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BGH - Entscheidung vom 01.02.2021

AnwZ (Brfg) 14/20

Normen:
BRAO § 112e S. 2

BGH, Beschluss vom 01.02.2021 - Aktenzeichen AnwZ (Brfg) 14/20

DRsp Nr. 2021/4438

Erfolglosigkeit der Berufung mangels geltend gemachten Zulassungsgrund

Bei gravierenden Straftaten mit Bezug zur beruflichen Tätigkeit ist ein Abstand zwischen Straftat und Wiederbewerbung von in der Regel 15 bis 20 Jahren erforderlich.

Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des 1. Senats des Bayerischen Anwaltsgerichtshofs vom 5. Februar 2020 wird abgelehnt.

Der Kläger hat die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 50.000 € festgesetzt.

Normenkette:

BRAO § 112e S. 2;

Gründe

I.

Der Kläger war von 1976 bis 1990 und sodann erneut von 2004 bis 2007 als Rechtsanwalt zugelassen. Entgegen dem Antrag des Klägers auf Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft vom 22. Februar 2019 versagte die Beklagte dieselbe mit Bescheid vom 13. Dezember 2019 wegen Unwürdigkeit (§ 7 Nr. 5 BRAO ).

Die hiergegen bereits am 7. September 2019 - ursprünglich wegen Untätigkeit - erhobene Klage hat der Anwaltsgerichtshof mit der Begründung abgewiesen, unter Berücksichtigung aller Aspekte des Einzelfalls erforderten die die Unwürdigkeit des Klägers begründenden Straftaten (letzter Tatzeitpunkt: 30. April 2001) den Ablauf einer Wohlverhaltensphase von 20 Jahren Dauer bis zu seiner Wiederzulassung zur Anwaltschaft. Der Kläger beantragt die Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Anwaltsgerichtshofs.

II.

Der Antrag des Klägers ist nach § 112e Satz 2 BRAO , § 124a Abs. 4 VwGO statthaft und auch im Übrigen zulässig. Er bleibt jedoch ohne Erfolg. Der geltend gemachte Zulassungsgrund (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) liegt nicht vor.

1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht (§ 112e Satz 2 BRAO , § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ). Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass ein einzelner tragender Rechtssatz oder eine erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Argumenten in Frage gestellt wird (st. Rspr.; vgl. etwa Senat, Beschluss vom 28. Oktober 2011 - AnwZ (Brfg) 30/11, NJW-RR 2012, 189 Rn. 5 mwN). Zweifel an der Richtigkeit einzelner Rechtssätze oder tatsächlicher Feststellungen füllen den Zulassungsgrund dann nicht aus, wenn solche Zweifel nicht die Richtigkeit des Ergebnisses erfassen (Senat, Beschluss vom 17. September 2015 - AnwZ (Brfg) 32/15, juris Rn. 4 mwN).

Entsprechende Zweifel vermag der Kläger nicht darzulegen. Das Urteil des Anwaltsgerichtshofs steht im Einklang mit der Rechtsprechung des Senats.

Nach dessen ständiger Rechtsprechung wird bei gravierenden Straftaten mit Bezug zur beruflichen Tätigkeit ein Abstand zwischen Straftat und Wiederbewerbung von in der Regel 15 bis 20 Jahren für erforderlich gehalten. Bindende Fristen gibt es jedoch selbst bei einer Einstufung der Anlasstat in diesem Sinne nicht (vgl. Senatsurteil vom 14. Januar 2019 - AnwZ (Brfg) 70/17, juris Rn. 11 mwN). Vielmehr kann die Kammer die Zulassung gemäß § 7 Nr. 5 BRAO nur dann versagen, wenn sie bei einzelfallbezogener Abwägung aller für und gegen den Kläger sprechenden Umstände - namentlich unter Berücksichtigung des Zeitablaufs von deutlich mehr als 15 Jahren und des damit einhergehenden Interesses des Bewerbers an beruflicher und sozialer Integration und nach Prüfung einer Bereinigung der damals bestehenden wirtschaftlichen Schieflage des Klägers, seines Umgangs mit seinem Fehlverhalten und seines zwischenzeitlichen Verhaltens - zu dem Ergebnis gelangt, dass der Kläger weiterhin nach seiner Gesamtpersönlichkeit für den Anwaltsberuf als nicht tragbar erscheint (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Oktober 2017 - 1 BvR 1822/16, NJW 2017, 3704 Rn. 25; Senat, Urteile vom 14. Januar 2019, aaO Rn. 10 f.; vom 30. September 2019 - AnwZ (Brfg) 32/18, NJW 2020, 845 Rn. 41). Gemessen an diesen Maßstäben, ließe sich die Versagung nicht allein unter Hinweis auf die Schwere der weit zurückliegenden Verfehlungen rechtfertigen (vgl. etwa Senat, Beschlüsse vom 6. Juli 1998 - AnwZ (B) 10/98, juris Rn. 14; vom 12. April 1999 - AnwZ (B) 67/98, juris Rn. 12 ff.; vom 13. März 2000 - AnwZ (B) 30/99, juris Rn. 5, aber auch vom 10. Mai 2010 - AnwZ (B) 67/09, juris Rn. 6 f.).

Den dargelegten Grundsätzen wird die Entscheidung des Anwaltsgerichtshofs gerecht. Dieser nimmt umfassend nicht nur die strafrechtlichen Verurteilungen des Klägers in den Blick, sondern auch seine persönliche Situation und beruflichen Perspektiven.

Ohne Rechtsfehler geht der Anwaltsgerichtshof zunächst davon aus, der bereits mehrfach vorgeahndete Kläger habe gravierende Straftaten begangen, wie die Verurteilung durch das Landgericht A. vom 28. Juli 2006 ( ) zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren wegen Beihilfe zur vorsätzlichen Pflichtverletzung bei Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit und Anstiftung zum Betrug in 20 Fällen belege. Die erneute Straffälligkeit des Klägers während des Laufs der Strafrestbewährung aus der vorgenannten Verurteilung hat der Anwaltsgerichtshof ebenfalls zu Recht in die Abwägung eingestellt, wenn auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass die Verurteilung durch das Amtsgericht M. vom 23. März 2011 ( ) zu einer Geldstrafe wegen einer fahrlässig begangenen Straftat, nämlich einer fahrlässigen Insolvenzverschleppung, erfolgte. Die Begehung beider den Verurteilungen zugrundeliegenden Taten zu Zeitpunkten, zu denen der Kläger nicht als Rechtsanwalt zugelassen war, hat der Anwaltsgerichtshof ebenso in seine Abwägung einbezogen wie den Umstand, dass der Kläger seinen eigenen Angaben zufolge nach Wiederzulassung zur Rechtsanwaltschaft die Bearbeitung wirtschaftsjuristischer Fälle anstrebt. Keinen der beiden genannten Umstände hat der Anwaltsgerichtshof indessen nachvollziehbar als den Kläger wesentlich entlastend beurteilt, weil es sich bei dem zukünftig angestrebten Tätigkeitsfeld um ein solches handelt, das eine besondere Nähe zu den abgeurteilten vorsätzlichen und fahrlässigen Verhaltensweisen des Klägers aufweist, und zwar unabhängig vom Bestehen seiner Anwaltszulassung zum jeweiligen Tatzeitpunkt. Schließlich hat der Anwaltsgerichtshof das Lebensalter des 1949 geborenen Klägers und seine daraus resultierende besondere Betroffenheit zu seinen Gunsten in die Abwägung eingestellt.

Dem Vorbringen des Klägers, die Abwägungsentscheidung des Anwaltsgerichtshofs sei bereits deshalb unzutreffend, weil es sich bei den der Verurteilung aus dem Jahr 2006 zugrundeliegenden Taten nicht um solche mit einem Bezug zur anwaltlichen Tätigkeit handele, was sich zwingend daraus ergebe, dass er zu den Tatzeitpunkten nicht als Rechtsanwalt zugelassen gewesen sei, kann nicht gefolgt werden. Diese Auffassung geht von einem zu engen Verständnis der Tätigkeitsbezogenheit aus. Unabhängig von der Person des Geschädigten führen Vermögensdelikte wie etwa Betrugstaten zur Unwürdigkeit auch eines Bewerbers für den Beruf des Rechtsanwalts, weil die Betreuung fremder Vermögensinteressen zu den zentralen beruflichen Aufgaben des (späteren) Rechtsanwalts gehört (vgl. Henssler in Henssler/Prütting, BRAO , 5. Aufl., § 7 Rn. 51); dieser ist zwar nicht in die Staatsorganisation eingebunden, umgekehrt aber der Staat auf die Aufrichtigkeit und Rechtstreue des Rechtsanwalts besonders angewiesen (vgl. Schmidt-Räntsch in Gaier/Wolf/Göcken, Anwaltliches Berufsrecht, 3. Aufl., § 7 Rn. 35; ähnlich auch: Vossebürger in Weyland, BRAO , 10. Aufl., § 7 Rn. 63).

Soweit der Zulassungsantrag weiter darauf abstellt, die finanzielle Situation des Klägers sei nicht vollständig in die Abwägung eingestellt worden, weil sein Familienstand und die Unterhaltsverpflichtungen drei studierenden Kindern gegenüber keine Berücksichtigung gefunden hätten, ist dieses pauschale Vorbringen nicht geeignet, das Abwägungsergebnis des Anwaltsgerichtshofs in Zweifel zu ziehen. Es fehlt bereits an jeglichen Angaben zur Höhe der Unterhaltsbeträge und zu der Einkommenssituation des Klägers insgesamt. Der Zulassungsgrund des § 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO ist im Übrigen nicht geltend gemacht worden.

2. Weitere Zulassungsgründe sind dem Vorbringen des Klägers nicht zuentnehmen.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 112c Abs. 1 Satz 1 BRAO , § 154 Abs. 2 VwGO , die Streitwertfestsetzung auf § 194 Abs. 2 Satz 1 BRAO .

Vorinstanz: AnwGH Bayern, vom 05.02.2020 - Vorinstanzaktenzeichen BayAGH I - 1 - 18/19