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BGH - Entscheidung vom 12.01.2021

II ZR 135/19

Normen:
ZPO § 559 Abs. 1 S. 1

BGH, Beschluss vom 12.01.2021 - Aktenzeichen II ZR 135/19

DRsp Nr. 2021/2502

Berücksichtigen des neuen Vorbringens im Revisionsverfahren (hier: Veränderungen bei den Forderungen im Insolvenzverfahren)

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des 5. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 14. Mai 2019 wird auf Kosten des Beklagten zurückgewiesen.

Normenkette:

ZPO § 559 Abs. 1 S. 1;

Gründe

Die Revision ist durch Beschluss zurückzuweisen. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht mehr vor und die Revision hat keine Aussicht auf Erfolg, § 552a Satz 1 ZPO . Zur Begründung wird auf den Hinweisbeschluss des Senats vom 15. September 2020 Bezug genommen. Die Stellungnahme des Beklagten vom 4. Dezember 2020 gibt zu einer anderen Beurteilung keinen Anlass. Sie stützt sich auf neues Vorbringen, das gemäß § 559 Abs. 1 ZPO im Revisionsverfahren keine Berücksichtigung finden kann.

1. Nach § 559 Abs. 1 Satz 1 ZPO unterliegt der Beurteilung des Revisionsgerichts nur dasjenige Parteivorbringen, das aus dem Berufungsurteil oder dem Sitzungsprotokoll ersichtlich ist. Die Urteilsgrundlage wird also regelmäßig durch das Ende der Berufungsverhandlung abgeschlossen. Die Vorschrift ist allerdings einschränkend dahin auszulegen, dass in bestimmtem Umfang auch Tatsachen, die sich erst während der Revisionsinstanz bzw. nach Schluss der letzten mündlichen Verhandlung in der Berufungsinstanz ereignen, in die Urteilsfindung einfließen können, soweit sie unstreitig sind oder ihr Vorliegen in der Revisionsinstanz ohnehin von Amts wegen zu beachten ist und schützenswerte Belange einer Partei nicht entgegenstehen. Der Gedanke der Konzentration der Revisionsinstanz auf die rechtliche Bewertung eines festgestellten Sachverhalts verliert nämlich an Gewicht, wenn die Berücksichtigung von neuen tatsächlichen Umständen keine nennenswerte Mehrarbeit verursacht und die Belange des Prozessgegners gewahrt bleiben. Dann kann es aus prozessökonomischen Gründen nicht zu verantworten sein, die vom Tatsachenausschluss betroffene Partei auf einen weiteren, ggf. durch mehrere Instanzen zu führenden Prozess zu verweisen. In einem solchen Fall ist vielmehr durch die Zulassung neuen Vorbringens im Revisionsverfahren eine rasche und endgültige Streitbereinigung herbeizuführen (BGH, Urteil vom 14. Oktober 2009 - XII ZR 146/08, MDR 2009, 1392 , 1394; Urteil vom 23. September 2014 - VI ZR 358/13, BGHZ 202, 242 Rn. 21; Urteil vom 8. November 2016 - II ZR 304/15, BGHZ 212, 342 Rn. 18; Urteil vom 2. März 2017 - I ZR 273/14, NJW-RR 2017, 676 Rn. 44 - Videospiel-Konsolen III).

2. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.

a) Nach dem neuen Vorbringen der Revision sollen Forderungen im Rang der §§ 38 , 39 InsO in Höhe von rund 7,4 Mio. € bestehen und in leicht übersteigender Höhe mit Stand vom 7. September 2020 Hafteinlagen eingezogen worden sein. Für die Veränderungen bei den Forderungen beruft sich der Beklagte auf die Forderungsrücknahme der C. bank und die Abrechnung der H. bank, welche nach den vorgelegten Anlagen am 7. Juni 2019 vom Kläger in einem anderen Rechtsstreit mitgeteilt worden sei.

Die Revision zeigt nicht auf, dass die maßgeblichen Tatsachen erst nach dem 2. Mai 2019, dem Tag, bis zu dem im Berufungsverfahren gemäß § 128 Abs. 2 Satz 2 ZPO Schriftsätze eingereicht werden konnten, entstanden sind. Nach den von ihr vorgelegten Schriftsätzen wurden jedenfalls die nachrangigen Forderungen im Prüfungstermin am 19. März 2019 festgestellt, mithin vor dem 2. Mai 2019.

b) Die Berücksichtigung des neuen Vorbringens würde auch schutzwürdige Belange des Klägers verletzen und wäre nicht geeignet, eine rasche und endgültige Streitbereinigung herbeizuführen. Anhand der neu vorgebrachten Tatsachen kann ohne weitergehenden Vortrag des Klägers zu den aktuellen Verhältnissen der Insolvenzmasse nicht abschließend beurteilt werden, ob die Inanspruchnahme des Beklagten noch erforderlich ist. Dies beruht schon darauf, dass das Berufungsgericht offengelassen hat, ob und ggf. in welchem Umfang sich die Haftung des Beklagten auf Masseverbindlichkeiten erstreckt. Aus den nunmehr von der Revision vorgelegten Schriftsätzen des Klägers ergibt sich weiter, dass dieser aus der Insolvenzmasse am 2. November 2015 eine Gewerbesteuerforderung des Finanzamts H. für das Jahr 2013 in Höhe von 1.693.264,20 € bezahlt haben soll, die auf der auf der Hinzurechnung des Unterschiedsbetrags nach § 5a Abs. 4 EStG zum Gewinn der Schuldnerin beruhe, die sich vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens im Jahr 2006 für eine Gewinnermittlung durch Tonnage entschieden habe. Hierzu hat der Senat mit Urteil vom 15. Dezember 2020 entschieden, dass sich die persönliche Haftung des Kommanditisten nach §§ 171 , 172 , § 161 Abs. 2 , § 128 HGB auf solche Gewerbesteuerforderungen erstreckt (BGH, Urteil vom 15. Dezember 2020 - II ZR 108/19, Umdruck S. 17).

Vorinstanz: LG Gießen, vom 15.12.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 3 O 132/17
Vorinstanz: OLG Frankfurt/Main, vom 14.05.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 5 U 85/18