitraums könne es zu Fehlern bei der Datenübertragung kommen (Abs. 5).

2. Vor diesem Hintergrund betrifft das Streitpatent das technische Problem, eine Leistungsregelung zur Verfügung zu stellen, bei der der Zielwert möglichst schnell erreicht wird und Fehler in der Anfangsphase der Datenübertragung vermieden werden.

3. Zur Lösung dieser Aufgabe schlägt das Streitpatent in Anspruch 1 eine Vorrichtung vor, die folgende Merkmale aufweist:

A radio station for use in a radio communication system having  Funkstation zur Verwendung in einem Funkkommunikationssystem, 
a communication channel between the radio station and a further station, the channel comprising  mit einem Kanal zur Kommunikation zwischen der Funkstation und einer weiteren Station, umfassend 
1.1  an uplink and a downlink control channel for transmission of control information, and  einen Uplink- und einen Downlink-Steuerkanal zur Übertragung von Steuerinformationen, 
1.2  a data channel for the transmission of data  einen Datenkanal zur Übertragung von Daten, 
means for delaying the initial transmission of the data channel until after the initial transmission of the control channels  Mittel zur Verzögerung des Beginns der Übertragung im Datenkanal bis nach dem Beginn der Übertragung in den Steuerkanälen und 
wherein closed loop power control means  Mittel zur Leistungsregelung mit einem geschlossenen Regelkreis, die 
3.1  are provided for adjusting the power of the control and data channels  die Leistung der Steuer- und Datenkanäle anpassen und 
3.2  and operable to adjust the control channel power during said delay.  während der Verzögerung die Steuerkanalleistung anpassen können. 

4. Patentanspruch 4 schützt ein Verfahren, das mit einer solchen Vorrichtung ausgeführt werden kann.

Wie das Patentgericht zutreffend und insoweit nicht angegriffen ausgeführt hat, ist dieser Gegenstand nicht anders zu beurteilen als derjenige von Patentanspruch 1, weil die Merkmale in allen wesentlichen Punkten übereinstimmen.

5. Einige Merkmale bedürfen näherer Erläuterung

a) Der Begriff des Kommunikationskanals ist im Streitpatent nicht ausdrücklich definiert.

Aus dem Zusammenhang ergibt sich, dass damit Ressourcen gemeint sind, die der Übertragung von Daten zwischen einer Basisstation und einer einzelnen Mobilstation dienen. Hiervon zu unterscheiden sind Kanäle, die von mehreren Mobilstationen gemeinsam genutzt werden können, zum Beispiel dazu, den Aufbau einer Verbindung anzufordern.

Dieses Verständnis ergibt sich insbesondere aus der Schilderung des Kommunikationsaufbaus, wie er in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 3 der Streitpatentschrift dargestellt ist.

In diesem Diagramm wird auf einer von links nach rechts verlaufenden Zeitachse schematisch die Kommunikation auf einem von der Mobilstation zur Basisstation verlaufenden Uplink-Kanal (124) und einem in umgekehrter Richtung verlaufenden Downlink-Kanal (122) dargestellt. Soll eine Kommunikationsverbindung eingerichtet werden, übermittelt die Mobilstation auf dem Uplink-Kanal (124) eine entsprechende Anfrage (202) an die Basisstation. Wenn die Anfrage die Basisstation erreicht und genügend Ressourcen zur Verfügung stehen, übermittelt die Basisstation über den Downlink-Kanal (122) ein Bestätigungssignal (204) an die Mobilstation. Daran anschließend werden zunächst zwei Steuerkanäle (206, 208) eingerichtet. Erst nach Ablauf einer weiteren Zeitspanne (302) beginnt die Übertragung der Daten auf dem Datenkanal (210) (Abs. 18).

Alle drei Kanäle gehören nach dem Sprachgebrauch des Streitpatents zum Kommunikationskanal. Die Anfrage (202) und die Bestätigung (204) werden hingegen auf einem anderen Kanal versandt, den das Streitpatent nicht näher spezifiziert.

b) Der Datenkanal im Sinne von Merkmal 1.2 wird im Streitpatent nicht näher spezifiziert.

Aus den bereits erwähnten Ausführungen in der Einleitung der Beschreibung ergibt sich, dass es um Nutzdaten geht, also diejenigen Daten, die vom Nutzer oder zum Nutzer übertragen werden sollen. Dies können Sprach- oder Paketdaten sein (Abs. 2).

c) Die Steuerkanäle im Sinne von Merkmal 1.1 dienen nach diesem Sprachgebrauch der Übertragung zusätzlicher Informationen, mit denen die Übertragung auf dem Datenkanal ermöglicht werden soll. Hierzu zählen insbesondere Signale zur Leistungsregelung (Abs. 3).

d) Als Mittel zur Leistungsregelung sieht Merkmal 3 geschlossene Regelkreise vor, wie sie in der Beschreibung des Streitpatents als im Stand der Technik bekannt bezeichnet werden.

Bei dem im Streitpatent geschilderten Ausführungsbeispiel bestehen die Regelkreise jeweils aus einer inneren und einer äußeren Schleife. Die äußere Schleife passt den Zielwert für die Sendeleistung an; die innere Schleife sorgt dafür, dass die empfangene Leistung dem Zielwert entspricht (Abs. 16 Z. 37-40).

e) Um die in der Beschreibung des Standes der Technik aufgezeigten Schwierigkeiten zu vermeiden, wird der Datenkanal erst eingerichtet, nachdem bereits Steuerdaten zur Regelung der Leistung ausgetauscht worden sind. Dies verhindert, dass es aufgrund nicht hinreichend angepasster Sendeleistungen zu Übertragungsfehlern kommt.

aa) Die aufgezeigten Schwierigkeiten treten auf, wenn der Kommunikationskanal aufgebaut oder nach einer Unterbrechung wiederaufgenommen werden soll.

In diesen Situationen steht ein geschlossener Regelkreis zur kontinuierlichen Anpassung der Sendeleistung noch nicht oder nicht mehr zur Verfügung. Es gibt zwar in dieser Phase schon Mechanismen zur Leistungsregelung. Diese basieren aber auf offenen Regelkreisen und bieten deshalb keine Gewähr für hinreichende Genauigkeit (Abs. 16 Z. 40-45).

bb) Wie bereits oben anhand von Figur 3 des Streitpatents dargelegt wurde, wird der Beginn der Übertragung auf dem Datenkanal um eine Zeitspanne (302) verzögert, um eine hinreichende Verbindungsqualität zu gewährleisten.

Die Bemessung der Zeitspanne überlässt das Streitpatent dem Fachmann. Nach der Beschreibung kann eine Verzögerung von einem oder zwei Rahmen (10 oder 20 ms) genügen (Abs. 18 Z. 52 f.). Die Ansprüche 2 und 3 bzw. 5 und 6 sehen wahlweise vor, dass die Zeitspanne fest vorgegeben ist oder dynamisch bestimmt wird.

cc) Das Verzögerungsintervall wird nach Merkmal 3.2 dazu genutzt, die Steuerkanalleistung (control channel power) anzupassen.

Wie der Senat bereits im vorangegangenen Nichtigkeitsverfahren dargelegt hat, spricht der Umstand, dass das Streitpatent darauf abzielt, Fehler bei der Übertragung von Nutzdaten zu vermeiden, jedoch dafür, dass die in Merkmal 3.2 beschriebene Leistungsregelung auf eine im Streitpatent nicht näher beschriebene Weise auch für die Übertragungsleistung des Datenkanals genutzt wird (Urteil vom 11. Februar 2014 - X ZR 107/12, BGHZ 200, 63 = GRUR 2014, 542 Rn. 12 - Kommunikationskanal).

f) In der Beschreibung des Streitpatents werden zusätzliche Maßnahmen geschildert, mit denen die für die Anpassung der Sendeleistung erforderliche Zeit verringert werden soll. Diese Maßnahmen haben in den Patentansprüchen keinen Niederschlag gefunden.

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung, soweit für das Berufungsverfahren noch von Interesse, im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der erteilten Fassung beruhe gegenüber der Veröffentlichung der internationalen Patentanmeldung WO 99/91944 (D1) nicht auf erfinderischer Tätigkeit. D1 zeige ein Mobilfunksystem mit Basis- und Mobilstationen, die über Kanäle miteinander kommunizierten. Der Downlink- und der Uplink-Kanal umfassten jeweils einen Steuerkanal zur Übertragung von Steuerinformationen und einen Datenkanal zur Übertragung von Nutzdaten. Basis- und Mobilstation wiesen jeweils Mittel zur Leistungsregelung mittels geschlossenem Regelkreis auf. Während das Streitpatent sich mit der Leistungsregelung nach dem Start oder der Wiederaufnahme einer Übertragung beschäftige, habe die D1 die Änderung der Datenrate im Blick. Da sich dadurch die jeweils benötigte Sendeleistung ändere, sei eine Leistungsregelung erforderlich, die eine gewisse Zeit benötige. In der Zwischenzeit könne die Leistung zu hoch oder zu niedrig sein, was zu überhöhten Fehlerraten oder zu unerwünschten Interferenzen führen könne. Zur Bewältigung dieser Probleme sehe D1 vor, vor einer Änderung der Datenrate vermehrt Steuerinformationen zu übertragen oder die Datenrate zunächst testweise zu erhöhen.

Offen bleiben könne, ob D1 auch eine Variante offenbare, bei der zunächst nur Steuerinformationen, aber keine Nutzdaten übertragen werden. D1 lehre jedenfalls, die Übertragung der Nutzdaten mit hoher Datenrate und hoher Sendeleistung erst nach dem Austausch vorbereitender, einer besseren Regelung der Sendeleistung dienenden Steuerinformationen zu starten. Dies gebe dem Fachmann, einem Diplom-Ingenieur der Elektrotechnik mit Hochschulausbildung, der schwerpunktmäßig mit Funkkommunikation befasst sei, über besondere Kenntnisse bei der Entwicklung von Mobilfunkgeräten und den bei ihnen zur Anwendung kommenden Leistungsregelungskonzepten verfüge und die einschlägigen Standards kenne, Veranlassung, in dieser vorbereitenden Phase vollständig auf eine Übertragung von Nutzdaten zu verzichten. Es gehe über ein fachmännisches Vorgehen nicht hinaus, die entsprechenden Mittel vorzusehen. Zudem liege es für den Fachmann nahe, diese Lehre nicht nur beim Wechsel der Datenrate, sondern auch auf den Fall des Beginns einer Übertragung bzw. der Wiederaufnahme der Übertragung nach einer Unterbrechung anzuwenden.

Das Streitpatent könne auch in den Fassungen nach den Hilfsanträgen I bis III nicht erfolgreich verteidigt werden. Die nach diesen Anträgen vorgesehenen zusätzlichen Merkmale seien durch D1 ebenfalls nahegelegt.

III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren nicht stand.

1. Das Erlöschen des Streitpatents steht der Zulässigkeit der Nichtigkeitsklage nicht entgegen, weil die Beklagte die Klägerin wegen Patentverletzung gerichtlich in Anspruch nimmt.

2. Die Veröffentlichung der internationalen Patentanmeldung WO 99/01944 (D1) nimmt den Gegenstand von Patentanspruch 1 nicht vorweg.

a) D1 betrifft eine Vorrichtung und ein Verfahren zum Regeln der Signalleistung in einem Kommunikationssystem. Sie befasst sich mit der Leistungsregelung in Codemultiplexverfahren (code division multiple access, CDMA) wie dem System IS-95 (S. 1 Z. 10 ff.). Die vorgeschlagene Lösung wird aber auch als geeignet für andere zelluläre Mobilfunksysteme bezeichnet (S. 20 Z. 29 ff.).

D1 erläutert, um unnötigen Energieverbrauch und hohe Fehlerquoten zu vermeiden, müsse jede Basisstation ihre Sendeleistung schnell und präzise anpassen (S. 2 Z. 5-14). Die in CDMA-Systemen eingesetzte Leistungsregelung im geschlossenen Regelkreis nehme eine gewisse Zeitspanne in Anspruch, was zu Ungenauigkeiten führen könne (S. 2 Z. 15 bis S. 3 Z. 16).

Eine solche Verzögerung drohe im CDMA-System insbesondere dann, wenn die Bandbreite erhöht werde, weil die Anzahl an Leistungssteuerungsgruppen, die ein zur Übermittlung eingesetzter Rahmen aufweise, von der eingesetzten Datenrate abhänge. Bei einer Übertragung mit voller Datenrate enthalte jeder Rahmen im reverse link - dem Uplink im Sinne der im Streitpatent verwendeten Terminologie - sechzehn Leistungssteuerungsgruppen, die innerhalb von zwanzig Millisekunden übermittelt würden. Bei Übertragung mit der Hälfte, einem Viertel oder einem Achtel dieser Rate würden im genannten Zeitraum entsprechend weniger Gruppen versandt, bei der geringsten Rate also nur zwei Gruppen pro Rahmen. Diese Anzahl sei nicht ausreichend, wenn die Übertragungsrate auf hohe Geschwindigkeit umgestellt werde (S. 3 Z. 17-38).

Bei einem im Detail geschilderten Ausführungsbeispiel wird die volle Datenrate bei Telefongesprächen eingesetzt, um Sprache zu übermitteln, d.h. in Phasen, in denen der Nutzer spricht. In Phasen der Stille, d.h. wenn der Benutzer nicht spricht, wird die Datenrate auf ein Achtel reduziert (eighth rate or idle rate). Typischerweise werden etwa 90 % aller Signale mit einer dieser beiden Raten übertragen (S. 9 Z. 31-37). Im Ausführungsbeispiel werden Sprachdaten mit Raten zwischen 1,8 und 9,6 Kilobit pro Sekunde übertragen. Für andere Daten, insbesondere für Video-, Modem-, Fax-, Paketverfolgungs-, Zähler-, Börsen- und Internet-Daten wird eine hohe Rate (high rate) von 64 Kilobit pro Sekunde eingesetzt (S. 10 Z. 1-15). Die hohe Rate erfordere zwar eine höhere Sendeleistung, sei aber effizienter, weil die benötigte Energie pro Bit geringer sei (S. 13 Z. 24-34; S. 14 Z. 9-11).

Um die Sendeleistung beim Umschalten von einer niedrigen auf die hohe Rate möglichst schnell anpassen zu können, schlägt D1 ein Verfahren vor, dessen Schritte in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 7 dargestellt sind.

Die Routine (300) beginnt, wenn die Basisstation mit der Leerlaufrate (idle rate) arbeitet (310). Dies geschieht, wenn weder Sprache noch Daten an die Mobilstation gesendet werden. Das Übertragungssystem ist üblicherweise in diesem Leerlaufzustand (idle state), sofern keine großen Datenmengen übertragen werden (S. 17 Z. 1-5).

Wenn in dieser Ausgangslage Daten zur Übertragung mit der hohen Rate anstehen (320), fordert die Basisstation die Mobilstation mit einer Nachricht auf, die Bandbreite der Leistungssteuerungsinformation zu erhöhen (330). Die Mobilstation erhöht diese Bandbreite zum Beispiel dadurch, dass sie in bestimmten Rahmen eine oder mehrere Leistungssteuerungsnachrichten versendet. Diese Nachrichten können in aus dem Stand der Technik bekannter Weise innerhalb eines Sprach- oder Verkehrskanals oder über einen alternativen Kanal übermittelt werden (S. 17 Z. 19-31). Im nächsten Schritt teilt die Basisstation mit, dass sie auf die volle Rate umschalten wird (340). Optional kann die Basisstation dann auf die volle Rate umschalten (350), insbesondere um zu ermöglichen, dass die Anzahl der innerhalb eines bestimmten Zeitraums übertragenen Leistungssteuerungsinformationen damit ansteigt (S. 18 Z. 14-25). Die Basisstation schätzt die erforderliche Sendeleistung für die Übertragung mit der hohen Rate anhand der empfangenen Informationen zur Leistungssteuerung (360). Um zusätzliche Informationen zu erhalten, kann sie hierbei über einen kurzen Zeitraum hinweg einen oder mehrere Rahmen mit der hohen Rate übertragen (S.18 Z. 33 bis S. 19 Z. 5).

Alternativ oder zusätzlich zur Erhöhung der Rate im forward link (Downlink) kann die Bandbreite im reverse link (Uplink) auf ein Viertel, die Hälfte oder die volle Rate erhöht werden, damit Informationen über die Bedingungen auf dem forward link (Downlink) schneller übertragen werden können (S. 19 Z. 6-12).

Nach Festlegung der Sendeleistung informiert die Basisstation die Mobilstation über den Beginn der Datenübertragung mit hoher Rate (370). Im Anschluss daran startet sie diese Übertragung (380).

b) Eine Funkstation nach D1 nimmt danach Merkmal 0, die Merkmalsgruppe 1 und die Merkmale 3 und 3.1 vorweg.

c) Entgegen der Auffassung der Klägerin offenbart D1 das Merkmal 2 nicht unmittelbar und eindeutig.

aa) Die Entgegenhaltung befasst sich nicht ausdrücklich mit Situationen, in denen ein Kommunikationskanal eingerichtet wird oder eine unterbrochene Verbindung wiederaufgenommen werden soll, weshalb die Leistungsregelung im geschlossenen Regelkreis noch nicht eingeschwungen ist. Sie geht demgegenüber von einer bestehenden Verbindung aus, in der bereits Steuerinformationen und Nutzdaten mit einer niedrigeren Rate (at a lower rate) übertragen werden. In einer solchen Situation wird die Leistung bereits in geschlossener Schleife geregelt. Für den Fall, dass die Übertragung ab einem gewissen Zeitpunkt mit einer höheren Datenrate erfolgen soll, was eine höhere Leistung erfordert, ist jedoch nach der Lehre der D1 ein erhöhter Austausch entsprechender Informationen in der Regelungsschleife erforderlich, um eine rasche Anpassung der Leistung an die veränderte Situation zu erzielen.

bb) Vor diesem Hintergrund lässt sich den von der Klägerin angeführten Stellen, an denen von einer Leerlaufrate (idle rate) und einem Leerlaufzustand (idle state) die Rede ist, nicht hinreichend deutlich entnehmen, dass die in D1 beschriebene Vorgehensweise auch in Situationen erfolgt, in denen eine Kommunikationsverbindung noch oder wieder eingerichtet werden muss, so dass die Leistungsregelung im geschlossenen Regelkreis noch nicht greift.

Die erwähnten Formulierungen in der Beschreibung von D1, wonach das dort beschriebene System diesen Zustand üblicherweise einnimmt, sofern nicht große Datenmengen übertragen werden (S. 17 Z. 4 f.) lassen allerdings die Deutung zu, dass D1 mit den Begriffen "idle state" und "idle rate" auch Zustände beschreibt, in denen weder Nutzdaten übertragen werden noch eine Kommunikationsverbindung im Sinne des Streitpatents besteht. Dies deckt sich nach den insoweit nicht angegriffenen Feststellungen des Patentgerichts mit dem üblichen Verständnis, das der Fachmann mit dem Begriff "idle state" verbindet. Dass D1 den Begriff "idle rate" als synonym für "eighth rate" verwendet (S. 6 Z. 22 f.), steht dem nicht zwingend entgegen. Ein Datenaustausch kann auch ohne eingerichtete Kommunikationsverbindung erfolgen - zum Beispiel zum Aufbau einer solchen Verbindung - wie dies auch im Streitpatent vorausgesetzt wird. In diesem Stadium könnte es sich anbieten, eine möglichst geringe Datenrate zu wählen.

Trotz der aufgezeigten Umstände lassen die Ausführungen in D1 aber nicht hinreichend deutlich erkennen, dass die Begriffe "idle rate" und "idle state" dort in Übereinstimmung mit dem allgemeinen fachlichen Sprachgebrauch verwendet werden. In D1 steht der Übergang von einer Datenübertragung mit niedriger Rate zu einer Übertragung mit höherer Rate im Fokus. Angesichts dessen bedürfte es eines eindeutigen Hinweises darauf, dass die für eine Übertragung mit der geringstmöglichen Rate verwendeten Begriffe "idle rate" und "idle state" auch Zustände ohne bestehenden Kommunikationskanal bezeichnen. Ein solcher Hinweis ergibt sich aus den oben aufgezeigten Formulierungen nicht.

cc) Den Ausführungen, wonach zu den übermittelten Daten auch automatisch abgelesene Zählerdaten oder Börseninformationen gehören können, lässt sich ein eindeutiger Hinweis im genannten Sinne ebenfalls nicht entnehmen.

Bei der automatischen Übermittlung von Zählerständen mag es zweckmäßig sein, dass das übermittelnde Gerät erforderlichenfalls eine Kommunikationsverbindung aufbaut, um die Informationen zu einem vorbestimmten Zeitpunkt übertragen zu können. Zu dieser Erkenntnis kann der Fachmann aber allenfalls dann gelangen, wenn er zusätzlich zu den Ausführungen in D1 sein Fachwissen heranzieht. Dies reicht für die Bejahung einer eindeutigen und unmittelbaren Offenbarung nicht aus.

dd) Den Ausführungen in D1 zum Wechsel von einer niedrigen zur hohen Datenrate lässt sich auch nicht eindeutig und unmittelbar entnehmen, dass hierbei ein neuer Datenkommunikationskanal eingerichtet wird.

D1 erwähnt im Zusammenhang mit der Übertragung zusätzlicher Informationen zur Leistungssteuerung zwar unterschiedliche Kanäle wie einen Sprach- oder Verkehrskanal sowie einen alternativen Kanal (S. 17 Z. 19-31). Dass ein solcher Kanal im Zusammenhang mit der Erhöhung der Datenrate eingerichtet wird, ergibt sich daraus aber nicht. Auch in diesem Zusammenhang könnte der Fachmann allenfalls dann zu weitergehenden Erkenntnissen gelangen, wenn er ergänzend auf sein Fachwissen zurückgriffe.

ee) D1 ist überdies nicht zu entnehmen, dass der Beginn der Übertragung der Nutzdaten bis nach dem Beginn der Übertragung im Datenkanal verzögert wird.

Wie bereits ausgeführt wurde, geht D1 von einer Situation aus, in der bereits eine Kommunikationsverbindung besteht und Steuerinformationen und Nutzdaten mit einer niedrigen Rate übertragen werden. Verzögert wird danach nicht der Beginn der Übertragung von Nutzdaten, sondern lediglich der Beginn der Übertragung mit einer höheren Rate.

Etwas anderes ergibt sich aus D1 auch nicht für den Fall, dass der Basisstation bestimmte Daten präsentiert werden, die mit höherer Rate übertragen werden sollen (S. 17, Z. 5 ff). Auch für diesen Fall sieht D1 nicht vor, dass diese Daten zurückgehalten werden, bis die Übertragungsleistung angepasst wurde, sondern legt zugrunde, dass die Daten zunächst mit der aktuellen, niedrigen Rate übertragen werden, während die Übertragung mit hoher Rate erst beginnt, nachdem die Sendeleistung angepasst worden ist.

Bestätigt wird dies durch die in D1 angesprochene Möglichkeit, die Nutzdaten mit den Leistungssteuerungssignalen (Schritt 330 nach Figur 7) zu punktieren (S. 17 Z. 28 f.). Ein solches Vorgehen setzt voraus, dass bereits zu diesem Zeitpunkt Nutzdaten übertragen werden.

Damit fehlt es auch an einer Vorwegnahme von Merkmal 3.2.

3. Ausgehend von D1 war der Gegenstand von Patentanspruch 1 dem Fachmann nicht nahegelegt.

a) Zu Recht macht die Berufung insoweit geltend, dass die erfinderische Tätigkeit nicht schon deshalb verneint werden kann, weil der Fachmann nach den Feststellungen des Patentgerichts ohne weiteres in der Lage war, Mittel zur Verzögerung der Übertragung auf dem Datenkanal zur Verfügung zu stellen.

b) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ergab sich für den Fachmann aus der D1 keine Anregung, Mittel zur Verzögerung des Beginns der Übertragung im Datenkanal vorzusehen.

aa) Der Fachmann, der auf der Suche nach besseren Möglichkeiten zur Leistungsanpassung beim erstmaligen oder erneuten Aufbau einer Kommunikationsverbindung war, erhielt aus der D1 den Hinweis, dass die Regelung der Übertragungsleistung im geschlossenen Regelkreis beschleunigt werden kann, indem die Leistungssteuerungsinformationen zeitweise mit höherer Rate übertragen werden.

D1 befasst sich wie das Streitpatent mit einer Situation, in der die Sendeleistung aufgrund geänderter Anforderungen an die Datenübertragung kurzfristig erhöht werden muss. Die Anforderungen an die Bemessung der Sendeleistung und die Konsequenzen einer zu niedrigen oder zu hohen Sendeleistung werden in D1 im Wesentlichen gleich beschrieben wie in der Schilderung des Standes der Technik im Streitpatent. Daraus konnte der Fachmann entnehmen, dass die Anforderungen an die Leistungssteuerung im Falle einer kurzfristigen Erhöhung der Übertragungsrate eines bestehenden Kanals von 1,8 auf 64 Kilobit pro Sekunde ähnlich sind wie diejenigen beim erstmaligen oder erneuten Einrichten eines Kommunikationskanals. Dies gab ihm Anlass, die in D1 offenbarte Vorgehensweise auch für die zuletzt genannten Situationen in Betracht zu ziehen.

bb) Aus der D1 ergab sich jedoch keine Anregung, die Qualität der Übertragung durch eine Verzögerung der Übertragung der Nutzdaten gegenüber den Steuerinformationen zu erhöhen.

Wie bereits erwähnt sieht D1 u.a. die Möglichkeit vor, die für die Leistungssteuerung erforderlichen Signale auf Rahmen zu punktieren, mit denen etwa Sprachdaten übertragen werden (S. 17 Z. 28 f.). Dies setzt voraus, dass auch in dem Zeitraum, in dem Steuerinformationen mit höherer Rate übertragen werden, zugleich Nutzdaten übertragen werden.

Wie das Patentgericht im Ansatz zutreffend dargelegt hat, besteht allerdings insoweit eine Parallele zur Lehre des Streitpatents, als die Nutzdatenübertragung mit hoher Rate in D1 unter bestimmten Umständen erst mit einer gewissen Verzögerung beginnt. Hieraus ergab sich für den Fachmann aber keine hinreichend konkrete Anregung, diesen Einzelaspekt auf die Situation beim Aufbau einer neuen oder zuvor unterbrochenen Verbindung zu übertragen und hierbei die Übertragung der Nutzdaten insgesamt verzögert beginnen zu lassen.

IV. Die angefochtene Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als im Ergebnis zutreffend dar (§ 119 Abs. 1 PatG ).

1. Die europäische Patentanmeldung 851 612 (D3) steht der Patentfähigkeit des Gegenstands von Patentanspruch 1 nicht entgegen.

a) In der D3 wird beschrieben, dass die Regelung der Leistung, mit der Signale auf dem reverse link (Uplink) übertragen werden, nicht einfach sei, weil die erforderliche Signalstärke von zahlreichen Faktoren abhänge, etwa der Entfernung zur Basisstation, von Abschattungen und Interferenzen.

aa) Grundsätzlich seien zwei Verfahren der Leistungsregelung bekannt, nämlich diejenigen mit offener und diejenigen mit geschlossener Regelschleife (Sp. 1 Z. 18 ff.).

In herkömmlichen CDMA-Systemen unterliege der reverse link (Uplink) zu Beginn der Kommunikation nur der Leistungsregelung mit offener Regelschleife. Nach dem in den Vereinigten Staaten verbreiteten Standard IS-95 sei daher zur Vermeidung von Interferenzen vorgesehen, dass die Mobilstation anfänglich mit niedriger Leistung sende. Die Übertragung des Signals werde so lange mit zunehmender Leistung wiederholt, bis die Basisstation es empfange. Erst dann könne der Mobilstation von der Basisstation ein besonderer Kanal zugewiesen werden. Dies könne zu unangemessenen Verzögerungen bei der Bereitstellung eines Kanals führen (Sp. 1 Z. 47 ff.). Wolle man die Verzögerung gering halten, bestehe das Risiko einer Übertragung mit zu hoher Leistung.

bb) Vor diesem Hintergrund stellt sich D3 die Aufgabe, für ein CDMA-Mobilfunksystem ein Verfahren bereitzustellen, in dem ein Kanal rasch bereitgestellt werden könne, ohne Daten mit zu hoher Leistung zu übertragen (Sp. 2 Z. 32 ff.).

cc) Hierzu schlägt D3 schlägt unter anderem vor, Signale, die über einen gemeinsamen Kanal (z.B. den random access channel RACH) übertragen werden, mit einem höheren Spreizfaktor und einer niedrigeren Leistung zu übertragen als Kommunikationssignale, die über einen nur zwischen einer einzelnen Mobilstation und der Basisstation errichteten Kanal (particular channel) übertragen werden (Sp. 2 Z. 39 ff.).

Beispielsweise soll die Übertragungsleistung PR, mit der eine Anfrage (request) der Mobilstation an die Basisstation übertragen wird, entsprechend der Antwort (ACK) der Basisstation mit dem Faktor a multipliziert werden, wobei a größer ist als 1, um so die Übertragungsleistung PM zu erhalten, mit der die Signale über den zwischen Mobilstation und Basisstation errichteten Kommunikationskanal übertragen werden. Der Faktor a ist dabei nicht beliebig, sondern wird unter Berücksichtigung der Stärke des Signals bestimmt, das die Basisstation von der Mobilstation über den gemeinsamen Kanal (RACH) empfangen hat (Sp. 6 Z. 10 ff.).

D3 spricht auch die Möglichkeit an, bereits in der Phase, in der die Anfragen übermittelt werden, eine Leistungssteuerung im geschlossenen Regelkreis vorzusehen, wodurch Interferenzen verringert werden könnten. In diesem Fall sei es entbehrlich, dass das ACK-Signal ein Leistungssteuerungssignal umfasse (Sp. 6 Z. 27 ff.).

Anhand eines zweiten Ausführungsbeispiels wird erläutert, dass die Lehre der D3 auch anwendbar sei, wenn in einer bestehenden Kommunikationsverbindung nur phasenweise Signale übertragen werden. So sei es möglich, bei einer Sprachverbindung in Gesprächspausen die Übertragung zu unterbinden und nur dann Signale zu übertragen, wenn gesprochen werde. In den Phasen der Stille (mute state) könne die Leistung nicht in geschlossener Regelschleife erfolgen, weil die Basisstation keine Signale von der Mobilstation empfange. Auch in einer solchen Situation könne daher die Leistungsregelung wegen des Übergangs von einer Phase mit offener Regelschleife zu einer Phase mit geschlossener Regelschleife schwierig sein. Auch hierfür schlägt D3 vor, dass die Übertragungsleistung der Mobilstation für den Beginn der Übertragung von Sprachsignalen nach einer Stillephase vorübergehend reduziert wird (Sp. 7 Z. 43 bis Sp. 8 Z. 21). Dies führe dazu, dass die Übertragung der ersten Signalfolge etwas länger dauert, jedoch wegen der reduzierten Übertragungsleistung das Risiko von Interferenzen gesenkt werde. Gleichwohl seien keine Qualitätseinbußen zu befürchten, da zugleich der Spreizfaktor und die Länge des Signals erhöht würden. Anschließend setze die Leistungsregelung in geschlossener Regelschleife wieder ein (Sp. 8 Z. 28-48).

b) Danach nimmt D3 Merkmal 0 und die Merkmalsgruppen 1 und 3 vorweg.

c) Nicht offenbart ist dagegen Merkmal 2.

Ein Hinweis darauf, dass die Übertragung im Datenkanal bis nach dem Beginn der Übertragung in den Steuerkanälen verzögert wird, findet sich in D3 nicht. Zur Lösung der Probleme, die durch eine ungenügende Regelung der Übertragungsleistung in der Phase der Errichtung eines Kommunikationskanals durch den Übergang von der Leistungsregelung von offener zu geschlossener Regelschleife entstehen können, schlägt D3 vielmehr vor, die ersten Signalfolgen im Kommunikationskanal mit verringerter Leistung, aber mit größerer Spreizung zu übertragen. Diese ersten Signalfolgen umfassen sowohl Steuer- wie Nutzdaten.

d) Der Fachmann erhält aus D3 auch keine Anregung, Mittel zur Verzögerung des Beginns der Übertragung im Datenkanal bis nach dem Beginn der Übertragung in den Steuerkanälen vorzusehen. Weitergehende Anregungen ergeben sich auch nicht aus einer Zusammenschau von D3 und D1.

2. Durch den GSM-Standard ist der Gegenstand von Patentanspruch 1 ebenfalls weder vorweggenommen noch nahegelegt.

a) Zu Recht ist das Patentgericht in seinem gemäß § 83 Abs. 1 PatG erteilten Hinweis allerdings davon ausgegangen, dass die hier interessierenden Dokumente, nämlich die Entwürfe EN 300 940 Version 6.2.0 (1998-12) (D2a), EN 300 908 Version 6.3.0 (1998-11) (D2b) und EN 300 911 Version 6.3.0 (1998-08) (D2c), für die Zwecke der Neuheitsprüfung als einheitliche Entgegenhaltung zu betrachten sind.

Alle drei Dokumente betreffen Aspekte des Mobilfunkstandards GSM. Sie lassen dies unmittelbar und eindeutig erkennen und nehmen gegenseitig aufeinander Bezug.

Für den mit der Weiterentwicklung von Mobilfunksystemen befassten Fachmann ergibt sich daraus ohne weiteres, dass die einzelnen Dokumente keine jeweils in sich abgeschlossene Lösung betreffen, sondern ein zusammenhängendes System, das in einer Vielzahl von Teildokumenten beschrieben ist. Angesichts dessen bilden die einzelnen Teildokumente ungeachtet ihrer äußerlichen Trennung eine Einheit.

b) Der von einer Mobilstation initiierte Aufbau einer Telefonverbindung ist in D2a und D2c beschrieben.

Nach den Festlegungen in D2a übermittelt die Mobilstation der Basisstation über einen gemeinsamen Kanal (random access channel, RACH) den Wunsch nach Zuweisung eines dedizierten Kontrollkanals (dedicated control channel, DCCH) (D2a S. 29 unter 0.5 iv). Empfängt die Basisstation diese Anfrage und stehen Ressourcen zur Verfügung, weist sie der Mobilstation auf einem geteilten Downlink-Kontrollkanal (access grant channel, AGCH) einen bidirektionalen dedizierten Kontrollkanal zu (D2a S. 29 unter 0.5 v), und zwar je nach Ausgestaltung des Netzes entweder in Form eines Kontrollkanals (stand-alone dedicated control channel, SDCCH) oder eines Verkehrskanals (traffic channel, TCH), der zunächst als reiner Kontrollkanal betrieben wird (D2a S. 46 unter 3.3.1.1.3.1). Auf diesem tauschen die Mobilstation und die Basisstation sodann Steuerinformationen aus. Anschließend weist die Basisstation der Mobilstation einen Verkehrskanal (traffic channel, TCH) sowie einen oder mehrere assoziierte Kontrollkanäle (slow associated control channel, SACCH, bei Bedarf ferner einen fast associated control channel, FACH) zu (D2a S. 29 unter 0.5 vii und viii). Hierzu sind drei unterschiedliche Abläufe vorgesehen, die als early assignment, very early assignment und late assignment bezeichnet werden (D2a S. 207 f. unter 7.3.2) und in den nachfolgend nebeneinander gestellten Figuren 7.10b, 7.10a und 7.10c schematisch dargestellt sind.

Die drei Methoden unterscheiden sich hinsichtlich des Zeitpunkts, zu dem der Verkehrskanal (TCH) zugewiesen wird. Beim late assignment erfolgt dies erst, nachdem sich der Angerufene gemeldet hat, beim early assignment bereits vor dem Aufbau der Verbindung zum Festnetz. Beim very early assignment wird der Verkehrskanal bereits beim ersten Zuweisungsvorgang (immediate assignment) zugewiesen; vor dem Aufbau der Verbindung zum Festnetz wird der Übertragungsmodus auf dem Transportkanal geändert.

Die Leistungssteuerung ist in D2c beschrieben. Danach befolgt die Mobilstation grundsätzlich den letzten Leistungssteuerungsbefehl, der ihr über einen Verkehrskanal (TCH) oder einen Steuerkanal (FACCH, SACCH, SDCCH) zugegangen ist. Bei der Kontaktaufnahme über den random access channel (RACH) und vor dem Empfang des ersten Befehls der genannten Art verwendet die Mobilstation den Leistungspegel, der über den allgemeinen Steuerkanal (broadcast control channel, BCCH) mitgeteilt wird (D2c S. 10 unter 4.2).

c) Damit sind das Merkmal 0, die Merkmalsgruppe 1 und das Merkmal 3.1 offenbart.

d) Nicht eindeutig und unmittelbar offenbart ist nach dem bisherigen Sach- und Streitstand die Kombination der Merkmale 2, 3 und 3.2.

Aus den oben wiedergegebenen Ausführungen in D2c folgt zwar, dass die Leistungssteuerung über einen der einzelnen Mobilstation zugewiesenen Kanal (TCH, FACH, SACCH, SDCCH) in einer geschlossenen Schleife erfolgt, so dass Mittel zur Leistungsregelung in einem geschlossenen Regelkreis im Sinne von Merkmal 3 vorhanden sind. Nach dem insoweit unwidersprochen gebliebenen Vorbringen der Beklagten ist den Zeitangaben in D2c (S. 11 unter 4.7 und S. 24 unter 8.4.1) jedoch zu entnehmen, dass die Zeit, die die Basisstation benötigt, bis sie den ersten Leistungssteuerungsbefehl auf einem dieser Kanäle übermitteln kann, länger ist als die Zeit bis zum Beginn der Nutzdatenübermittlung auf dem Transportkanal. Damit sind diese Mittel nicht dazu geeignet, die Steuerkanalleistung während desjenigen Zeitraums anzupassen, in dem die Übertragung im Datenkanal noch nicht stattfindet, wie dies die Merkmale 2 und 3.2 in Kombination vorsehen.

e) Vor diesem Hintergrund ergab sich für den Fachmann keine Anregung, den Beginn der Übertragung auf dem Datenkanal so lange hinauszuzögern, bis eine erste Leistungssteuerung in einer geschlossenen Regelschleife erfolgt ist.

V. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG sowie § 516 Abs. 3 Satz 1 und § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO .

Von Rechts wegen

Verkündet am: 23. Februar 2021

Vorinstanz: BPatG, vom 07.11.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 6 Ni 38/16 (EP)