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BGH - Entscheidung vom 26.01.2021

XIII ZB 30/20

Normen:
FamFG § 417 Abs. 2 S. 2
FamFG § 426

BGH, Beschluss vom 26.01.2021 - Aktenzeichen XIII ZB 30/20

DRsp Nr. 2021/9912

Nichtberücksichtigung wesentlicher Gesichtspunkte wie die Ehe mit einer rumänischen Staatsbürgerin bei dem Ausspruch eines Haftbeschlusses gegen einen indischen Staatsangehörigen in einem Asylverfahren

1. Ausnahmsweise hindert das Fehlen einer Sachdarstellung eine Entscheidung über die Rechtsbeschwerde nicht, wenn sich das Beschwerdegericht die Gründe der Entscheidung des Amtsgerichts zu eigen macht, sich der Sachverhalt aus dessen Entscheidung hinreichend deutlich ergibt und dieser im Beschwerdeverfahren keine relevanten Änderungen erfahren hat; entsprechendes gilt, wenn - wie hier - dem Rechtsbeschwerdegericht eine Entscheidung unbeschadet der fehlenden Sachdarstellung unter einem von Amts wegen zu prüfenden rechtlichen Gesichtspunkt möglich ist.2. Eine Vertrauensperson des Betroffenen kann nach § 426 FamFG nicht nur aufgrund einer Vollmacht als dessen Verfahrensvertreter, sondern auch aus eigenem Recht, aber im Interesse des Betroffenen, die Aufhebung der Haftanordnung beantragen. Sie ist dazu auch dann befugt, wenn sie in dem vorausgegangenen Haftanordnungsverfahren nicht beteiligt war. Nach Erledigung des Haftaufhebungsantrags nach § 426 FamFG in der Hauptsache ist sie berechtigt, im Interesse des Betroffenen einen Antrag nach § 62 FamFG zu stellen.3. Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte ansprechen. Sind diese Anforderungen nicht erfüllt, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet oder - wie hier - nicht aufrechterhalten werden. So verhält es sich, soweit es - iwe hier - an den erforderlichen Angaben zur Verlassenspflicht des Betroffenen und zu der für den Vollzug der Abschiebung erforderlichen Rückkehrentscheidung fehlt.

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Vertrauensperson des Betroffenen werden die Beschlüsse des Amtsgerichts Iserlohn vom 20. Dezember 2019 und der Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Hagen vom 26. März 2020 aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass der Vollzug der durch den Beschluss des Amtsgerichts Iserlohn vom 2. September 2019 angeordneten Haft den Betroffenen im Zeitraum vom 1. bis zum 26. November 2019 in seinen Rechten verletzt hat.

Gerichtskosten werden in allen Instanzen nicht erhoben. Die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Auslagen des Betroffenen in allen Instanzen werden der Stadt Duisburg auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt in allen Instanzen 5.000 €.

Normenkette:

FamFG § 417 Abs. 2 S. 2; FamFG § 426 ;

Gründe

I. Der Betroffene, ein indischer Staatsangehöriger, reiste im Jahr 2014 nach Deutschland ein und stellte am 26. Mai 2014 einen Asylantrag, den das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (fortan: Bundesamt) mit einem nicht angefochtenen Bescheid vom 15. Dezember 2014 unter Aufforderung an den Betroffenen, das Bundesgebiet innerhalb einer Woche zu verlassen, und unter Androhung der Abschiebung als offensichtlich unbegründet ablehnte. Der Betroffene tauchte unter und wurde am 15. März 2017 von Amts wegen nach unbekannt abgemeldet. Am 6. Februar 2018 sprach er bei dem Bürgerservice der beteiligten Behörde vor und wurde von dieser aufgrund der vorgelegten Unterlagen, insbesondere einer rumänischen Heiratsurkunde über seine Heirat mit einer rumänischen Staatsangehörigen als aufenthaltsberechtigter Familienangehöriger einer Unionsbürgerin am 12. Juni 2018 angemeldet.

Bei einer Überprüfung stellte sich heraus, dass die Heiratsurkunde gefälscht war. Die beteiligte Behörde wollte den Betroffenen Ende August 2018 zur Abschiebung nach Indien festnehmen lassen; dies scheiterte aber zunächst daran, dass er nicht anzutreffen war. Bei seiner Festnahme am 1. September 2019 war sein Reisepass nicht zu finden. Auf Antrag der beteiligten Behörde ordnete das Amtsgericht am 2. September 2019 gegen den Betroffenen Haft zur Sicherung seiner Abschiebung nach Indien bis zum 4. Dezember 2019 an.

Mit einem am 1. November 2019 beim Amtsgericht eingegangenen Antrag hat sich F. G. als Vertrauensperson des Betroffenen bestellt und beantragt, die Haftanordnung aufzuheben und das Verfahren in dem - am 26. November 2019 eingetretenen - Fall der Haftentlassung als Feststellungsverfahren nach § 62 FamFG fortzusetzen. Das Amtsgericht hat den Antrag mit Beschluss vom 20. Dezember 2019 als unbegründet zurückgewiesen. Das Beschwerdegericht hat die Beschwerde der Vertrauensperson des Betroffenen als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich diese mit der Rechtsbeschwerde, mit der sie festgestellt wissen will, dass der Vollzug der Haft den Betroffenen seit dem 1. November 2019 in seinen Rechten verletzt hat.

II. Das Rechtsmittel hat Erfolg.

1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

"Nachdem sich die Abschiebehaft erledigt hat, ist die Beschwerde unzulässig geworden. Ein Antrag nach § 62 FamFG wurde trotz Hinweises nicht gestellt.

Kosten werden für das Beschwerdeverfahren nach §§ 84 , 81 Abs. 1 Satz 2 FamFG nicht erhoben. Die Auferlegung von Kosten gem. § 84 FamFG wäre hier angesichts des Verfahrensgegenstands und des Bezuges des Beschwerdeführers zum Verfahrensgegenstand unbillig."

2. Diese Entscheidung des Beschwerdegerichts ist entgegen der Ansicht der Rechtsbeschwerde nicht schon deshalb aufzuheben, weil es an der erforderlichen Darstellung des Sachverhalts fehlte.

a) Allerdings müssen nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs Beschlüsse, die der Rechtsbeschwerde unterliegen, den maßgeblichen Sachverhalt wiedergeben und die Anträge der Beteiligten erkennen lassen. Dies gilt auch in Verfahren in Freiheitsentziehungssachen, auch nach § 426 FamFG , in denen das Rechtsbeschwerdegericht gemäß § 74 Abs. 3 Satz 4 FamFG , § 559 ZPO grundsätzlich von dem Sachverhalt auszugehen hat, den das Beschwerdegericht festgestellt hat. Ausführungen des Beschwerdegerichts, die eine solche Überprüfung nicht ermöglichen, sind keine Gründe im verfahrensrechtlichen Sinne. Sie begründen einen Verfahrensmangel, der von Amts wegen zu berücksichtigen ist und die Aufhebung der Beschwerdeentscheidung nach sich zieht. Das Fehlen einer Sachdarstellung hindert eine Entscheidung über die Rechtsbeschwerde aber nicht, wenn sich das Beschwerdegericht die Gründe der Entscheidung des Amtsgerichts zu eigen macht, sich der Sachverhalt aus dessen Entscheidung hinreichend deutlich ergibt und dieser im Beschwerdeverfahren keine relevanten Änderungen erfahren hat (vgl. zum Ganzen: BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2020 - XIII ZB 85/19, juris Rn. 6 f. mwN). Entsprechendes gilt, wenn dem Rechtsbeschwerdegericht eine Entscheidung unbeschadet der fehlenden Sachdarstellung unter einem von Amts wegen zu prüfenden rechtlichen Gesichtspunkt möglich ist.

b) Der zuletzt genannte Fall liegt hier vor. Das Beschwerdegericht hat zwar in der Begründung seiner Entscheidung lediglich ausgeführt, die Beschwerde werde mangels Antrags nach § 62 FamFG verworfen. Aus der Bezugnahme auf seinen Hinweis vom 23. Januar 2020 ergibt sich aber, dass das Beschwerdegericht damit die Beschwerde der Vertrauensperson des Betroffenen vom 8. Januar 2020 gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 20. Dezember 2020 ansprechen und diese nach der Abschiebung des Betroffenen nach Indien verwerfen wollte, weil die Vertrauensperson des Betroffenen im Beschwerdeverfahren keinen (neuen) Antrag nach § 62 FamFG gestellt habe. Über diese Frage kann der Senat trotz der fehlenden Sachdarstellung entscheiden, weil er die von der Vertrauensperson des Betroffenen gestellten Anträge selbstständig und ohne Bindung an die Auslegung des Beschwerdegerichts auszulegen hat (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 2020 - XIII ZB 82/19, InfAuslR 2020, 387 Rn. 16).

3. Die von dem Beschwerdegericht für die Verwerfung der Beschwerde der Vertrauensperson des Betroffenen gegebene Begründung trägt seine Entscheidung nicht.

a) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kann eine Vertrauensperson des Betroffenen nach § 426 FamFG nicht nur aufgrund einer Vollmacht als dessen Verfahrensvertreter, sondern auch aus eigenem Recht, aber im Interesse des Betroffenen, die Aufhebung der Haftanordnung beantragen. Sie ist dazu auch dann befugt, wenn sie in dem vorausgegangenen Haftanordnungsverfahren nicht beteiligt war. Nach Erledigung des Haftaufhebungsantrags nach § 426 FamFG in der Hauptsache ist sie berechtigt, im Interesse des Betroffenen einen Antrag nach § 62 FamFG zu stellen (vgl. zum Ganzen: BGH, Beschlüsse vom 19. Mai 2020 - XIII ZB 82/19, InfAuslR 2020, 387 Rn. 11-16, vom 19. Mai 2020 - XIII ZB 86/19, juris Rn. 8, und vom 24. August 2020 - XIII ZB 83/19, InfAuslR 2021, 122 Rn. 8-10 mwN).

b) Danach war die Beschwerde der Vertrauensperson des Betroffenen gegen die Zurückweisung des Haftaufhebungsantrags vom 1. November 2019 zulässig.

aa) Der zurückgewiesene Haftaufhebungsantrag vom 1. November 2019 war kein Antrag des Betroffenen, sondern ein eigener Antrag seiner Vertrauensperson. Diese hat sich nicht als dessen Vertreter, sondern ausdrücklich als seine Person des Vertrauens gemeldet und als solche die Aufhebung nach § 426 Abs. 2 FamFG beantragt. Zu einer anderen Vorgehensweise wäre sie auch nicht bevollmächtigt gewesen. Die ihrem Antrag beigefügte "Vollmacht" des Betroffenen benannte, was ausreicht (BGH, Beschluss vom 19. Mai 2020 - XIII ZB 82/19, InfAuslR 2020, 387 Rn. 11 f.), F. G. "nur" als Vertrauensperson; eine Vollmacht, ihn auch in gerichtlichen Verfahren vor den ordentlichen Gerichten zu vertreten, enthielt sie jedoch nicht. Gegenstand der Zurückweisung war deshalb nur der eigene Antrag der Vertrauensperson des Betroffenen (vgl. dazu: BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2020 - XIII ZB 85/19, juris Rn. 10 f.), den diese nach der Abschiebung des Betroffenen und der damit eingetretenen Erledigung der beantragten Haftaufhebung zulässigerweise (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. Mai 2020 - XIII ZB 82/19, InfAuslR 2020, 387 Rn. 13, 15 , vom 24. August 2020 - XIII ZB 83/19, InfAuslR 2021, 122 Rn. 8-10, und vom 6. Oktober 2020 - XIII ZB 85/19, juris Rn. 11) als Feststellungsantrag nach § 62 FamFG im Interesse des Betroffenen weiterverfolgen konnte und weiterverfolgt hat. Das Amtsgericht hat über den Antrag deshalb auch - insoweit richtig - in der Sache entschieden.

bb) Zur Einlegung der Beschwerde war die Vertrauensperson selbst nach § 59 Abs. 1 FamFG berechtigt. Ihre Beschwerde richtete sich nämlich gegen die Zurückweisung ihres eigenen Feststellungsantrags und nicht, wovon das Beschwerdegericht nach seinem Hinweis offenbar ausgegangen ist, gegen die Zurückweisung eines Antrags des Betroffenen. Die Beschwerdeberechtigung der Vertrauensperson folgte deshalb nicht aus § 429 FamFG und setzte auch keinen zusätzlichen eigenen Antrag der Vertrauensperson auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der nach dem Eingang ihres Haftaufhebungsantrags vollzogenen Haft des Betroffenen voraus. Andere Einwände gegen die Zulässigkeit der Beschwerde sind nicht ersichtlich.

4. Der Senat entscheidet nach § 74 Abs. 6 Satz 1 FamFG in der Sache selbst, weil diese zur Endentscheidung reif ist. Der Feststellungsantrag der Vertrauensperson des Betroffenen ist begründet; der Vollzug der gegen den Betroffenen angeordneten Sicherungshaft war in dem Zeitraum vom 1. November 2019 (Eingang des Aufhebungsantrags) bis zum 26. November 2019 (Abschiebung) rechtswidrig, weil es an einem zulässigen Haftantrag fehlte.

a) Eine Entscheidung über die von dem Betroffenen erhobenen inhaltlichen Einwendungen gegen die Haftanordnung ist zwar nicht möglich, weil das Beschwerdegericht dazu keine Feststellungen getroffen hat. Im Haftaufhebungsverfahren können aber - mit Wirkung allerdings nur von dem Zeitpunkt des Eingangs des Haftaufhebungsantrags bei dem Amtsgericht - auch Einwände erhoben werden, die schon dem Erlass der Haftanordnung entgegenstanden. Zu diesen Einwänden gehört auch das Fehlen eines zulässigen Haftantrags (BGH, Beschluss vom 19. Mai 2020 - XIII ZB 86/19, juris Rn. 8). Dessen Vorliegen ist nach § 417 Abs. 2 Satz 1 FamFG eine in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfende Verfahrensvoraussetzung (BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2020 - XIII ZB 21/19, juris Rn. 7). Sie ist mit Rücksicht auf die Verpflichtung, eine rechtswidrige oder rechtswidrig gewordene Haft nach § 426 Abs. 1 FamFG für die Zukunft von Amts wegen aufzuheben, auch im Haftaufhebungsverfahren von Amts wegen zu prüfen.

b) Der Haftantrag der beteiligten Behörde war unzulässig.

aa) Zulässig ist der Haftantrag der beteiligten Behörde nur, wenn er den gesetzlichen Anforderungen an die Begründung entspricht. Erforderlich sind Darlegungen zur zweifelsfreien Ausreisepflicht, zu den Abschiebungsvoraussetzungen, zur Erforderlichkeit der Haft, zur Durchführbarkeit der Abschiebung und zur notwendigen Haftdauer (§ 417 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 bis 5 FamFG ). Zwar dürfen die Ausführungen zur Begründung des Haftantrags knapp gehalten sein, sie müssen aber die für die richterliche Prüfung wesentlichen Punkte ansprechen. Sind diese Anforderungen nicht erfüllt, darf die beantragte Sicherungshaft nicht angeordnet oder - wie hier - nicht aufrechterhalten werden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Beschluss vom 14. Juli 2020 - XIII ZB 74/19, juris Rn. 7).

bb) Hier fehlte es an den erforderlichen Angaben zur Verlassenspflicht des Betroffenen und zu der für den Vollzug der Abschiebung erforderlichen Rückkehrentscheidung.

(1) Die beteiligte Behörde leitet die Verlassenspflicht des Betroffenen aus dem Bescheid des Bundesamts vom 15. Dezember 2014 ab. Dieser Bescheid enthält die Aufforderung des Bundesamts an den Betroffenen, das Bundesgebiet binnen einer Woche zu verlassen, und die Androhung der Abschiebung. Sie kam damit als Grundlage einer Abschiebung und als erforderliche Rückkehrentscheidung in Betracht. Nach den Angaben im Haftantrag der beteiligten Behörde bestand trotz des beachtlichen zeitlichen Abstands zwischen dem Erlass des Bescheids (2014) und der beabsichtigten Abschiebung (2019) keine Veranlassung, auf einen möglichen Verbrauch der Anordnung durch freiwillige oder erzwungene Ausreise des Betroffenen nach Indien oder in einen anderen Staat, in dem er zum Aufenthalt berechtigt ist, einzugehen.

(2) Aus dem Haftantrag der beteiligten Behörde ergibt sich aber, dass der Bescheid des Bundesamts bei Stellung des Haftantrags verfahrensrechtlich überholt war und wegen einer entscheidenden Veränderung des Sachverhalts nicht mehr Grundlage für die Abschiebung des Betroffenen sein konnte.

(a) In dem Haftantrag führt die beteiligte Behörde aus, der Betroffene habe spätestens am 6. Februar 2018 bei ihrem Bürgerservice vorgesprochen und sei aufgrund der vorgelegten Unterlagen, insbesondere einer rumänischen Heiratsurkunde über seine Heirat mit einer rumänischen Staatsbürgerin, als aufenthaltsberechtigter Familienangehöriger einer Unionsbürgerin angemeldet worden. Diese - mit der Erteilung einer elektronischen Aufenthaltskarte verbundene Anmeldung veränderte den Sachverhalt entscheidend.

(b) Dem Betroffenen war damit formal der Aufenthalt im Bundesgebiet gestattet. Daran änderte es nichts, dass die vorgelegte Heiratsurkunde, die die Grundlage dieser Gestattung bildete, gefälscht war. Vor einer Abschiebung musste die Gestattung rückgängig gemacht und eine neue Ausweisungsentscheidung getroffen werden. Dazu äußert sich die beteiligte Behörde in dem Haftantrag nicht. Dem Antrag ist lediglich ohne näheren Kommentar eine Kopie des Nachweises über die Zustellung ihrer Entscheidung über die Einziehung der Aufenthaltskarte vom 2. September 2020 nachgeheftet. Zum Erlass der nunmehr für die Abschiebung des Betroffenen erforderlichen neuen Ausweisung nebst Abschiebungsandrohung verhält sich der Haftantrag nicht.

c) Der Mangel ist nicht geheilt worden.

aa) Im Haftanordnungsverfahren hat die beteiligte Behörde keine ergänzenden Angaben gemacht. Das Amtsgericht hat auch nicht die erforderlichen Feststellungen zur Verlassenspflicht des Betroffenen getroffen. 25 bb) Auch die ergänzenden Angaben der beteiligten Behörde im Haftaufhebungsverfahren haben nicht zu einer Heilung des Mangels geführt.

(1) Mängel des Haftantrags können allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch im Haftaufhebungsverfahren geheilt werden. Deshalb ist eine mangels zulässigen Haftantrags rechtswidrige, dessen ungeachtet rechtskräftig gewordene Haftanordnung nicht nach § 426 FamFG aufzuheben, wenn die fehlenden Angaben und Feststellungen im Aufhebungsverfahren nachgeholt werden. Die Heilung wirkt indessen auch im Haftaufhebungsverfahren nur für die Zukunft. In dem bis dahin verstrichenen Zeitraum seit dem Eingang des Aufhebungsantrags bleibt die Haft dagegen rechtswidrig (vgl. BGH, Beschluss vom 19. Mai 2020 - XIII ZB 86/19, juris Rn. 11 f.).

(2) Danach konnte der ergänzende Vortrag der beteiligten Behörde schon deshalb nicht zu einer Heilung des Mangels des Haftantrags führen, weil er erst mit einem Schriftsatz vom 19. Dezember 2019, mithin erst nach der Entlassung des Betroffenen aus der Haft und nach seiner Abschiebung am 26. November 2019 gehalten worden ist und die bis dahin vollzogene Haft nicht nachträglich rechtmäßig machen konnte.

Der Vortrag genügt auch inhaltlich nicht den Anforderungen. Die beteiligte Behörde hat in dem erwähnten Schriftsatz die - am 13. September 2019 tatsächlich erlassene - erneute Ausweisung des Betroffenen nicht angesprochen. Sie hat berichtet, dass ihr bereits am 4. September 2019 der verlängerte Reisepass des Betroffenen anonym zugeleitet worden ist. Damit war unmittelbar nach der Haftanordnung der Grund für die - allein durch die lange Dauer eines Verfahrens zur Beschaffung von Passersatzpapieren für indische Staatsangehörige begründete - Sicherungshaft von drei Monaten entfallen. Die beteiligte Behörde hätte deshalb nach § 426 Abs. 1 FamFG von Amts wegen bei dem Amtsgericht eine Verkürzung der Haft anregen müssen. Anhaltspunkte dafür, dass die nicht begleitete Abschiebung eines indischen Staatsangehörigen mit gültigem Reisepass nach Indien eine über den 31. Oktober 2019 hinausgehende Haft erforderte, lässt der Schriftsatz nicht erkennen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 Satz 1 und 2 , § 83 Abs. 2 FamFG . Die Festsetzung des Gegenstandswerts folgt aus § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG .

Vorinstanz: AG Iserlohn, vom 20.12.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 6 XIV (B) 587/19
Vorinstanz: LG Hagen, vom 26.03.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 3 T 12/20