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BGH - Entscheidung vom 25.02.2021

III ZR 230/20

Normen:
ZPO § 42 Abs. 2

BGH, Beschluss vom 25.02.2021 - Aktenzeichen III ZR 230/20

DRsp Nr. 2021/5112

Misstrauen gegen die Unvoreingenommenheit eines Richters auf Grund eines eigenen wirtschaftlichen Interesses am Ausgang des Rechtsstreits; Klage in eigener Sache i.R. des "Dieselskandals"

Tenor

Die in der Erklärung des Vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof Dr. H. vom 10. Februar 2021 mitgeteilten Umstände rechtfertigen die Besorgnis der Befangenheit.

Normenkette:

ZPO § 42 Abs. 2 ;

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz. Sie wirft ihr vor, sie habe in dem von ihr, der Klägerin, erworbenen PKW Typ Audi A4 allroad quattro 2.0 TDI einen von der Volkswagen AG zugelieferten Dieselmotor EA 189 mit einer verbotenen Abschalteinrichtung eingebaut. Die Klage hat in erster und zweiter Instanz zu einem überwiegenden Teil Erfolg gehabt. Gegen die Nichtzulassung der Revision durch das Berufungsgericht hat die Beklagte Beschwerde eingelegt.

Am 10. Februar 2021 hat der Vorsitzende des erkennenden Senats, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. H. , angezeigt, dass er im Frühjahr 2014 einen Volkswagen CC mit dem Motor EA 189 erworben und aufgrund dessen eine Schadensersatzklage gegen die Volkswagen AG erhoben habe. Die Beklagte hat darauf mitgeteilt, dass sonach ein Grund vorliege, der geeignet sei, Misstrauen in die Unparteilichkeit des Senatsvorsitzenden zu rechtfertigen. Die Klägerin hat angegeben, dass sie keinerlei Bedenken gegen die Neutralität und Unparteilichkeit des Vorsitzenden Richters habe.

II.

Die in der Anzeige des Vorsitzenden Richters mitgeteilten Tatsachen rechtfertigen die Besorgnis der Befangenheit.

1. Gemäß § 42 Abs. 2 ZPO ist die Befangenheit eines Richters zu besorgen, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist dann der Fall, wenn bei verständiger Würdigung des Sachverhalts Grund zu der Annahme besteht, dass der abgelehnte Richter eine Haltung einnimmt, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann. Maßgeblich ist, ob bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 10. Dezember 2019 - II ZB 14/19, NJW 2020, 1680 Rn. 9 und vom 28. Juli 2020 - VI ZB 94/19, NJW 2020, 3458 Rn. 7, jeweils mwN). Tatsächliche Befangenheit oder Voreingenommenheit ist nicht erforderlich; es genügt bereits der "böse Schein", das heißt der mögliche Eindruck mangelnder Objektivität (BGH aaO). Misstrauen gegen die Unvoreingenommenheit eines Richters ist unter anderem dann gerechtfertigt, wenn objektive Gründe dafür sprechen, dass er auf Grund eines eigenen - sei es auch nur mittelbaren - wirtschaftlichen Interesses am Ausgang des Rechtsstreits der Sache nicht unvoreingenommen und unparteiisch gegenübersteht (BGH aaO). Die Besorgnis der Befangenheit im Sinne von § 42 Abs. 2 ZPO kann dementsprechend begründet sein, wenn ein Richter in einem Verfahren zwar nicht selbst Partei ist, aber über den gleichen Sachverhalt zu entscheiden hat, aus dem er selbst Ansprüche gegen eine Partei geltend macht. Aus der Sicht einer Partei, gegen die ein Richter Ansprüche erhebt, kann Anlass zu der Befürchtung bestehen, dass dieser Richter die Würdigung des Sachverhalts, wie er sie dem von ihm verfolgten Anspruch gegen die Partei zugrunde gelegt hat, auf das Verfahren gegen eine andere Partei, dem der gleiche Sachverhalt zugrunde liegt, überträgt und wie in der eigenen Sache urteilt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Dezember 2019 aaO Rn. 10 und vom 28. Juli 2020 aaO Rn. 8).

2. Nach diesen Maßstäben liegt hier ein Ablehnungsgrund vor. Seiner Erklärung vom 10. Februar 2021 zufolge hat der Vorsitzende Richter einen Volkswagen CC mit dem Motor EA 189 erworben und aufgrund dessen eine Schadensersatzklage gegen die Volkswagen AG erhoben. Es besteht somit die naheliegende Möglichkeit, dass er im vorliegenden Rechtsstreit in wesentlichen Teilen den gleichen Sachverhalt und die gleichen Rechtsfragen zu beurteilen hat wie in eigener Sache, ob nämlich Käufern von Fahrzeugen des Volkswagen-Konzerns, die mit dem hier in Rede stehenden Dieselmotor EA 189 nebst Abschalteinrichtung ausgestattet sind, Schadensersatzansprüche zustehen. Dies ist geeignet, vom Standpunkt der Beklagten aus bei vernünftiger Betrachtung Zweifel an der Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit des Vorsitzenden Richters aufkommen zu lassen. Dabei genügt bereits der "böse Schein", die tatsächliche Einstellung des Richters ist insoweit nicht ausschlaggebend.

Vorinstanz: LG Aachen, vom 21.11.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 1 O 469/18
Vorinstanz: OLG Köln, vom 27.08.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 18 U 288/19