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BGH - Entscheidung vom 18.02.2021

V ZB 28/20

Normen:
BGB § 372
BGB § 376

BGH, Beschluss vom 18.02.2021 - Aktenzeichen V ZB 28/20

DRsp Nr. 2021/4874

Inhalt und Umfang der Amtspflichten eines Notars bei der Beurkundung eines Grundstückskaufvertrages; Löschung der zu Gunsten des Käufers im Grundbuch eingetragenen Auflassungsvormerkung

Die Anordnung der Unterbringung gemäß § 63 StGB setzt die positive Feststellung eines länger andauernden, nicht nur vorübergehenden Defekts voraus, der zumindest eine erhebliche Einschränkung der Schuldfähigkeit zur Tatzeit im Sinne des § 21 StGB begründet. Die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus verbietet sich deshalb grundsätzlich, wenn der Ausschluss oder die erhebliche Minderung der Schuldfähigkeit nicht schon allein durch einen länger andauernden psychischen Defekt, sondern erst durch einen aktuell hinzutretenden Genuss berauschender Mittel, insbesondere Alkohol, herbeigeführt worden ist. In solchen Fällen kommt die Unterbringung nach § 63 StGB nur dann in Betracht, wenn der Täter in krankhafter Weise alkoholüberempfindlich ist, an einer krankhaften Alkoholsucht leidet oder aufgrund eines psychischen Defektes alkoholsüchtig ist, der, ohne pathologisch zu sein, in seinem Schweregrad einer krankhaften seelischen Störung im Sinne der §§ 20 , 21 StGB gleichsteht.

Tenor

Die Kosten der Rechtsmittelverfahren werden der Beteiligten zu 2 auferlegt.

Der Gegenstandswert des Rechtsbeschwerdeverfahrens beträgt 115.000 €.

Normenkette:

BGB § 372 ; BGB § 376 ;

Gründe

I.

Die Beteiligte zu 2 (nachfolgend Verkäuferin) verkaufte dem Beteiligten zu 1 (nachfolgend Käufer) mit von dem Notar am 16. November 2018 beurkundetem Vertrag ein Grundstück zu einem Kaufpreis von 115.000 € und bewilligte zu seinen Gunsten die Eintragung einer Auflassungsvormerkung. Zu dieser ist in § 6 des Vertrages u.a. folgendes geregelt:

„Die Auflassungsvormerkung erlischt (auflösende Bedingung), wenn der beurkundende Notar durch gesiegelte Eigenurkunde feststellt, dass der gesicherte Anspruch (soweit ihm erkennbar) erloschen ist. Die Beteiligten bewilligen und beantragen, die Bedingung bei der Vormerkung einzutragen. Hierzu weisen die Beteiligten den Notar gemeinsam an, vorgenannte Eigenurkunde nur unter den nachfolgenden Voraussetzungen zu erstellen und dem Grundbuchamt vorzulegen - was vom Grundbuchamt jedoch nicht zu prüfen ist:

- Der Verkäufer legt dem Notar die schriftliche Rücktrittserklärung des Käufers vor und erklärt dabei schriftlich, ob und ggf. welche Zahlungen bereits auf den Kaufpreis erfolgt sind und der Käufer widerspricht nicht binnen vier Wochen nach Absendung einer schriftlichen Aufforderung des Notars diesem gegenüber, dass ein Rücktritt nicht erfolgt sei; oder

[…]

Soweit (Teil-) Zahlungen auf den Kaufpreis vom Verkäufer bestätigt oder vom Käufer durch Bankbestätigung nachgewiesen sind, wird der Notar angewiesen, das Erlöschen nur festzustellen, wenn ihm deren Rückzahlung durch Bankbestätigung nachgewiesen ist.“

Nach § 8 des Vertrages („Vollmachten“) sollte der Notar u.a. „zur Löschung der Auflassungsvormerkung“ im Falle des erklärten Rücktritts befugt sein.

Die Vormerkung wurde in das Grundbuch eingetragen. Der Käufer zahlte an die Verkäuferin einen Teil des Kaufpreises in Höhe von 20.000 €. Weitere Zahlungen erfolgten nicht. Mit Schreiben vom 11. Februar 2019 erklärte der Käufer gegenüber der Verkäuferin den Rücktritt von dem Kaufvertrag und teilte dies am selben Tage dem Notar mit. Dieser wandte sich an die Verkäuferin, die ihm gegenüber bestätigte, das Rücktrittsschreiben erhalten zu haben und mitteilte, mit der Rückabwicklung einverstanden zu sein.

Mit Schreiben vom 19. Juni 2019 kündigte der Notar dem Käufer an, dass er die Auflassungsvormerkung zur Löschung bringen werde, sobald der Teilkaufpreis von 20.000 € zurückgezahlt sei. Dem widersprach der Käufer und erklärte, die Zustimmung zur Löschung nur zu erteilen, wenn die Verkäuferin seine Gegenansprüche erfülle. Mit Schreiben vom 21. August 2019 forderte die Verkäuferin den Käufer erfolglos zur Erteilung einer Löschungsbewilligung und zur Entgegennahme des auf den Kaufpreis gezahlten Betrages auf. Diesen hinterlegte sie im September 2019 bei dem Amtsgericht unter Verzicht auf die Rücknahme und benannte als Berechtigten den Käufer.

Mit Vorbescheid vom 22. Oktober 2019 hat der Notar den Beteiligten mitgeteilt, dass er aufgrund des Rücktritts und der Hinterlegung davon ausgehe, dass die Voraussetzungen der Löschung der Vormerkung gegeben seien, und hat ihnen angekündigt, diese beim Grundbuchamt zu beantragen. Die gegen den Vorbescheid von dem Käufer erhobene Beschwerde hat das Landgericht zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde hat der Käufer zunächst beantragt, die Beschwerdeentscheidung aufzuheben und dem Notar zu untersagen, die Löschung der Auflassungsvormerkung zu beantragen. Nach zwischenzeitlich erfolgter Löschung der Auflassungsvormerkung hat er die Rechtsbeschwerde beschränkt und beantragt nunmehr, der Verkäuferin die Kosten des Beschwerde- und des Rechtsbeschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Die Verkäuferin beantragt die Zurückweisung auch der beschränkten Rechtsbeschwerde.

II.

Das Beschwerdegericht meint, der Notar dürfe die Eigenurkunde wie angekündigt errichten und die Löschung beantragen. Zwar sei er an Weisungen der Vertragsparteien strikt gebunden und dürfe diese weder auslegen noch im Rahmen einer Ermessenentscheidung relativieren. Die Voraussetzungen für die von ihm angekündigte Vorgehensweise seien aber gegeben. Die Wirksamkeit des von dem Käufer erklärten Rücktritts von dem Kaufvertrag sei zwischen den Beteiligten unstreitig. Es wäre eine reine Förmelei gewesen, wenn der Notar die ihm von dem Käufer übersandte Rücktrittserklärung an diesen selbst zurückgesandt und ihn zur Erklärung über den Rücktritt aufgefordert hätte. Der Käufer habe dem Notar auch die Annahme des Rücktritts durch die Verkäuferin übermittelt und hierdurch zum Ausdruck gebracht, dass er an seiner Rücktrittserklärung festhalte. Schließlich habe die Verkäuferin dem Notar noch die Rücktrittserklärung des Käufers übersandt und erklärt, dass ein Teilbetrag von 20.000 € auf den Kaufpreis gezahlt und nunmehr bei dem Amtsgericht hinterlegt sei. Soweit der Käufer gegenüber dem Löschungsbegehren der Verkäuferin Gegenansprüche geltend mache, seien diese gegebenenfalls im Zivilrechtswege zu klären und nicht von dem Notar im Rahmen seiner Amtstätigkeit.

III.

1. Die infolge der Zulassung statthafte (§ 15 Abs. 2 Satz 3 BNotO i.V.m. § 70 Abs. 1 , Abs. 2 FamFG ) und auch im Übrigen zulässige (§ 71 FamFG ) Rechtsbeschwerde ist in der Hauptsache mit der Löschung der zu Gunsten des Käufers im Grundbuch eingetragenen Auflassungsvormerkung gegenstandslos geworden. Hat sich die Hauptsache im Verfahren der freiwilligen Gerichtsbarkeit erledigt, wird die Rechtsbeschwerde unzulässig, wenn - wie hier - kein Fall des § 62 FamFG vorliegt. Der Beschwerdeführer kann die Rechtsbeschwerde aber auf den Kostenpunkt beschränken (st. Rspr., vgl. Senat, Beschluss vom 7. April 2011 - V ZB 11/10, ZfIR 2011, 537 Rn. 4 f.; Beschluss vom 27. September 2012 - V ZB 57/12, juris Rn. 4; BGH, Beschluss vom 27. Januar 2015 - II ZB 7/14, NJW 2015, 1449 Rn. 7 jeweils mwN). Das ist hier geschehen.

2. Die Entscheidung über die Kosten ist gemäß § 83 Abs. 2 i.V.m. § 81 Abs. 1 Satz 1 FamFG nach billigem Ermessen zu treffen (Senat, Beschluss vom 7. April 2011 - V ZB 11/10, ZfIR 2011, 537 Rn. 9; Beschluss vom 7. November 2013 - V ZB 111/12, juris Rn. 4). Eine Kostenentscheidung zu Gunsten des Rechtsbeschwerdeführers hat danach zu ergehen, wenn sein Rechtsmittel ohne die Erledigung der Hauptsache begründet gewesen wäre (vgl. Senat, Beschluss vom 7. November 2013 - V ZB 111/12, aaO; vgl. auch Beschluss vom 10. Februar 1983 - V ZB 18/82, BGHZ 86, 393 , 396). So liegt es hier, da die Entscheidung des Beschwerdegerichts - wäre es nicht zur Erledigung gekommen - auf die Rechtsbeschwerde des Käufers aufgehoben und der Notar angewiesen worden wäre, die angekündigte Amtshandlung nicht vorzunehmen.

a) Wie das Beschwerdegericht im Ausgangspunkt nicht verkennt, ergeben sich Inhalt und Umfang der Amtspflichten des Notars aus den im Kaufvertrag enthaltenen Weisungen, die er streng zu befolgen und mit an ihrem Wortlaut orientierter Genauigkeit zu beachten hat, ohne dass es auf außerhalb des Auftrags liegende Umstände ankommt (vgl. Senat, Beschluss vom 2. Dezember 2010 - V ZB 174/10, MittBayNot 2011, 422 Rn. 11; Beschluss vom 1. Oktober 2015 - V ZB 171/14, ZfIR 2016, 104 Rn. 12). Für den Inhalt einer gemeinsamen Anweisung ist in erster Linie deren Wortlaut maßgeblich, und es ist nicht Sache des Notars oder des Beschwerdegerichts, den Inhalt der Anweisung abweichend von ihrem Wortlaut auszulegen (vgl. Senat, Beschluss vom 28. Oktober 2010 - V ZB 70/10, juris Rn. 33; Beschluss vom 20. Januar 2011 - V ZB 219/10, RNotZ 2011, 326 Rn. 7; Beschluss vom 26. September 2019 - V ZB 41/19, DNotZ 2020, 522 Rn. 10; BGH, Beschluss vom 10. Februar 2000 - IX ZR 41/99, NJW 2000, 1644 ).

b) Rechtsfehlerhaft ist indes die Annahme des Beschwerdegerichts, der Notar habe nach diesen Maßstäben das Vorliegen der in § 6 des Kaufvertrages genannten Voraussetzungen bejahen und wie angekündigt das Erlöschen des gesicherten Auflassungsanspruchs durch Eigenurkunde feststellen und die Löschung der Auflassungsvormerkung beantragen dürfen. Es fehlt jedenfalls an dem hierfür erforderlichen Nachweis der Rückzahlung des Teilkaufpreises von 20.000 €.

(1) Unter dem Begriff der „Rückzahlung“ ist bei wortlautgetreuer Auslegung - die der Senat nach den dargestellten Grundsätzen (oben Rn. 9) selbst vornehmen kann - die Rückführung des teilweise gezahlten Kaufpreises in das Vermögen des Käufers zu verstehen. Die Rückzahlung ist nach der dem Notar erteilten Anweisung zudem durch eine Bankbestätigung nachzuweisen, so dass im Ergebnis diese Voraussetzung nur durch eine - bislang nicht nachgewiesene - Überweisung des zurückzuzahlenden Betrages auf ein Konto des Käufers erfüllt werden kann.

(2) Der Notar durfte den Nachweis der Rückzahlung auch nicht deswegen als erbracht ansehen, weil die Verkäuferin den Betrag hinterlegt hat - wohl weil der Käufer trotz Aufforderung kein Bankkonto benannt hatte - und einer Hinterlegung unter bestimmten Voraussetzungen die gleichen Wirkungen wie einer Erfüllung zukommen. Denn die Frage, ob andere Arten der Erfüllung des Anspruchs auf Rückgewähr des teilweise gezahlten Kaufpreises einer Rückzahlung gleichzustellen sind, ließe sich nur durch eine über den Wortlaut hinausgehende Auslegung der Weisung ermitteln. Bei der gebotenen strengen Befolgung ihres Wortlauts konnte hingegen kein Zweifel bestehen, dass eine Hinterlegung keine Rückzahlung des Kaufpreises darstellt.

Das gilt auch dann, wenn die Hinterlegung materiell-rechtlich zur Erfüllung des Anspruchs des Käufers auf Rückgewähr des Teilkaufpreises geführt haben sollte, denn der Notar ist nicht dazu berufen, dies zu beurteilen. Hierzu wäre nämlich zum einen zu prüfen, ob die Voraussetzungen nach § 372 BGB für die Hinterlegung vorlagen, namentlich, ob der Käufer sich zum Zeitpunkt der Hinterlegung im Annahmeverzug befand (Satz 1), und zum anderen, ob das Recht der Verkäuferin, das hinterlegte Geld zurückzunehmen, nach § 376 Abs. 2 BGB ausgeschlossen war (§ 378 BGB ). Es ist grundsätzlich nicht Aufgabe des Notars - und damit auch nicht der über eine Notarbeschwerde entscheidenden Gerichte der freiwilligen Gerichtsbarkeit -, über materiell-rechtliche Fragen zu entscheiden; solche Fragen sind gegebenenfalls im Zivilprozess zu klären (vgl. Senat, Beschluss vom 28. Oktober 2010 - V ZB 70/10, juris Rn. 33; Beschluss vom 1. Oktober 2015 - V ZB 171/14, ZfIR 2016, 104 Rn. 21; zu eng begrenzten Ausnahmen Senat, Beschluss vom 19. September 2019 - V ZB 119/18, NJW 2020, 610 Rn. 14 ff. und 40 ff.).

III.

Die Festsetzung des Gegenstandswerts nach dem Kaufpreis beruht auf § 61 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 45 Abs. 3 Hs. 1, § 47 Satz 1 GNotKG .

Vorinstanz: LG Itzehoe, vom 24.03.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 10 T 3/19