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BGH - Entscheidung vom 25.03.2021

III ZR 267/20

Normen:
ZPO § 42 Abs. 2

BGH, Beschluss vom 25.03.2021 - Aktenzeichen III ZR 267/20

DRsp Nr. 2021/8248

Besorgnis der Befangenheit in einem Verfahren im Zusammenhang mit dem Dieselskandal

Tenor

Die in der Erklärung des Vorsitzenden Richters am Bundesgerichtshof Dr. H. vom 11. Februar 2021 mitgeteilten Umstände rechtfertigen die Besorgnis der Befangenheit nicht.

Normenkette:

ZPO § 42 Abs. 2 ;

Gründe

I.

Die Klägerin verlangt von der Beklagten Schadensersatz unter dem Vorwurf, in den Dieselmotor OM 651 eines von ihr, der Klägerin, erworbenen Fahrzeugs (Typ Mercedes-Benz V 250) verbotene Abschalteinrichtungen eingebaut zu haben. Die Klage hat in erster und zweiter Instanz keinen Erfolg gehabt. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihre Ansprüche bis auf einen Teil des Zinsanspruchs weiter.

Am 11. Februar 2021 hat der Vorsitzende des erkennenden Senats, Vorsitzender Richter am Bundesgerichtshof Dr. H. , angezeigt, dass er im Frühjahr 2014 einen Volkswagen CC mit dem Motor EA 189 erworben und aufgrund dessen eine Schadensersatzklage gegen die Volkswagen AG erhoben habe. Beide Parteien haben darauf mitgeteilt, eine Stellungnahme hierzu sei nicht veranlasst.

II.

Die in der Anzeige des Vorsitzenden Richters mitgeteilten Tatsachen rechtfertigen die Besorgnis der Befangenheit nicht.

1. Gemäß § 42 Abs. 2 ZPO ist die Befangenheit eines Richters zu besorgen, wenn ein Grund vorliegt, der geeignet ist, Misstrauen gegen seine Unparteilichkeit zu rechtfertigen. Dies ist dann der Fall, wenn bei verständiger Würdigung des Sachverhalts Grund zu der Annahme besteht, dass der Richter eine Haltung einnimmt, die seine Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit störend beeinflussen kann. Maßgeblich ist, ob bei vernünftiger Würdigung aller Umstände Anlass gegeben ist, an der Unvoreingenommenheit und objektiven Einstellung des Richters zu zweifeln (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 10. Dezember 2019 - II ZB 14/19, NJW 2020, 1680 Rn. 9 und vom 28. Juli 2020 - VI ZB 94/19, NJW 2020, 3458 Rn. 7, jeweils mwN). Tatsächliche Befangenheit oder Voreingenommenheit ist nicht erforderlich; es genügt bereits der "böse Schein", das heißt der mögliche Eindruck mangelnder Objektivität (BGH aaO). Misstrauen gegen die Unvoreingenommenheit eines Richters ist unter anderem dann gerechtfertigt, wenn objektive Gründe dafür sprechen, dass er auf Grund eines eigenen - sei es auch nur mittelbaren - wirtschaftlichen Interesses am Ausgang des Rechtsstreits der Sache nicht unvoreingenommen und unparteiisch gegenübersteht (BGH aaO). Die Besorgnis der Befangenheit im Sinne von § 42 Abs. 2 ZPO kann dementsprechend begründet sein, wenn ein Richter in einem Verfahren zwar nicht selbst Partei ist, aber über den gleichen Sachverhalt zu entscheiden hat, aus dem er selbst Ansprüche gegen eine Partei geltend macht. Aus der Sicht einer Partei, gegen die ein Richter Ansprüche erhebt, kann Anlass zu der Befürchtung bestehen, dass dieser Richter die Würdigung des Sachverhalts, wie er sie dem von ihm verfolgten Anspruch gegen die Partei zugrunde gelegt hat, auf das Verfahren gegen eine andere Partei, dem der gleiche Sachverhalt zugrunde liegt, überträgt und wie in der eigenen Sache urteilt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 10. Dezember 2019 aaO Rn. 10 und vom 28. Juli 2020 aaO Rn. 8).

2. Nach diesen Maßstäben liegt hier ein Ablehnungsgrund nicht vor. Der Vorsitzende Richter hat insbesondere keine Ansprüche aus einem im Wesentlichen gleichen Sachverhalt geltend gemacht.

Seiner Klage hat der Vorsitzende Richter zugrunde gelegt, dass Vorstandsmitglieder und/oder Mitarbeiter der Volkswagen AG ihm gegenüber unerlaubte Handlungen begangen hätten. Die Klägerin macht nicht geltend, dass diese Handlungen der hiesigen Beklagten zuzurechnen wären. Vielmehr stützt sie sich auf Handlungen der Beklagten im Typengenehmigungsverfahren für das von ihr erworbene Fahrzeugmodell; dieses ist selbständig und unabhängig von dem Genehmigungsverfahren für den vom Vorsitzenden Richter gekauften Fahrzeugtyp durchgeführt worden. Entsprechendes gilt, soweit sich die Klägerin auf eine den streitgegenständlichen Fahrzeugtyp betreffende zweite Abschalteinrichtung und Rückrufaktion beruft. Es liegen daher zwei unabhängig voneinander zu bewertende Sachverhalte vor, die zwar gewisse Parallelen, aber keine erheblichen Überschneidungen im Tatsächlichen aufweisen.

Sonach ergeben sich bei vernünftiger Betrachtung keine Zweifel an der Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit des Vorsitzenden Richters.

Vorinstanz: LG Halle, vom 17.09.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 4 O 44/19
Vorinstanz: OLG Naumburg, vom 31.08.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 12 U 161/19