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BGH - Entscheidung vom 23.03.2021

3 StR 19/21

Normen:
BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 1

Fundstellen:
NStZ 2022, 301

BGH, Beschluss vom 23.03.2021 - Aktenzeichen 3 StR 19/21

DRsp Nr. 2021/7747

Hingabe des Betäubungsmittels zum sofortigen Gebrauch an Ort und Stelle als Person über 21 Jahre an Personen unter 18 Jahren bzgl. Vorliegens der Tatbestandsvariante des Überlassens zum unmittelbaren Verbrauch

Tenor

1.

Die Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Landgerichts Aurich vom 15. Oktober 2020 wird verworfen; jedoch wird der Schuldspruch dahin geändert, dass der Angeklagte der gewerbsmäßigen Abgabe von Betäubungsmitteln in neun sowie der Verbrauchsüberlassung von Betäubungsmitteln in 27 Fällen jeweils als Person über 21 Jahre an Personen unter 18 Jahren und des Besitzes von Betäubungsmitteln schuldig ist.

2.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Normenkette:

BtMG § 29a Abs. 1 Nr. 1 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen der "gewerbsmäßigen unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an Personen unter 18 Jahren" in neun Fällen, der "unerlaubten Abgabe von Betäubungsmitteln als Person über 21 Jahre an Personen unter 18 Jahren" in 27 Fällen und des "unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln" unter Freispruch im Übrigen zu der Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren und sechs Monaten verurteilt, die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt angeordnet und eine Einziehungsentscheidung getroffen. Hiergegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rügen der Verletzung formellen und materiellen Rechts gestützten Revision. Das Rechtsmittel ist unbegründet im Sinne des § 349 Abs. 2 StPO , führt aber zu einer Änderung des Schuldspruchs.

1. Nach den Feststellungen des Landgerichts überließ der Angeklagte in den Fällen III. 4.-5., 11.-20., 22.-36. der Urteilsgründe von März 2019 bis November 2019 in seiner Wohnung mehreren Jugendlichen Marihuana zum unmittelbaren gemeinsamen Konsum vor Ort. Zudem verkaufte er den Minderjährigen Marihuana zu jeweils 10 € pro Gramm (Fälle III. 1.-3., 6.-10. der Urteilsgründe) sowie zwei Ecstasy-Tabletten mit einem Wirkstoffgehalt von jedenfalls 80 mg MDMA pro Tablette zu einem Preis von 13 € (Fall III. 21. der Urteilsgründe), um sich hierdurch zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes und seines eigenen Drogenkonsums eine Einnahmequelle von einigem Umfang und einiger Dauer zu verschaffen. Ihm war die Minderjährigkeit in sämtlichen Fällen bekannt.

Darüber hinaus verfügte der Angeklagte am 16. April 2020 in seiner Wohnung über eine ganze und eine dreiviertel Tablette Buprenaddict 8 mg mit dem Wirkstoff Buprenorphin sowie eine geringfügige Menge Kokain (Fall III. 37. der Urteilsgründe).

2. Die revisionsgerichtliche Überprüfung des Urteils führt lediglich zu einer Änderung des Schuldspruchs.

a) Aus den Gründen der Antragsschrift des Generalbundesanwalts bleibt die Verfahrensbeanstandung ohne Erfolg.

b) Die Sachrüge führt indes zu einer Änderung des Schuldspruchs in dem aus Ziffer 1 der Beschlussformel ersichtlichen Umfang.

aa) Nach den rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen des Landgerichts hat sich der Angeklagte in den Fällen III. 4.-5., 11.-20. und 22.-36. der Urteilsgründe nicht der Abgabe, sondern der Verbrauchsüberlassung von Betäubungsmitteln an Jugendliche strafbar gemacht.

Eine Abgabe von Betäubungsmitteln im Sinne des § 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG ist jede Gewahrsamsübertragung an eine andere Person zur freien Verfügung. An einer solchen fehlt es, wenn das Betäubungsmittel - wie in den Fällen III. 4.-5., 11.-20. und 22.-36. - zum sofortigen Gebrauch an Ort und Stelle hingegeben wird; in dieser Konstellation liegt vielmehr die Tatbestandsvariante des Überlassens zum unmittelbaren Verbrauch vor (§ 29a Abs. 1 Nr. 1 BtMG ; vgl. BGH, Urteil vom 22. November 2016 - 1 StR 329/16, juris Rn. 23; Beschluss vom 8. Juli 1998 - 3 StR 241/98, NStZ-RR 1998, 347 ; BeckOK BtMG/Schmidt, 10. Ed., § 29a Rn. 5.2; MüKoStGB/Oğlakcıoğlu, 3. Aufl., § 29a BtMG Rn. 19).

Der Senat ändert den Schuldspruch entsprechend ab (§ 354 Abs. 1 StPO analog). § 265 StPO steht dem nicht entgegen, weil sich der Angeklagte nicht wirksamer als geschehen hätte verteidigen können. Es ist angesichts des unveränderten Strafrahmens und der weiteren Umstände auszuschließen, dass das Landgericht bei zutreffender rechtlicher Würdigung geringere Strafen festgesetzt hätte.

bb) Hinsichtlich sämtlicher abgeurteilten Delikte ist zudem die ausdrückliche Bezeichnung als "unerlaubt" entbehrlich, da Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz ausschließlich den unerlaubten Umgang mit Betäubungsmitteln betreffen (vgl. BGH, Beschluss vom 9. Februar 2021 - 3 StR 449/20, juris Rn. 3 mwN).

Vorinstanz: LG Aurich, vom 15.10.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 19 KLs 10/20 510 Js 2112/20
Fundstellen
NStZ 2022, 301