Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 19.05.2021

XII ZB 518/20

Normen:
BGB § 1896
BGB § 1896
BGB § 1896 Abs. 1
BGB § 1896 Abs. 2 S. 1-2
GG Art. 14 Abs. 1 S. 2

Fundstellen:
FGPrax 2021, 217
FamRZ 2021, 1654
MDR 2021, 1201
NJW-RR 2021, 1082
ZEV 2021, 584

BGH, Beschluss vom 19.05.2021 - Aktenzeichen XII ZB 518/20

DRsp Nr. 2021/12339

Bestellung eines Betreuers für einen Betroffenen bei Erforderlichkeit; Zweckbindung der Bevollmächtigung als Beurteilungsmaßstab für das Handeln des Bevollmächtigten

Eine Betreuung hat nicht den Zweck, das Vermögen des Betroffenen zugunsten eines gesetzlichen Erben zu erhalten oder zu vermehren (im Anschluss an Senatsurteil BGHZ 182, 116 = FamRZ 2009, 1656 ).

Tenor

Die Rechtsbeschwerden der Betroffenen und des weiteren Beteiligten zu 2 gegen den Beschluss der 3. Zivilkammer des Landgerichts Kiel vom 6. November 2020 werden zurückgewiesen.

Das Verfahren der Rechtsbeschwerde ist gerichtskostenfrei. Die außergerichtlichen Kosten der übrigen Beteiligten trägt der weitere Beteiligte zu 2.

Wert: 5.000 €

Normenkette:

BGB § 1896 Abs. 1 ; BGB § 1896 Abs. 2 S. 1-2; GG Art. 14 Abs. 1 S. 2;

Gründe

I.

Der Beteiligte zu 2 strebt die „Aufhebung“ der dem Beteiligten zu 1 von der Betroffenen erteilten General- und Vorsorgevollmacht an, soweit sie sich auf die Vermögenssorge erstreckt, und will die Einrichtung einer Betreuung mit dem Aufgabenkreis Vermögenssorge, Nachlassangelegenheiten und Geltendmachung von Rechten der Betroffenen gegenüber ihren Bevollmächtigten erreichen.

Die Beteiligten zu 1 und 2 sind die Söhne der 1937 geborenen Betroffenen. Ihr verstorbener Ehemann (im Folgenden: Erblasser) hatte in der Nachkriegszeit einen Fleischereibetrieb aufgebaut, in dem sie im Verkauf mitarbeitete. Während der Beteiligte zu 2 in diesen Betrieb nicht einsteigen wollte, gründete der Beteiligte zu 1 mit seiner Ehefrau 1988 vor Ort einen zweiten Fleischereibetrieb, der eng mit dem väterlichen Betrieb kooperierte. Das Verhältnis des Beteiligten zu 2 zum Erblasser verschlechterte sich ständig; demgegenüber stand der Beteiligte zu 1 seinen Eltern seit langen Jahren helfend zur Seite. Kurz vor seinem 70. Lebensjahr übergab der Erblasser seinen Betrieb an den Beteiligten zu 1 und dessen Ehefrau.

Im Jahr 2002 übertrug der Erblasser dem Beteiligten zu 2 schenkungsweise zwei Mehrfamilienhäuser in K. mit der Bestimmung, dass er sich den Wert der Objekte auf den Pflichtteilsanspruch anrechnen lassen müsse.

Mit notarieller General- und Vorsorgevollmacht vom 15. April 2015 hat die Betroffene ihren Ehemann und die beiden Söhne umfassend bevollmächtigt, wobei sie im Innenverhältnis die Reihenfolge Ehemann, Beteiligter zu 1 und Beteiligter zu 2 festlegte.

Mit notariellem Testament vom 21. März 2018 setzte der Erblasser die Betroffene und den Beteiligten zu 1 als Erben ein und zwar jeweils zu den Erbquoten, die sich aus der Gegenüberstellung des ihnen jeweils mit dem Testament zugewendeten Anteils am Nachlass ergäben, wobei der Anteil des dem Beteiligten zu 1 Zugewendeten den der Betroffenen deutlich überstieg. Als Vermächtnis wendete der Erblasser der Betroffenen erstens den Überschuss der Mieteinnahmen zu, der nach Begleichung der jährlich anfallenden Reparaturkosten für ein Hausgrundstück in K. verblieb und zweitens das Guthaben aus dem Hauskonto für das eheliche Anwesen. Von diesem Hauskonto sollten die allgemeinen Betriebskosten gedeckt und die Lebenshaltungskosten der Betroffenen gedeckt werden. In § 4 wurde dem Beteiligten zu 1 auferlegt, für eine würdevolle und angemessene Versorgung und Pflege der Betroffenen in ihrer gewohnten Umgebung des ehelichen Anwesens zu sorgen, gegebenenfalls durch die Beschäftigung einer im Haus lebenden Pflegekraft.

Am 26. März 2018 wurde bei der Betroffenen Demenz mit Verdacht auf Morbus Alzheimer diagnostiziert. Das vom Amtsgericht in einem Vorverfahren eingeholte Sachverständigengutachten vom 19. Juni 2018 bestätigte die Diagnose einer Demenz bei Alzheimerkrankheit. Nach den Feststellungen des Sachverständigen ist die Betroffene geschäftsunfähig und hochgradig hilflos sowie hochgradig eingeschränkt in ihrer Kritik- und Urteilsfähigkeit, ihrer Einsichts- und Steuerungsfähigkeit sowie ihren Fähigkeiten zur Realitätsprüfung und zu planerischem und zielgerichtetem Denken.

Am 15. April 2018 verstarb der Erblasser. Am 3. Mai 2018 fuhr der Beteiligte zu 2 mit der Betroffenen zur Sparkasse, wo sie von mehreren Konten, bei denen sie neben dem Erblasser mitberechtigt war, 1.021.000 € in bar beziehungsweise durch Überweisung an den Beteiligten zu 2 transferierte. Nach Angaben des Beteiligten zu 2 soll die Betroffene ihn gefragt haben, was sie gegen das Testament des Erblassers unternehmen könne, worauf er ihr vorgeschlagen habe, dass sie ihm die Bankkonten schenken und überweisen könne. Am 8. Juni 2018 fuhr der Beteiligte zu 2 mit der Betroffenen zu einer Notarin, die den Widerruf der dem Beteiligten zu 1 erteilten Vollmacht und die Erklärung der Ausschlagung des Erbes nach dem Erblasser durch die Betroffene beurkundete.

Im August 2018 richtete das Amtsgericht eine Kontrollbetreuung mit den Aufgabenbereichen Geltendmachung von Rechten der Betroffenen gegenüber ihren Bevollmächtigten sowie Nachlass- und Vermögensangelegenheiten ein und bestellte den Beteiligten zu 3 als Kontrollbetreuer. Dieser regte im September 2019 die Aufhebung der Kontrollbetreuung an, nachdem sich der Beteiligte zu 2 in einem anderen Verfahren vor dem Amtsgericht vergleichsweise verpflichtet hatte, es zu unterlassen, von der General- und Vorsorgevollmacht vom 15. April 2015 ohne Rücksprache und Zustimmung des Beteiligten zu 1 Gebrauch zu machen, und die Betroffene durch die Umsetzung der testamentarischen Bestimmungen des Erblassers bestmöglich versorgt sei.

Das Amtsgericht hat die Kontrollbetreuung aufgehoben. Die hiergegen gerichtete Beschwerde des Beteiligten zu 2 hat das Landgericht zurückgewiesen. Dagegen richten sich die Rechtsbeschwerden, die der Beteiligte zu 2 namens der Betroffenen und im eigenen Namen eingelegt hat und mit denen er seine Beschwerdeanträge weiterverfolgt.

II.

Die zulässigen Rechtsbeschwerden sind nicht begründet.

1. Soweit der Beteiligte zu 2 Rechtsbeschwerde im eigenen Namen eingelegt hat, ergibt sich seine Beschwerdebefugnis für das Rechtsbeschwerdeverfahren bereits daraus, dass seine (Erst-)Beschwerde erfolglos geblieben ist (vgl. Senatsbeschluss vom 16. Januar 2019 - XII ZB 489/18 - FamRZ 2019, 618 Rn. 4 mwN).

Gemäß § 303 Abs. 4 FamFG , der nach der Rechtsprechung des Senats im Rechtsbeschwerdeverfahren uneingeschränkt entsprechende Anwendung findet, kann der Beteiligte zu 2 zudem als umfassend Vorsorgebevollmächtigter Rechtsbeschwerde im Namen der Betroffenen unabhängig davon einlegen, ob er bereits in der Beschwerdeinstanz namens der Betroffenen das Rechtsmittel geführt hat (vgl. Senatsbeschluss vom 14. Oktober 2020 - XII ZB 91/20 - FamRZ 2021, 228 Rn. 14 f. mwN).

2. Die Rechtsbeschwerden sind indessen in der Sache nicht begründet.

a) Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt, die Einrichtung einer Betreuung scheide aufgrund der Vorsorgevollmacht aus. Auch die Voraussetzungen für die Einsetzung eines Kontrollbetreuers bezüglich der Interessenwahrnehmung durch den Beteiligten zu 1 lägen nicht vor. Sie ergäben sich insbesondere nicht daraus, dass der Beteiligte zu 1 nicht für die Betroffene die Erbschaft aus dem notariellen Testament des Erblassers vom 21. März 2018 ausgeschlagen, nicht einen Zusatzpflichtteil nach § 2305 BGB geltend gemacht habe oder dass er das Gesamtguthaben eines ehemals gemeinschaftlichen Kontos des Erblassers und der Betroffenen bei der Sparkasse für sich beanspruche.

Das Unterlassen der Erbausschlagung lasse eine künftige Verletzung des Wohls der Betroffenen bereits deshalb nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und in erheblicher Schwere befürchten, weil der Erblasser mit einem Bündel von Maßnahmen in seinem Testament für das Wohl der Betroffenen gesorgt habe. Zunächst sei der Betroffenen das Miteigentum des Erblassers an dem zuvor gemeinsam bewohnten Wohnhaus nebst sämtlichen Einrichtungsgegenständen übertragen worden. Zudem sei der Betroffenen das allgemeine Hauskonto vermacht worden, von dem die allgemeinen Betriebskosten zu tragen seien. Sodann enthalte das Testament das Vermächtnis der Überschüsse der Mieteinnahmen aus einem Hausgrundstück in K. , woraus sich ein Jahresreinertrag von 104.731,20 € ergebe. Außerdem sei dem Beteiligten zu 1 im Testament die Auflage erteilt worden, für eine würdevolle und angemessene Versorgung und Pflege der Betroffenen in ihrer gewohnten Umgebung zu sorgen, gegebenenfalls durch die Beschäftigung einer im Haus wohnenden Pflegekraft. Soweit das der Betroffene zufließende Kapital für die beschriebene Versorgung nicht ausreichen sollte, müsse der Beteiligte zu 1 den Fehlbetrag aus eigenen Mitteln aufbringen. Entsprechendes gelte für die dem Beteiligten zu 1 übertragene Verwaltung, Instandhaltung und Instandsetzung des Wohnhauses der Betroffenen. Das Testament sehe danach eine umfassende Absicherung der Betroffenen vor, die vom Beteiligten zu 1 so auch umgesetzt worden sei.

Die Umsetzung der konkreten testamentarischen Bestimmungen entspräche zudem den mutmaßlichen Versorgungswünschen und -bedürfnissen der Betroffenen, da sie dadurch bis an ihr Lebensende in ihrer gewohnten Umgebung würdevoll und angemessen versorgt und gepflegt werde. Die testamentarischen Regelungen seien erkennbar auf die sich abzeichnende Erkrankung der Betroffenen zugeschnitten. Da sie zudem durch ihre Vorsorgevollmacht nach dem Erblasser den Beteiligten zu 1 bevollmächtigt habe, könne davon ausgegangen werden, dass es auch dem Willen der Betroffenen entsprochen habe, in erster Linie den Beteiligten zu 1 als den für ihr Wohlergehen Verantwortlichen einzusetzen.

Dagegen könne sich der Beteiligte zu 2 in diesem Zusammenhang wegen der zu diesem Zeitpunkt bereits fortgeschrittenen Demenzerkrankung nicht auf die Erbausschlagung der Betroffenen vom 8. Juni 2018 berufen. Soweit die Notarin von einer vollen Geschäftsfähigkeit der Betroffenen bei der Beurkundung ausgehen wolle, werde dies durch das Sachverständigengutachten vom 19. Juni 2018 widerlegt.

Danach habe für den Beteiligten zu 1 keine Veranlassung bestanden, für die Betroffene die Erbschaft auszuschlagen, auch wenn dadurch die finanzielle Situation der Betroffenen nach den Modellrechnungen des Beteiligten zu 2 erheblich hätte verbessert werden können. Denn die Gewährleistung der beschriebenen Versorgung in ihrem vertrauten Umfeld sei für die Betroffene wichtiger als rein finanzielle Erwägungen. Hinzu komme, dass eine Ausschlagung für die Betroffene mit erheblichen Risiken verbunden gewesen wäre, zumal sie in diesem Fall auch das Alleineigentum an dem zuvor gemeinsam mit dem Erblasser bewohnten Haus und die Mieteinnahmen aus dem Hausgrundstück in K. sowie die persönliche Verpflichtung des Beteiligten zu 1 aus dem Testament verloren hätte.

Auch soweit der Beteiligte zu 2 nunmehr behaupte, für die Betroffene sei jedenfalls ein Zusatzpflichtteil nach § 2305 BGB geltend zu machen, lasse die Unterlassung einer solchen Geltendmachung keinen Anhaltspunkt für eine künftige Verletzung des Wohls der Betroffenen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und erheblicher Schwere erkennen. Denn die Betroffene sei derart umfassend gesichert, dass keine Anhaltspunkte dafür bestünden, dass die beschriebene Absicherung ohne einen Zusatzpflichtteil nicht erreicht werden könne.

Da nach dem Gesamtverhalten des Beteiligten zu 1 keinerlei Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass er sich Geldvermögen der Betroffenen eigenmächtig einverleiben wolle, begründe es auch keine Gefährdungslage, dass der Beteiligte zu 1 die Rechtsauffassung vertrete, das Gesamtguthaben eines ehemals gemeinschaftlichen Kontos seiner Eltern falle in seinen Erbteil. Denn der Beteiligte zu 1 habe bislang keine Anstalten gemacht, auf den möglichen Anteil der Betroffenen, den er für sie angelegt habe, zuzugreifen, und zudem bei seiner Anhörung erklärt, dass er dieses Geld bis zu einer gerichtlichen Entscheidung oder Einigung der Beteiligten nicht anrühren werde.

Im Übrigen seien die Streitigkeiten zwischen den Beteiligten zu 1 und zu 2 bezüglich ihrer Kompetenzen aus der Vorsorgevollmacht vom 15. April 2015 zwischenzeitlich durch den in einem anderen Verfahren vor dem Amtsgericht geschlossenen Vergleich beseitigt worden.

Schließlich ergäben sich auch aus der Versorgung der Betroffenen keine Anhaltspunkte für die Erforderlichkeit einer Kontrollbetreuung. Denn unstreitig erhalte die Betroffene in dem von ihr bewohnten Wohnhaus, insbesondere durch eine dort lebende Pflegekraft, eine umfassende Versorgung, was sich bei der persönlichen Anhörung der Betroffenen bestätigt habe.

b) Diese Ausführungen halten rechtlicher Nachprüfung stand.

aa) Das Beschwerdegericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass es einer Betreuung gemäß § 1896 Abs. 1 BGB nicht bedarf.

(1) Ein Betreuer darf nach § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB nur bestellt werden, soweit die Betreuerbestellung erforderlich ist. An der Erforderlichkeit fehlt es, soweit die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können (§ 1896 Abs. 2 Satz 2 BGB ). Eine Vorsorgevollmacht steht daher der Bestellung eines Betreuers grundsätzlich entgegen. Anders kann es zum einen liegen, wenn Zweifel an der Wirksamkeit der Vollmachterteilung oder am Fortbestand der Vollmacht bestehen, die geeignet sind, die Akzeptanz der Vollmacht im Rechtsverkehr und damit die Wahrnehmung von Rechten des Betroffenen durch den Bevollmächtigten zu beeinträchtigen. Eine Betreuung kann trotz Vorsorgevollmacht zum anderen dann erforderlich sein, wenn der Bevollmächtigte ungeeignet ist, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen, insbesondere weil zu befürchten ist, dass die Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen durch jenen eine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen begründet. Letzteres ist der Fall, wenn der Bevollmächtigte wegen erheblicher Bedenken an seiner Geeignetheit oder Redlichkeit als ungeeignet erscheint (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Mai 2018 - XII ZB 413/17 - FamRZ 2018, 1188 Rn. 16 mwN).

Beurteilungsmaßstab für das Handeln des Bevollmächtigten ist dabei, ob es sich im Rahmen der Zweckbindung der Bevollmächtigung hält. Diese Zweckbindung ergibt sich einerseits aus dem ihm erteilten Auftrag und den ihm konkret erteilten Weisungen, andererseits aus dem einer Vorsorgevollmacht generell zugrundeliegenden Zweck einer sachgerechten Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen. Der Bevollmächtigte muss im wohlverstandenen Interesse des Vollmachtgebers handeln. Er darf und muss sich dabei an den ihm erteilten Auftrag und die damit verbundenen Weisungen halten, mit denen allerdings im Einzelfall auch freigiebige Ziele verfolgt werden können. Die erteilten Weisungen und das wohlverstandene Interesse des Betroffenen können auch Zuwendungen an andere Personen einschließen, namentlich, wenn dies in Kontinuität zu der vom Vollmachtgeber in gesunden Zeiten geübten Praxis steht und keinen selbstschädigenden Umfang annimmt. Die Vollmacht ist deshalb nicht stets schon dann zweckwidrig verwendet, wenn der Bevollmächtigte Maßnahmen ergreift, die auch ihm selbst einen Vorteil verschaffen (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Mai 2018 - XII ZB 413/17 - FamRZ 2018, 1188 Rn. 19 f. mwN).

Über Art und Umfang seiner Ermittlungen entscheidet dabei der Tatrichter nach pflichtgemäßem Ermessen. Dem Rechtsbeschwerdegericht obliegt lediglich die Kontrolle auf Rechtsfehler, insbesondere die Prüfung, ob die Tatsachengerichte alle maßgeblichen Gesichtspunkte in Betracht gezogen haben und die Würdigung auf einer ausreichenden Sachaufklärung beruht (vgl. Senatsbeschluss vom 9. Mai 2018 - XII ZB 413/17 - FamRZ 2018, 1188 Rn. 17 mwN).

(2) Gemessen daran hat das Beschwerdegericht den Bedarf für die Einrichtung einer Betreuung zu Recht verneint, weil die Angelegenheiten der Betroffenen durch den Beteiligten zu 1 als Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können.

Die Wirksamkeit der Erteilung der General- und Vorsorgevollmacht an den Beteiligten zu 1 am 15. April 2015 steht nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts außer Zweifel. Mit zutreffender Begründung ist das Beschwerdegericht weiter von der Geschäftsunfähigkeit der Betroffenen am 8. Juni 2018 ausgegangen. Damit war der Widerruf der Bevollmächtigung unwirksam. Der Fortbestand der Bevollmächtigung wird demgemäß von der Rechtsbeschwerde auch nicht in Zweifel gezogen.

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde sind auch tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass der Beteiligte zu 1 zur Wahrnehmung der Interessen der Betroffenen ungeeignet wäre oder die Vollmacht zweckwidrig verwendet hätte, weder festgestellt noch ersichtlich. Das Beschwerdegericht ist im Anschluss an die Ausführungen des Kontrollbetreuers zu Recht davon ausgegangen, dass die Betroffene und der Erblasser in gesunden Zeiten die Verteilung ihres Nachlasses langfristig gemeinsam geplant haben. Danach sollte der Beteiligte zu 2 mit der Begründung, er habe sich weder für den elterlichen Betrieb interessiert noch um seine Eltern gekümmert, auf den Pflichtteil beschränkt bleiben, zu dessen Abgeltung ihm bereits im Jahr 2002 schenkungsweise zwei Mietshäuser in K. übertragen wurden. Im Übrigen sollte die würdevolle Versorgung und Pflege der Betroffenen in ihrer bisherigen Umgebung bestmöglich gesichert werden und der restliche Nachlass sodann an den Beteiligten zu 1 fallen. Als sich die Erkrankung der Betroffenen abzeichnete, hat der Erblasser diesen gemeinsamen Wunsch der Eheleute durch sein Testament abgesichert. Der Beteiligte zu 1 hat unstreitig sämtliche Auflagen des Testaments bezüglich der Versorgung und Pflege der Betroffenen umgesetzt und sich damit zugleich im Rahmen der Bevollmächtigung gehalten. Dass der Beteiligte zu 1 für die Betroffene weder die Erbschaft nach dem Erblasser ausgeschlagen noch einen ergänzenden Pflichtteilsanspruch geltend gemacht hat, vermag demgegenüber entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde keine abweichende Beurteilung zu rechtfertigen, weil die Regelungen des Testaments die gemeinsam geplante Verfügung der Ehegatten über den Nachlass für die Betroffene umsetzen. Das Beschwerdegericht hat zudem zutreffend darauf hingewiesen, dass eine Ausschlagung der Erbschaft schon deswegen den Interessen der Betroffenen widersprochen hätte, weil sie dadurch das Alleineigentum am vormals ehelichen Anwesen und damit die Garantie ihrer vertrauten Umgebung verloren hätte.

Tatsächliche Anhaltspunkte dafür, dass die Betroffene von den gemeinsamen Vorstellungen der Ehegatten hinsichtlich ihres Nachlasses abrücken wollte, sind weder festgestellt oder ersichtlich. Sie liegen insbesondere nicht in der Behauptung des Beteiligten zu 2, die Betroffene habe ihn gefragt, was sie gegen das Testament des Erblassers unternehmen könne. Selbst wenn man dies als wahr unterstellt, kann einer solchen Äußerung angesichts des Krankheitsbilds der Betroffenen gegenüber den Planungen zu gesunden Zeiten keine überwiegende Bedeutung beigemessen werden, da die Betroffene zum Zeitpunkt dieser Äußerungen nicht mehr in der Lage war, komplexe Sachverhalte zu überblicken. Die von der Rechtsbeschwerde insoweit aufgeworfene Frage einer postmortalen ehelichen Loyalität stellt sich daher hier nicht. Anders als die Rechtsbeschwerde meint, kann daher auch nicht davon ausgegangen werden, das Beschwerdegericht hätte sich dem zentralen Vorbringen des Beteiligten zu 2 verschlossen, dass der Betroffenen ganz besonders an einer gleichmäßigen und gerechten Weitergabe des elterlichen Vermögens an die nachfolgende Generation gelegen sei.

Ohne Erfolg versucht die Rechtsbeschwerde, eine abweichende Beurteilung aus der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs abzuleiten, wonach im Zweifel jedem Menschen daran gelegen ist, Vermögenswerte, die er selbst nicht benötigt, so anzulegen, dass sie mit dem Tod auf die Erben übergehen (vgl. BGH Urteil vom 16. Juni 1971 - IV ZR 33/70 - juris Rn. 23). Denn dies übergeht, dass nach den Feststellungen des Beschwerdegerichts hier tatsächliche Anhaltspunkte für einen abweichenden Willen der Betroffenen vorliegen, da sie bereits in gesunden Zeiten gemeinsam mit dem Erblasser die Verteilung des Nachlasses geplant und bereits teilweise umgesetzt hat. Vor diesem Hintergrund ist es rechtsbeschwerderechtlich nicht zu beanstanden, wenn das Beschwerdegericht davon ausgegangen ist, dass sich der mutmaßliche Wille der Betroffenen nicht auf die Optimierung ihrer eigenen finanziellen Situation als Erblasserin richtet, sondern auf die Umsetzung ihrer Vorstellungen aus gesunden Zeiten und ihre eigene beste Versorgung und Pflege.

Abweichend von den Vorstellungen des Beteiligten zu 2 dienen auch weder die Eigentums- und Erbrechtsgarantie des Art. 14 Abs. 1 Satz GG noch die Betreuung dazu, das Vermögen des Betroffenen zugunsten eines gesetzlichen Erben zu erhalten oder zu vermehren (vgl. Senatsurteil BGHZ 182, 116 = FamRZ 2009, 1656 Rn. 19 mwN). Soweit der Senat entschieden hat, dass das wohlverstandene Interesse des Betroffenen auch Zuwendungen an Angehörige einschließen kann, namentlich wenn dies in Kontinuität zu einer in gesunden Zeiten geübten Praxis steht und keinen selbstschädigenden Umfang annimmt (vgl. Senatsbeschluss vom 8. Januar 2020 - XII ZB 368/19 - FamRZ 2020, 629 Rn. 17), führt dies entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde vorliegend schon deswegen zu keiner abweichenden Beurteilung, weil es in gesunden Zeiten keine Zuwendungen an den Beteiligten zu 2 gab, die über seinen Pflichtteil hinausgingen.

bb) Zutreffend ist das Beschwerdegericht auch davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für die Einrichtung einer Kontrollbetreuung nach § 1896 Abs. 3 BGB hinsichtlich der Interessenwahrnehmung durch den Hauptbevollmächtigten, den Beteiligten zu 1, nicht vorliegen.

(1) Eine Kontrollbetreuung darf wie jede andere Betreuung nach § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB nur dann eingerichtet werden, wenn sie erforderlich ist. Insoweit kann das Bedürfnis nach einer Kontrollbetreuung nicht allein damit begründet werden, der Vollmachtgeber sei aufgrund seiner Erkrankung nicht mehr selbst in der Lage, den Bevollmächtigten zu überwachen. Vielmehr müssen weitere Umstände hinzutreten, die die Errichtung einer Kontrollbetreuung erfordern. Notwendig ist der konkrete, also durch hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte untermauerte Verdacht, dass mit der Vollmacht dem Betreuungsbedarf nicht oder nicht in gebotener Weise Genüge getan wird. Dies kann der Fall sein, wenn nach den üblichen Maßstäben aus der Sicht eines vernünftigen Vollmachtgebers unter Berücksichtigung des in den Bevollmächtigten gesetzten Vertrauens eine ständige Kontrolle schon deshalb geboten ist, weil Anzeichen dafür sprechen, dass der Bevollmächtigte mit dem Umfang und der Schwierigkeit der vorzunehmenden Geschäfte überfordert ist, oder wenn gegen die Redlichkeit oder die Tauglichkeit des Bevollmächtigten Bedenken bestehen. Ein Missbrauch der Vollmacht oder ein entsprechender Verdacht ist nicht erforderlich. Ausreichend sind konkrete Anhaltspunkte dafür, dass der Bevollmächtigte nicht mehr entsprechend der Vereinbarung und im Interesse des Vollmachtgebers handelt (vgl. Senatsbeschluss vom 5. Juni 2019 - XII ZB 58/19 - FamRZ 2019, 1355 Rn. 19 mwN).

Soll dem Kontrollbetreuer zudem die Ermächtigung zum Vollmachtwiderruf übertragen werden, setzt dies tragfähige Feststellungen voraus, dass das Festhalten an der erteilten Vorsorgevollmacht eine künftige Verletzung des Wohls des Betroffenen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und in erheblicher Schwere befürchten lässt. Sind behebbare Mängel bei der Vollmachtausübung festzustellen, erfordert der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zunächst den Versuch, durch einen zu bestellenden Kontrollbetreuer auf den Bevollmächtigten positiv einzuwirken, insbesondere durch Verlangen nach Auskunft und Rechenschaftslegung sowie die Ausübung bestehender Weisungsrechte. Nur wenn diese Maßnahmen fehlschlagen oder ein solches Vorgehen aufgrund feststehender Tatsachen mit hinreichender Sicherheit als ungeeignet erscheint, drohende Schäden auf diese Weise abzuwenden, ist die Ermächtigung zum Vollmachtwiderruf, der die ultima ratio darstellt, verhältnismäßig (vgl. Senatsbeschlüsse vom 5. Juni 2019 - XII ZB 58/19 - FamRZ 2019, 1355 Rn. 22 mwN und vom 9. Mai 2018 - XII ZB 413/17 - FamRZ 2018, 1188 Rn. 32 mwN).

(2) Gemessen daran hat das Beschwerdegericht die Voraussetzungen für eine Kontrollbetreuung zu Recht verneint.

Der Beteiligte zu 1 hat sich, wie bereits oben ausgeführt, bislang an die ihm erteilten Weisungen gehalten und im wohlverstandenen Interesse der Betroffenen gehandelt. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass das Festhalten an der Bevollmächtigung künftig irgendeine Verletzung des Wohls der Betroffenen erwarten lasse, sind weder festgestellt noch ersichtlich. Sie werden von der Rechtsbeschwerde auch nicht aufgezeigt. Denn entgegen der Auffassung des Beteiligten zu 2 können sie nicht daraus hergeleitet werden, dass der Beteiligte zu 1 als Bevollmächtigter die Weisungen und das wohlverstandene Interesse der Betroffenen über das Interesse des Beteiligten zu 2 stellt, das Vermögen der Betroffenen zu seinen eigenen Gunsten als gesetzlicher Erbe zu erhalten oder zu vermehren. Darüber hinausgehende Rügen erhebt der Beteiligte zu 2 aber nicht.

Vorinstanz: AG Eckernförde, vom 12.11.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 3 XVII 6255
Vorinstanz: LG Kiel, vom 06.11.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 3 T 401/19
Fundstellen
FGPrax 2021, 217
FamRZ 2021, 1654
MDR 2021, 1201
NJW-RR 2021, 1082
ZEV 2021, 584