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BGH - Entscheidung vom 28.01.2021

III ZR 25/20

Normen:
BGB § 556d Abs. 2
BGB § 839 Cb
BGB § 556d Abs. 2
BGB § 839 (Cb)
BGB § 556d Abs. 2
BGB § 839

Fundstellen:
MDR 2021, 487
MietRB 2021, 97
NVwZ 2021, 1315
NZM 2021, 391
ZMR 2021, 466

BGH, Urteil vom 28.01.2021 - Aktenzeichen III ZR 25/20

DRsp Nr. 2021/3551

Entrichtung einer höheren Miete wegen der Unwirksamkeit der Hessischen Mietenbegrenzungsverordnung vom 17. November 2015; Schadensersatzbegehren auf Grundlage eines Amtshaftungsanspruchs

Mietern, die infolge der Unwirksamkeit der Hessischen Mietenbegrenzungsver-ordnung vom 17. November 2015 (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 17. Juli 2019 - VIII ZR 130/18, BGHZ 223, 30 ) eine höhere Miete zu entrichten haben, steht gegen das Land Hessen kein Amtshaftungsanspruch zu.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des 1. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 13. Februar 2020 wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsrechtszugs hat die Klägerin zu tragen.

Normenkette:

BGB § 556d Abs. 2 ; BGB § 839 ;

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von dem beklagten Land aus abgetretenem Recht Schadensersatz wegen der Unwirksamkeit der von der Landesregierung am 17. November 2015 erlassenen Mietenbegrenzungsverordnung (Hessische Verordnung zur Bestimmung der Gebiete mit angespannten Wohnungsmärkten im Sinne des § 556d Abs. 2 des Bürgerlichen Gesetzbuches [GVBl. S. 397]; künftig: Mietenbegrenzungsverordnung 2015).

Die Zedenten mieteten beginnend am 15. Februar 2017 eine 67 qm große Wohnung in der Z. Straße in F. an. Der betreffende Stadtteil ist in der Mietenbegrenzungsverordnung 2015 als Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt im Sinne von § 556d Abs. 2 BGB festgelegt. Die vereinbarte Kaltmiete betrug 11,50 €/qm; ortsüblich waren 7,45 €/qm.

Die Klägerin ist ein registriertes Inkassounternehmen, das sich insbesondere mit der Einziehung von Forderungen befasst, die Wohnungsmietern gegen deren Vermieter wegen der Vereinbarung von Mieten zustehen, die die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 10% übersteigen. Sie hat aus abgetretenem Recht der Zedenten derartige Rückforderungen gegen die Vermieterin gerichtlich vor dem Amtsgericht F. geltend gemacht. In einer Parallelsache entschied das Landgericht F. mit Urteil vom 27. März 2018 (WuM 2018, 276 ), dass die Mietenbegrenzungsverordnung 2015 unwirksam sei (so inzwischen auch BGH, Urteil vom 17. Juli 2019 - VIII ZR 130/18, BGHZ 223, 30 Rn. 14 ff). Daraufhin verkündete die Klägerin dem beklagten Land den Streit. Das Amtsgericht F. wies die Klage wegen Nichtigkeit der Mietenbegrenzungsverordnung ab.

Mit der vorliegenden Teilklage macht die Klägerin gegen das beklagte Land als Schaden der Zedenten geltend, dass diesen bei Wirksamkeit der Mietenbegrenzungsverordnung 2015 ein Rückzahlungsanspruch gegen die Vermieterin von 221,43 € für die im August 2017 gezahlte Miete zugestanden hätte. Sie hält die Voraussetzungen eines Amtshaftungsanspruchs gemäß § 839 BGB für gegeben. Die Mietenbegrenzungsverordnung 2015 sei unwirksam, weil die vorgeschriebene Begründung fehle, jedenfalls nicht mitveröffentlicht worden sei. Der Erlass der fehlerhaften Verordnung verletze eine dem beklagten Land gegenüber den Zedenten obliegende Amtspflicht.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Das Oberlandesgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die von ihm zugelassene Revision der Klägerin.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision hat keinen Erfolg.

I.

Das Berufungsgericht, dessen Entscheidung in MDR 2020, 562 veröffentlicht ist, hat ausgeführt, in Bezug auf die Aktivlegitimation der Klägerin bestünden keine Zweifel. Der rechtlichen Beurteilung sei zugrunde zu legen, dass die Mietenbegrenzungsverordnung 2015 nichtig sei. Der von der Klägerin erhobene Amtshaftungsanspruch bestehe jedoch nicht. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs gebe es wegen Nachteilen, die Bürgern durch die Gesetzgebung entstünden, regelmäßig keine Amtshaftungsansprüche. Dies gelte ebenso, wenn dem Gesetzgeber vorgeworfen werde, eine bestimmte gebotene Regelung nicht erlassen zu haben. Ausnahmsweise könnten Amtshaftungsansprüche bestehen, wenn es sich um ein Maßnahme- oder Einzelfallgesetz handele, das die Belange Dritter unmittelbar berühre. Um ein solches Gesetz handele es sich vorliegend bei der Mietenbegrenzungsverordnung 2015 aber nicht. Diese betreffe nicht nur eine überschaubare Gruppe, sondern verbiete in den größten Kommunen Hessens eine Nachvermietungsmiete, die die ortsübliche Miete um mehr als 10% übersteige. Sie richte sich an alle Mieter und Vermieter, deren Mietwohnungen in den fraglichen Gebieten belegen seien und bei denen es zu einer Nachvermietung komme. Es handele sich um eine abstrakt-generelle Regelung, die mit einer Einzelfallregelung nicht vergleichbar sei.

Der Verordnungsgeber habe auch nicht in eine grundrechtlich geschützte Position der Zedenten eingegriffen. § 556d BGB in Verbindung mit einer ein Gebiet mit angespanntem Wohnungsmarkt festlegenden Rechtsverordnung berühre vor allem das Eigentumsrecht der Vermieter. Diese Beschränkung des Eigentums solle eine sozialpolitische Absicht verwirklichen, nämlich der Verdrängung einkommensschwacher Mieter aus begehrten städtischen Wohnlagen entgegenwirken. Diesem Schutzzweck entspreche aber keine grundrechtlich geschützte Position von Mietern. Es gebe kein Grundrecht auf Anmietung einer Wohnung zu einem das ortsübliche Niveau nicht oder nur wenig überschreitenden Preis. Der Nachteil, den Mieter wegen der Unwirksamkeit der Mietenbegrenzungsverordnung hinnehmen müssten, sei ein Vermögensnachteil. Das Vermögen als solches sei nicht Schutzobjekt eines Grundrechts.

Amtshaftungsansprüche der Zedenten bestünden auch nicht unter dem Gesichtspunkt eines Anspruchs auf Erlass einer wirksamen Mietenbegrenzungsverordnung. § 556d BGB und die darauf beruhenden Rechtsverordnungen verfolgten ein sozialpolitisches Ziel. Solche Zielsetzungen verdichteten sich regelmäßig nicht zu staatlichen Handlungspflichten gegenüber Einzelnen oder Gruppen. Das beklagte Land hafte für den Fehler bei der Verordnungsgebung den Zedenten auch nicht wegen enttäuschten Vertrauens auf die Gültigkeit der Mietenbegrenzungsverordnung. Das Bundesverfassungsgericht halte eine Auslegung des Amtshaftungsrechts für denkbar, wonach Entschädigung wegen enttäuschten Vertrauens auf die Gültigkeit eines Gesetzes gewährt werden könne, wenn das Gesetz infolge einer Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs sich rückwirkend als nicht anwendbar erweise. Voraussetzung sei, dass ein Betroffener auf die Gültigkeit der Regelung vertraut habe und habe vertrauen dürfen sowie in diesem Vertrauen Dispositionen getroffen habe. Vorliegend sei zwar denkbar, dass Mieter sich bei Eingehung des Mietverhältnisses auf die Gültigkeit der Mietenbegrenzungsverordnung verlassen hätten. Dennoch könne ein schützenswertes Vertrauen in die Gültigkeit der Verordnung nicht angenommen werden. Maßgeblich sei, inwieweit objektiv vorhersehbar gewesen sei, dass eine Regelung keinen Bestand haben werde. Bei der hier zu beurteilenden Verordnung hätten schon frühzeitig Umstände vorgelegen, die an ihrer Gültigkeit hätten zweifeln lassen können. § 556d Abs. 2 Satz 5 bis 7 BGB verlange, dass die Mietenbegrenzungsverordnung in qualifizierter Weise begründet werde. Eine solche Begründung sei der Verordnung nicht beigefügt gewesen, so dass von Beginn an objektiv Zweifel an ihrer Wirksamkeit berechtigt gewesen seien. Im Schrifttum sei bereits 2016 auf die Begründung als Wirksamkeitserfordernis hingewiesen worden. Überdies habe es sich bei der Mietenbegrenzungsverordnung um rechtliches Neuland gehandelt. Es liege in der Natur einer solchen Neuregelung, dass eine gerichtliche Überprüfung erst nach und nach erfolge. Ein geschütztes Vertrauen in die Beständigkeit der Regelung trotz bereits Ende 2016 anhängiger gerichtlicher Auseinandersetzungen, in denen auch die Gültigkeit solcher Verordnungen bezweifelt worden sei, könne daher nicht angenommen werden.

II.

Dies hält der rechtlichen Nachprüfung im Ergebnis und weitgehend auch in der Begründung stand. Das Berufungsgericht hat zutreffend erkannt, dass den Zedenten keine Amtshaftungsansprüche (§ 839 Abs. 1 Satz 1 BGB i.V.m. Art. 34 Satz 1 GG ) gegen das beklagte Land wegen des Erlasses der - nichtigen - Hessischen Mietenbegrenzungsverordnung vom 17. November 2015 zustehen (zur Nichtigkeit dieser Verordnung siehe BGH, Urteil vom 17. Juli 2019 aaO). Solche Ansprüche bestehen weder unter dem Gesichtspunkt einer Amtspflichtwidrigkeit beim Erlass eines Maßnahme- oder Einzelfallgesetzes (nachfolgend zu 1) noch wegen Eingriffs in eine geschützte Grundrechtsposition der Zedenten (nachfolgend zu 2). Sie ergeben sich auch nicht aus etwaig enttäuschtem Vertrauen der Zedenten in die Wirksamkeit der Mietenbegrenzungsverordnung 2015 (nachfolgend zu 3).

1. a) § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB setzt voraus, dass ein Amtsträger eine ihm gegenüber einem "Dritten" obliegende Amtspflicht verletzt hat. Ob der Geschädigte im Sinne dieser Vorschrift "Dritter" ist, richtet sich nach der ständigen Rechtsprechung des Senats danach, ob die Amtspflicht - wenn auch nicht notwendig allein, so doch auch - den Zweck hat, gerade sein Interesse wahrzunehmen. Nur wenn sich aus den die Amtspflicht begründenden und sie umreißenden Bestimmungen sowie aus der besonderen Natur des Amtsgeschäfts ergibt, dass der Geschädigte zu dem Personenkreis zählt, dessen Belange nach dem Zweck und der rechtlichen Bestimmung des Amtsgeschäfts geschützt und gefördert werden sollen, besteht ihm gegenüber bei schuldhafter Pflichtverletzung eine Schadensersatzpflicht. Hingegen ist anderen Personen gegenüber, selbst wenn die Amtspflichtverletzung sich für sie mehr oder weniger nachteilig ausgewirkt hat, eine Ersatzpflicht nicht begründet. Es muss mithin eine besondere Beziehung zwischen der verletzten Amtspflicht und dem geschädigten "Dritten" bestehen (st. Rspr., zB Senat, Urteile vom 15. August 2019 - III ZR 18/19, BGHZ 223, 72 Rn. 41; vom 5. April 2018 - III ZR 211/17, NJW 2018, 2264 Rn. 11 und vom 14. Juli 2016 - III ZR 265/15, BGHZ 211, 171 Rn. 15 f; jew. mwN).

Amtspflichten der öffentlichen Amtsträger dienen in erster Linie dem Interesse der Allgemeinheit an einem geordneten Gemeinwesen. Soweit sich die Pflichten darin erschöpfen, diesem Allgemeininteresse zu dienen, und noch keine besonderen Beziehungen zwischen diesen Amtspflichten und bestimmten Personen oder Personengruppen in dem zuvor aufgezeigten Sinne bestehen, kommen sonach bei Verletzung dieser Pflichten Schadensersatzansprüche für Außenstehende nicht in Betracht. Um derartige Amtspflichten handelt es sich im Allgemeinen bei den Pflichten, die für die dafür Verantwortlichen im Rahmen der Gesetzgebungsaufgaben bestehen. Gesetze und Verordnungen enthalten durchweg generelle und abstrakte Regeln, und dementsprechend nimmt der Gesetzgeber - bei Tätigwerden und Untätigbleiben - in der Regel ausschließlich Aufgaben gegenüber der Allgemeinheit wahr, denen die Richtung auf bestimmte Personen oder Personenkreise fehlt. Nur ausnahmsweise - etwa bei sogenannten Maßnahme- oder Einzelfallgesetzen - kann etwas Anderes in Betracht kommen und können Belange bestimmter Einzelner unmittelbar berührt werden, so dass sie als "Dritte" im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB angesehen werden können (Senat, Urteile vom 24. Oktober 1996 - III ZR 127/91, BGHZ 134, 30 , 32; vom 7. Juli 1988 - III ZR 198/87, NJW 1989, 101 ; vom 10. Dezember 1987 - III ZR 220/86, BGHZ 102, 350 , 367 f und vom 29. März 1971 - III ZR 110/68, BGHZ 56, 40 , 45; Beschluss vom 11. März 1993 - III ZR 110/92, NVwZ-RR 1993, 450 ; Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl., S. 105 ff; vgl. auch BeckOGK/Dörr, BGB , § 839 Rn. 290 ff [Stand: 01.10.2020]; jew. mwN).

b) Die Mietenbegrenzungsverordnung 2015 ist kein Maßnahme- oder Einzelfallgesetz in vorgenanntem Sinne.

aa) Ein solches Gesetz setzt - wie ausgeführt - voraus, dass Belange bestimmter Einzelner, das heißt einer Einzelperson oder eines individuell bestimmten Personenkreises, berührt werden. Das ist zu verneinen, wenn sich das Gesetz an einen unüberschaubar großen und nicht individuell begrenzten Personenkreis richtet (Senat, Urteile vom 7. Juli 1988 aaO und vom 29. März 1971 aaO S. 47; vgl. auch BVerfGE 24, 33 , juris Rn. 52: "Maßnahmegesetz" bei sachlich und persönlich eng beschränktem Bereich). Ohne Bedeutung ist dabei die begrenzte Geltungsdauer eines Gesetzes. So können auch abstrakt-generelle Gesetzesbestimmungen - wie hier (§ 2 Satz 2 Mietenbegrenzungsverordnung 2015; siehe auch § 556d Abs. 2 Satz 1, 4 , 7 BGB ) - zeitlich befristet sein, ohne hierdurch zu einem Maßnahme- oder Einzelfallgesetz in vorstehendem Sinne zu werden. Dagegen kann ein räumlich oder sachlich beschränkter Geltungsbereich eines Gesetzes dieses als Maßnahme- oder gar Einzelfallnorm qualifizieren, wenn er derart eng ist, dass sich aus ihm die Betroffenheit eines überschaubaren und individuell bestimmten Personenkreises ergibt.

bb) Das ist im Hinblick auf die Mietenbegrenzungsverordnung 2015 nicht der Fall.

Der Senat hat bereits in seiner Entscheidung vom 29. März 1971 (aaO S. 46 f) in einem vergleichbaren Fall Maßnahme- oder Einzelfallgesetze im Hinblick auf Verordnungen verneint, die von den Landesgesetzgebern auf der Grundlage von § 3 Doppelbuchst. dd Abs. 1 des Wohnraumbewirtschaftungsgesetzes (WBewG; in der Fassung des Gesetzes zur Änderung von Fristen des Gesetzes über den Abbau der Wohnungszwangswirtschaft und über ein soziales Wohnrecht vom 29. Juli 1963 [BGBl. I 524, 525]) erlassen wurden. Nach dieser Vorschrift sollte ab bestimmten Zeitpunkten die Wohnraumbewirtschaftung in durch Rechtsverordnungen der Landesregierungen bestimmten Städten und Landkreisen aufgehoben werden, in denen bestimmte Grenzwerte überschritten wurden. Auch diese besondere gesetzgeberische Aufgabe blieb weiterhin ihrem Zweck nach auf die Wahrung des Allgemeininteresses gerichtet und diente noch nicht der Wahrnehmung - auch - von Interessen bestimmter einzelner Betroffener oder eines bestimmten Personenkreises. Vielmehr wurde auch von der im Rahmen des § 3 Doppelbuchst. dd WBewG bestehenden Aufgabe des Verordnungsgebers noch immer eine so große und unbestimmte Zahl von Personen berührt, dass diese nur mit der Allgemeinheit gleichgesetzt werden konnten. Infolgedessen konnte nicht davon gesprochen werden, dass zwischen der Aufgabe des Verordnungsgebers, unter den im Gesetz aufgestellten Voraussetzungen für bestimmte Gebiete die Wohnungszwangswirtschaft aufzuheben, und den davon - sei es nachteilig oder begünstigend - Betroffenen eine so enge Beziehung hergestellt worden sei, dass diese Betroffenen als "Dritte" im Sinne des § 839 BGB erachtet werden konnten (Senat aaO, S. 47).

Nicht anders liegt der Fall bei der hier zu beurteilenden Mietenbegrenzungsverordnung. Die Vorinstanzen haben zutreffend ausgeführt, dass die Regelung angesichts ihres räumlichen und persönlichen Geltungsbereichs nicht einzeln identifizierbare Mieter (und Vermieter) betrifft, sondern eine nicht überschaubare Vielzahl von Personen. Sie umfasst räumlich - vollständig oder in großen Teilen - 16 hessische Gemeinden, darunter die fünf einwohnerstärksten des Landes. Persönlich betrifft sie Mieter und Vermieter, bei deren in den fraglichen Gebieten belegenen Wohnungen es zu einer Nachvermietung kommt. Damit handelt es sich um einen unüberschaubar großen und nicht individuell begrenzten Personenkreis. Dementsprechend ist die Mietenbegrenzungsverordnung 2015 kein Maßnahme- oder Einzelfallgesetz im vorstehenden Sinne, sondern eine ihrem Zweck nach allein auf die Wahrung des Interesses der Allgemeinheit und nicht bestimmter Einzelner oder eines bestimmten Personenkreises gerichtete Regelung.

2. Amtshaftungsansprüche der Zedenten bestehen auch nicht wegen eines Eingriffs in eine geschützte Grundrechtsposition.

a) Nach Auffassung der Revision besteht ein Anspruch der Zedenten auf Erlass einer wirksamen Mietenbegrenzungsverordnung. Dies folge zum einen daraus, dass die potenziell betroffenen Mieter unmittelbar die durch den Verordnungserlass zu schützenden Dritten seien. Zudem griffen der Nichterlass einer solchen Verordnung sowie der Erlass einer unwirksamen Verordnung in eine durch Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG grundrechtlich geschützte Rechtsposition der betroffenen Mieter ein (Recht, als durchschnittlich verdienender Bürger im städtischen Raum Wohnraum finden und anmieten zu können). Dies genüge für die Bejahung einer Drittgerichtetheit der Amtspflichten des hessischen Verordnungsgebers in Bezug auf diese Personen. Die Voraussetzungen eines Amtshaftungsanspruchs seien danach vorliegend gegeben.

b) Dem kann nicht gefolgt werden. Es kann dahinstehen, ob die hessische Landesregierung verpflichtet war, eine (wirksame) Mietenbegrenzungsverordnung zu erlassen und ob durch den Erlass einer nichtigen Verordnung eine grundrechtlich geschützte Rechtsposition der Zedenten betroffen ist. Selbst wenn dies zu bejahen sein sollte, folgt hieraus kein Amtshaftungsanspruch der Zedenten gegen das beklagte Land gemäß § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB . Denn auch in diesem Fall sind die von der - nichtigen - Mietenbegrenzungsverordnung betroffenen Mieter keine "Dritten" im Sinne der Vorschrift. Insoweit wird zunächst auf die vorstehenden Ausführungen zu 1 b bb Bezug genommen.

aa) Entgegen der Ansicht der Revision liegt auch dann keine Verletzung einer drittgerichteten Amtspflicht vor, wenn ein Verstoß gegen das Grundrecht der Zedenten aus Art. 2 Abs. 1 GG zu bejahen sein sollte. Der Senat hat bisher nicht in jedem Grundrechtsverstoß die Verletzung einer drittgerichteten Amtspflicht erblickt (Senat, Urteil vom 7. Juli 1988 aaO). Soweit demgegenüber im Schrifttum eine Drittbezogenheit bereits dann angenommen wird, wenn der Gesetzgeber durch grundrechtswidrige Gesetzgebung subjektive Rechte der betreffenden Grundrechtsinhaber verletzt (Papier in Maunz/Dürig, GG , Art. 34 Rn. 195, 197 [92. EL August 2020] mwN; vgl. auch Papier/Shirvani in MüKoBGB, 8. Aufl., § 839 Rn. 318), kann dem - in dieser Einschränkungslosigkeit - nicht gefolgt werden. Durch ein solches Verständnis würde der Begriff des "Dritten" im Sinne des § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB seine Konturen und damit seine haftungsbegrenzende Funktion verlieren (Senat, Urteil vom 7. Juli 1988 aaO; dazu BeckOGK/Dörr, BGB , aaO Rn. 290; so auch Ossenbühl/Cornils aaO). § 839 BGB ist in ein deliktsrechtliches System eingebettet, das grundsätzlich nur Schadensersatzansprüche des unmittelbar Verletzten kennt. Mit dieser Beschränkung des Kreises der Ersatzberechtigten auf die unmittelbar Verletzten steht die Regelung des § 839 BGB in Einklang, wonach dem unmittelbar Verletzten der "Dritte" entspricht, demgegenüber die verletzte Amtspflicht bestand (Senat aaO mwN). Verflüchtigte man diesen Drittbezug zu einem bloßen "Drittschutz", gäbe man also die individualisierbare Beziehung als Abgrenzungskriterium auf, hätte dies eine qualitative Veränderung des Amtshaftungstatbestandes zur Folge, der in seiner Konzeption allein den Zweck hat, individuelle Schadensfälle zu regulieren (Ossenbühl/Cornils aaO S. 106).

bb) Soweit das Bundesverfassungsgericht in seinem Nichtannahmebeschluss vom 18. November 2020 ( 2 BvR 477/17, juris Rn. 24 ff) zu einem Einsatz der Bundeswehr im Ausland eine grundrechtliche Verankerung des Amtshaftungsanspruchs angenommen und erwogen hat, aus den Grundrechten ergäben sich bei staatlichem Unrecht grundsätzlich auch Kompensationsansprüche, folgt hieraus für den vorliegenden Fall nichts anderes. Ein Drittbezug in vorstehendem Sinne war im Fall der von dem Waffeneinsatz Betroffenen ohne Zweifel gegeben. Dagegen folgt aus einer etwaigen grundrechtlichen Verankerung des Amtshaftungsanspruchs nicht dessen einschränkungslose Gewährung bei jeder Verletzung von Grundrechten durch staatliche Amtsträger und insbesondere durch den Gesetzgeber. Vielmehr kann der Gesetzgeber Voraussetzungen und Umfang von Amtshaftungs- und Entschädigungsansprüchen näher ausgestalten (BVerfG aaO Rn. 30).

Der vorkonstitutionelle Gesetzgeber hat in § 839 Abs. 1 Satz 1 BGB bestimmt, dass ein Amtshaftungsanspruch voraussetzt, dass ein Beamter die ihm einem Dritten gegenüber obliegende Amtspflicht verletzt. Damit ist eine Haftung wegen der Verletzung von Amtspflichten, die dem Beamten nicht spezifisch dem Träger des verletzten Grundrechts gegenüber obliegen, nicht vereinbar. Bei der Schaffung des Art. 34 GG (siehe auch den fast inhaltsidentischen Art. 131 WRV) war dem Verfassungsgeber bewusst, dass die Staatshaftung in § 839 BGB gründete; er wollte insoweit am überkommenen Rechtszustand und damit auch an der haftungseinschränkenden Voraussetzung des Drittbezuges nichts ändern (vgl. Senat aaO S. 102; BVerfGE 61, 149 , 198 f).

Gerade bei einem Verstoß der öffentlichen Hand gegen Art. 2 Abs. 1 GG , der die allgemeine Handlungsfreiheit umfassend schützt, würde sehr häufig auch ein zum Schadensersatz verpflichtendes Verhalten im Sinne des § 839 BGB vorliegen, wenn man die von der Revision vertretene Auffassung teilen wollte (vgl. Senat aaO S. 102 mwN). Denn Art. 2 Abs. 1 GG verbietet hoheitliche Eingriffe in die Rechtssphäre des Bürgers, die nicht durch eine der verfassungsmäßigen Ordnung entsprechende Rechtsgrundlage gedeckt sind. Wollte man in diesen Fällen stets wegen des Grundrechtsverstoßes auch die Drittgerichtetheit der verletzten Amtspflicht bejahen, so würde das einschränkende Tatbestandserfordernis des "Dritten" weitgehend leerlaufen. Das wäre umso weniger tragbar, als der Verstoß gegen die allgemeine Handlungsfreiheit des Art. 2 Abs. 1 GG sich gerade aus der Verletzung von Vorschriften ergeben kann, die ausschließlich im Allgemeininteresse erlassen worden sind (Senat aaO), wie das auch vorliegend der Fall war.

cc) Die erhebliche Ausdehnung der Staatshaftung für legislatives Unrecht, die mit der Annahme einer Drittbezogenheit bei jeder Verletzung subjektiver Rechte von Grundrechtsträgern durch grundrechtswidrige Gesetzgebung zwangsläufig verbunden wäre, kommt jedenfalls nicht im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung in Betracht. An den Gesetzgeber als Schadensverursacher hat bei der Normierung der Amtshaftung niemand gedacht. Ihn kurzerhand kraft richterrechtlicher Rechtsschöpfung in den Kreis der potentiellen Schädiger einzubeziehen, würde die methodisch zulässigen Grenzen der Gesetzesanwendung und -interpretation überschreiten (Ossenbühl/Cornils aaO).

Die Zubilligung von Schadensersatz- und Entschädigungsansprüchen für legislatives Unrecht in Gestalt eines mit dem Grundgesetz nicht zu vereinbarenden Gesetzes hätte zudem für die Staatsfinanzen weitreichende Folgen. Schon das spricht dafür, die Haushaltsprärogative des Parlaments in möglichst weitgehendem Umfang zu wahren und die Gewährung von Entschädigung für legislatives Unrecht der Entscheidung des Parlamentsgesetzgebers zu überantworten (vgl. für Ansprüche aus enteignungsgleichem Eingriff bei unionsrechts- und verfassungswidrigen formellen Gesetzen: Senat, Urteile vom 16. April 2015 - III ZR 333/13, BGHZ 205, 63 Rn. 34 mwN und vom 12. März 1987 - III ZR 216/85, BGHZ 100, 136 , 145 f; so auch Giegerich, EuR 2012, 373 , 385). Diese Regelungsaufgabe muss dem Gesetzgeber aber auch deshalb vorbehalten bleiben, weil hier verschiedene, nicht unerheblich voneinander abweichende Lösungsmöglichkeiten gegeben sind (Senat, Urteile vom 7. Juli 1988 S. 102 und vom 12. März 1987 jew. aaO). Besteht im Einzelfall ein Bedürfnis, die für den Bürger nachteiligen Folgen legislativen Unrechts auszugleichen, mag daher der Gesetzgeber tätig werden.

3. Ein Amtshaftungsanspruch besteht entgegen der Auffassung der Revision auch nicht wegen enttäuschten Vertrauens der Zedenten in die Wirksamkeit der Mietenbegrenzungsverordnung 2015. Dabei kann offenbleiben, ob vorliegend - wie das Berufungsgericht meint (S. 13 f des angefochtenen Urteils) - bei Begründung des Mietverhältnisses kein objektiv gerechtfertigtes Vertrauen der Zedenten in die Gültigkeit der Verordnung bestand. Denn selbst ein solches Vertrauen könnte keinen Amtshaftungsanspruch gegen das beklagte Land für den Fall begründen, dass sich - wie hier - später herausstellt, dass die Verordnung entgegen der Erwartung der Zedenten von Anfang an nicht wirksam war.

a) In der Rechtsprechung des Senats wird ein allgemeiner Anspruch auf angemessene Entschädigung für Aufwendungen, die im enttäuschten Vertrauen auf die Wirksamkeit einer Rechtsnorm gemacht worden sind, nicht anerkannt (Senat, Urteil vom 24. Juni 1982 - III ZR 169/80, BGHZ 84, 292 , 297; vgl. auch Senat, Urteil vom 7. Juli 1988 aaO S. 101 f: keine Amtshaftung für Aufwendungen, die durch das - später vom Bundesverfassungsgericht für nichtig erklärte - Investitionshilfegesetz veranlasst wurden). Soweit Gegenstand dieser Rechtsprechung ein formelles Parlamentsgesetz war (Senat, Urteil vom 7. Juli 1988), ergibt sich hieraus keine entsprechende Beschränkung. Für Rechtsverordnungen gilt nichts Anderes. Denn auch sie enthalten zumeist generelle und abstrakte Regeln, durch die der Verordnungsgeber in der Regel ausschließlich Aufgaben gegenüber der Allgemeinheit wahrnimmt mit der Folge, dass auch ihnen die für die Amtshaftung erforderliche Drittbezogenheit fehlt (BeckOGK/Dörr, BGB , aaO, Rn. 292; Karpenstein/Johann, NJW 2010, 3405 f).

Die Revision erkennt zutreffend, dass das vorgenannte Urteil des Senats vom 24. Juni 1982 durch die Besonderheiten eines Bebauungsplans geprägt ist (aaO S. 300). Gerade daraus ergibt sich jedoch, dass eine - im Ergebnis verneinte - Amtshaftung für enttäuschtes Vertrauen dort sogar näherlag als vorliegend. Denn der Senat hat in dieser Entscheidung auf seine Rechtsprechung Bezug genommen, nach der bei einem verbindlichen Bauleitplan - ähnlich wie bei einem Maßnahmegesetz - eine Einengung des Kreises der Betroffenen und eine Individualisierung der Rechtsadressaten vorliegt, die eine besondere Beziehung zwischen dem Rechtssetzungsakt und den geschützten Interessen Betroffener schafft (Senat aaO S. 299 f unter Bezugnahme auf Senat, Urteil vom 30. Januar 1975 - III ZR 18/72, juris Rn. 39). Eine solche einem Maßnahmegesetz ähnliche besondere Beziehung ist indes - wie ausgeführt (vorstehend zu 1) - im Falle der Mietenbegrenzungsverordnung 2015 nicht gegeben.

Darüber hinaus hat der Senat in dem Urteil vom 24. Juni 1982 betont, dass von den bei der Verabschiedung eines Bebauungsplanes zu beachtenden Amtspflichten nur solche als "drittgerichtet" im Sinne einer Amtshaftung in Betracht kommen können, die eine Berücksichtigung konkreter besonderer Interessen des einzelnen Bürgers oder einer Gruppe von Bürgern erfordern. Letzteres war für die aus der fehlenden Entwicklung aus einem Flächennutzungsplan folgende Nichtigkeit des Bebauungsplans zu verneinen, weil die Beachtung einer entsprechenden Pflicht den Mitgliedern des Gemeinderates nur gegenüber der Allgemeinheit obliegt, mag sie sich auch auf die planbetroffenen Bürger auswirken (Senat, Urteil vom 24. Juni 1982 aaO, S. 301). Ähnlich verhält es sich vorliegend. Die Pflicht zur Begründung einer Mietenbegrenzungsverordnung im Sinne von § 556d Abs. 2 Sätze 5 bis 7 BGB soll gewährleisten, dass die Entscheidungen der Landesregierungen nachvollziehbar gemacht werden, insbesondere im Hinblick darauf, aufgrund welcher Tatsachen die Gebiete bestimmt wurden und welche Begleitmaßnahmen geplant sind, um die Anspannung der Wohnungsmärkte zu beseitigen (Regierungsentwurf eines Gesetzes zur Dämpfung des Mietanstiegs auf angespannten Wohnungsmärkten und zur Stärkung des Bestellerprinzips bei der Wohnungsvermittlung, BT-Drs. 18/3121 S. 29). Auch diese der Transparenz der Rechtsetzung dienende Begründungspflicht obliegt dem Verordnungsgeber nur gegenüber der Allgemeinheit.

b) Soweit die Revision auf den sogenannten "Honeywell"-Beschluss des Bundesverfassungsgerichts Bezug nimmt (BVerfGE 126, 286 ), folgt auch hieraus - jedenfalls nach geltendem Recht - kein Amtshaftungsanspruch für ein enttäuschtes Vertrauen in die Wirksamkeit einer gesetzlichen Regelung. Das Bundesverfassungsgericht hat es in dieser Entscheidung für möglich gehalten, zur Sicherung des verfassungsrechtlichen Vertrauensschutzes in Konstellationen der rückwirkenden Nichtanwendbarkeit eines Gesetzes infolge einer Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union innerstaatlich eine Entschädigung dafür zu gewähren, dass ein Betroffener auf die gesetzliche Regelung vertraut und in diesem Vertrauen Dispositionen getroffen hat. Es könne offenbleiben, ob ein entsprechender Anspruch bereits im bestehenden Staatshaftungssystem angelegt sei (BVerfG aaO, S. 314 f).

Wie die Revision nicht verkennt, wird von dem "Honeywell" - Beschluss nur die Konstellation der Unanwendbarkeit eines nationalen Gesetzes wegen entgegenstehenden höherrangigen Unionsrechts betroffen. Eine Aussage zur Staatshaftung bei - wie vorliegend - rein innerstaatlicher Gesetzgebung ergibt sich hieraus nicht. Selbst für den von ihm entschiedenen unionsrechtlichen Sachverhalt hat das Bundesverfassungsgericht diese Frage offengelassen.

Sie ist nach geltendem Recht im Hinblick auf den von der Klägerin - im Revisionsrechtszug allein noch - geltend gemachten Amtshaftungsanspruch auf der Grundlage der bisherigen Senatsrechtsprechung zur Haftung für legislatives Unrecht zu verneinen (ablehnend in Bezug auf einen Amtshaftungsanspruch aus § 839 BGB auch Papier/Shirvani aaO Rn. 318 sowie Karpenstein/Johann, NJW 2010, 3405 f). Die für eine Vertrauenshaftung für fehlerhafte Gesetzgebung erforderliche erhebliche Ausweitung der Haftung für legislatives Unrecht allein im Wege der richterlichen Rechtsfortbildung kommt nicht in Betracht. Sie bleibt dem Gesetzgeber vorbehalten. Insoweit wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die vorstehenden Ausführungen (unter 2 b) Bezug genommen.

Von Rechts wegen

Verkündet am: 28. Januar 2021

Vorinstanz: LG Frankfurt/Main, vom 25.03.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 4 O 307/18
Vorinstanz: OLG Frankfurt/Main, vom 13.02.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 1 U 60/19
Fundstellen
MDR 2021, 487
MietRB 2021, 97
NVwZ 2021, 1315
NZM 2021, 391
ZMR 2021, 466