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BGH - Entscheidung vom 04.05.2021

3 ZB 1/21

Normen:
FamFG § 76 Abs. 1

BGH, Beschluss vom 04.05.2021 - Aktenzeichen 3 ZB 1/21

DRsp Nr. 2021/10843

Materielle Voraussetzungen für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe

Die Rechtsbeschwerde gegen einen landgerichtlichen Beschluss, der nicht die Anordnung oder Aufrechterhaltung einer Freiheitsentziehung, sondern die Unzulässigkeit der Beschwerde der Betroffenen hinsichtlich der gegenläufigen, eine Freiheitsentziehung ablehnenden Entscheidung des Amtsgerichts zum Gegenstand hat, ist entgegen § 70 Abs. 1 FamFG nicht zugelassen.

Tenor

Der Antrag der Betroffenen auf Verfahrenskostenhilfe und ihre Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Köln vom 30. November 2020 werden zurückgewiesen.

Die Kosten des Rechtsmittels hat die Betroffene zu tragen.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 5.000 €.

Normenkette:

FamFG § 76 Abs. 1 ;

Gründe

I.

Das Amtsgericht Köln hat mit Beschluss vom 21. April 2018 die Freiheitsentziehung der im Laufe der vorangegangenen Nacht in polizeilichen Gewahrsam genommenen Betroffenen für unzulässig erklärt und deren Fortdauer nicht angeordnet. Mit Schreiben vom 11. August 2020 hat die Betroffene gegen diesen - ihr nach eigenen Angaben erst am 3. August 2020 zugegangenen - Beschluss Beschwerde eingelegt, der das Amtsgericht unter dem 12. August 2020 nicht abgeholfen hat. Das Landgericht Köln hat die Beschwerde am 30. November 2020 als unzulässig zurückgewiesen. Dieser Beschluss ist der Betroffenen am 8. Dezember 2020 zugestellt worden.

Mit ihrem am 8. Januar 2021 beim Bundesgerichtshof eingegangenen Rechtsmittel wendet sich die Betroffene gegen die Zurückweisung ihrer Beschwerde und beantragt zugleich die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts zur Durchführung des Rechtsbeschwerdeverfahrens.

II.

Der Antrag auf Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung eines Rechtsanwalts ist zurückzuweisen.

1. Der Zulässigkeit des Antrags auf Verfahrenskostenhilfe steht allerdings nicht entgegen, dass die Betroffene bisher nicht durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten ist. Zwar besteht nach § 10 Abs. 4 Satz 1 FamFG vor dem Bundesgerichtshof grundsätzlich der Zwang zur Vertretung durch einen solchen. Die genannte Vorschrift nimmt hiervon indessen ausdrücklich die Verfahrenshandlungen in Verfahren über die Verfahrenskostenhilfe nach den §§ 76 ff. FamFG aus.

2. Die materiellen Voraussetzungen für die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe sind jedoch nicht erfüllt.

Nach § 76 Abs. 1 FamFG finden in Verfahren nach diesem Gesetz für die Gewährung von Verfahrenskostenhilfe die Vorschriften über die Prozesskostenhilfe nach der Zivilprozessordnung Anwendung. Danach kann Verfahrenskostenhilfe nur bewilligt werden, wenn neben dem Vorliegen der wirtschaftlichen Voraussetzungen die beabsichtigte Rechtsverfolgung Aussicht auf Erfolg bietet (vgl. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ). Dies ist vorliegend nicht der Fall.

Der Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts Köln vom 30. November 2020 wäre vorliegend offensichtlich kein Erfolg beschieden.

a) Es fehlt bereits an der Statthaftigkeit der Rechtsbeschwerde gemäß § 74 Abs. 1 Satz 1, § 70 Abs. 1 , Abs. 3 Satz 1 Nr. 3, Satz 2 FamFG .

aa) Zwar verweist § 36 Abs. 2 Satz 2 PolG NRW für die gerichtliche Entscheidung gegen die Freiheitsentziehung ohne Einschränkungen auf eine entsprechende Anwendung des 7. Buches des FamFG (OLG Düsseldorf, Beschluss vom 24. August 2011 - I-3 Wx 188/11, juris Rn. 13). In diesem Buch, welches das Verfahren für bundesrechtlich angeordnete Freiheitsentziehungen zum Gegenstand hat, sind die Rechtsmittel - mit Ausnahme der ergänzenden Vorschrift des § 429 FamFG - allerdings nicht gesondert geregelt, so dass die §§ 70 ff. FamFG als - im 1. Buch enthaltene - Vorschriften Anwendung auf die in den weiteren Büchern normierten Verfahren finden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 8. September 2016 - StB 26/16, NStZ-RR 2017, 24 ; vom 19. April 2018 - StB 5/18, NStZ-RR 2018, 262 ; vom 30. April 2020 - StB 37/18, juris Rn. 8; ferner Prütting/Helms/Drews, FamFG , 5. Aufl., § 429 Rn. 1; Bahrenfuss/Grotkopp, FamFG , 3. Aufl., § 429 Rn. 16).

bb) Die Rechtsbeschwerde ist jedoch entgegen § 70 Abs. 1 FamFG weder zugelassen, noch liegen die Voraussetzungen des § 70 Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 , Satz 2 FamFG für ihre Zulassungsfreiheit vor. Denn der landgerichtliche Beschluss, gegen den sie gerichtet ist, hat nicht die Anordnung oder Aufrechterhaltung einer Freiheitsentziehung zum Gegenstand, sondern die Unzulässigkeit der Beschwerde der Betroffenen hinsichtlich der gegenläufigen, eine Freiheitsentziehung ablehnenden Entscheidung des Amtsgerichts. Ein Fall der Zulassungsfreiheit nach § 70 Abs. 3 Satz 2 FamFG ist vorliegend ebenfalls nicht gegeben.

b) Abgesehen davon hätte die Rechtsbeschwerde - ungeachtet sonstiger Zulässigkeitsvoraussetzungen - in der Sache nach vorläufiger Bewertung keine hinreichende Erfolgsaussicht (vgl. § 76 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO ). Die Entscheidung des Landgerichts Köln, mit der die Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Köln vom 21. April 2018 zurückgewiesen worden ist, unterliegt unter Berücksichtigung der eingeschränkten Überprüfungsmöglichkeit des Rechtsbeschwerdegerichts (vgl. § 72 Abs. 1 FamFG ) keiner rechtlichen Beanstandung. Die vom Landgericht vorgenommene rechtliche Würdigung, der Beschwerde der Betroffenen fehle die erforderliche Beschwerdebefugnis i.S.d. § 59 Abs. 1 FamFG bzw. ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis, ist rechtsfehlerfrei. Eine Beeinträchtigung der Rechte der Betroffenen ist ausgeschlossen, weil der angegriffene Beschluss des Amtsgerichts weder die Anordnung ihrer Freiheitsentziehung noch eine sonstige Beeinträchtigung - etwa die Belastung mit Verfahrenskosten - enthält.

III.

Die gleichzeitig mit dem Antrag auf Verfahrenskostenhilfe eingelegte Rechtsbeschwerde ist bereits deshalb unzulässig, weil die Betroffene nicht durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt vertreten ist (§ 36 Abs. 2 Satz 2 PolG NRW i.V.m. § 10 Abs. 4 FamFG ). Somit ist die Rechtsbeschwerde - ungeachtet der zudem oben aufgezeigten mangelnden Statthaftigkeit - als unzulässig zu verwerfen (§ 74 Abs. 1 Satz 1 und 2 FamFG ). Sie hätte aus dem unter II. 2. b) angeführten Grund auch in der Sache keinen Erfolg.

Die insoweit erforderliche Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG , die Festsetzung des Gegenstandswertes des Rechtsbeschwerdeverfahrens auf § 36 Abs. 2 und 3 GNotKG .

Vorinstanz: AG Köln, vom 21.04.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 507d XIV(L) 395/18
Vorinstanz: LG Köln, vom 30.11.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 34 T 104/20