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BGH - Entscheidung vom 28.04.2021

2 StR 498/20

Normen:
BtMG § 30a Abs. 3

Fundstellen:
NStZ 2022, 366

BGH, Beschluss vom 28.04.2021 - Aktenzeichen 2 StR 498/20

DRsp Nr. 2021/14271

Bewaffnetes Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge

Fehlte dem Angeklagten das aktuelle Bewusstsein, bewaffnet zu sein, kann ihm ohne Widerspruch nicht strafschärfend angelastet werden, er habe ohne nennenswerte Verzögerung auch auf die betreffenden Gegenstände zugreifen können.

Tenor

1.

Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Wiesbaden vom 22. September 2020 im Strafausspruch, insoweit mit den zugehörigen Feststellungen, sowie in der Anordnung über den Vorwegvollzug von Freiheitsstrafe aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

2.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Normenkette:

BtMG § 30a Abs. 3 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen bewaffneten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz verbotener Gegenstände in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz eines weiteren verbotenen Gegenstandes sowie in zwei weiteren Fällen wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in Tateinheit mit unerlaubtem Erwerb von Betäubungsmitteln zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt. Es hat die Unterbringung des Angeklagten in einer Entziehungsanstalt und die Vollziehung eines Teils der verhängten Gesamtfreiheitsstrafe vor der Maßregel angeordnet sowie eine Einziehungsentscheidung getroffen. Die auf die Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Angeklagten hat in dem aus der Beschlussformel ersichtlichen Umfang Erfolg; im Übrigen ist sie unbegründet (§ 349 Abs. 2 StPO ).

1. Der Schuldspruch weist keinen Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten auf. Hingegen hält der Strafausspruch rechtlicher Nachprüfung nicht stand.

a) Bei der Ablehnung eines minder schweren Falles gemäß § 30a Abs. 3 BtMG im Fall II. 1 der Urteilsgründe hat das Landgericht zwar die erforderliche Gesamtwürdigung vorgenommen, dabei aber zu Lasten des Angeklagten Umstände eingestellt, die es so nicht hätte berücksichtigen dürfen. Es erweist sich insofern zwar als unbedenklich, dass die Strafkammer in den Blick genommen hat, dass der Angeklagte vier Butterflymesser (und nicht lediglich eines) in unmittelbarer Reichweite der Betäubungsmittel mit sich führte. Die Anzahl mitgeführter Waffen darf strafschärfend Berücksichtigung finden (vgl. BGH NStZ 2007, 533 ). Als rechtsfehlerhaft erweist es sich aber, dass das Landgericht darüber hinaus zum Nachteil des Angeklagten angeführt hat, es hätten sich im unmittelbaren Umfeld der Betäubungsmittel "zugriffsbereit und offen sichtbar weitere sonstige Gegenstände im Sinne des § 30a BtMG , namentlich eine (funktionsfähige) Armbrust, ein Katana-Schwert mit geschärfter Klinge, eine Machete, ein Reizstoffsprühgerät sowie ein als Stabtaschenlampe getarnter Schlagstock befunden", auf die der Angeklagte ohne nennenswerte zeitliche Verzögerung hätte zugreifen können. Dies steht in nicht auflösbarem Widerspruch zu der im Rahmen der rechtlichen Würdigung ohne Rechtsfehler getroffenen Feststellung, es fehle an der (für diese Gegenstände erforderlichen) subjektiven Zweckbestimmung zur Verletzung von Personen. Steht damit aber fest, dass der Angeklagte diese Gegenstände "nicht bewusst gebrauchsbereit mit sich führte", ihm also das aktuelle Bewusstsein fehlte, bewaffnet zu sein (vgl. zur Begrifflichkeit nur etwa BGH StV 2012, 523 ) kann ihm ohne Widerspruch nicht - was das Landgericht aber tut - strafschärfend angelastet werden, er habe ohne nennenswerte Verzögerung auch auf diese Gegenstände zugreifen können. Etwas anderes ergibt sich im Übrigen nicht aus den vom Landgericht für seine Ansicht herangezogenen Entscheidungen und Literaturstellen; sie beziehen sich sämtlich auf die "potentielle Gefährlichkeit" von Gegenständen, die der Täter - anders als im zugrunde liegenden Fall - im Sinne von § 30a Abs. 2 Nr. 2 BtMG mit sich geführt hat.

Auf diesem Rechtsfehler beruht die Strafrahmenwahl. Der Senat kann nicht ausschließen, dass das Landgericht ohne die fehlerhafte Erwägung einen minder schweren Fall angenommen und eine mildere Strafe verhängt hätte.

b) Der Senat hebt auch die Strafaussprüche in den Fällen II. 2 und 3 der Urteilsgründe auf, um dem neuen Tatrichter eine insgesamt in sich stimmige Strafzumessung zu ermöglichen. Die Aufhebung der Einzelstrafaussprüche entzieht dem Gesamtstrafenausspruch die Grundlage.

c) Die Anordnung der Unterbringung in der Entziehungsanstalt bleibt von dem Rechtsfehler in der Strafzumessung unberührt. Allerdings unterliegt die Entscheidung über den Vorwegvollzug von Freiheitsstrafe der Aufhebung.

2. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass der Tatrichter differenzierter als bisher das Gewicht der festgestellten Vorstrafen, bei denen es sich überwiegend um Geldstrafen handelt, in die Strafzumessung einzustellen haben wird. Auch sind hinsichtlich der Fälle II. 2 und 3 der Urteilsgründe Feststellungen zur Menge und zum Wirkstoffgehalt der gehandelten bzw. zum Eigenverbrauch bestimmten Betäubungsmittel zu treffen. Wegen des drohenden Widerrufs der Strafaussetzung zur Bewährung verweist der Senat auf sein Urteil vom 17. Februar 2021 - 2 StR 294/20.

Vorinstanz: LG Wiesbaden, vom 22.09.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 3311 Js 41722/18
Fundstellen
NStZ 2022, 366