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BGH - Entscheidung vom 13.01.2021

XI ZR 358/20

Normen:
ZPO § 78b Abs. 1

BGH, Beschluss vom 13.01.2021 - Aktenzeichen XI ZR 358/20

DRsp Nr. 2021/3084

Beiordnung eines Notanwalts auf Antrag im Fall einer späteren Mandatsniederlegung durch Beendigung des Mandats hinsichtlich Verschuldens der Partei

Differenzen einer Partei mit ihrem Bevollmächtigten über die rechtliche Bewertung und die darauf folgende Mandatsniederlegung rechtfertigen allein nicht die Beiordnung eines Notanwalts.

Tenor

Die Anträge auf Beiordnung eines Notanwalts nach § 78b ZPO und auf Aussetzung des Verfahrens nach § 149 ZPO werden zurückgewiesen.

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Beklagten gegen den Beschluss des 4. Zivilsenats des Kammergerichts vom 29. Juni 2020 wird als unzulässig verworfen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens beträgt bis 35.000 €.

Normenkette:

ZPO § 78b Abs. 1 ;

Gründe

I.

Das Landgericht hat das in erster Instanz gegen die Beklagte erlassene Versäumnisurteil, durch das sie zur Zahlung von 22.200,79 € nebst weiteren Zinsen aus 21.271,79 € verurteilt worden ist, nach Einspruch aufrechterhalten und eine von der Beklagten hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung aberkannt. Die dagegen gerichtete Berufung hat das Berufungsgericht nach Erteilung eines Hinweises durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen.

Die Beklagte hat durch ihren drittinstanzlichen Prozessbevollmächtigten innerhalb der Monatsfrist Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Ihr drittinstanzlicher Prozessbevollmächtigter hat der Beklagten mit Schreiben vom 4. Dezember 2020 innerhalb der verlängerten Begründungsfrist mitgeteilt, dass sich aus seiner Sicht die Nichtzulassungsbeschwerde nicht begründen lasse und die Beklagte ihn entweder zur Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde ermächtigen oder einen anderen Rechtsanwalt mit ihrer Vertretung beauftragen solle. Er hat am 16. Dezember 2020 dem Senat angezeigt, das Mandat niedergelegt zu haben, und letztmalig eine Verlängerung der Begründungsfrist beantragt, um der Beklagten die Mandatierung eines anderen Rechtsanwalts und gegebenenfalls die Stellung eines Antrags auf Beiordnung eines Notanwalts zu ermöglichen. Zugleich hat er mitgeteilt, er sei aus "sachlichen/sachbezogenen Gründen" nicht in der Lage, "die Nichtzulassungsbeschwerde zu begründen". Eine Fristverlängerung ist bis zum 30. Dezember 2020 gewährt worden. Innerhalb der so verlängerten Frist ist eine von einem postulationsfähigen Rechtsanwalt verfasste Nichtzulassungsbeschwerdebegründung nicht eingegangen. Mit Schreiben vom 29. Dezember 2020 hat die Beklagte mitgeteilt, ein anderer Rechtsanwalt sei zu ihrer Vertretung nicht bereit. Sie stellt "Aussetzungsantrag gemäß § 149 ZPO " mit der Begründung, von ihr vorinstanzlich vorgelegte Anlagen seien dort aus den Gerichtsakten entfernt worden.

II.

Der Antrag auf Beiordnung eines Notanwalts, den der Senat den Ausführungen der Beklagten dazu entnimmt, sie habe einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht gefunden, hat keinen Erfolg.

1. Nach § 78b Abs. 1 ZPO hat das Gericht, soweit eine Vertretung durch Anwälte geboten ist, einer Partei auf ihren Antrag einen Notanwalt beizuordnen, wenn sie einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt nicht findet und die Rechtsverfolgung nicht mutwillig oder aussichtslos erscheint. Hat die Partei - wie hier - zunächst einen zu ihrer Vertretung bereiten Rechtsanwalt gefunden und entsprechend mandatiert, kommt im Fall einer späteren Mandatsniederlegung die Beiordnung eines Notanwalts nur dann in Betracht, wenn die Partei die Beendigung des Mandats nicht zu vertreten hat. Dabei hat sie darzulegen, dass die Beendigung des Mandats nicht auf ihr Verschulden zurückzuführen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 6. Februar 2018 - XI ZR 173/17, juris Rn. 9; BGH, Beschluss vom 11. November 2020 - V ZR 112/20, juris Rn. 2). Bereits hieran fehlt es. Die Mitteilung des Prozessbevollmächtigten der Beklagten in seinem Fristverlängerungsgesuch, er sei aus "sachlichen/sachbezogenen Gründen" nicht in der Lage, "die Nichtzulassungsbeschwerde zu begründen", ergibt vielmehr das Gegenteil:

Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs rechtfertigen allein Differenzen einer Partei über die rechtliche Bewertung und die darauf folgende Mandatsniederlegung nicht die Beiordnung eines Notanwalts. Mit dem Ziel, die Einreichung einer inhaltlich ihren Vorstellungen entsprechenden Revisions- oder Nichtzulassungsbeschwerdebegründung zu erreichen, kann die Beiordnung eines Notanwalts gemäß § 78b Abs. 1 ZPO nicht verlangt werden. Nach den gesetzlichen Vorschriften dürfen diese Rechtsmittel nur durch einen beim Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwalt begründet werden. Dieser trägt auch die Verantwortung für die Fassung. Scheitert die Einreichung einer Nichtzulassungsbeschwerdebegründung daran, dass der beauftragte postulationsfähige Rechtsanwalt nicht bereit ist, den rechtlichen Überlegungen der Partei zu folgen und sie zur Grundlage eines Begründungsschriftsatzes zu machen, rechtfertigt dies die Beiordnung eines Notanwalts nach § 78b Abs. 1 ZPO nicht. Sinn und Zweck der Zulassungsbeschränkung für Rechtsanwälte beim Bundesgerichtshof ist, die Rechtspflege durch eine leistungsfähige und in Revisionssachen besonders qualifizierte Anwaltschaft zu stärken. Die Rechtsuchenden sollen kompetent beraten werden und im Vorfeld von aussichtslosen Rechtsmitteln Abstand nehmen können, was ihnen Kosten erspart. Zugleich soll der Bundesgerichtshof von solchen Rechtsmitteln entlastet werden. Dem liefe es zuwider, wenn die Partei einen Anspruch darauf hätte, ihre Rechtsansicht gegen den Anwalt durchzusetzen (Senatsbeschluss vom 6. Februar 2018 - XI ZR 173/17, juris Rn. 10).

Darüber hinaus hat die Beklagte nicht innerhalb der bis zum 30. Dezember 2020 verlängerten Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde die Erklärungen von weiteren bei dem Bundesgerichtshof zugelassenen Rechtsanwälten eingereicht, aus denen sich ergibt, dass diese nicht bereit oder in der Lage sind, die eingelegte Nichtzulassungsbeschwerde zu begründen (vgl. Senatsbeschluss vom 7. Juni 2016 - XI ZR 439/15, juris Rn. 4; BGH, Beschluss vom 11. November 2020 - V ZR 112/20, juris Rn. 4).

2. Auf die Unzulänglichkeiten ihrer Angaben konnte die Beklagte nicht innerhalb der Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde hingewiesen werden. Das Gesuch um Beiordnung eines Notanwalts ist erst am 29. Dezember 2020 um 21.31 Uhr bei der Posteingangsstelle des Bundesgerichtshofs eingegangen. Seine Vollständigkeit konnte im normalen Geschäftsgang nicht vor Ablauf der Rechtsmittelfrist am 30. Dezember 2020 geprüft werden (vgl. Senatsbeschluss vom 10. Dezember 2019 - XI ZR 180/19, juris Rn. 17 mzN).

3. Ein Hinweis auf die Unzulänglichkeit der von der Beklagten gemachten Angaben ist vor der Entscheidung des Senats über das Gesuch um Beiordnung eines Notanwalts nicht veranlasst, weil der Beklagten damit nicht gedient wäre. Die letztmalig bis zum 30. Dezember 2020 verlängerte Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde ist verstrichen. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand (§ 233 ZPO ) kommt, was die Rechtsverfolgung zugleich aussichtslos macht, nicht in Betracht. Selbst dann, wenn die Beklagte ihr Gesuch noch ergänzte, wäre die Versäumung der Begründungsfrist verschuldet und bliebe das Rechtsmittel unzulässig (vgl. Senatsbeschlüsse vom 6. Februar 2018 - XI ZR 173/17, juris Rn. 18 und vom 10. Dezember 2019 - XI ZR 180/19, juris Rn. 18).

III.

Die Beschwerde der Beklagten wird demgemäß verworfen, weil sie nicht innerhalb der vom Vorsitzenden bis zum 30. Dezember 2020 verlängerten Frist begründet worden ist (vgl. Senatsbeschlüsse vom 9. Januar 2018 - XI ZR 547/17, juris Rn. 7 und vom 10. Dezember 2019 - XI ZR 180/19, juris Rn. 19).

Schon aus diesem Grund kann der Antrag der Beklagten auf Aussetzung des Verfahrens nach § 149 Abs. 1 , §§ 248 , 129a , 78 Abs. 3 ZPO , der ohne Rücksicht auf seine sachliche Rechtfertigung nicht die Wirkungen des § 249 Abs. 1 ZPO hatte (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Mai 2011 - V ZB 248/10, NJW-RR 2011, 1282 Rn. 12 mwN), keinen Erfolg haben. Im Übrigen sind Anhaltspunkte für ein angeblich strafbares Verhalten nicht erkennbar. Die Anlagen B 1 bis B 3 befinden sich in einer Mappe "Anlagen" bei den Gerichtsakten. Entsprechendes ist dort (Band II Blatt 142) unter dem 23. Juni 2020 und damit vor Erlass des Zurückweisungsbeschlusses noch einmal ausdrücklich vermerkt worden.

Vorinstanz: LG Berlin, vom 10.07.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 100 O 10/18
Vorinstanz: KG, vom 29.06.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 4 U 159/19