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BGH - Entscheidung vom 16.03.2021

X ZR 149/18

Normen:
PatG § 119 Abs. 1
PatG § 121 Abs. 2
ZPO § 97 Abs. 1

BGH, Urteil vom 16.03.2021 - Aktenzeichen X ZR 149/18

DRsp Nr. 2021/7741

Europäisches Patent über ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Einstellen der Bandbreite einer Verbindung zwischen mindestens zwei Kommunikationsendpunkten in einem Datennetz; Zweifel an der Patentfähigkeit wegen mangelnder Offenbarung der Erfindung in der Gestalt, dass ein Fachmann sie ausführen könne, und wegen Überschreitung des Gegenstandes über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen

Das mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilte europäische Patent 1 261 177, das ein Verfahren zum Einstellen der Bandbreite einer Verbindung in einem Datennetz und eine Vorrichtung zur Durchführung dieses Verfahrens betrifft, ist nichtig, weil der Gegenstand des Patentanspruchs dem Fachmann nahegelegt ist.

Tenor

Die Berufung gegen das Urteil des 5. Senats (Nichtigkeitssenats) des Bundespatentgerichts vom 2. August 2018 wird auf Kosten der Beklagten zurückgewiesen.

Normenkette:

PatG § 119 Abs. 1 ; PatG § 121 Abs. 2 ; ZPO § 97 Abs. 1 ;

Tatbestand

Die Beklagte ist Inhaberin des mit Wirkung für die Bundesrepublik Deutschland erteilten europäischen Patents 1 261 177 (Streitpatents), das am 16. April 2002 unter Inanspruchnahme einer Priorität vom 9. Mai 2001 angemeldet worden ist und ein Verfahren und eine Vorrichtung zum Einstellen der Bandbreite einer Verbindung zwischen mindestens zwei Kommunikationsendpunkten in einem Datennetz betrifft. Die Patentansprüche 1 und 7, auf die jeweils fünf weitere Ansprüche zurückbezogen sind, lauten in der Verfahrenssprache:

1.

Verfahren zum Einstellen der Bandbreite einer Verbindung (10) zwischen mindestens zwei Kommunikationsendpunkten (12, 14) in einem Datennetz, in dem

-

der Verbindung (10) mindestens ein Übertragungskanal (16, 18) zur Datenübertragung zugewiesen wird,

-

die Verbindung (10) eine Signalisierungs- und Nutzkanalverbindung umfasst, wobei über die Nutzkanalverbindung paketorientiert Nutzdaten zwischen den Kommunikationsendpunkten (12, 14) übertragen werden und

-

die Nutzdaten mindestens einer Kommunikationsverbindung, insbesondere Sprachverbindung zugeordnet sind,

-

eine Überwachungseinheit (20) die Signalisierungsverbindung auf Anforderungen mindestens einer weiteren Kommunikationsverbindung überwacht und bei einer Anforderung einer Steuereinheit (22) signalisiert, der Verbindung (10) einen oder mehrere zusätzliche freie Übertragungskanäle für die mindestens eine angeforderte Kommunikationsverbindung zuzuweisen,

dadurch gekennzeichnet, dass bei einer signalisierten Anforderung (S1)

-

geprüft wird, ob die Bandbreite für die angeforderte Kommunikationsverbindung ausreicht (A1),

-

falls dies nicht der Fall ist, ermittelt wird, ob für den Bandbreitenbedarf der angeforderten Kommunikationsverbindung entsprechend viele Übertragungskanäle (18) frei sind (A2),

-

die Verbindungsanforderung in eine Warteschlange gespeichert wird (S2),

-

freie Übertragungskanäle (18) aufgebaut (S3) werden,

-

die gespeicherte Verbindungsanforderung abgearbeitet wird (S4) und

-

die aufgebauten Übertragungskanäle (18) der Nutzkanalverbindung zugewiesen werden (S6).

7.

Vorrichtung zum Einstellen der Bandbreite einer Verbindung (10) zwischen mindestens zwei Kommunikationsendpunkten (12, 14) in einem Datennetz, in dem

-

der Verbindung (10) mindestens ein Übertragungskanal (16, 18) zur Datenübertragung zugewiesen ist,

-

die Verbindung (10) eine Signalisierungs- und Nutzkanalverbindung umfasst, wobei über die Nutzkanalverbindung paketorientiert Nutzdaten zwischen den Kommunikationsendpunkten (12, 14) übertragen werden und

-

die Nutzdaten mindestens einer Kommunikationsverbindung, insbesondere Sprachverbindung zugeordnet sind, mit einem Router (24, der eine Überwachungs- und eine Steuereinheit (20, 22) umfasst, wobei

-

die Überwachungseinheit (20) über eine Signalleitung (26) mit der Steuereinheit (22) verbunden ist,

-

die Überwachungseinheit (20) die Signalisierungsverbindung auf Anforderung mindestens einer weiteren Kommunikationsverbindung überwacht und bei einer Anforderung einer Steuereinheit (22) signalisiert, der Verbindung (10) einen oder mehrere zusätzliche freie Übertragungskanäle für die mindestens eine angeforderte Kommunikationsverbindung zuzuweisen, bei einer signalisierten Anforderung (S1),

-

geprüft wird, ob die Bandbreite für die angeforderte Kommunikationsverbindung ausreicht (A1),

-

falls dies nicht der Fall ist, ermittelt wird, ob für den Bandbreitenbedarf der angeforderten Kommunikationsverbindung entsprechend viele Übertragungskanäle (18) frei sind (A2),

-

die Verbindungsanforderung in einer Warteschlange gespeichert wird (S2),

-

freie Übertragungskanäle (18) aufgebaut (S3) werden,

-

die gespeicherte Verbindungsanforderung abgearbeitet wird (S4) und

-

die aufgebauten Übertragungskanäle (18) der Nutzkanalverbindung zugewiesen werden (S6).

Die Klägerinnen zu 1 bis 3 haben das Streitpatent in vollem Umfang angegriffen, die Klägerin zu 4 im Umfang des Patentanspruchs 1. Sie haben geltend gemacht, das Streitpatent offenbare die Erfindung nicht so, dass der Fachmann sie ausführen könne, und sein Gegenstand gehe über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinaus und sei nicht patentfähig. Die Beklagte hat das Schutzrecht in der erteilten Fassung und hilfsweise in zehn geänderten Fassungen verteidigt.

Das Patentgericht hat das Streitpatent für nichtig erklärt. Hiergegen richtet sich die Berufung der Beklagten, die das Streitpatent mit ihren erstinstanzlichen Anträgen und drei weiteren Hilfsanträgen verteidigt und hinsichtlich der Klägerinnen zu 2 und 3 die Feststellung begehrt, dass deren Nichtigkeitsklagen als nicht erhoben gelten. Die Klägerinnen treten dem Rechtsmittel entgegen.

Entscheidungsgründe

Die Berufung der Beklagten bleibt im Ergebnis ohne Erfolg.

I. Das Streitpatent betrifft ein Verfahren zum Einstellen der Bandbreite einer Verbindung in einem Datennetz und eine Vorrichtung zur Durchführung dieses Verfahrens.

1. Nach den Angaben in der Streitpatentschrift wurden die Signale einer Sprachverbindung in Telekommunikationsnetzen im Stand der Technik überwiegend über eine Leitung übertragen, die ausschließlich für diese Verbindung reserviert war (leitungsvermittelte Telekommunikation). Die in neuerer Zeit aufgekommene paketorientierte Übertragung ermögliche eine bessere Ausnutzung der verfügbaren Verbindungsressourcen. Als paketorientierte Übertragungsverfahren für Sprache seien etwa Voice over Frame Relay (VoF) und Voice over IP (VoIP) bekannt. Insbesondere letzterem werde künftig wesentliche Bedeutung zukommen.

Bei der paketorientierten Übertragung von Sprachdaten könne es zu Problemen kommen, wenn die für die Sprachverbindung zur Verfügung stehende Übertragungsbandbreite schwanke. Die Dienstgüte (quality of service, QoS) sei im Vergleich zur leitungsvermittelten Kommunikation geringer. Daher sei es wichtig, eine gewisse Mindestbandbreite für die Sprachverbindung zu gewährleisten. Hierzu werde etwa für eine VoIP-Verbindung, gesteuert durch den Router, in Abhängigkeit von der gerade erforderlichen Bandbreite mindestens ein neuer Übertragungskanal aufgebaut.

Im Stand der Technik sei insoweit aus der Veröffentlichung der internationalen Patentanmeldung WO 00/13369 (T8 = NK11) bekannt, Datenpakete, die zu einem Dienst gehörten, für den eine erhöhte Übertragungsbandbreite erforderlich sei, mit einer entsprechenden Information zu kennzeichnen, die den Zugangsknoten veranlasse, mindestens einen zusätzlichen Übertragungskanal bereitzustellen. Bei diesem Verfahren könnten jedoch Störungen auftreten, da die zusätzliche Bandbreite erst bei auftretendem Bedarf angefordert werde.

Bekannt seien ferner spezielle Verbindungsprotokolle, etwa ein als RSVP (Resource Reservation Setup Protocol) bezeichnetes Ende-zu-Ende-Internet-Protokoll, das die Übertragungskapazitäten auch dynamisch anpasse. Bei RSVP handele es sich jedoch um ein proprietäres Protokoll, das sehr aufwendig und deshalb wenig verbreitet sei.

2. Vor diesem Hintergrund liegt der Erfindung das technische Problem zugrunde, ein Verfahren und eine Vorrichtung bereitzustellen, die auf einfache und effektive Weise gewährleisten, dass eine Kommunikationsverbindung, insbesondere eine Sprachverbindung von Anfang an mit angemessener Dienstgüte bereitgestellt wird, ohne die Dienstgüte bereits bestehender Kommunikationsverbindungen wesentlich zu beeinträchtigen.

3. Zur Lösung dieses Problems stellt Patentanspruch 1 ein Verfahren mit folgenden Merkmalen bereit:

1.1

Verfahren zum Einstellen der Bandbreite einer Verbindung zwischen mindestens zwei Kommunikationsendpunkten in einem Datennetz, in dem der Verbindung mindestens ein Übertragungskanal zur Datenübertragung zugewiesen wird.

1.2

Die Verbindung umfasst eine Signalisierungsverbindung und eine Nutzkanalverbindung.

1.2.1

Über die Nutzkanalverbindung werden paketorientiert Nutzdaten zwischen den Kommunikationsendpunkten übertragen.

1.2.2

Die Nutzdaten sind mindestens einer Kommunikationsverbindung, insbesondere Sprachverbindung, zugeordnet.

1.3

Eine Überwachungseinheit

1.3.1

überwacht die Signalisierungsverbindung auf Anforderungen mindestens einer weiteren Kommunikationsverbindung,

1.3.2

signalisiert bei einer solchen Anforderung einer Steuereinheit, der Verbindung einen oder mehrere zusätzliche freie Übertragungskanäle für die mindestens eine angeforderte Kommunikationsverbindung zuzuweisen.

1.4

Bei einer signalisierten Anforderung

1.4.1

wird geprüft, ob die Bandbreite für die angeforderte Kommunikationsverbindung ausreicht. Falls dies nicht der Fall ist,

1.4.2

wird ermittelt, ob für den Bandbreitenbedarf der angeforderten Kommunikationsverbindung entsprechend viele Übertragungskanäle frei sind;

1.4.3

wird die Verbindungsanforderung in einer Warteschlange gespeichert;

1.4.4

werden freie Übertragungskanäle aufgebaut;

1.4.5

wird die gespeicherte Verbindungsanforderung abgearbeitet;

1.4.6

werden die aufgebauten Übertragungskanäle der Nutzkanalverbindung zugewiesen.

Patentanspruch 7 schlägt eine Vorrichtung vor, die zur Durchführung dieses Verfahrens geeignet ist. Ergänzend ist vorgesehen, dass die Überwachungsund die Steuereinheit Bestandteile eines Routers sind und eine Signalleitung diese beiden Teile miteinander verbindet.

4. Einige Merkmale bedürfen näherer Erläuterung:

a) Als Bandbreite im Sinne von Merkmal 1.1 bezeichnet das Streitpatent die Datenmenge, die in einer bestimmten Zeiteinheit übermittelt und beispielsweise in Bit pro Sekunde angegeben werden kann. Die insgesamt verfügbare Bandbreite kann einzelnen Übertragungskanälen und Verbindungen zugeordnet werden.

b) Nach den Merkmalen 1.1 bis 1.2.2 sind mehrere Verbindungsarten voneinander zu unterscheiden.

aa) Eine Verbindung im Sinne von Merkmal 1.1 ist eine Gesamtheit von Ressourcen und Verfahren, die den Datenaustausch zwischen zwei Kommunikationsendpunkten ermöglicht.

Als Beispiele für solche Endpunkte benennt das Streitpatent einen Router, eine Gegenstelle, ein Telefon, eine Telekommunikationsanlage, ein ISDN-Terminal oder einen PC mit einem Anschluss an das Datennetz (Abs. 10, 24, 44).

bb) Der Verbindung muss nach Merkmal 1.1. mindestens ein Übertragungskanal zugewiesen sein (dazu sogleich unter e).

cc) Diese Verbindung umfasst nach Merkmal 1.2 eine Signalisierungsverbindung und eine Nutzkanalverbindung.

Über die Signalisierungsverbindung (control plane, signaling stream) werden Steuerungssignale übermittelt, über die Nutzkanalverbindung (user plane, payload stream) Nutzdaten wie zum Beispiel Sprachdaten (Abs. 36).

dd) Gemäß Merkmal 1.2.2 sind die Nutzdaten mindestens einer Kommunikationsverbindung zugeordnet, zum Beispiel einer Sprachverbindung.

Je nach der Funktionalität der Endgeräte können mehrere solcher Kommunikationsverbindungen gleichzeitig bestehen. In dem Ausführungsbeispiel, das in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 3 des Streitpatents dargestellt ist, sind zwei ISDN-Anlagen (30, 37) mit Primärratenanschluss (31, 45) mittels Routern (nicht dargestellt) über das Internet (49) verbunden. Die Router können unter anderem mittels Voice over IP (VoIP) Sprachverbindungen zwischen den an die lokalen Netzwerke (38, 39) angeschlossenen Geräten aufbauen (Abs. 42-49).

c) Die Übertragung der Nutzdaten erfolgt nach Merkmal 1.2.1 paketorientiert.

Dem ist aus Sicht des Fachmanns, den das Patentgericht zu Recht und von den Parteien unbeanstandet als Diplom-Ingenieur der Nachrichtentechnik oder Elektrotechnik mit Universitätsabschluss und einschlägiger Berufserfahrung charakterisiert hat, zu entnehmen, dass die Daten zum Zwecke der Übertragung in einzelne Pakete aufgeteilt werden.

Die Größe oder sonstige Beschaffenheit der Datenpakete überlässt das Streitpatent dem Fachmann. Es legt auch nicht fest, ob die Pakete verbindungsorientiert oder verbindungslos übertragen werden und auf welcher Route die Übertragung der einzelnen Pakete erfolgt. Ausgeschlossen ist lediglich eine leitungsvermittelte Übertragung, also eine Übertragung, bei der der Verbindung eine bestimmte Leitung exklusiv zugeordnet ist.

d) Wie sich aus Merkmal 1.3.1 ergibt, geht Patentanspruch 1 von einer Situation aus, in der bereits mindestens eine Kommunikationsverbindung besteht. Die in den Merkmalsgruppen 1.3 und 1.4 definierten Schritte sind auf den Fall ausgerichtet, dass eine weitere Kommunikationsverbindung angefordert wird, und dienen dazu, auch für diese möglichst ausreichend Bandbreite bereitzustellen.

aa) Die in Merkmal 1.3.1 vorgesehene Überwachungseinheit überprüft anhand der Signalisierungsverbindung, ob eine weitere Kommunikationsverbindung angefordert wird, und veranlasst gemäß Merkmal 1.3.2 gegebenenfalls die Steuereinheit, der Verbindung einen oder mehrere freie Übertragungskanäle für die angeforderte Kommunikationsverbindung zuzuweisen.

Wie die Berufung zutreffend geltend macht und auch die Berufungserwiderung nicht in Zweifel zieht, führt die Anforderung einer weiteren Kommunikationsverbindung nicht zwangsläufig zur Zuweisung neuer Übertragungskanäle. Ob und gegebenenfalls in welcher Weise dies geschieht, hängt von den in Merkmalsgruppe 1.4 definierten Kriterien ab.

Diese Kriterien sind in der nachfolgend wiedergegebenen Figur 2 des Streitpatents in einem Flussdiagramm dargestellt.

bb) Nach Merkmal 1.4.1 wird zunächst geprüft, ob die Bandbreite, die der Verbindung aktuell zugewiesen ist, für die angeforderte Kommunikationsverbindung ausreicht (A1).

Aus dem Zusammenhang der einzelnen Verfahrensschritte ergibt sich, dass für diese Prüfung nicht allein der Bandbreitenbedarf der neu angeforderten Kommunikationsverbindung maßgeblich ist, sondern auch der Bandbreitenbedarf der bereits bestehenden Kommunikationsverbindungen.

Um die Prüfung durchzuführen, muss bekannt sein, welche Anforderungen die neu herzustellende Kommunikationsverbindung hat und welche Bandbreite unter Berücksichtigung der bereits bestehenden Kommunikationsverbindungen in den bereits aufgebauten Kanälen noch zur Verfügung steht.

cc) Für den Fall, dass sich die noch verfügbare Bandbreite als ausreichend erweist, sieht Patentanspruch 1 keine weiteren Schritte vor.

Solche sind auch nicht erforderlich, weil die angeforderte Kommunikationsverbindung in dieser Situation ohne weiteres aufgebaut werden kann, wie dies in Figur 2 als Schritt S6 vorgesehen ist.

dd) Erweist sich die auf den aufgebauten Kanälen noch verfügbare Bandbreite als nicht ausreichend, wird nach Merkmal 1.4.2 ermittelt, ob die benötigte Bandbreite durch Aufbau weiterer Übertragungskanäle zur Verfügung gestellt werden kann (A2).

Ist dies der Fall, wird die erforderliche Bandbreite gemäß Merkmal 1.4.4 durch Aufbau freier Übertragungskanäle zur Verfügung gestellt. Die Verbindungsanforderung wird hierzu gemäß Merkmal 1.4.3 vorübergehend in einer Warteschlange gespeichert (S2). Nach Aufbau der freien Übertragungskanäle (S3) wird sie gemäß Merkmal 1.4.5 abgearbeitet (S4) und die aufgebauten Kanäle werden gemäß Merkmal 1.4.6 der Nutzkanalverbindung zugewiesen. Dieses Vorgehen stellt sicher, dass die angeforderte Kommunikationsverbindung erst dann hergestellt wird, wenn die erforderliche Bandbreite zur Verfügung steht.

ee) Für den Fall, dass keine hinreichende Zahl von freien Übertragungskanälen zur Verfügung steht, sieht Patentanspruch 1 wiederum keine weiteren Verfahrensschritte vor.

In der Regel wird der Fachmann für diesen Fall vorsehen, die Verbindungsanforderung zurückzuweisen, wie dies in Figur 2 als Schritt S5 dargestellt ist. Zwingend vorgesehen ist dies in Patentanspruch 2.

e) Der in den Merkmalen 1.1, 1.3.2, 1.4.2, 1.4.4 und 1.4.6 verwendete Begriff des Übertragungskanals wird in der Streitpatentschrift nicht näher erläutert. Wie sich aus dem Zusammenhang der Merkmale ergibt, handelt es sich um ein Mittel, mit dem der Verbindung eine bestimmte, definierte Bandbreite zur Verfügung gestellt werden kann.

Der Aufbau und die Zuweisung freier Übertragungskanäle ist nach Merkmalen 1.4.2, 1.4.4 und 1.4.6 die Reaktion darauf, dass sich die aktuell verfügbare Bandbreite bei der Prüfung nach Merkmal 1.4.1 als nicht ausreichend erweist, um eine hinreichende Dienstgüte auch für die angeforderte weitere Kommunikationsverbindung zu gewährleisten. In diesem Fall soll nach Möglichkeit die Bandbreite der Verbindung erhöht werden.

Abhängig vom ermittelten Bedarf sollen hierfür nach den Merkmalen 1.3.2, 1.4.2, 1.4.4 und 1.4.6 ein oder mehrere freie Übertragungskanäle aufgebaut und der Verbindung zugewiesen werden. Danach legt das Streitpatent zugrunde, dass die Bandbreite eines aufgebauten und zugewiesenen Übertragungskanals nicht beliebig geändert werden kann, sondern vordefiniert ist. Dies schließt nicht aus, dass es Kanäle unterschiedlicher Größe gibt.

In diese Richtung weisen auch die Ausführungen in der Streitpatentschrift, wonach als Telekommunikationsanlage vorzugsweise eine ISDN-Anlage mit Basis- oder Primärratenanschluss zum Einsatz kommt (Abs. 30). In ISDN-Netzen sind üblicherweise Übertragungskanäle mit einer fest zugewiesenen Bandbreite vorgesehen. Damit in Einklang stehen auch die Erläuterungen zu dem in Figur 1 dargestellten Ausführungsbeispiel, wonach die Datenverbindung zwei Übertragungskanäle 16 und 18 aufweist (Abs. 33). Dies entspricht der zum Beispiel in T5 als üblich bezeichneten Charakteristik eines ISDN-Basisanschlusses mit zwei Nutzkanälen mit je 64 Kilobit pro Sekunde und einem Steuerkanal mit 16 Kilobit pro Sekunde (T5a S. 18).

f) Der Aufbau eines Übertragungskanals (Merkmal 1.4.4) erfordert nicht, dass er zuvor nicht bestand und erst bei Bedarf eingerichtet wird. Vielmehr umfasst dies auch den Fall, dass ein zuvor bereits vorhandener, aber nicht genutzter Übertragungskanal der Nutzkanalverbindung zur Verfügung gestellt wird. Wie dies technisch vollzogen wird, überlässt das Streitpatent dem Fachmann.

g) Patentanspruch 7 schützt eine Vorrichtung, mit der das Verfahren nach Anspruch 1 durchgeführt werden kann.

Ein inhaltlicher Unterschied zu Anspruch 1 besteht nur insoweit, als zu der Vorrichtung ein Router gehört, der die Überwachungseinheit und die Steuereinheit umfasst.

aa) Ein Router ist nach dem insoweit übereinstimmenden Vortrag der Parteien und dem Verständnis, das auch dem angefochtenen Urteil zugrunde liegt, ein Gerät, das Datenpakete zwischen verschiedenen Netzen vermittelt.

Solche Geräte arbeiten in Netzen, die das Internet Protokoll (IP) einsetzen, typischerweise auf der Schicht 3 des OSI-Schichtmodells. Diese Eigenschaft hat in Patentanspruch 1 indes keinen Niederschlag gefunden. Anspruch 1 gibt weder bestimmte Netze noch bestimmte Übertragungsprotokolle vor. Auch in der Beschreibung ist die Funktionalität des Routers - abgesehen von den Überwachungs- und Steuerungsfunktionen gemäß den Merkmalsgruppen 1.3 und 1.4 nicht näher festgelegt. Eine Festlegung auf Internet-Protokolle enthalten nur die Patentansprüche 4 und 5 (TCP, Transmission Control Protocol) und Patentanspruch 6 (IP).

bb) Unabhängig davon ist die Funktionalität eines Routers im Sinne des Streitpatents jedenfalls nicht auf die Vermittlung in der Schicht 3 des OSI-Modells beschränkt.

In der Beschreibung des Streitpatents wird ausgeführt, dass die Überwachungs- und die Steuereinheit mit den Funktionen, wie sie auch in den Merkmalsgruppen 1.3 und 1.4 festgelegt sind, vorzugsweise einen Bestandteil des Routers bilden (Abs. 34). Patentanspruch 7 geht darüber hinaus und legt zwingend fest, dass der Router eine Überwachungs- und eine Steuereinheit mit den genannten Funktionen umfasst.

Ein Router im Sinne des Streitpatents kann folglich nicht nur Daten vermitteln, sondern auch den Bandbreitenbedarf von angeforderten Kommunikationsverbindungen überwachen und bei Bedarf den Aufbau neuer Übertragungskanäle veranlassen.

II. Das Patentgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt begründet:

Der Zulässigkeit der von den Klägerinnen zu 2 und 3 durch einen gemeinsamen Prozessbevollmächtigten gemeinsam erhobenen Klage stehe nicht entgegen, dass nur eine Klagegebühr eingezahlt worden sei. Bei einer solchen Sachlage falle nur eine Klagegebühr an.

Der Gegenstand von Patentanspruch 1 sei durch die Veröffentlichung "An Introduction to Broadband Networks" von Anthony S. Acampora aus dem Jahr 1994 (T5) vorweggenommen. In diesem Grundlagenfachbuch werde das Übertragungsverfahren ATM (Asynchronous Transfer Mode) beschrieben, bei dem Informationen als ATM-Zellen über ein Breitband-Netzwerk (Broadband Integrated Services Data Network, B-ISDN) gesendet werden. T5 befasse sich explizit mit paketvermittelten Sprachverbindungen und den Möglichkeiten des Multiplexens beim Rufaufbau. Die Schrift erläutere, dass es weder sinnvoll sei, den Aufbau weiterer Kommunikationsverbindungen unkontrolliert zuzulassen, noch, Bandbreite exklusiv für jede Kommunikationsverbindung zu reservieren. Vorzuziehen sei es, für weitere Kommunikationsverbindungen nur bei Bedarf zusätzliche Bandbreite bereitzustellen. Nach T5 werde bei einer weiteren Rufanforderung geprüft, ob der Ruf in ausreichender Dienstgüte über die bereits bestehende Verbindung gewährleistet werden könne. Sei dies nicht der Fall, werde geprüft, ob weitere Bandbreite zur Verfügung stehe. Wenn ja, werde diese bereitgestellt. Dass eine Rufanforderung in eine Warteschlange gespeichert werde, sei in T5 zwar nicht ausdrücklich angesprochen, für den Fachmann aber klar. Der Einwand der Beklagten, nach T5 werde nur geprüft, ob die Dienstgüte garantiert werden könne, greife nicht durch. Dem Fachmann sei bekannt, dass die Dienstgüte von einer ausreichenden Bandbreite abhängig sei.

Der Gegenstand von Patentanspruch 7 sei ebenfalls nicht patentfähig. Zwar offenbare T5 keinen Router, der eine Überwachungs- und eine Steuerungseinheit umfasse, doch habe der Einsatz eines solchen Geräts für den Fachmann im Prioritätszeitpunkt nahegelegen. Die Verwendung eines Routers für Voice over IP über ATM-Verbindungen sei etwa aus dem im April 2001 veröffentlichten Werk "Cisco Voice over Frame Relay, ATM and IP" von McQuerry, McGrew und Foy (T16) bekannt gewesen.

Der Gegenstand der nebengeordneten Ansprüche nach den Hilfsanträgen I bis III und IVa sowie V bis VIII sei jeweils durch den Stand der Technik nahegelegt gewesen. Auch in der Fassung der Hilfsanträge IV und IX könne das Streitpatent keinen Bestand habe, weil deren Gegenstand über den Inhalt der ursprünglichen Anmeldeunterlagen hinausgehe.

III. Diese Beurteilung hält der Überprüfung im Berufungsverfahren im Ergebnis stand.

1. Zutreffend hat das Patentgericht entschieden, dass auch die Klägerinnen zu 2 und 3 wirksam Nichtigkeitsklage erhoben haben.

Entgegen der Auffassung der Beklagten entsteht bei einer von mehreren Nichtigkeitsklägern gemeinsam erhobenen Klage die in Nr. 402 100 des Gebührenverzeichnisses zu § 2 Abs. 1 PatKostG vorgesehene Gebühr nur einmal (BGH, Urteil vom 17. September 2020 - X ZR 147/18, GRUR 2021, 45 Rn. 48 ff. - Signalumsetzung). Diese Gebühr ist im Streitfall bezahlt worden. Deshalb ist die in § 6 Abs. 2 PatKostG vorgesehene Rechtsfolge, dass die Klage bei nicht rechtzeitiger Zahlung der Gebühr als nicht erhoben gilt, nicht eingetreten.

2. Entgegen der Auffassung des Patentgerichts ist der Gegenstand von Patentanspruch 1 in T5 nicht vollständig offenbart.

a) T5 befasst sich mit Breitband-Telekommunikationsnetzwerken. Über ein solches Netzwerk, bei dem die Bandbreite nach Bedarf eingestellt werden kann, können neben Daten-, Bild- und Videoverbindungen auch Sprachverbindungen abgewickelt werden (S. vii). Die Daten werden dem Netzwerk vom Nutzer in paketierter Form präsentiert (S. viii).

aa) Kapitel 5 der T5 beschäftigt sich mit dem asynchronen Transfer Modus (ATM), einer Technologie, die im Breitband-ISDN (B-ISDN) angewendet wird. Dabei wird die zu übertragende Information in Pakete aufgeteilt, die jeweils 53 Byte umfassen und als Zellen bezeichnet werden. Hiervon entfallen fünf Byte auf den Header und 48 Byte auf die Nutzlast (S. 199). Für die Umwandlung der beim Nutzer anfallenden Daten in ATM-Zellen und für den nach der Übermittlung der Daten folgenden umgekehrten Vorgang ist eine ATM-Verbindungsschicht (ATM Adaption Layer, AAL) zuständig (S. 200).

Bei B-ISDN handelt es sich um ein verbindungsorientiertes Netzwerk (S. 203). Die Daten werden vom Standort eines Nutzers (Customer Premise, CP) zu dem eines anderen Nutzers befördert. Sie laufen zunächst über einen CP-Knoten (CP-node) sowie gegebenenfalls über weitere Bestandteile des Netzwerks (S. 201). Dabei kann jeder CP-Knoten zeitgleich mehrere virtuelle Verbindungen (virtual circuits) unterstützen.

Anders als bei leitungsvermittelten Verbindungen werden einer virtuellen Verbindung keine Leitungsressourcen exklusiv zur Verfügung gestellt. Stattdessen laufen mehrere virtuelle Verbindungen über die verfügbaren Netzwerkressourcen, so dass diese effektiv genutzt werden (S. 205).

bb) Über eine Anfrage nach Einrichtung einer neuen virtuellen Verbindung entscheidet die Verbindungssteuerung (call processor). Bei der Entscheidung muss sichergestellt werden, dass die Dienstgüte bereits bestehender virtueller Verbindungen nicht unterschritten wird (S. 205 unten/206 oben).

cc) Außer den virtuellen Verbindungen (virtual circuits) sind in T5 virtuelle Pfade (virtual paths) und virtuelle Kanäle (virtual channels) angesprochen.

Ein virtueller Pfad ist diejenige Komponente einer virtuellen Verbindung, die zwischen zwei CP-Knoten besteht und die Route definiert, über die die Daten einer virtuellen Verbindung zwischen Sender und Empfänger laufen (S. 207). Virtuelle Kanäle dienen der Unterscheidung zwischen mehreren virtuellen Verbindungen, die gleichzeitig zwischen zwei Nutzern bestehen und sich denselben virtuellen Pfad teilen. Der Header der ATM-Zellen enthält Informationen über den virtuellen Pfad und den virtuellen Kanal. Eine virtuelle Verbindung ist definiert durch die Kombination der Angaben zum virtuellen Pfad und zum virtuellen Kanal (S. 208).

dd) Wird eine Anfrage nach Einrichtung einer weiteren virtuellen Verbindung gestellt, muss geprüft werden, ob noch hinreichende Ressourcen bereitstehen, um auch diese Verbindung einzurichten zu können, ohne die Dienstgüte der neu einzurichtenden und der bereits bestehenden virtuellen Verbindungen zu gefährden. In Abschnitt 5.4 der T5 werden hierzu drei Arten von Multiplex-Techniken vorgestellt.

Eine erste Möglichkeit sei es, sämtliche virtuelle Verbindungen - ohne die Nutzung virtueller Pfade - auf eine gemeinsame Verbindung zu multiplexen. Diese Vorgehensweise nutze die Möglichkeiten statistischen Multiplexens maximal aus, habe aber den Nachteil, dass die Steuerung (call processor) die Anforderungen aller bestehenden virtuellen Verbindungen berücksichtigen müsse (S. 210).

Eine zweite Möglichkeit sei es, die virtuellen Kanäle zunächst auf virtuelle Pfade zu multiplexen und den virtuellen Pfaden eine feste Bandbreite zuzuweisen, und zwar dergestalt, dass die Summe der zugewiesenen Raten die insgesamt verfügbare Bandbreite nicht übersteigt. Eine Anfrage nach Einrichtung eines weiteren virtuellen Kanals werde zurückgewiesen, wenn die dem virtuellen Pfad zugewiesene Bandbreite nicht ausreicht, um eine hinreichende Dienstgüte sowohl der bestehenden als auch der angefragten Verbindung zu gewährleisten. Vorteilhaft an dieser Variante sei, dass bei einer Anfrage nur die Dienstgüte der anderen Verbindungen auf dem gleichen virtuellen Pfad berücksichtigt werden müsse. Als Nachteil wird angeführt, ein Teil der Bandbreite, die auf der physischen Leitung vorhanden sei, werde nicht genutzt (S. 210 f.).

Als Kompromiss wird eine dritte Lösung vorgestellt. Danach werden virtuelle Kanäle ebenfalls auf einen virtuellen Pfad gemultiplext, dem eine bestimmte Bandbreite zugewiesen ist. Stellt sich heraus, dass die dem virtuellen Pfad zugewiesene Bandbreite nicht genügt, um die Dienstgüte der bereits bestehenden Verbindungen und eines weiteren virtuellen Kanals zu gewährleisten, wird nach diesem Modell geprüft, ob dem virtuellen Pfad zusätzliche Bandbreite zugewiesen werden kann. Ist dies der Fall, weist die Steuerungseinheit dem virtuellen Pfad weitere Bandbreite zu, um sodann den angeforderten weiteren virtuellen Kanal zuzulassen. Diese Vorgehensweise verringere den Aufwand, weil eine umfassende Prüfung der zur Verfügung stehenden Ressourcen nur erforderlich sei, wenn eine auf den jeweiligen virtuellen Pfad beschränkte Prüfung zu dem Ergebnis führe, dass die angefragte weitere Verbindung nicht ohne Qualitätseinbußen zugelassen werden könne (S. 211).

Ein Schema der dritten Lösung ist in Figur 5.8 der T5 wiedergegeben.

b) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts nimmt die Vorgehensweise nach der dritten in T5 vorgestellten Möglichkeit nicht sämtliche Merkmale von Patentanspruch 1 vorweg.

aa) Ein virtueller Pfad im Sinne von T5 entspricht einer Verbindung im Sinne von Merkmal 1.1. Er verbindet zwei CP-Knoten und damit zwei Kommunikationsendpunkte.

bb) Eine virtuelle Verbindung im Sinne von T5 entspricht einer Kommunikationsverbindung im Sinne von Merkmalsgruppe 1.2. Sie ermöglicht es, auf einem virtuellen Pfad nebeneinander mehrere unterschiedliche Kommunikationsbeziehungen zu unterhalten.

cc) Entgegen der Auffassung des Patentgerichts und der Berufung ist ein virtueller Kanal im Sinne von T5 nicht einem Übertragungskanal im Sinne des Streitpatents gleichzusetzen.

Ein virtueller Kanal ist das technische Mittel, um mehrere virtuelle Verbindungen auf einem virtuellen Pfad zu ermöglichen. Die in T5 geschilderte Anforderung eines zusätzlichen virtuellen Kanals ist deshalb gleichzusetzen mit der Anforderung einer zusätzlichen virtuellen Verbindung im Sinne von T5 und damit einer zusätzlichen Kommunikationsverbindung im Sinne von Merkmalsgruppe 1.3.

dd) Entgegen der Auffassung der Berufung ist damit auch Merkmal 1.4.1 in T5 offenbart.

(1) Die in T5 beschriebene Prüfung, ob die Qualitätsanforderungen für alle Kanäle auf dem virtuellen Pfad eingehalten werden können, erfolgt anlässlich der Anforderung eines neuen virtuellen Kanals und damit, wie bereits dargelegt wurde, anlässlich der Anforderung einer neuen Kommunikationsverbindung im Sinne des Streitpatents.

(2) Entgegen der Auffassung der Berufung umfasst die in T5 offenbarte Prüfung der Qualitätsanforderungen auch die Prüfung der benötigten und zur Verfügung stehenden Bandbreite.

Bei der Beschreibung der dritten Methode zum Multiplexen der Daten werden in T5 zwar nur die Qualitätsanforderungen (quality of service) als Kriterium für die Entscheidung über die Zulassung eines weiteren virtuellen Kanals erwähnt (S. 211 oben), während bei der Beschreibung der zweiten Methode von Bandbreite und Qualitätsanforderungen die Rede ist (S. 211 oben). Aus dem Umstand, dass die dritte Methode die Zulassung eines weiteren virtuellen Kanals vorsieht, wenn die erste Prüfung negativ ausgefallen ist, dem virtuellen Pfad aber zusätzliche Bandbreite zugewiesen werden kann, ergibt sich jedoch zweifelsfrei, dass der Bandbreitenbedarf auch bei der ersten Prüfung von Bedeutung ist.

In diesem Zusammenhang ist unerheblich, ob zu den Qualitätsanforderungen eines virtuellen Kanals stets auch eine bestimmte Mindestbandbreite gehört. Ausreichend ist vielmehr, wenn es jedenfalls bestimmte Dienste gibt, die eine solche Anforderung aufweisen. Solche Dienste sind auch in T5 vorgesehen.

ee) Dass die Verbindungsanforderung in einer Warteschlange gespeichert und erst nach Zuweisung weiterer Bandbreite abgearbeitet wird, ist in T5 nicht ausdrücklich beschrieben. Aus dem Umstand, dass der angeforderte virtuelle Kanal erst eingerichtet wird, wenn die Prüfung auf Verfügbarkeit zusätzlicher Bandbreite erfolgreich war und die zusätzliche Bandbreite zugewiesen worden ist, ergibt sich für den Fachmann jedoch ohne Weiteres, dass die Anforderung zunächst zwischengespeichert werden muss und erst abgearbeitet werden kann, wenn diese Zwischenschritte absolviert sind.

ff) Wie die Berufung zu Recht geltend macht, sind die Merkmale 1.3.2, 1.4.2, 1.4.4 und 1.4.6 in T5 nicht vollständig offenbart.

(1) Die in T5 vorgesehene Prüfung, ob dem virtuellen Pfad zusätzliche Bandbreite zugewiesen werden kann, ist allerdings an dem Bedarf ausgerichtet, den der zusätzlich angeforderte virtuelle Kanal verursacht.

Dieser Zusammenhang wird in T5 bei der Beschreibung des Überprüfungsvorgangs zwar nicht ausdrücklich wiederholt. Er ergibt sich aber eindeutig und unmittelbar aus dem Umstand, dass zunächst die Qualitätsanforderungen - und damit gegebenenfalls auch der Bedarf an Bandbreite - der bereits eingerichteten virtuellen Kanäle überprüft werden und dass ein weiterer virtueller Kanal nur dann eingerichtet wird, wenn diese Anforderungen in Bezug auf alle Kanäle eingehalten werden können.

(2) T5 offenbart auch, dass bei einer signalisierten Anforderung geprüft wird, ob noch freie Bandbreite zur Verfügung steht.

Entgegen der Auffassung der Berufung ist es auch bei der in T5 beschriebenen dritten Technik für den Fall, dass eine ausreichende Dienstgüte bei Einrichtung einer weiteren Kommunikationsverbindung auf einem virtuellen Pfad mit der diesem bereits zugewiesenen Bandbreite nicht gewährleistet werden kann, nicht stets erforderlich, eine anderweitige Nutzung von Bandbreite auf einem anderen virtuellen Pfad zunächst zu beenden, um die so frei gewordene Bandbreite dem ersten Pfad zur Verfügung stellen zu können. Es ist nichts dafür ersichtlich, dass T5 von einer Situation ausgeht, in der die Bandbreite einer Verbindung stets vollständig genutzt wird. Umfasst ist daher auch der Fall, dass Übertragungskapazitäten, die anderen virtuellen Pfaden zugewiesen sind, aktuell nicht genutzt werden. Zwar spricht T5 in diesem Zusammenhang von einer komplexen Aufgabe (S. 212 oben). Dies bezieht sich jedoch darauf, dass nach der dritten Methode - anders als nach der zweiten Methode - bei der Suche nach freier Bandbreite in Bezug auf andere virtuelle Pfade eine Prüfung erforderlich ist, ob durch eine Verringerung der Bandbreite die Dienstgüte dort bestehender Verbindungen beeinträchtigt würde.

(3) Den Ausführungen in T5 ist jedoch nicht eindeutig zu entnehmen, dass die Zuweisung zusätzlicher Bandbreite zu einem virtuellen Pfad durch Aufbau und Zuweisung eines oder mehrerer zusätzlicher Übertragungskanäle erfolgt und dass demgemäß auch die Überprüfung, ob zusätzliche Bandbreite zur Verfügung steht, auf das Vorhandensein solcher Kanäle gerichtet ist.

(a) T5 erwähnt in Kapitel 5 keine Übertragungskanäle im Sinne des Streitpatents.

Wie bereits oben ausgeführt wurde, sind die in T5 beschriebenen virtuellen Kanäle nicht als Übertragungskanal im Sinne des Streitpatents anzusehen, sondern als Kommunikationsverbindungen im Sinne von Merkmal 1.2.2.

Neben der bereits erwähnten Kategorie des virtuellen Pfades, der mehrere virtuelle Kanäle und damit mehrere virtuelle Verbindungen umfassen kann, sieht T5 keine weitere Unterteilung der Verbindung vor. Insoweit kann offenbleiben, ob die Verbindung, wie die Berufung geltend macht, auf der physikalischen Ebene in Kanäle aufgegliedert ist. Jedenfalls für die in Kapitel 5 geschilderte und im vorliegenden Zusammenhang maßgebliche ATM-Ebene ist nichts dafür ersichtlich, dass die Verbindung in einzelne Übertragungskanäle aufgeteilt ist, die den virtuellen Pfaden zugewiesen werden.

Gegen eine Einteilung in Übertragungskanäle sprechen zudem die Ausführungen im ersten Kapitel von T5. Dort wird einem herkömmlichen ISDN-Anschluss mit zwei Nutzkanälen und einem Datenkanal ein Breitband-Netzwerk gegenübergestellt, das eine Zuteilung von Bandbreite nach Bedarf (bandwith-ondemand) ermöglicht (T5a S. 18).

(b) Vor diesem Hintergrund ist T5 nicht eindeutig zu entnehmen, dass die Zuweisung zusätzlicher Bandbreite durch Einrichtung eines weiteren Übertragungskanals erfolgt. T5 überlässt die Frage, wie eine solche Zuweisung erfolgen kann, vielmehr dem Wissen und Können des Fachmanns.

3. Die angefochtene Entscheidung erweist sich insoweit aber aus einem anderen Grund als im Ergebnis zutreffend (§ 119 Abs. 1 PatG ). Der Gegenstand von Patentanspruch 1 ist durch T5 nahegelegt.

Wie bereits oben dargelegt wurde, überlässt T5 die Art und Weise, in der zusätzliche Bandbreite zugeteilt wird, dem Fachmann. Dieser hatte bei ATM-Netzen zwar nicht ohne weiteres Anlass, die Verbindung in Kanäle aufzuteilen und je nach Bedarf zusätzliche Kanäle einzurichten. Er hatte aber Veranlassung, die in T5 vorgeschlagene Methode zur möglichst sinnvollen Ausnutzung der zur Verfügung stehenden Bandbreite auch für andere Übertragungstechniken heranzuziehen.

Die Ausführungen zu T5 beziehen sich zwar auf ATM-Netze. Für den Fachmann war aber erkennbar, dass die dort offenbarte Vorgehensweise auch in anderen Netzen angewendet werden kann, die eine variable Zuweisung von Ressourcen ermöglichen. Zu diesen Netzen gehören klassische ISDN-Netze mit zwei oder mehr Datenkanälen mit definierter Bandbreite. Wie etwa die Veröffentlichung der internationalen Patentanmeldung WO 99/66689 (T9') bestätigt, war dem Fachmann bekannt, dass in einem solchen Netz die Einstellung der Bandbreite durch die Zuweisung eines oder mehrerer B-Kanäle erfolgt (S. 8). Wenn die bereits bestehenden Kommunikationsverbindungen nicht alle zur Verfügung stehenden Datenkanäle in Anspruch nehmen, kann zusätzliche Bandbreite zur Verfügung gestellt werden, indem ein oder mehrere der nicht genutzten Kanäle aufgebaut und der Verbindung zugewiesen werden.

Ausgehend davon hatte der Fachmann im Prioritätszeitpunkt Anlass, die in T5 offenbarte Überprüfung auf zusätzlich verfügbare Bandbreite auch in Netzen wie dem klassischen ISDN durchzuführen, und zwar durch eine Überprüfung auf zur Verfügung stehende und noch nicht genutzte Übertragungskanäle.

4. Die Einschätzung des Patentgerichts, dass der Gegenstand von Patentanspruch 7 durch den Stand der Technik im Prioritätszeitpunkt nahegelegt wurde, trifft zu.

a) Wie bereits oben dargelegt wurde, ist als Router im Sinne von Patentanspruch 7 ein Gerät anzusehen, das Daten zwischen verschiedenen Netzwerken vermittelt. Diese Funktion erfüllen auch die in T5 offenbarten Netzwerkgeräte. Ob sie in der Schicht 3 des OSI-Modells arbeiten, ist unerheblich, weil diese Anforderung in Patentanspruch 7 keinen Niederschlag gefunden hat.

Unabhängig davon konnte der Fachmann unter anderem der Veröffentlichung "Classical IP and ARP over ATM" (RFC1577, T17) entnehmen, dass die Übertragung von Daten mittels des Internet-Protokolls auch in ATM-Netzen möglich ist und der Einsatz eines in Schicht 3 arbeitenden Routers auch in diesem Umfeld sinnvoll ist.

Darüber hinaus hatte der Fachmann jedenfalls dann Anlass zum Einsatz eines Routers, wenn er die in T5 offenbarte Vorgehensweise für die paketvermittelte Datenübertragung in klassischen ISDN-Netzen heranzog, wie dies durch T5 aus den oben genannten Gründen nahegelegt war.

b) T5 ist nicht eindeutig zu entnehmen, ob alle in den Merkmalsgruppen 1.3 und 1.4 vorgesehenen Funktionen von einem einzigen Gerät wahrgenommen werden. Eine solche Ausgestaltung war dem Fachmann ausgehend von T5 jedoch ebenfalls nahegelegt.

Aus T5 geht hinreichend deutlich hervor, dass die Anordnung und Zusammenfassung der einzelnen Komponenten weitgehend beliebig sind, sofern sie nur in ihrer Gesamtheit die dort beschriebenen Funktionen erfüllen.

5. Auch die Verteidigung des Streitpatents mit den Hilfsanträgen führt nicht zum Erfolg.

a) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung der Hilfsanträge I und II ist nicht patentfähig.

aa) Die Hilfsanträge I und II sehen folgende zusätzlichen Merkmale vor:

Beide Anträge:

Die Nutzdaten werden gemäß dem Voice-over-Internet-Protokoll übertragen.

Hilfsantrag II zusätzlich:

Die paketorientierte Übertragung von Nutzdaten erfolgt mittels TCP/IP.

bb) Diese Ausgestaltung war ausgehend von T5 ebenfalls nahegelegt.

Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Entgegenhaltung T16, die einen Router für Voice over ATM ausdrücklich erwähnt, bereits im April 2001 veröffentlicht worden ist, wie dies in dem von der Klägerin vorgelegten Ausdruck aus den Internetseiten von CiscoPress angegeben ist und in Einklang mit dem im Buch angegebenen Druckdatum (ebenfalls April 2001) steht.

Wie bereits oben dargelegt wurde, hatte der Fachmann am Prioritätstag Anlass, die in T5 beschriebene Vorgehensweise auch für andere Netzarten in Betracht zu ziehen. Zumindest in diesen war der Einsatz der Voice-over-Internet-Technologie und TCP/IP naheliegend.

b) Der Gegenstand von Patentanspruch 1 und 6 in der Fassung von Hilfsantrag III ist gleichfalls nicht rechtsbeständig.

aa) Patentanspruch 1 gemäß Hilfsantrag III unterscheidet sich von der erteilten Fassung durch Hinzufügung folgender Merkmale:Eine Kommunikationsverbindung wird durch eine TCP-Portnummer charakterisiert.

Eine Anforderung einer Kommunikationsverbindung wird durch eine Meldung einer TCP-Portnummer signalisiert.

bb) Diese Ausgestaltung war dem Fachmann ebenfalls nahegelegt.

Die Verwendung von TCP-Portnummern zur Unterscheidung mehrerer Kommunikationsverbindungen, die zwischen denselben Kommunikationsendpunkten bestehen, war nach der nicht angegriffenen Feststellung des Patentgerichts im Prioritätszeitpunkt bekannt. Danach lag es für den Fachmann nahe, eine Kommunikationsverbindung durch eine TCP-Portnummer zu kennzeichnen und die Anforderung einer weiteren Kommunikationsverbindung durch die Meldung einer solchen Nummer zu signalisieren. Auf die Frage, ob die Anwendung solcher Portnummern bei der paketorientierten Übertragung per ATM im B-ISDN bekannt war, kommt es, wie bereits dargelegt, nicht an.

c) Zu Recht hat das Patentgericht entschieden, dass der Gegenstand von Patentanspruch 1 in der Fassung von Hilfsantrag IV über den Inhalt der ursprünglich eingereichten Unterlagen hinausgeht. Für den Vorrichtungsanspruch gilt Entsprechendes.

aa) Nach Hilfsantrag IV ist Merkmal 1.4.1 wie folgt gefasst:

[Bei einer signalisierten Anforderung] wird geprüft, ob die Bandbreite für die angeforderte Kommunikationsverbindung ausreicht (A1).

Falls dies der Fall ist, wird die gespeicherte Verbindungsanforderung über den mindestens einen Übertragungskanal (16, 18) der der Verbindung zur Datenübertragung zugewiesen ist, geroutet.

bb) Ein solcher Gegenstand ist in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen nicht als zur Erfindung gehörend offenbart.

Eine Speicherung der Verbindungsanforderung und ihre nachfolgende Abarbeitung ist in den ursprünglichen Anmeldeunterlagen nur für den Fall beschrieben, dass die Prüfung nach Merkmal 1.4.1 ergibt, dass die Bandbreite der Verbindung für die angeforderte weitere Kommunikationsverbindung nicht ausreicht, was einen weiteren Prüfungsschritt nach Merkmal 1.4.2 nach sich zieht. Anhaltspunkte dafür, dass schon die Prüfung nach Merkmal 1.4.1 so viel Zeit in Anspruch nimmt, dass es erforderlich ist, die Verbindungsanforderung in einer Warteschlange zu speichern, sind den ursprünglichen Anmeldeunterlagen nicht zu entnehmen.

Anhaltspunkte dafür, dass ein solches Erfordernis für den Fachmann selbstverständlich ist und deshalb keiner besonderen Offenbarung bedarf, zeigt die Beklagte nicht auf. Wenn ihre Behauptung zuträfe, wäre eine Speicherung zudem auch ausgehend von T5 naheliegend gewesen, weil auch dort eine Überprüfung auf Einhaltung der Qualitätsanforderungen erfolgt.

d) Der mit Hilfsantrag IVa verteidigte Gegenstand ist nicht patentfähig.

aa) Hilfsantrag IVa entspricht Hilfsantrag IV mit der Maßgabe, dass das Wort "gespeicherte" entfällt.

bb) Der damit verteidigte Gegenstand war durch den Stand der Technik ebenfalls nahegelegt.

Wie sich aus Figur 5.8 der T5 und ihrer Erläuterung auf S. 211 dieser Entgegenhaltung ergibt, ist dort bereits vorgesehen, dass die angeforderte Verbindung ohne Zuweisung zusätzlicher Bandbreite eingerichtet wird, wenn sich ergibt, dass die verfügbare Bandbreite des virtuellen Pfads ausreicht, um eine angemessene Dienstgüte sowohl für die bereits bestehenden wie auch die angeforderte virtuelle Verbindung zu gewährleisten. Dies gab dem Fachmann Anlass, auch in klassischen ISDN-Netzen vom Aufbau zusätzlicher Übertragungskanäle abzusehen, wenn die Bandbreite der bereits aufgebauten Kanäle für die zusätzlich angeforderte Kommunikationsverbindung ausreicht.

e) Für den mit Hilfsantrag IVb verteidigten Gegenstand gilt nichts anderes.

aa) Gemäß Hilfsantrag IVb ist Merkmal 1.4.1 wie folgt gefasst:

[Bei einer signalisierten Anforderung] wird geprüft, ob die Bandbreite für die angeforderte Kommunikationsverbindung ausreicht (A1).

Falls dies der Fall ist, wird der mindestens ein Übertragungskanal (16, 18), der der Verbindung zur Datenübertragung zugewiesen ist, der Nutzkanalverbindung für die mindesten eine angeforderte Kommunikationsverbindung zugewiesen (S6).

bb) Der damit verteidigte Gegenstand entspricht, wie die Berufung zutreffend darlegt, im Wesentlichen dem mit Hilfsantrag IVa verteidigten. Er ist aus denselben Gründen wie dieser durch den Stand der Technik nahegelegt.

f) Mit den Hilfsanträgen V bis IXb verteidigt die Beklagte nur noch die auf den Schutz einer Vorrichtung gerichteten Ansprüche, und zwar in der erteilten Fassung und in den Fassungen der Hilfsanträge I bis IVb.

Diese Anträge unterliegen derselben Beurteilung wie die vorangehenden Anträge, weil eine Vorrichtung, die einen Router umfasst, aus den oben aufgezeigten Gründen durch den Stand der Technik ebenfalls nahegelegt war.

6. Dass dem Gegenstand einzelner Unteransprüche ein eigenständiger erfinderischer Gehalt zukommt, ist weder geltend gemacht noch sonst ersichtlich.

IV. Die Kostenentscheidung beruht auf § 121 Abs. 2 PatG und § 97 Abs. 1 ZPO .

Von Rechts wegen

Verkündet am: 16. März 2021

Vorinstanz: BPatG, vom 02.08.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 5 Ni 17/16 (EP)