Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 17.03.2021

VIII ZR 329/20

Normen:
ZPO § 552a

BGH, Beschluss vom 17.03.2021 - Aktenzeichen VIII ZR 329/20

DRsp Nr. 2021/7971

Gesetzliches Widerrufsrecht bei Kilometerleasingverträgen

Tenor

Der Senat beabsichtigt, die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 30. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 9. Oktober 2020 durch einstimmigen Beschluss nach § 552a ZPO zurückzuweisen.

Normenkette:

ZPO § 552a;

Gründe

1. Das Berufungsgericht hat die Revision zugelassen, weil die Frage des Bestehens eines gesetzlichen Widerrufsrechts bei Kilometerleasingverträgen, namentlich die analoge Anwendung des § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB im Hinblick auf die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs erfordere. Diese Klärung ist mit dem grundlegenden Urteil des Senats vom 24. Februar 2021 ( VIII ZR 36/20, juris, zur Veröffentlichung in BGHZ bestimmt) erfolgt, weswegen die Voraussetzungen für die Zulassung einer Revision nicht mehr vorliegen.

2. Die Revision hat auch keine Aussicht auf Erfolg.

a) Der Senat hat, was die Revision nicht in Zweifel zieht, bei Kilometerleasingverträgen das Bestehen eines gesetzlichen Widerrufsrechts nach § 506 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 BGB analog ebenso wie ein Umgehungsgeschäft nach § 511 BGB aF (heute § 512 BGB ) verneint.

b) Die Erteilung der mit "Widerrufsinformation" überschriebenen vorformulierten Widerrufsbelehrung stellt, wie der Senat unter Berücksichtigung der Rechtsprechung aller damit befassten Senate des Bundesgerichtshofs entschieden hat, kein Angebot der Beklagten auf Gewährung eines (vorbehaltlosen) vertraglichen Widerrufsrechts dar, das die Klägerin mit Vertragsabschluss hätte annehmen können, weil der "Widerrufsinformation" ein rechtsgeschäftlicher Erklärungsinhalt nicht zukommt (Senatsurteil vom 24. Februar 2021 - VIII ZR 36/20, aaO Rn. 68 ff., siehe insbesondere Rn. 73, 74, 76).

Die unter der Überschrift "Widerrufsinformation" erfolgte Widerrufsbelehrung knüpft den Beginn des Laufs der Widerrufsfrist an "die Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB ". Für einen durchschnittlichen Leasingnehmer, der sich von der Sichtweise verständiger und redlicher Vertragsparteien unter Abwägung der Interessen der beteiligten Verkehrskreise leiten lässt, ergibt sich aus dem Inhalt der Erklärungen und der damit korrespondierenden Überschrift, dass die dort aufgeführten Angaben lediglich gesetzliche Vorgaben erfüllen, damit aber nicht - im Vertrag selbst nicht vorgesehene - rechtsgeschäftliche Erklärungen abgegeben werden sollten (Senatsurteil vom 24. Februar 2021 - VIII ZR 36/20, aaO Rn. 71).

aa) Für die Auslegung, ob eine formularmäßige rechtsgeschäftliche Willenserklärung vorliegt, ist die Bestimmung des § 305c Abs. 2 BGB nicht anwendbar, denn diese setzt voraus, dass nach objektivem Empfängerhorizont eine Allgemeine Geschäftsbedingung im Sinne von § 305 Abs. 1 BGB gegeben ist (Senatsurteil vom 24. Februar 2021 - VIII ZR 36/20, aaO Rn. 69). Dies ist mangels rechtsgeschäftlichen Erklärungsinhalts der "Widerrufsinformation" nicht der Fall. Anders als die Revision zu bedenken gegeben hat, besteht schon deshalb kein Anlass, die Sache gemäß Art. 267 AEUV dem Gerichtshof der Europäischen Union zur Auslegung des Art. 5 Satz 2 der Richtlinie des Rates vom 5. April 1993 über missbräuchliche Klauseln in Verbraucherverträgen (ABl. Nr. L 95, S. 29; Klausel-Richtlinie) vorzulegen.

bb) Selbst wenn man der "Widerrufsinformation" gleichwohl einen rechtsgeschäftlichen Erklärungsinhalt nicht absprechen und sie als Allgemeine Geschäftsbedingung behandeln wollte, würde ihr jedenfalls nicht der Inhalt zukommen, der Klägerin ein vertragliches Widerrufsrecht einzuräumen, sondern sie würde sich darin erschöpfen, ihr ein (tatsächlich) gesetzlich vorgesehenes Widerrufsrecht (bestätigend) zuzugestehen und die hierfür erforderlichen Voraussetzungen und sich daraus ergebenden Rechtsfolgen anzuführen. Eine vorformulierte Widerrufsbelehrung, die um eine vermeintliche gesetzliche Pflicht zu erfüllen oder rein vorsorglich erteilt wird, obwohl ein gesetzliches Widerrufsrecht nicht besteht, ist bei der maßgeblichen Sicht eines durchschnittlichen Kunden bei der gebotenen objektiven Auslegung nicht als Angebot auf Vereinbarung eines voraussetzungslosen vertraglichen Widerrufsrechts zu verstehen (Senatsurteil vom 24. Februar 2021 - VIII ZR 36/20, aaO Rn. 72 mwN).

Danach ist - auch bei unterstelltem Vorliegen einer Allgemeinen Geschäftsbedingung - im Streitfall nicht von der Einräumung eines vertraglichen Widerrufsrechts auszugehen (Senatsurteil vom 24. Februar 2021 - VIII ZR 36/20, aaO Rn. 73). Wie der Senat ausgeführt hat, kommen vorliegend mehrere Auslegungen nicht in Betracht. Dem Umstand, dass in der Widerrufsinformation nicht ausdrücklich von einem gesetzlichen Widerrufsrecht die Rede ist, kommt keine entscheidende Bedeutung zu. Denn auch ohne diesen Hinweis lässt sich der Widerrufsinformation bei der gebotenen objektiven Auslegung, die der Senat selbst vornehmen kann, unmissverständlich entnehmen, dass ein eigenständiges, von den gesetzlichen Vorgaben losgelöstes vertragliches Widerrufsrecht nicht begründet werden sollte (vgl. Senatsurteil vom 24. Februar 2021 - VIII ZR 36/20, aaO Rn. 74). Darauf hat das Berufungsgericht zu Recht abgestellt. Vor diesem Hintergrund kommt die Unklarheitenregel des § 305c Abs. 2 BGB vorliegend nicht zur Anwendung.

c) Mangels wirksamen Widerrufs kann die auf Rückzahlung der Leasingraten gerichtete Klage daher - wie die Vorinstanzen zutreffend erkannt haben keinen Erfolg haben.

3. Es besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen drei Wochen ab Zugang dieses Beschlusses.

Hinweis: Das Revisionsverfahren ist durch Revisionsrücknahme erledigt worden.

Vorinstanz: LG Bochum, vom 05.02.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 1 O 215/19
Vorinstanz: OLG Hamm, vom 09.10.2020 - Vorinstanzaktenzeichen I-30 U 44/20