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BGH - Entscheidung vom 11.05.2021

VIII ZB 65/20

Normen:
ZPO § 520 Abs. 2 S. 1
ZPO § 233 Ff
ZPO § 139
ZPO § 520 Abs. 2 S. 1
ZPO § 233 (Ff)
ZPO § 139
ZPO § 139
ZPO § 520 Abs. 2 S. 1

Fundstellen:
FamRZ 2021, 1399
FuR 2021, 496
MDR 2021, 1085
NJW 2021, 3132

BGH, Beschluss vom 11.05.2021 - Aktenzeichen VIII ZB 65/20

DRsp Nr. 2021/9769

Ergänzung und Erläuterung von erkennbar unklaren oder ergänzungsbedürftigen Angaben in einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Fristablauf; Inanspruchnahme eines Bürgen nach der Kündigung zweier Leasingverträge

a) Erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben in einem Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten ist, können auch nach Fristablauf - etwa noch mit der Rechtsbeschwerde - ergänzt oder erläutert werden (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 16. Oktober 2018 - VI ZB 68/16, NJW-RR 2019, 502 Rn. 7; vom 28. April 2020 - VIII ZB 12/19, NJW-RR 2020, 818 Rn. 26; jeweils mwN).b) Eine solche ergänzungsbedürftige Angabe kann, bei einer im Übrigen aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe bis zur rechtzeitigen Aufgabe eines in Verlust geratenen Schriftsatzes zur Post, eine bislang unterbliebene Darlegung zu dessen ausreichender Frankierung sein (im Anschluss an Senatsbeschluss vom 17. Januar 2012 - VIII ZB 42/11, WuM 2012, 157 Rn. 11).

Tenor

Auf die Rechtsbeschwerde der Klägerin wird der Beschluss des 30. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Hamm vom 17. Juli 2020 aufgehoben.

Der Klägerin wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung gegen das Urteil der 14. Zivilkammer des Landgerichts Münster vom 19. März 2020 gewährt.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Gegenstandswert der Rechtsbeschwerde: 62.802,56 €

Normenkette:

ZPO § 139 ; ZPO § 520 Abs. 2 S. 1;

Gründe

I.

Die Klägerin nimmt den Beklagten als Bürgen nach der Kündigung zweier Leasingverträge in Anspruch. Das Landgericht hat die auf Zahlung von 62.802,56 € nebst Zinsen und einer Verzugspauschale von 40 € gerichtete Klage abgewiesen. Gegen das ihrem Prozessbevollmächtigten am 19. März 2020 zugestellte Urteil hat die Klägerin fristgerecht Berufung eingelegt.

Nachdem ihrem Prozessbevollmächtigten auf Nachfrage beim Berufungsgericht am 25. Mai 2020 mitgeteilt worden war, ein Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist sei dort nicht eingegangen, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom gleichen Tag wegen der "Versäumung der Frist zur Verlängerung der Berufungsbegründung" Wiedereinsetzung in den vorigen Stand sowie die Gewährung einer Frist zur Begründung der Berufung bis zum 19. Juni 2020 beantragt. Auf einen Hinweis des Berufungsgerichts, dass gegen die Versäumung eines rechtzeitigen Antrags auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist die Gewährung von Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht in Betracht komme, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 4. Juni 2020, der am gleichen Tag bei Gericht eingegangen ist, ihre Berufung begründet und (erneut) Wiedereinsetzung wegen der Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung beantragt. Zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags hat sie ausgeführt, ihr Prozessbevollmächtigter habe den Schriftsatz, mit welchem die Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist beantragt worden sei, am 15. Mai 2020 - und damit rechtzeitig vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist am 19. Mai 2020 - eigenhändig "erstellt, ausgedruckt, eingetütet und auf dem Heimweg noch am 15. Mai 2020 zur Post aufgegeben".

Das Berufungsgericht hat mit Beschluss vom 17. Juli 2020 den Antrag der Klägerin auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Berufungsbegründung abgelehnt. Zur Begründung hat es ausgeführt:

Der Wiedereinsetzungsantrag der Klägerin sei nicht begründet. Begehre - wie vorliegend - eine Partei Wiedereinsetzung mit der Behauptung, ein fristgebundener Schriftsatz sei auf dem Postweg abhandengekommen, müsse sie auf der Grundlage einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe bis zur rechtzeitigen Aufgabe des in Verlust geratenen Schriftsatzes zur Post darlegen und glaubhaft machen, dass der Verlust mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht im Verantwortungsbereich ihres Prozessbevollmächtigten eingetreten sei.

Gemessen hieran genüge der zur Begründung des Wiedereinsetzungsantrags vorgetragene Sachverhalt inhaltlich nicht, um ein fehlendes Verschulden der Klägerin darzulegen.

Zwar gereiche es ihr nicht zum Verschulden, dass ihr Prozessbevollmächtigter sich nicht innerhalb der noch laufenden Berufungsbegründungsfrist durch Nachfrage über eine antragsgemäße Verlängerung dieser Frist erkundigt habe, denn sie habe mit der - hier - erstmaligen Fristverlängerung rechnen dürfen, so dass eine Erkundigungspflicht nicht bestanden habe.

Auch seien einer Partei Verzögerungen der Briefbeförderung durch die Post regelmäßig nicht als Verschulden anzurechnen. Jedoch dürfe sich nur derjenige auf die Zuverlässigkeit der Postdienste verlassen, der seinerseits alles Erforderliche zum erfolgreichen Transport auf dem Postweg unternommen habe.

Dies lasse sich dem Klägervortrag nicht entnehmen. Dieser beschränke sich darauf, der Prozessbevollmächtigte der Klägerin habe den Schriftsatz mit dem Antrag auf Verlängerung der Berufungsbegründungsfrist "nach Kanzleischluss erstellt, ausgedruckt, eingetütet und auf dem Heimweg noch am 15. Mai 2020 zur Post aufgegeben". Zwar sei das Schreiben zutreffend adressiert gewesen. Es fehle jedoch eine Erklärung zur Frankierung. Ohne eine solche könne nicht beurteilt werden, ob der Prozessbevollmächtigte der Klägerin alles Erforderliche für eine erfolgreiche Versendung des Schriftstücks durch die Post unternommen habe.

Dagegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Rechtsbeschwerde.

II.

Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.

1. Die nach § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1, § 238 Abs. 2 Satz 1, § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte sowie den Form- und Fristerfordernissen genügende Rechtsbeschwerde ist zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Alt. 2 ZPO ). Die angefochtene Entscheidung verletzt die Verfahrensgrundrechte der Klägerin auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG ) und wirkungsvollen Rechtsschutzes (Art. 2 Abs. 1 GG iVm dem Rechtsstaatsprinzip). Danach darf einer Partei die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nicht aufgrund von Anforderungen an die Sorgfaltspflichten ihres Prozessbevollmächtigten versagt werden, die nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht verlangt werden beziehungsweise die den Parteien den Zugang zu einer in der Verfahrensordnung eingeräumten Instanz in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschweren (st. Rspr.; vgl. nur BVerfGE 74, 228 , 234; BVerfG, NJW 2012, 2869 Rn. 8; BVerfG NZA 2016, 122 Rn. 9 ff.; BGH, Beschlüsse vom 8. Januar 2013 - VI ZB 78/11, NJW-RR 2013, 506 Rn. 6; vom 12. Juli 2016 - VIII ZB 55/15, WuM 2016, 632 Rn. 1; vom 9. Mai 2017 - VIII ZB 69/16, NJW 2017, 2041 Rn. 9; vom 28. April 2020 - VIII ZB 12/19, NJW-RR 2020, 818 Rn. 13; vom 22. September 2020 - II ZB 2/20, juris Rn. 6; jeweils mwN).

2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Die Klägerin hat es zwar versäumt, ihre Berufung fristgerecht zu begründen (§ 520 Abs. 1 , 2 ZPO ). Ihrem rechtzeitig gestellten Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand bezüglich der versäumten Berufungsbegründungsfrist (§§ 233 , 234 ZPO ) hat das Berufungsgericht aber zu Unrecht nicht entsprochen.

a) Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass die Partei, die wegen Verlusts eines fristgebundenen Schriftsatzes ihres Prozessbevollmächtigten auf dem Postweg Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen einer Fristversäumung begehrt, auf der Grundlage einer aus sich heraus verständlichen, geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe bis zur rechtzeitigen Aufgabe des in Verlust geratenen Schriftsatzes zur Post glaubhaft machen muss, dass der Verlust mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht im Verantwortungsbereich der Partei oder ihres Prozessbevollmächtigten eingetreten ist (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 2. Februar 2017 - VII ZB 41/16, NJW-RR 2017, 627 Rn. 14; vom 11. Juli 2017 - VIII ZB 20/17, NJOZ 2017, 1643 Rn. 11; vom 28. April 2020 - VIII ZB 12/19, NJW-RR 2020, 818 Rn. 15; jeweils mwN). Dabei gelten bezüglich des hier in Verlust geratenen Schriftsatzes mit dem Antrag auf Verlängerung einer Berufungsbegründungsfrist hinsichtlich der Sicherstellung der Einhaltung der Frist dieselben Sorgfaltsanforderungen wie bei der Einreichung einer Berufungsschrift (vgl. BGH, Beschlüsse vom 14. Juni 2006 - IV ZB 36/05, NJW-RR 2006, 1565 Rn. 7; vom 28. Februar 2012 - II ZB 27/10, juris Rn. 9).

b) Hiervon ausgehend hat das Berufungsgericht noch zutreffend angenommen, dass die Klägerin diesen Anforderungen hinsichtlich der eigenhändigen Fertigung und der rechtzeitig vor Fristablauf erfolgten Aufgabe des Fristverlängerungsantrags zur Post durch ihren Prozessbevollmächtigten Genüge getan habe. Vorliegend war ein zusätzlicher Vortrag zu den genauen zeitlichen Abläufen am Tag der Aufgabe zur Post, zum Standort des Briefkastens sowie zu dessen Leerungszeiten nicht geboten. Denn die Aufgabe zur Post ist nach dem - glaubhaft gemachten - Klägervortrag bereits am Freitag, den 15. Mai 2020 und damit unter Beachtung normaler Postlaufzeiten deutlich vor dem Fristablauf am Dienstag, den 19. Mai 2020 erfolgt (vgl. hierzu Senatsbeschlüsse vom 17. Januar 2012 - VIII ZB 42/11, WuM 2012, 157 Rn. 7; vom 28. April 2020 - VIII ZB 12/19, aaO Rn. 24).

Ebenso zutreffend hat das Berufungsgericht eine Pflicht des Prozessbevollmächtigten der Klägerin zur Nachfrage, ob dem Fristverlängerungsantrag stattgegeben worden sei, verneint. Wenn ein Prozessbevollmächtigter - wie hier mit der erstmaligen Verlängerung der Begründungsfrist mit großer Wahrscheinlichkeit rechnen durfte, ist er nicht gehalten, sich vor Fristablauf zu vergewissern, ob dem Fristverlängerungsgesuch stattgegeben wurde (st. Rspr.; vgl. BVerfG, NJW 2001, 812 , 813 f.; BGH, Beschlüsse vom 11. November 1998 - VIII ZB 24/98, VersR 1999, 1559 unter [II] 2 b, c; vom 16. März 2010 - VI ZB 46/09, NJW 2010, 1610 Rn. 10; vom 26. Januar 2017 - IX ZB 34/16, NJW-RR 2017, 564 Rn. 11 f.; vom 9. Mai 2017 - VIII ZB 69/16, NJW 2017, 2041 Rn. 19; jeweils mwN).

c) Von Rechtsirrtum beeinflusst ist jedoch die Annahme des Berufungsgerichts, die Klägerin habe einen Wiedereinsetzungsgrund deshalb nicht glaubhaft gemacht (§ 236 Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 ZPO ), weil ihr Prozessbevollmächtigter - dessen Verschulden sich die Klägerin nach § 85 Abs. 2 ZPO zurechnen lassen muss - nicht angegeben habe, das Schriftstück mit dem Fristverlängerungsantrag ausreichend frankiert zu haben.

aa) Wenn das Rechtsmittelgericht einer eidesstattlichen - oder wie hier anwaltlichen - Versicherung im Verfahren über die Wiedereinsetzung keinen Glauben schenken will, muss es den Antragsteller in zureichender Weise darauf hinweisen, dass zur Prüfung der Zulässigkeit seines Rechtsmittels das vorgelegte Glaubhaftmachungsmittel nicht ausreicht, und ihm Gelegenheit geben, etwaige Lücken im Vorbringen zu ergänzen und/oder entsprechenden Zeugenbeweis anzutreten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 7. Mai 2002 - I ZB 30/01, juris Rn. 6; vom 24. Februar 2010 - XII ZB 129/09, FamRZ 2010, 726 Rn. 10; vom 17. Januar 2012 - VIII ZB 42/11, WuM 2012, 157 Rn. 8; vom 19. November 2020 - V ZB 49/20, juris Rn. 12). Erkennbar unklare oder ergänzungsbedürftige Angaben, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten ist, können dabei auch noch nach Fristablauf ergänzt oder erläutert werden. Eine solche Vervollständigung der Angaben kann nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs auch noch mit der Rechtsbeschwerde erfolgen (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Januar 2012 - VIII ZB 42/11, aaO Rn. 10; vom 25. September 2013 - XII ZB 200/13, NJW 2014, 77 Rn. 9; vom 2. Juni 2016 - III ZB 2/16, NJW-RR 2016, 1022 Rn. 12; vom 16. Oktober 2018 - VI ZB 68/16, NJW-RR 2019, 502 Rn. 7; vom 28. April 2020 - VIII ZB 12/19, aaO Rn. 26).

bb) Nach diesen Grundsätzen hätte das Berufungsgericht der Klägerin Gelegenheit geben müssen, zu der ausreichenden Frankierung des den Antrag auf Fristverlängerung enthaltenden Briefs ergänzend vorzutragen.

Die Rechtsbeschwerde macht mit Recht geltend, dass es sich bei der fehlenden Angabe einer ausreichenden Frankierung - allein dies hat das Berufungsgericht beanstandet - in vorliegendem Fall um eine erkennbar unvollständige Angabe in vorgenanntem Sinne handelt. Die Klägerin hat - wie ausgeführt - im Übrigen einen aus sich heraus verständlichen und geschlossenen Sachvortrag bezüglich der rechtzeitigen Aufgabe des Schriftsatzes zur Post vorgebracht sowie unter anderem angegeben, ihr Prozessbevollmächtigter habe den Fristverlängerungsantrag eigenhändig "eingetütet" und "zur Post aufgegeben". Die entsprechende Frankierung des Briefumschlags ist ein für die erfolgreiche Beförderung wesentlicher Gesichtspunkt. Dieser kann aber im Rahmen der im Übrigen - wie ausgeführt - ausreichenden Schilderung der tatsächlichen Abläufe am Tag der Aufgabe zur Post ergänzt werden (vgl. Senatsbeschluss vom 17. Januar 2012 - VIII ZB 42/11, WuM 2012, 157 Rn. 5, 11 ; vgl. auch BGH, Beschluss vom 16. August 2016 - VI ZB 19/16, NJW 2016, 3312 Rn. 9).

Anders als das Berufungsgericht meint, ergibt sich Gegenteiliges nicht aus einer von ihm herangezogenen Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts (BAG, Urteil vom 20. Dezember 1995 - 7 AZR 272/95, juris Rn. 15). In dem dieser Entscheidung zugrundeliegenden Fall fehlte - ebenso wie in der vom Berufungsgericht erwähnten Entscheidung des Oberlandesgerichts Koblenz (NJW-RR 2016, 1526 Rn. 12) - nicht nur eine Darlegung zur ausreichenden Frankierung, sondern auch zu weiteren Aspekten, so dass es - anders als hier - bereits an einer im Übrigen in sich geschlossenen Schilderung der tatsächlichen Abläufe bis zur Aufgabe des Schriftsatzes fehlte.

3. Der Senat kann in der Sache selbst entscheiden, weil es weiterer Tatsachenfeststellungen nicht mehr bedarf (§ 577 Abs. 5 Satz 1 ZPO ).

a) Die Angabe zur ausreichenden Frankierung, deren Aufklärung nach § 139 ZPO geboten war, konnte die Klägerin - wie hier geschehen - auch noch mit der Rechtsbeschwerde ergänzen und erläutern. Danach hat ihr Prozessbevollmächtigter den zweiseitigen Schriftsatz mit dem Antrag auf Fristverlängerung, der sowohl im Original als auch in beglaubigter Abschrift und in Abschrift versandt worden sei, gewogen und als sogenannten Kompaktbrief mit einer 95 Cent Briefmarke ausreichend frankiert. Die schuldlose Fristversäumung ist damit hinreichend glaubhaft gemacht.

b) Die einmonatige Wiedereinsetzungsfrist (§ 234 Abs. 1 Satz 2 ZPO ) ist gewahrt. Zwar hat die Klägerin, nachdem sie am 25. Mai 2020 erfahren hat, dass ihr Fristverlängerungsantrag nicht beim Berufungsgericht eingegangen ist, zunächst nur Wiedereinsetzung in den vorigen Stand unter Übermittlung eines (erneuten) Fristverlängerungsantrags eingereicht. Dies genügte nicht, da unter der nachzuholenden Prozesshandlung (§ 236 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 1 ZPO ) bei Versäumung einer Rechtsmittelbegründungsfrist nicht ein Fristverlängerungsantrag, sondern ausschließlich die Rechtsmittelbegründung selbst zu verstehen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 16. Oktober 1986 - III ZB 30/86, VersR 1987, 308 ; vom 7. Juni 1999 - II ZB 25/98, NJW 1999, 3051 unter II 1; vom 20. September 2006 - IV ZB 16/06, FamRZ 2006, 1754 ).

Diese Berufungsbegründung hat die Klägerin jedoch am 4. Juni 2020 und damit fristgerecht noch innerhalb der mit dem vorgenannten Hinweis des Berufungsgerichts vom 25. Mai 2020 beginnenden Monatsfrist eingereicht.

Vorinstanz: LG Münster, vom 19.03.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 14 O 114/19
Vorinstanz: OLG Hamm, vom 17.07.2020 - Vorinstanzaktenzeichen I-30 U 60/20
Fundstellen
FamRZ 2021, 1399
FuR 2021, 496
MDR 2021, 1085
NJW 2021, 3132