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BGH - Entscheidung vom 24.02.2021

AK 9/21

Normen:
StPO §112 Abs. 1 S. 1
StPO § 116 Abs. 1
StGB § 129a Abs. 1
StGB § 129b Abs. 1

BGH, Beschluss vom 24.02.2021 - Aktenzeichen AK 9/21

DRsp Nr. 2021/4449

Fortdauer der Untersuchungshaft über den Zeitraum von 6 Monaten hinaus; Haftbefehls in Albanien festgenommenen tadschikischen Mitglieds der terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat" (IS); Gründung einer Terrorzelle in Deutschland zum Kampf gegen Ungläubige; Geplante Anschläge in Deutschland unter Einsatz von Sprengstoff und Schusswaffen

Soweit die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung eine gewisse formale Eingliederung des Täters in die Organisation voraussetzt, bedarf es keiner förmlichen Beitrittserklärung oder einer förmlichen Mitgliedschaft. Vielmehr setzt sie eine gewisse, einvernehmliche Eingliederung des Täters in die Organisation voraus. Erforderlich ist, dass er eine organisationsbezogene Tätigkeit zur Förderung der kriminellen Ziele der Vereinigung von innen und nicht nur von außen her entfaltet.

Tenor

Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.

Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Oberlandesgericht Düsseldorf übertragen.

Normenkette:

StPO §112 Abs. 1 S. 1; StPO § 116 Abs. 1 ; StGB § 129a Abs. 1 ; StGB § 129b Abs. 1 ;

Gründe

I.

Der Angeschuldigte ist aufgrund Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 21. April 2020 ( 2 BGs 245/20) am 29. April 2020 in Albanien festgenommen worden und befindet sich nach seiner Festnahme durch die deutsche Polizei, die am 3. August 2020 anlässlich seiner Auslieferung am Frankfurter Flughafen stattgefunden hat, ununterbrochen in Untersuchungshaft.

Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, der Angeschuldigte habe sich mitgliedschaftlich an der ausländischen terroristischen Vereinigung IS beteiligt, indem er zusammen mit anderen Angeschuldigten ebenfalls tadschikischer Herkunft in Deutschland eine Zelle gegründet habe, um im Namen des IS im Inland und/oder Ausland den bewaffneten Kampf gegen "Ungläubige" aufzunehmen und in Deutschland Anschläge, auch unter Einsatz von Schusswaffen und Sprengstoff, zu begehen.

Der Generalbundesanwalt hat am 29. Januar 2020 die Akten dem Bundesgerichtshof zur Entscheidung im besonderen Haftprüfungsverfahren nach § 121 StPO mit dem Antrag vorgelegt, die Fortdauer der Untersuchungshaft anzuordnen. Inzwischen hat er gegen den Angeschuldigten und vier weitere Angeschuldigte Anklage zum Oberlandesgericht Düsseldorf erhoben.

II.

Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.

1. Der Angeschuldigte ist der ihm im Haftbefehl des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 9. April 2020 vorgeworfenen Straftat dringend verdächtig.

a) Nach dem derzeitigen Stand der Ermittlungen ist insoweit im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:

aa) Der IS ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen Irak und die historische Region "ash-Sham" - die heutigen Staaten Syrien, Libanon und Jordanien sowie Palästina - umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden "Gottesstaat" unter Geltung der Sharia zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im Irak sowie das Regime des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als "Feind des Islam" begreift; die Tötung solcher "Feinde" oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht die Vereinigung als legitimes Mittel des Kampfes an.

Die Führung der Vereinigung, die sich mit der Ausrufung des "Kalifats" am 29. Juni 2014 aus "Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien" (ISIG) in "Islamischer Staat" (IS) umbenannte - wodurch sie von der territorialen Selbstbeschränkung Abstand nahm -, hatte seit 2010 bis zu seiner Tötung im Oktober 2019 Abu Bakr al-Baghdadi inne. Inzwischen wurde ein Nachfolger ernannt. Bei der Ausrufung des Kalifats war al-Baghdadi von seinem Sprecher zum "Kalifen" erklärt worden, dem die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten. Dem "Kalifen" unterstehen ein Stellvertreter sowie "Minister" als Verantwortliche für einzelne Bereiche, so ein "Kriegsminister" und ein "Propagandaminister". Zur Führungsebene gehören außerdem beratende "Shura-Räte". Veröffentlichungen werden in der Medienabteilung "Al-Furqan" produziert und über die Medienstelle "al-l'tisam" verbreitet, die dazu einen eigenen Twitter-Kanal und ein Internetforum nutzt. Das auch von den Kampfeinheiten verwendete Symbol der Vereinigung besteht aus dem "Prophetensiegel", einem weißen Oval mit der Inschrift "Allah - Rasul - Muhammad" auf schwarzem Grund, überschrieben mit dem islamischen Glaubensbekenntnis. Die - zeitweilig mehreren tausend - Kämpfer sind dem "Kriegsminister" unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur gegliedert.

Die Vereinigung teilte von ihr besetzte Gebiete in Gouvernements ein und richtete einen Geheimdienstapparat ein; diese Maßnahmen zielten auf die Schaffung totalitärer staatlicher Strukturen. Angehörige der irakischen und syrischen Armee, aber auch in Gegnerschaft zum IS stehender Oppositionsgruppen, ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsanspruch des IS in Frage stellten, sahen sich Verhaftung, Folter und Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach vom IS zu Zwecken der Einschüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus begeht der IS immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb seines Machtbereichs Terroranschläge. So übernahm er auch für Anschläge in Europa, etwa in Paris, Brüssel, Nizza und Berlin, die Verantwortung.

bb) Der aus Tadschikistan stammende, zur Tatzeit in Deutschland lebende Angeschuldigte schloss sich Anfang 2019 mit ebenfalls den Ideen des IS nahestehenden Landsleuten, unter anderem dem gesondert verfolgten, inzwischen erstinstanzlich zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sieben Jahren verurteilten B. sowie den Mitangeschuldigten, zusammen, um im Sinne der Terrororganisation aktiv zu werden.

Jedenfalls seit dem 14. Januar 2019 stand B. über den Messenger-Dienst "Telegram" mit einem Mitglied des IS, dem ebenfalls aus Tadschikistan stammenden M. , der sich im syrischen Kampfgebiet aufhielt, in Verbindung, mit dem er erörterte, ob die Gruppe den Kampf des IS eher mit dem Transfer finanzieller Mittel oder mit Anschlägen in Deutschland oder Tadschikistan unterstützen solle, was beides von Seiten des IS begrüßt wurde. Über das Ergebnis der Beratungen informierte der gesondert Verfolgte unverzüglich die übrigen Beteiligten, darunter auch den Angeschuldigten, und vereinbarte mit ihnen ein persönliches Treffen, das wenig später stattfand. Nachdem der Mitangeschuldigte Bo. , der sich bereits zuvor in die Strukturen des IS eingegliedert hatte, am 1. Februar 2019 für die konspirative und abgeschottete Kommunikation einen Gruppenchat beim Messenger-Dienst "Zello" eingerichtet hatte, fanden die gruppeninternen Erörterungen, an denen sich auch der Angeschuldigte beteiligte, vorwiegend in diesem Medium statt. Dabei gewannen in den Diskussionen die Überlegungen, zur Umsetzung der Ziele des IS in Deutschland "Jihad" zu machen, gegenüber der zunächst erörterten finanziellen Unterstützung der Kämpfer in Syrien zunehmend an Raum. Letztgenannte wurde aber nicht aufgegeben. Die Vorhaben der Beteiligten wurden durch Instruktionen des oben genannten M. begleitet, der unter anderem den Rat erteilte, die Gruppe solle sich einen Anführer suchen, dessen Befehlsgewalt unterwerfen und sich somit in die Befehlsstrukturen des IS einordnen. An der Chatkommunikation beim Messenger-Dienst "Zello" beteiligte sich zudem der beim IS in Afghanistan eine Führungsposition einnehmende D. , der die Angeschuldigten in regelmäßig stattfindenden Gruppenunterrichten in der Ideologie des IS schulte, zum Jihad anleitete sowie zur Einhaltung der Befehlsketten des IS anhielt. Auch mit ihm erörterten die Angeschuldigten die Frage, wie die Gruppe der Sache des IS dienen könne. Der Angeschuldigte nahm an dieser Chatkommunikation regelmäßig teil und beeinflusste den Willensbildungsprozess hinsichtlich der Pläne der Gruppe. Letztlich stimmte er dem Vorhaben zu, in Deutschland Anschläge zu begehen, um die Ziele des IS zu unterstützen und seine Struktur zu stärken. Daran teilzunehmen erklärte sich der Angeschuldigte gegenüber D. bereit.

In Umsetzung dieses Gruppenvorhabens sammelte der Angeschuldigte im Internet Informationen zu Schusswaffen und anderen Kriegsutensilien wie Nachtsichtgeräten. Auch nahm er mit dem Ziel, sich und andere damit auf den Jihad vorzubereiten, ein Paintball-Training auf, zu dem er auch Gleichgesinnte motivierte.

Nachdem der Angeschuldigte im Oktober 2019 nach Tadschikistan abgeschoben worden war, hielten die verbleibenden Gruppenmitglieder weiterhin Kontakt zu ihm. So gelang es ihnen, den in Tadschikistan festgenommenen Angeschuldigten nach einer Spendensammlung unter Hingabe von 7.000 € "freizukaufen", der sich in der Folge nach Albanien begab. Auch dort wurde er, während er sich auf die Wiedereinreise nach Deutschland vorbereitete, von anderen Gruppenmitgliedern unterstützt.

b) Der dringende Tatverdacht (§112 Abs. 1 Satz 1 StPO ) hinsichtlich der Tatvorwürfe beruht auf Folgendem:

aa) Betreffend die ausländische terroristische Vereinigung IS folgt er aus mehreren Gutachten des Sachverständigen Dr. S. sowie aus Auswerteberichten des Bundeskriminalamts.

bb) Der gesondert verfolgte B. hat in seiner polizeilichen Vernehmung vom 18. und 20. Dezember 2019 sowie in der gegen ihn geführten Hauptverhandlung vor dem Oberlandesgericht Düsseldorf im November 2020 eingeräumt, mit dem Angeschuldigten und den weiteren Angeschuldigten eine von der Ideologie des IS getragene Gruppe gebildet zu haben, die sich später insbesondere in einer Chatgruppe des Messenger-Dienstes "Zello" über finanzielle Hilfen für den bewaffneten Kampf und die eigene Teilnahme am Jihad austauschte sowie durch einen sich in Afghanistan aufhaltenden Chatteilnehmer unterrichten ließ. Dabei hat der gesondert Verfolgte auch die Teilnehmer der Gruppe, unter anderem den Angeschuldigten, identifiziert. Dass die Angeschuldigten einschließlich des gesondert Verfolgten als eine Zelle agierten, die sich in die Strukturen des IS eingliederte, um in Deutschland finanzielle Mittel zu generieren und Anschläge zu verüben, ergibt sich aus einer Gesamtschau des auf den Mobiltelefonen der Beteiligten gesichteten Chatverkehrs bei den Messenger-Diensten "Telegram" und "Zello" sowie der übrigen polizeilichen Ermittlungen, die die Identifizierung der Chatpartner in Syrien (M. ) und Afghanistan (D. ) zum Gegenstand haben und die Einbindung der Gruppe in die Strukturen und Planungen des IS belegen. Die aktive Teilnahme des Angeschuldigten an der Chat-Kommunikation des Anbieters "Zello" wird durch die Ergebnisse der Auswertung von Gruppenchats auf den Mobiltelefonen mehrerer Gruppenmitglieder bestätigt. Die Internetrecherchen des Angeschuldigten zu Schusswaffen und Nachtsichtgeräten sowie seine Bemühungen, andere Gruppenmitglieder zum Paintball-Training zu motivieren, folgen ebenfalls aus der Auswertung der Mobiltelefone.

c) Danach hat sich der Angeschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung gemäß § 129a Abs. 1 , § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB strafbar gemacht.

aa) Die mitgliedschaftliche Beteiligung setzt eine gewisse formale Eingliederung des Täters in die Organisation voraus. Sie kommt nur in Betracht, wenn der Täter die Vereinigung von innen und nicht lediglich von außen her fördert. Insoweit bedarf es zwar keiner förmlichen Beitrittserklärung oder einer förmlichen Mitgliedschaft. Notwendig ist aber, dass der Täter eine Stellung innerhalb der Vereinigung einnimmt, die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend kennzeichnet und von den Nichtmitgliedern unterscheidbar macht. Dafür reicht allein die Tätigkeit für die Vereinigung, mag sie auch besonders intensiv sein, nicht aus; denn ein Außenstehender wird nicht allein durch die Förderung der Vereinigung zu deren Mitglied. Auch wenn die Mitgliedschaft in einer Vereinigung auf der Grundlage der Legaldefinition des § 129 Abs. 2 StGB nicht erfordert, dass sich der Täter in das "Verbandsleben" der Organisation integriert und sich deren Willen unterordnet, so setzt sie dennoch eine gewisse, einvernehmliche Eingliederung des Täters in die Organisation voraus. Erforderlich ist, dass er eine organisationsbezogene Tätigkeit zur Förderung der kriminellen Ziele der Vereinigung von innen und nicht nur von außen her entfaltet (vgl. BGH, Beschluss vom 22. März 2018 - StB 32/17, NStZ-RR 2018, 206 , 207).

Das Erfordernis einer Eingliederung des Täters in die Organisation führt auch dazu, dass die Frage, ob ein Täter, der in der Bundesrepublik Deutschland lebt, sich als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung im Ausland beteiligt, regelmäßig bereits deshalb besonderer Prüfung bedarf, weil er sich nicht im unmittelbaren Betätigungsgebiet der (Kern-)Organisation aufhält; dies gilt insbesondere dann, wenn sich der Täter nie an einem Ort befunden hat, an dem die Vereinigungsstrukturen bestehen (vgl. BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 128).

bb) Gemessen daran ist der dringende Tatverdacht einer mitgliedschaftlichen Beteiligung des Angeschuldigten am IS gegeben. Mit hoher Wahrscheinlichkeit ist davon auszugehen, dass er - zusammen mit den anderen Mitgliedern der Gruppe - den IS mit den in den Chatgruppen bei den Messenger-Diensten "Zello" und "Telegram" erörterten und teilweise auch schon durchgeführten Aktivitäten nicht nur von außen unterstützen wollte, sondern sich in die Organisation einordnete. Der Angeschuldigte war Mitglied der von dem gesondert verfolgten B. zusammengeführten Gruppierung, die mit Anschlägen und finanzieller Unterstützung im Sinne des IS tätig werden wollte und den Vorgaben des als IS-Mitglied identifizierten M. in Syrien folgte. Diesem bot der gesondert Verfolgte an, dass die "kleine Gemeinschaft" Aktionen für die Terrororganisation erbringen könne, und nahm entsprechende Ratschläge und Anweisungen entgegen, die er an die Gruppe weiterleitete. Zudem unterwarf der Angeschuldigte sich im Gruppenchat des Anbieters "Zello" der Anleitung des von Afghanistan aus agierenden Mitglieds des IS D. . Ihm gegenüber erklärte er sich bereit, Anschläge auch in Deutschland zu begehen. Indem sich somit die gesamte Zelle der Angeschuldigten und des gesondert verfolgten B. den Ratschlägen und der Befehlsgewalt führender IS-Mitglieder unterstellte, um im Sinne der Vereinigung tätig zu werden, gliederten sich ihre Mitglieder in die Strukturen der Vereinigung ein. Die Begleitung der Zellenaktivitäten durch hochrangige IS-Mitglieder - insbesondere den mit dem gesondert Verfolgten B. in Kontakt stehenden M. und den am Gruppenchat teilnehmenden D. - spricht gegen einen nur einseitigen Anschluss an den IS.

Unter den gegebenen Umständen steht der Mitgliedschaft des Angeschuldigten nicht entgegen, dass die Ermittlungen bisher seinen förmlichen Beitritt zu der Organisation nicht ergeben haben. Ebenso wenig spricht gegen eine mitgliedschaftliche Beteiligung an der ausländischen terroristischen Organisation IS, dass der Angeschuldigte selbst sich nie in dessen Kampfgebiet aufhielt. Der in Syrien aufhältige M. hatte dem gesondert verfolgten B. auf entsprechende Anfrage den Rat erteilt, den Jihad "in der Gegend, in der Ihr Euch befindet", zu machen. Mithin lag die den Angeschuldigten vom IS zugewiesene Rolle gerade darin, in Deutschland Aktivitäten für die Vereinigung zu entfalten.

Da die Eingliederung des Angeschuldigten in die Strukturen des IS bereits im Januar 2019 begann, sind seine maßgebliche Teilnahme am Austausch in der gruppeninternen Kommunikation bei persönlichen Treffen und im "Zello"-Gruppenchat sowie seine Bemühungen um die Umsetzung der Gruppenziele - etwa durch die Beschaffung von Informationen zu Waffen und anderen Gerätschaften und die Organisation des Paintball-Trainings zur Vorbereitung des Jihad - als Beteiligungshandlungen an der terroristischen Vereinigung IS zu werten.

d) Die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts folgt unbeschadet der Vorschrift des § 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 1 und 4 StGB (zum Strafanwendungsrecht im Einzelnen s. BGH, Beschluss vom 6. Oktober 2016 - AK 52/16, juris Rn. 33 ff.) schon daraus, dass der Angeschuldigte die Tat in Deutschland beging.

e) Die nach § 129b Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung von bereits begangenen und künftigen Taten im Zusammenhang mit der sich als "Islamischer Staat" (IS) bezeichnenden ausländischen terroristischen Vereinigung liegt - als Neufassung der früheren Verfolgungsermächtigung - seit dem 13. Oktober 2015 vor.

2. Es bestehen die Haftgründe der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO ) und darüber hinaus der Schwerkriminalität (§ 112 Abs. 3 StPO ). Der Angeschuldigte hat im Falle seiner Verurteilung mit einer erheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Dem davon ausgehenden Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthindernden Umstände entgegen. Er ist tadschikischer und russischer Staatsangehöriger und verfügt über zahlreiche Beziehungen ins Ausland. In Deutschland ging er auch vor seiner Abschiebung keiner Arbeit nach. Über soziale Kontakte in Deutschland außerhalb der verfahrensgegenständlichen Gruppe von Landsleuten ist nichts bekannt. Zwar hat er unmittelbar vor seiner Abschiebung eine deutsche Staatsangehörige geheiratet, die zwischenzeitlich ein gemeinsames Kind geboren hat und weiter zu ihm hält. Doch ist die Tragfähigkeit der Beziehung des Paares nicht abzuschätzen. Über einen gesicherten ausländerrechtlichen Status verfügt er nicht. Vor diesem Hintergrund ist zu erwarten, dass der Angeschuldigte sich, sollte er in Freiheit gelangen, dem weiteren Strafverfahren durch Flucht entziehen wird. Danach liegen - erst recht - Umstände vor, die die Gefahr begründen, dass ohne Inhaftierung des Angeschuldigten zumindest die alsbaldige Ahndung der Tat gefährdet sein könnte (zur gebotenen restriktiven Handhabung des § 112 Abs. 3 StPO vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO , 63. Aufl., § 112 Rn. 37 mwN). Eine Außervollzugsetzung des Haftbefehls (§ 116 Abs. 1 StPO ) ist unter den gegebenen Umständen nicht erfolgversprechend.

3. Die besonderen Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO ) sind gegeben.

Die besondere Schwierigkeit und der Umfang der Ermittlungen haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen die Haftfortdauer. Das Verfahren richtet sich gegen insgesamt fünf Angeschuldigte. Anlässlich der Festnahme der Mitangeschuldigten im April 2020 ist eine Vielzahl von Datenträgern sichergestellt worden. Die darauf aufgefundenen Daten haben - zum Teil aufwendig - gespiegelt und ausgewertet werden müssen. Der Bericht über die telefonischen Kontakte der Angeschuldigten untereinander und die persönlichen Treffen der Gruppenmitglieder hat erst Ende Oktober 2020 fertiggestellt werden können. Ebenso wurde der Vermerk über die Auswertung seines erst bei Auslieferung des Angeschuldigten sichergestellten Mobiltelefons, der seine Bemühungen um ein gemeinsames Paintball-Training offenlegt, erst im Dezember 2020 verfasst. Die bereits frühzeitig eingeleiteten Finanzermittlungen konnten inzwischen weitgehend abgeschlossen werden. Im Laufe der Ermittlungen sind zudem über 50 Personen aus dem Umfeld der Angeschuldigten als Zeugen vernommen worden. Schließlich sind mehrere Rechtshilfeersuchen veranlasst worden, die bislang erst teilweise erledigt sind.

Der Generalbundesanwalt hat die Anklage gegen den Angeschuldigten sowie vier Mitangeschuldigte unter dem Datum des 27. Januar 2021 fertiggestellt. Diese ist mittlerweile beim Oberlandesgericht Düsseldorf eingegangen.

4. Der weitere Vollzug der Untersuchungshaft steht derzeit nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Falle einer Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO ). Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstandes, dass der Angeschuldigte sich in dieser Sache bereits vom 29. April 2020 bis 3. August 2020 in Auslieferungshaft in Albanien befand, auch wenn dieser Zeitraum bei der Berechnung der Frist des § 121 Abs. 1 StPO keine Berücksichtigung findet (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO , 63. Aufl., § 121 Rn. 7 mwN).