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BGH - Entscheidung vom 20.04.2021

X ARZ 103/21

Normen:
ZPO § 36 Abs. 2
ZPO § 36 Abs. 3

BGH, Beschluss vom 20.04.2021 - Aktenzeichen X ARZ 103/21

DRsp Nr. 2021/7744

Möglichkeit einer Vorlage an den Bundesgerichtshof durch die Oberlandesgerichte zur Bestimmung des Gerichtsstands

Tenor

Die Vorlage des Amtsgerichts Wiesbaden vom 19. Februar 2021 wird als unzulässig verworfen.

Für die Entscheidung des Rechtsstreits zuständig ist das Amtsgericht Wiesbaden.

Normenkette:

ZPO § 36 Abs. 2 ; ZPO § 36 Abs. 3 ;

Gründe

I. Die Klägerin nimmt die Beklagten, eine GmbH & Co. KG und deren Komplementärin, wegen Vergütung und Schadensersatz im Zusammenhang mit erbrachten Dienstleistungen in Anspruch. Die Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin sehen für Fälle, in denen der Kunde Kaufmann ist, Wiesbaden als Gerichtsstand vor.

Die Klägerin hat zunächst einen Mahnbescheid des Amtsgerichts Hamburg-Altona erwirkt. Nach Widerspruch ist das Verfahren an das im Mahnbescheidantrag angegebene Amtsgericht Wiesbaden abgegeben worden. Dieses hat die Parteien auf Bedenken gegen seine örtliche Zuständigkeit hingewiesen und sich mit Beschluss vom 18. Februar 2020 unter Verweisung an das Amtsgericht Hamburg-Mitte für örtlich unzuständig erklärt. Zur Begründung hat es ausgeführt, mangels Bezugs beider Parteien zu Wiesbaden habe keinerlei Veranlassung für die Gerichtsstandsvereinbarung bestanden.

Nach mehrmaligen Hin- und Hersenden der Akten und zwischenzeitlicher Einschaltung des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main, das die Voraussetzungen für eine Gerichtsstandsbestimmung zunächst als nicht erfüllt ansah, hat sich das Amtsgericht Hamburg-Mitte mit Beschluss vom 2. Oktober 2020 für örtlich unzuständig erklärt und die Sache dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main zwecks Zuständigkeitsbestimmung vorgelegt.

Das Oberlandesgericht hat das Amtsgericht Wiesbaden als zuständiges Gericht bestimmt. Zur Begründung hat es angeführt, die Gerichtsstandsvereinbarung in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen der Klägerin sei wirksam; der hiervon abweichende Verweisungsbeschluss des Amtsgerichts Wiesbaden sei willkürlich und deshalb nicht bindend.

Nunmehr hat das Amtsgericht Wiesbaden die Sache mit Beschluss vom 19. Februar 2021 dem Bundesgerichtshof vorgelegt mit der Bitte, in entsprechender Anwendung des § 36 ZPO eine Gerichtsstandsbestimmung vorzunehmen.

II. Die Vorlage ist unzulässig.

1. Wie auch das vorlegende Gericht im Ansatz nicht verkennt, eröffnet § 36 Abs. 3 ZPO nur den Oberlandesgerichten die Möglichkeit einer Vorlage an den Bundesgerichtshof, nicht dagegen den an einem Kompetenzkonflikt beteiligten Gerichten.

2. Eine entsprechende Anwendung der Bestimmung in dem vom Amtsgericht angedachten Sinn kommt nicht in Betracht.

a) Es fehlt bereits an einer planwidrigen Regelungslücke.

Der Gesetzgeber hat in § 36 Abs. 2 und 3 ZPO vorgesehen, dass in Fällen, in denen die Bestimmung des Gerichtsstands nach den allgemeinen Regeln dem Bundesgerichtshof obläge, an dessen Stelle ein Oberlandesgericht entscheidet, das die Sache unter bestimmten Voraussetzungen dem Bundesgerichtshof vorzulegen hat.

Ein Rechtsmittel gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts hat der Gesetzgeber nicht vorgesehen. Dies begründet keine Regelungslücke, sondern ist folgerichtig, weil es gegen eine Gerichtsstandsbestimmung durch den Bundesgerichtshof ebenfalls kein Rechtsmittel gäbe.

b) Ob eine Ausnahme in Betracht kommt, wenn die Zuständigkeitsbestimmung durch das Oberlandesgericht als willkürlich anzusehen ist, kann dahingestellt bleiben. Im Streitfall ist die vom Oberlandesgericht getroffene Entscheidung entgegen der Auffassung des Amtsgerichts nicht willkürlich.

Willkür liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts vor, wenn eine anwendbare Norm übersehen oder krass missdeutet worden ist (BVerfG, Urteil vom 8. Juli 1997 - 1 BvR 1934/93, juris Rn. 49). Diese Voraussetzungen sind im Streitfall weder in Bezug auf § 38 ZPO noch in Bezug auf § 281 ZPO gegeben.

III. Zur Klarstellung hat der Senat im Tenor festgelegt, dass das Amtsgericht Wiesbaden zur Entscheidung in der Sache berufen ist.

Dieses wird dem Rechtsstreit nunmehr Fortgang zu geben haben.

Vorinstanz: AG Wiesbaden, vom 19.02.2021 - Vorinstanzaktenzeichen 92 C 166/20