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BGH - Entscheidung vom 26.01.2021

VIII ZR 369/19

Normen:
ZPO § 544 Abs. 2 Nr. 1

BGH, Beschluss vom 26.01.2021 - Aktenzeichen VIII ZR 369/19

DRsp Nr. 2021/4392

Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision wegen Nichterreichung der vorgegebenen Wertgrenze von mehr als 20.000 €

1. Dem Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs kommt im Falle einer - wie hier begehrten - Zug-um-Zug-Verurteilung ein eigener wirtschaftlicher Wert nicht zu, weil die Frage des Annahmeverzugs nur ein rechtlich unselbständiges Element der umstrittenen Leistungsverpflichtung und deshalb mit dieser wirtschaftlich identisch ist.2. Auch bei Anwendung des § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO gilt der Grundsatz, dass bei der Inanspruchnahme von Streitgenossen durch eine Klage eine Wertaddition dann nicht stattfindet, wenn die verfolgten Ansprüche wirtschaftlich identisch sind. Kann der Kläger aus Gründen des materiellen Rechts - hier - die Rückzahlung des Kaufpreises nur einmal verlangen, findet eine Wertaddition auch dann nicht statt, wenn er die Beklagten nicht als Gesamtschuldner in Anspruch nimmt.

Tenor

Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Oberlandesgerichts München - 21. Zivilsenat - vom 27. November 2019 wird auf seine Kosten als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf bis 16.000 € festgesetzt.

Normenkette:

ZPO § 544 Abs. 2 Nr. 1 ;

Gründe

I.

Der Kläger erwarb im Februar 2016 von der Beklagten zu 1 ein von der Beklagten zu 2 hergestelltes (gebrauchtes) Diesel-Fahrzeug zum Preis von 12.400 €. Das Fahrzeug ist mit einem Motor ausgestattet, dessen Steuerungssoftware über zwei unterschiedliche Betriebsmodi verfügt. Auf dem Prüfstand wird der "Modus 1" aktiviert, der den Stickoxidausstoß verringert, während bei den im normalen Straßenverkehr anzutreffenden Bedingungen der zu einem höheren Austritt von Stickoxiden führende "Modus 0" eingeschaltet ist. Im Kaufvertrag ist unter der Rubrik "Mitverkaufte Zubehörteile" vermerkt:

"Fzg. ist von der Rückrufaktion bezgl. Manipulierter Abgaswerte betroffen."

Der Kläger nimmt die Beklagte zu 1 auf Rückzahlung des Kaufpreises, Zug um Zug gegen Rückübereignung des Fahrzeugs und Zahlung einer von der Beklagten zu 1 noch darzulegenden Nutzungsentschädigung, in Anspruch. Zudem beantragt er die Feststellung, dass sich die Beklagte zu 1 mit der Rücknahme des Fahrzeugs in Annahmeverzug befinde.

Bezüglich der Beklagten zu 2 beantragt der Kläger festzustellen, dass diese verpflichtet ist, Schadensersatz zu zahlen für Schäden, die aus der Manipulation des gekauften Fahrzeugs resultieren. Zudem beantragt der Kläger bezüglich beider Beklagten die Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsanwaltskosten.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Der Feststellungsantrag gegen die Beklagte zu 2 sei bereits unzulässig. Selbst wenn man dies anders beurteile, bestünden ihr gegenüber keine deliktischen Ansprüche. Gewährleistungsansprüche gegen die Beklagte zu 1 stünden dem Kläger nicht zu, da ihm, als er das Fahrzeug mehrere Monate nach Bekanntwerden des sogenannten Abgasskandals gekauft habe, der Mangel aufgrund des eindeutigen Hinweises im Kaufvertrag bekannt gewesen sei (§ 442 Abs. 1 BGB ).

Das Oberlandesgericht hat die Berufung des Klägers durch Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückgewiesen und den Streitwert auf 16.400 € festgesetzt.

Mit der beabsichtigten Revision, deren Zulassung er mit der Nichtzulassungsbeschwerde begehrt, möchte der Kläger sein Klagebegehren weiterverfolgen. Er meint, seine Beschwer betrage 26.320 €. Der für die Bemessung der Beschwer im Verhältnis zur Beklagten zu 1 maßgebende Kaufpreis (12.400 €) sei auch bei dem gegen die Beklagte zu 2 erhobenen Feststellungsantrag zu berücksichtigen. Zuzüglich eines Betrags von 5.000 € für in Betracht kommende (weitere) Schäden und unter Berücksichtigung eines "Feststellungsabschlags" von 20 % ergebe sich insoweit ein Wert in Höhe von 13.920 €, welcher addiert mit dem vorgenannten Kaufpreis eine deutlich über 20.000 € liegende Beschwer ergebe.

II.

Die Nichtzulassungsbeschwerde ist unzulässig, weil der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer die in § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO vorgegebene Wertgrenze von mehr als 20.000 € nicht erreicht. Die Beschwer des in den Vorinstanzen mit seinem Begehren unterlegenen Klägers beträgt lediglich 13.200 €.

1. Der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer bemisst sich nach dem Interesse des Rechtsmittelklägers an der Abänderung der Entscheidung des Berufungsgerichts. Dieses Interesse ist nach den allgemeinen Grundsätzen der §§ 3 ff. ZPO zu ermitteln (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. November 2003 - VI ZR 418/02, NJW-RR 2004, 638 unter II; vom 8. Mai 2007 - VIII ZR 133/06, NZM 2007, 449 Rn. 2; vom 14. November 2013 - V ZR 28/13, juris Rn. 5 f.). Über die Höhe der Beschwer hat das Revisionsgericht selbst zu befinden (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. März 2013 - XII ZR 8/13, NJW-RR 2013, 1401 Rn. 8; vom 9. November 2018 - VI ZR 5/18, juris Rn. 3).

2. Hiernach übersteigt der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer den Betrag von 20.000 € nicht. Er entspricht vorliegend dem Gegenstandswert des Verfahrens über die Nichtzulassungsbeschwerde. Beide Werte richten sich nach dem Interesse des Klägers an einer Verurteilung der Beklagten und belaufen sich auf 13.200 €.

a) Bezüglich der Beklagten zu 1 ist allein der zur Rückzahlung begehrte Kaufpreis von 12.400 € wertbestimmend. Die Zug um Zug zu erbringenden Gegenleistungen (Rückübereignung des Fahrzeugs und Zahlung einer Nutzungsentschädigung) bleiben außer Betracht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. Januar 2015 - III ZR 41/14, juris Rn. 3; vom 13. Februar 2019 - V ZR 68/17, juris Rn. 8).

Dem Antrag auf Feststellung des Annahmeverzugs kommt im Falle einer - wie hier begehrten - Zug-um-Zug-Verurteilung ein eigener wirtschaftlicher Wert nicht zu, weil die Frage des Annahmeverzugs nur ein rechtlich unselbständiges Element der umstrittenen Leistungsverpflichtung und deshalb mit dieser wirtschaftlich identisch ist (vgl. Senatsbeschluss vom 13. Oktober 2020 - VIII ZR 290/19, NJW-RR 2020, 1517 Rn. 7 mwN).

b) Bezüglich der Beklagten zu 2 ist das Interesse des Klägers im Ergebnis lediglich mit 800 € zu bemessen.

aa) Zwar ist der Kläger, anders als die Beklagte zu 2 meint, unter den hier gegebenen Umständen nicht gehindert, im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde einen höheren (Beschwerde-)Wert als den vom Berufungsgericht festgesetzten Streitwert geltend zu machen.

Denn er hat nicht - was unbeachtlich wäre - erstmals mit der Nichtzulassungsbeschwerde vorgetragen, der Streitwert und demgemäß auch der Wert der mit der Revision geltend zu machenden Beschwer übersteige den Betrag von 20.000 € (vgl. hierzu BGH, Beschlüsse vom 16. Mai 2013 - VII ZR 253/12, NJW-RR 2013, 1402 Rn. 3, 5; vom 29. Juli 2014 - II ZR 73/14, juris Rn. 10; vom 29. September 2015 - VI ZR 498/15, juris Rn. 1; vom 27. Februar 2018 - VIII ZR 147/17, RdE 2018, 251 Rn. 11; vom 12. Juni 2018 - VI ZR 372/16, juris Rn. 1; vom 28. November 2019 - I ZR 45/19, juris Rn. 2, 5; vom 30. Juni 2020 - VIII ZR 167/19, juris Rn. 8; vom 17. Dezember 2020 - VIII ZR 154/19, juris Rn. 5). Vielmehr hat er bereits in seiner Stellungnahme zum Hinweisbeschluss des Berufungsgerichts (§ 522 Abs. 2 Satz 2 ZPO ) einen höheren als den letztlich festgesetzten Wert geltend gemacht. Dort hat er - ebenso wie im vorliegenden Verfahren - die Ansicht vertreten, der gegen die Beklagte zu 2 erhobene Feststellungsantrag habe einen Wert von 13.920 €, und beantragt, den Streitwert des Berufungsverfahrens daher - einschließlich des gegenüber der Beklagten zu 1 maßgebenden Kaufpreises von 12.400 € - auf insgesamt 26.320 € festzusetzen.

bb) Jedoch ist bei der Bemessung des Werts des Feststellungsantrags der Kaufpreis nicht nochmals zu berücksichtigen, sondern lediglich ein klägerseits behaupteter weiterer Schaden, vorliegend in Höhe von 1.000 € abzüglich eines Feststellungsabschlags von 20 %, zu Grunde zu legen.

(1) Der Kläger kann sich nicht mit Erfolg darauf berufen, auch im Verhältnis zur Beklagten zu 2 sei der Kaufpreis (erneut) wertbestimmend, da er insoweit ebenfalls die "Rückabwicklung" begehre. Denn dieses Ziel ist mit dem gegen die Beklagte zu 1 gerichteten Anspruch auf Rückzahlung des Kaufpreises wirtschaftlich identisch und damit nicht werterhöhend.

Auch bei Anwendung des § 544 Abs. 2 Nr. 1 ZPO gilt der Grundsatz, dass bei der Inanspruchnahme von Streitgenossen durch eine Klage eine Wertaddition dann nicht stattfindet, wenn die verfolgten Ansprüche wirtschaftlich identisch sind (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. November 2020 - VIII ZR 263/19, juris Rn. 10; vom 25. November 2003 - VI ZR 418/02, aaO [zu § 26 Nr. 8 EGZPO a.F.]; vom 28. Oktober 1980 - VI ZR 303/79, NJW 1981, 578 unter I 1; vom 23. Juni 1983 - IVa ZR 136/82, NJW 1984, 927 unter 2; vom 23. Oktober 1990 - VI ZR 135/90, NJW-RR 1991, 186 [jeweils zu § 546 Abs. 1 ZPO a.F.]).

Dies ist hier - anders als die Nichtzulassungsbeschwerde meint - der Fall. Auch wenn der Kläger die Beklagten nicht als Gesamtschuldner in Anspruch nimmt, kann er aus Gründen des materiellen Rechts die Rückzahlung des Kaufpreises nur einmal verlangen (vgl. hierzu auch BGH, Beschluss vom 25. November 2003 - VI ZR 418/02, aaO), und zwar entweder von der Beklagten zu 1 nach dem - vorliegend ausschließlich herangezogenen - kaufvertraglichen Gewährleistungsrecht oder von der Beklagten zu 2 als deliktischen Schadensersatz (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 30. Juli 2020 - VI ZR 397/19, NJW 2020, 2806 Rn. 29).

(2) Somit sind zur Wertbestimmung des gegen die Beklagte zu 2 gerichteten Feststellungsantrags allein die insoweit behaupteten weiteren Schäden in Form von Steuernachforderungen, Stilllegungskosten, Körperschäden und einem Kraftstoffmehrverbrauch sowie möglichen Motorschäden maßgebend. Der diesbezüglich vagen Darlegung des Klägers, der das Fahrzeug nicht behalten möchte, kann vorliegend nicht entnommen werden, dass ihm im Verhältnis zur nicht auf das Erfüllungsinteresse haftenden Beklagten zu 2 (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 25. Mai 2020 - VI ZR 252/19, NJW 2020, 1962 Rn. 55, 70 , zur Veröffentlichung in BGHZ vorgesehen) als Ersatz zu beanspruchende Schäden in einer Größenordnung von behaupteten 5.000 € entstehen können. Insoweit ist hier lediglich ein Betrag in Höhe von 1.000 € zu berücksichtigen (vgl. zu einer ähnlichen Fallkonstellation BGH, Beschluss vom 15. September 2020 - VI ZR 238/20, juris Rn. 8).

(3) Bei der hier erhobenen positiven Feststellungsklage ist von diesem Betrag ein Abschlag von 20 % vorzunehmen. Hiervon ist auch dann keine Ausnahme zu machen, wenn damit zu rechnen ist, dass der Schuldner sich dem Feststellungsanspruch - was der Kläger im Verhältnis zur Beklagten zu 2 zwischenzeitlich behauptet hat - beugt (vgl. zum Vorstehenden BGH, Urteil vom 24. Mai 2007 - IX ZR 142/05, NJW-RR 2007, 1553 Rn. 29; Beschlüsse vom 15. Januar 1997 - VIII ZR 303/96, NJW 1997, 1241 unter 2 a; vom 21. Februar 2017 - XI ZR 88/16, NJW 2017, 2343 Rn. 18; vom 15. September 2020 - VI ZR 238/20, aaO Rn. 7).

Damit beträgt die Beschwer des Klägers - ebenso wie der Gegenstandswert des Nichtzulassungsbeschwerdeverfahrens - insgesamt 13.200 € (12.400 € + 800 €).

III.

Die Nichtzulassungsbeschwerde wäre im Übrigen auch unbegründet, da die von ihr geltend gemachten Revisionszulassungsgründe nicht vorliegen. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 ZPO ) noch ist eine Entscheidung des Revisionsgerichts zur Fortbildung des Rechts (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 1 ZPO ) oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung (§ 543 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 Alt. 2 ZPO ) erforderlich.

Von einer weiteren Begründung sieht der Senat nach § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO ab.

IV.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO .

Vorinstanz: LG Ingolstadt, vom 15.04.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 43 O 1920/17
Vorinstanz: OLG München, vom 27.11.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 21 U 2454/19