Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BGH - Entscheidung vom 09.02.2021

AK 5/21

Normen:
StGB § 53
StGB § 129a Abs. 1 Nr. 1
StGB § 129b Abs. 1 S. 1-2
VStGB § 9 Abs. 1 Alt. 3

BGH, Beschluss vom 09.02.2021 - Aktenzeichen AK 5/21

DRsp Nr. 2021/3960

Beihilfe zum Verbrechen gegen die Menschlichkeit; Beteiligung als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung im Ausland; Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft

Tenor

Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.

Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem Oberlandesgericht Düsseldorf übertragen.

Normenkette:

StGB § 53 ; StGB § 129a Abs. 1 Nr. 1 ; StGB § 129b Abs. 1 S. 1-2; VStGB § 9 Abs. 1 Alt. 3;

Gründe

I.

Die Angeklagte wurde am 24. Juli 2020 aufgrund des Haftbefehls des Ermittlungsrichters des Bundesgerichtshofs vom 5. Juni 2020 ( 2 BGs 333/20) festgenommen und befindet sich seither ununterbrochen in Untersuchungshaft. Gegenstand des Haftbefehls sind folgende Vorwürfe:

Die Angeklagte habe sich seit einem nicht bekannten Zeitpunkt Ende Februar/Anfang März 2015 in Syrien durch neun rechtlich selbständige Handlungen als Mitglied an der Gruppierung "Islamischer Staat" (IS) und damit an einer außereuropäischen terroristischen Vereinigung beteiligt, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB ), Totschlag (§ 212 StGB ), Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 VStGB ) oder Kriegsverbrechen (§§ 8 , 9 , 10 , 11 oder 12 VStGB ) zu begehen; in einem dieser Fälle habe die Angeklagte tateinheitlich die Fürsorge- und Erziehungspflicht gegenüber einer Person unter 16 Jahren gröblich verletzt und dadurch den Schutzbefohlenen in die Gefahr gebracht, in seiner körperlichen und psychischen Entwicklung erheblich geschädigt zu werden; in fünf weiteren Fällen habe sie sich durch dieselbe Handlung im Zusammenhang mit einem nichtinternationalen bewaffneten Konflikt in erheblichem Umfang völkerrechtswidrig Sachen der gegnerischen Partei, die der Gewalt der eigenen Partei unterlagen, angeeignet; in einem weiteren Fall habe sie zugleich die tatsächliche Gewalt über Kriegswaffen ausgeübt, ohne dass der Erwerb der tatsächlichen Gewalt auf einer Genehmigung nach dem Gesetz über die Kontrolle von Kriegswaffen beruhte; schließlich habe sie in einem weiteren Fall tateinheitlich einem anderen dazu Hilfe geleistet, im Rahmen eines ausgedehnten und systematischen Angriffs gegen die Zivilbevölkerung einen Menschen zu versklaven und sich dabei ein Eigentumsrecht an ihm anzumaßen (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 , § 171 StGB , § 22a Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a KrWaffKG i.V.m. mit Teil B Nr. 29 Buchst. c der Anlage zum KrWaffKG, § 7 Abs. 1 Nr. 3 , § 9 Abs. 1 VStGB , §§ 52 , 53 StGB ).

Der Generalbundesanwalt hat unter dem 28. Oktober 2020 wegen der dem Haftbefehl zugrundeliegenden Tatvorwürfe Anklage zum Oberlandesgericht Düsseldorf erhoben. Dieses hat mit Beschlüssen vom 11. Januar 2021 (III-7 StS 2/20) die Anklage zur Hauptverhandlung zugelassen, das Hauptverfahren vor dem 7. Strafsenat eröffnet und Haftfortdauer angeordnet.

II.

Die Voraussetzungen für die Anordnung der Untersuchungshaft und deren Fortdauer über sechs Monate hinaus liegen vor.

1. Die Angeklagte ist der ihr zur Last gelegten Taten dringend verdächtig.

a) Nach dem bisherigen Ergebnis der Ermittlungen ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:

aa) Der IS ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen Irak und die historische Region "ash-Sham" - die heutigen Staaten Syrien, Libanon und Jordanien sowie Palästina - umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden "Gottesstaat" unter Geltung der Sharia zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im Irak sowie das Regime des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als "Feind des Islam" begreift; die Tötung solcher "Feinde" oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht die Vereinigung als legitimes Mittel des Kampfes an.

Die Führung der Vereinigung, die sich mit der Ausrufung des "Kalifats" am 29. Juni 2014 aus "Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien" (ISIG) in "Islamischer Staat" (IS) umbenannte - wodurch sie von der territorialen Selbstbeschränkung Abstand nahm -, hatte seit 2010 bis zu seiner Tötung im Oktober 2019 Abu Bakr al-Baghdadi inne. Inzwischen wurde ein Nachfolger ernannt. Bei der Ausrufung des Kalifats war al-Baghdadi von seinem Sprecher zum "Kalifen" erklärt worden, dem die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten. Dem "Kalifen" unterstehen ein Stellvertreter sowie "Minister" als Verantwortliche für einzelne Bereiche, so ein "Kriegsminister" und ein "Propagandaminister". Zur Führungsebene gehören außerdem beratende "Shura-Räte". Veröffentlichungen werden in der Medienabteilung "Al-Furqan" produziert und über die Medienstelle "al-l'tisam" verbreitet, die dazu einen eigenen Twitter-Kanal und ein Internetforum nutzt. Das auch von den Kampfeinheiten verwendete Symbol der Vereinigung besteht aus dem "Prophetensiegel", einem weißen Oval mit der Inschrift "Allah - Rasul - Muhammad" auf schwarzem Grund, überschrieben mit dem islamischen Glaubensbekenntnis. Die - zeitweilig mehreren tausend - Kämpfer sind dem "Kriegsminister" unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur gegliedert.

Die Vereinigung teilte von ihr besetzte Gebiete in Gouvernements ein und richtete einen Geheimdienstapparat ein; diese Maßnahmen zielten auf die Schaffung totalitärer staatlicher Strukturen. Angehörige der irakischen und syrischen Armee, aber auch in Gegnerschaft zum IS stehender Oppositionsgruppen, ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsanspruch des IS in Frage stellten, sahen sich Verhaftung, Folter und Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach vom IS zu Zwecken der Einschüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus begeht der IS immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb seines Machtbereichs Terroranschläge. So übernahm er auch für Anschläge in Europa, etwa in Paris, Brüssel, Nizza und Berlin, die Verantwortung.

Im Irak gelang es dem IS im Jahr 2014, etwa ein Drittel des Staatsterritoriums zu besetzen. Am 10. Juni 2014 erlangte er die Kontrolle über die Millionenstadt Mossul, die bis zu der Offensive der von den USA unterstützten irakischen Armee Ende 2016 der zentrale Ort seiner Herrschaft im Irak war. Seit Januar 2015 wurde die Vereinigung schrittweise erfolgreich zurückgeschlagen. So begann am 16. Oktober 2016 die Rückeroberung von Mossul, die Anfang Juni 2017 abgeschlossen war. Am 27. August 2017 wurde der IS aus seiner letzten nordirakischen Hochburg in Tal Afar verdrängt.

bb) In der Nacht vom 2. auf den 3. August 2014 griffen hunderte Milizionäre des IS die Region um das Sindschar-Gebirge im Nordwesten des Iraks an, in der vornehmlich Kurden jesidischen Glaubens lebten, welche nach dem radikal-sunnitischen Verständnis des IS als Ungläubige bzw. "Teufelsanbeter" angesehen wurden. Ziel der Operation war die vollständige Vernichtung der jesidischen Religion, des Jesidentums als solchem und seiner Angehörigen in den vom IS besetzten Gebieten, unter anderem durch Zwangskonversion und religiöse Umerziehung aller Jesiden, durch sofortige Hinrichtung der nichtkonversionsbereiten Männer und durch Versklavung der Frauen und Kinder.

Dementsprechend wurden diejenigen Männer, die sich weigerten, zum Islam zu konvertieren, hingerichtet; diejenigen, die sich - um zu überleben - bereit erklärt hatten, zum Islam überzutreten, wurden gefangengenommen, verschleppt und in der Folgezeit zumeist als Zwangsarbeiter eingesetzt. Frauen und Kinder wurden zunächst an Sammelstellen zusammengetrieben und in Gruppenunterkünfte verbracht. Später wurden sie unter Androhung von Gewalt in Gebiete verschleppt, die schon länger vom IS besetzt waren, insbesondere nach Rakka in Syrien und nach Mossul im Irak. Dort wurden Frauen und Mädchen in Unterkünften gesammelt, in denen IS-Kämpfer sich einzelne der Gefangenen entweder aufgrund ihrer herausgehobenen Funktion, als Auszeichnung für besondere Leistungen, als Besoldungssurrogat oder gegen Geld aussuchen und mitnehmen konnten. Die jüngeren Frauen und Mädchen wurden sodann überwiegend als Sexsklavinnen gehalten und missbraucht, die älteren Frauen zumeist in Privathäusern als Haussklavinnen eingesetzt, etwa für die Erledigung des Haushalts und die Kinderbetreuung. Soweit die Frauen und Mädchen nicht direkt aus den Unterkünften "vermarktet" wurden, wurden sie über zentrale Sklavenmärkte verkauft, vor allem in Rakka oder Mossul.

cc) (1) Zu einem nicht näher bestimmbaren Zeitpunkt vor dem 11. Februar 2015 fasste die Angeklagte den Entschluss, gemeinsam mit ihrer Tochter, H. , geboren am XXX, aus dem Bundesgebiet auszureisen und sich in das syrische Kriegsgebiet zu begeben, um sich dort dem IS anzuschließen. Sie reiste deshalb am 11. Februar 2015 gemeinsam mit ihrem Kind nach Syrien, wo sie am 21. März 2015 eintraf und von der Organisation in einem Frauenhaus untergebracht wurde. Die Angeklagte identifizierte sich mit der Ideologie der Vereinigung, deren Handlungsweisen und Zielen; im Einvernehmen mit für die Terrororganisation verantwortlich handelnden Personen unterwarf sie sich dem Willen der Vereinigung. Vermittelt über den IS heiratete sie nach islamischem Ritus den ebenfalls aus Deutschland ausgereisten S. (" XXX "), der hochwahrscheinlich seit August 2013 Mitglied der Vereinigung war. Gemeinsam mit diesem gründete die Angeklagte im Herrschaftsgebiet des IS eine Familie und gebar ein weiteres Kind. Sie und ihre Familie unterwarfen sich freiwillig den Regeln des IS und wurden hierfür von diesem monatlich alimentiert. Die Angeklagte erzog ihre Abkömmlinge nach den Vorgaben der Vereinigung in dem Bestreben, zukünftig treue Diener des vom IS gegründeten Staates großzuziehen. Durch die von ihr bewusst übernommenen Pflichten als Ehefrau eines Kämpfers des IS ermöglichte sie ihrem Ehemann u.a. Wachdienst für die Vereinigung zu leisten. Die Ansiedlung der Familie im Herrschaftsgebiet des IS geschah in dessen Interesse (Fall 1).

(2) Die Angeklagte verbrachte ihre vierjährige Tochter aus der Bundesrepublik Deutschland in Kampfgebiete, in denen diese - wie sie wusste - durch die Willkürherrschaft und ideologische Indoktrination des IS sowie drohende Kampfhandlungen in ihrer körperlichen und psychischen Entwicklung bis hin zum Tod gefährdet sein werde. Sie nahm dies billigend in Kauf als Preis dafür, sich der Terrororganisation in Syrien anschließen zu können (Fall 2).

(3) Als Entlohnung für ihre Dienste wurden die Angeklagte und ihre Familie vom IS zunächst in Rakka, sodann in Mayadin in insgesamt fünf verschiedenen Wohnungen untergebracht, deren rechtmäßige Eigentümer vom IS getötet oder vertrieben worden waren, was die Angeklagte billigend in Kauf nahm. Die Inbesitznahme der Wohnungen diente der Festigung der Gebietsansprüche des IS und sollte die Rückeroberung der Gebiete erschweren (Fälle 3 bis 7).

(4) Die Angeklagte übte in den gemeinsam mit ihrem Ehemann genutzten Räumen die Sachherrschaft über zumindest zwei vollautomatische Sturmgewehre Kalaschnikow "AK47" aus. Die Waffen wurden offen und unverschlossen in einem Raum der jeweils genutzten Wohnungen gelagert, wo sie auch für die Angeklagte jederzeit zugriffsbereit waren. Sie wurden dort für ihren Ehemann verwahrt, der diese als Kämpfer für den IS verwendete. Die Angeklagte verfügte selbst über eine funktionsfähige halbautomatische Pistole, welche sie beim Verlassen der Wohnungen stets zugriffsbereit und geladen in einem Schulterholster mitführte (Fall 8).

(5) Zu im Einzelnen nicht näher bestimmbaren Zeitpunkten in den Jahren 2016 und 2017 erhielt die Angeklagte in ihren Wohnungen in Rakka und Mayadin regelmäßig, mindestens aber in 50 Fällen, Besuch von ihrer Freundin O. . Die anderweitig Verfolgte O. brachte jeweils die von ihr - gegen deren Willen - als Sklavin gehaltene irakische Staatsangehörige jesidischen Glaubens L. mit, damit diese die Angeklagte in ihren Räumen bediente, dort aufräumte, Reinigungsarbeiten verrichtete und sich um die Tochter H. kümmerte. Dabei war der Angeklagten bekannt, dass die Zeugin im Zuge des vom IS gegen die Jesiden betriebenen Angriffs in die Herrschaft ihrer Freundin gelangt und nur durch Androhung von Gewalt oder Tod zur Ausübung der Dienste gebracht worden war. Die Ausnutzung der unentgeltlichen Arbeit von L. diente nicht nur eigenen Zwecken, sondern war auch von der von ihr verinnerlichten Überzeugung des IS getragen, die Versklavung der Jesiden sei religiös gerechtfertigt und deren Religionsgemeinschaft zu vernichten (Fall 9).

Vorstehende Sachverhalte sind eingebettet in das Bürgerkriegsgeschehen in Syrien, das spätestens Anfang 2012 das Ausmaß eines nichtinternationalen bewaffneten Konflikts erreicht hatte.

b) Der dringende Tatverdacht stützt sich hinsichtlich der außereuropäischen terroristischen Vereinigung des IS, der Erkenntnisse zum Bürgerkrieg in Syrien und zum gewaltsamen und auf Vernichtung ausgelegten Vorgehen des IS gegen die Jesiden auf Sachverständigengutachten, insbesondere derjenigen der Sachverständigen Drs. St. , K. und B. , sowie Auswerteberichte des Bundeskriminalamts.

Im Hinblick auf die der Angeklagten zur Last gelegten Tathandlungen ergibt sich der dringende Tatverdacht aus den in der Anklageschrift des Generalbundesanwalts ausführlich dargestellten Beweismitteln, insbesondere der Vernehmung der Zeugin L. . Diese hat unter anderem bekundet, sie habe bei der Angeklagten auf Anweisung der anderweitig Verfolgten O. unentgeltlich Arbeitsleistungen verrichten müssen. Die Angeklagte habe sie, als O. sie bei einem Streit mit einem Messer bedrohte, als "dreckige Ungläubige", "Sabaya" bezeichnet und O. geraten, sie endlich zu verkaufen. Hinsichtlich der durch die Angeklagte genutzten Wohnungen in Rakka und Mayadin hat die Zeugin ausgesagt, dass diese - wie sie von O. gehört habe - "Ungläubigen" gehörten, die vor dem Krieg geflüchtet sind.

Die Hinwendung der Angeklagten zum IS erschließt sich überdies aus einer E-Mail vom 13. April 2015 an ihren Bruder. Die Angeklagte hat in einer Befragung nach § 41 Abs. 1 BKAG eingeräumt, nach Syrien ausgereist zu sein, um "ihren Herrn" zufrieden zu stellen, und im Herrschaftsgebiet des IS eine Familie gegründet zu haben, jedoch den Besitz von Waffen und die Inanspruchnahme von Diensten versklavter Jesiden in Abrede gestellt. Sie habe allerdings gewusst, dass es im Herrschaftsgebiet des IS Sklavenhandel gegeben habe. Im Ermittlungsverfahren hat sie sich bislang zu den Tatvorwürfen nicht geäußert.

c) Danach hat sich die Angeklagte mit hoher Wahrscheinlichkeit in neun rechtlich selbständigen Fällen als Mitglied an einer terroristischen Vereinigung im Ausland beteiligt (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 , § 53 StGB ), davon in einem Fall in Tateinheit (§ 52 StGB ) mit Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht (§ 171 StGB ), in fünf weiteren Fällen in Tateinheit mit Kriegsverbrechen gegen Eigentum und sonstige Rechte (§ 9 Abs. 1 Variante 3 VStGB ), in einem weiteren Fall in Tateinheit mit einem Verstoß gegen § 22a Abs. 1 Nr. 1 KrWaffKG in Verbindung mit Teil B Nr. 29 Buchst. c der Anlage zu § 1 Abs. 1 KrWaffKG und mit Besitz einer halbautomatischen Kurzwaffe (§ 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG ) sowie in einem weiteren Fall in Tateinheit mit Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 VStGB , § 27 StGB ). Offenbleiben kann, ob sich die Angeklagte im Fall 9 auch eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit nach § 7 Abs. 1 Nr. 10 VStGB oder der Beihilfe zu § 239 Abs. 3 StGB strafbar gemacht hat, da es hierauf für die Haftfortdauerentscheidung nicht ankommt.

aa) Die Angeklagte ist der mitgliedschaftlichen Beteiligung am IS dringend verdächtig (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB ).

Das gilt sowohl unter Zugrundelegung des früher nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs maßgeblichen Vereinigungsbegriffs (s. dazu etwa BGH, Urteile vom 20. März 1963 - 3 StR 5/63, BGHSt 18, 296 , 299 f.; vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 123) als auch auf der Grundlage der Legaldefinition des § 129 Abs. 2 in Verbindung mit § 129a Abs. 1 StGB in der seit dem 22. Juli 2017 gültigen Fassung (vgl. § 2 Abs. 1 , 3 StGB ; BGH, Beschlüsse vom 17. Oktober 2019 - AK 56/19, juris Rn. 27; vom 9. Juni 2020 - AK 12/20, juris Rn. 24). Nach beiden Varianten ist entscheidend, dass der Täter die Vereinigung von innen heraus und nicht von außen her fördert. Die Unterstützung muss von einem einheitlichen Willen zu einer fortdauernden Teilnahme am Verbandsleben getragen sein (st. Rspr.; vgl. im Einzelnen etwa BGH, Beschlüsse vom 17. Oktober 2019 - AK 56/19, juris Rn. 27 f. mwN; vom 9. Juni 2020 - AK 12/20, juris Rn. 24).

Diese Voraussetzungen liegen bei der Angeklagten mit hoher Wahrscheinlichkeit vor. Durch die ihr zur Last gelegten Handlungen förderte sie bewusst und gewollt die Ziele der Vereinigung. Sie reiste aus eigenem Antrieb nach Syrien, um dort den IS, mit dessen Handlungsweisen und Zielen sie sich identifizierte, im Kampf gegen die "Ungläubigen" zu unterstützen und am Aufbau eines islamischen Staates mitzuwirken. Mit Einzug in das von der Vereinigung geführte "Frauenhaus" im März 2015 gliederte sie sich in die Organisation ein und unterwarf sich freiwillig deren Regeln. Die Angeklagte stellte sich als Braut für einen beliebigen IS-Kämpfer zur Verfügung, heiratete einen solchen nach entsprechender Vermittlung durch die Vereinigung und erfüllte dann einige Zeit die ihr von der Organisation zugedachte Rolle als dessen Ehefrau in einem islamistischen Gemeinwesen, indem sie ihm den Haushalt führte und ein Kind gebar. Die von der Organisation initiierte Heirat und fortwährende Unterstützung eines IS-Kämpfers bestärkte diesen in seiner Kampfbereitschaft und ging über ein bloßes Alltagsleben im "Kalifat" hinaus. Die Angeklagte lebte zudem mit ihrem Mann in Städten, die der IS kontrollierte, und bewohnte Wohnungen, die ihr vom IS zugewiesen worden und deren rechtmäßige Eigentümer vorher vom IS getötet und vertrieben worden waren, um die Gebietsansprüche des IS zu festigen und die Rückeroberung der Gebiete zu erschweren. Sie verbrachte ihre vierjährige Tochter aus der Bundesrepublik Deutschland in Kampfgebiete des IS und erzog das Mädchen dort nach dessen Vorgaben in dem Bestreben, eine zukünftige treue Dienerin des von der Vereinigung gegründeten Staates großzuziehen. Überdies waren in der gemeinsamen Wohnung zwei vollautomatische Sturmgewehre Kalaschnikow "AK47" gelagert, die der Ehemann der Angeklagten als Kämpfer für den IS verwendete und auf welche sie jederzeit Zugriff hatte. In der gesamten Zeit wurde die Angeklagte von der Organisation alimentiert. Ferner nahm sie die Dienste der Zeugin L. in Anspruch, die von ihrer Freundin O. als Sklavin gehalten wurde; dabei handelte sie nicht nur zu eigenen Zwecken, sondern auch aus der von ihr verinnerlichten Überzeugung des IS, die Versklavung der Jesiden sei religiös gerechtfertigt und deren Religionsgemeinschaft zu vernichten. Dies alles belegt, dass die Angeklagte einvernehmlich in den IS aufgenommen wurde und durch die ihr zur Last gelegten Handlungen bewusst und gewollt die Ziele der Organisation förderte (vgl. hierzu BGH, Beschluss vom 9. Juni 2020 - AK 12/20, juris Rn. 26).

bb) Mit Blick auf die Verbringung ihrer vierjährigen Tochter aus dem Bundesgebiet in Kampfgebiete des IS ist die Angeklagte darüber hinaus dringend verdächtig, tateinheitlich den Tatbestand der Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht (§ 171 StGB ) verwirklicht zu haben. Denn nach ihrem Willen musste die Tochter in dem Herrschaftsgebiet des IS und damit unter einer Willkürherrschaft und in einem Kriegsgebiet leben, in dem sie unentwegt der Gefahr von Bombardierungen ausgesetzt war. Sie nahm dies als Preis dafür, sich der Terrororganisation in Syrien anschließen zu können, billigend in Kauf (vgl. dazu BGH, Beschluss vom 17. Oktober 2019 - AK 56/19, juris Rn. 43).

cc) Die Angeklagte hat sich ferner in fünf weiteren Fällen mit hoher Wahrscheinlichkeit tateinheitlich eines Kriegsverbrechens gegen Eigentum und sonstige Rechte nach § 9 Abs. 1 Variante 3 VStGB strafbar gemacht. Gemeinschaftlich mit ihrem Ehemann (§ 2 VStGB i.V.m. § 25 Abs. 2 StGB ) eignete sie sich Wohnungen an, die - wie sie wusste - zuvor Vertriebene oder getötete Angehörige der Zivilbevölkerung bewohnt hatten (vgl. im Einzelnen BGH, Beschlüsse vom 4. April 2019 - AK 12/19, NStZ-RR 2019, 229 , 230 f.; vom 15. Mai 2019 - AK 22/19, NStZ 2020, 26 Rn. 29 f.; vom 9. Juni 2020 - AK 12/20, juris Rn. 28).

dd) Wegen der Verwahrung der beiden Sturmgewehre und des Besitzes einer funktionsfähigen halbautomatischen Pistole ist die Angeklagte zudem dringend verdächtig, in einem Fall tateinheitlich einen Verstoß gegen § 22a Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a KrWaffKG in Verbindung mit Teil B Nr. 29 Buchst. c der Anlage zu § 1 Abs. 1 KrWaffKG und § 52 Abs. 1 Nr. 2 Buchst. b WaffG begangen zu haben. Ein Sturmgewehr "Kalaschnikow" stellt eine Kriegswaffe im Sinne von Teil B Nr. 29 Buchst. c der Anlage zu § 1 Abs. 1 KrWaffKG dar. Über diese übte die Angeklagte auch die tatsächliche Gewalt aus. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, dass sie über die Sturmgewehre nicht die alleinige Verfügungsgewalt innehatte (vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 1997 - 3 StR 467/96, NStZ-RR 1997, 283 ). Die Waffendelikte stehen zueinander in Tateinheit (vgl. BGH, Beschluss vom 14. Februar 1996 - 3 StR 625/95, NJW 1996, 1483 ).

ee) Schließlich hat sich die Angeklagte durch die Inanspruchnahme der Dienste der Zeugin L. in einem weiteren Fall mit hoher Wahrscheinlichkeit tateinheitlich der Beihilfe zu einem Verbrechen gegen die Menschlichkeit nach § 7 Abs. 1 Nr. 3 VStGB , § 27 StGB strafbar gemacht.

(1) Es besteht der dringende Tatverdacht, dass die anderweitig Verfolgte O. den Tatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 3 VStGB verwirklicht hat, indem sie die vorher vom IS gefangen genommene Jesidin gegen deren Willen bei sich festhielt und unter Androhung von Gewalt deren Dienste in Anspruch nahm.

(a) Die Versklavung der Zeugin war in die von § 7 Abs. 1 VStGB vorausgesetzte Gesamttat eingebunden; sie war Teil eines vorsätzlich durchgeführten Angriffs auf die Zivilbevölkerung, der sowohl als ausgedehnt als auch systematisch zu qualifizieren ist.

(aa) Bei einer Zivilbevölkerung handelt es sich um eine größere Gruppe von Menschen, die über gemeinsame Unterscheidungsmerkmale (etwa das gemeinsame Bewohnen eines geografischen Gebiets oder eine gemeinsame politische Willensrichtung) verfügen, aufgrund derer sie angegriffen werden. Kennzeichnend ist, dass die Maßnahmen auf die einzelnen Tatopfer nicht in erster Linie als individuelle Persönlichkeiten, sondern wegen ihrer Zugehörigkeit zu der Gruppe zielen. Nicht notwendig ist hingegen, dass sich der Angriff gegen die gesamte - in einem Gebiet ansässige - Bevölkerung richtet. Vielmehr ist ausreichend, dass gegen eine erhebliche Anzahl von Einzelpersonen vorgegangen wird (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2018 - 3 StR 236/17, BGHSt 64, 10 Rn. 164; Beschluss vom 6. Juni 2019 - StB 14/19, BGHSt 64, 89 Rn. 56; MüKoStGB/Werle, 3. Aufl., § 7 VStGB Rn. 15, 21 mwN).

Ein gegen die Bevölkerung gerichteter Angriff ist ein Gesamtvorgang, in den sich die mehrfache Verwirklichung der Einzeltatbestände des § 7 Abs. 1 Nr. 1 bis 10 VStGB einfügt und hinter dem ein Kollektiv (ein Staat oder eine Organisation) steht (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Juni 2010 - AK 3/10, BGHSt 55, 157 Rn. 25; vom 6. Juni 2019 - StB 14/19, BGHSt 64, 89 Rn. 57). Unter einem ausgedehnten Angriff ist - in Anlehnung an die Rechtsprechung der internationalen Strafgerichte (s. die Nachweise bei MüKoStGB/Werle, 3. Aufl., § 7 VStGB Rn. 26) - ein in großem Maßstab durchgeführtes Vorgehen mit einer hohen Anzahl von Opfern zu verstehen. Als systematisch ist der Angriff zu beurteilen, wenn die Gewaltanwendung organisiert ist und planmäßig im Sinne eines konsequenten Handelns ausgeführt wird (vgl. BGH, Urteil vom 20. Dezember 2018 - 3 StR 236/17, BGHSt 64, 10 Rn. 166; Beschluss vom 6. Juni 2019 - StB 14/19, BGHSt 64, 89 Rn. 57; MüKoStGB/Werle aaO, Rn. 27).

(bb) Das Vorgehen des IS gegen die kurdische Bevölkerung jesidischen Glaubens in der Region um das Sindschar-Gebirge im Nordwesten des Iraks, beginnend mit dem Angriff am 2./3. August 2014, erfüllt nach hinreichend gesicherten Erkenntnissen diese tatbestandlichen Voraussetzungen.

Anfang August 2014 griff der IS, der im Jahr 2014 ein Drittel des Staatsterritoriums des Iraks besetzte und dessen Ziel es war, dort einen auf seiner Ideologie gründenden "Gottesstaat" unter Geltung der Sharia zu errichten, die Region um das Sindschar-Gebirge im Nordwesten des Irak an, in der vornehmlich Kurden jesidischen Glaubens lebten. Ziel der Operation war die vollständige Vernichtung der jesidischen Religion, des Jesidentums als solchem und seiner Angehörigen in den vom IS besetzten Gebieten, denn nach dem radikal-sunnitischen Verständnis des IS waren Jesiden Ungläubige bzw. "Teufelsanbeter", die in dem zu errichtenden "Gottesstaat" nicht geduldet wurden.

Der Angriff gegen die jesidische Bevölkerung war ausgedehnt und systematisch. Denn dem Übergriff durch die Milizionäre des IS Anfang August 2014 folgten eine Vielzahl von Gewalttaten gegen eine hohe Anzahl von Opfern, namentlich sofortige Hinrichtungen nicht konversionsbereiter Männer und die Versklavung von Frauen und Kindern. Die Bündelung der vom IS gesteuerten Maßnahmen zum vollständigen Auslöschen des jesidischen Glaubens begründet überdies den systematischen Charakter des Angriffs.

(cc) Ob das Tatbestandsmerkmal des gegen die Bevölkerung gerichteten Angriffs im Sinne des § 7 Abs. 1 VStGB zusätzlich ein "Politikelement" enthält, wonach ein Angriff voraussetzt, dass er in Ausführung oder zur Unterstützung der Politik eines Staats oder einer Organisation vorgenommen wird, die einen solchen Angriff zum Ziel hat (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Juni 2010 - AK 3/10, BGHSt 55, 157 Rn. 26; vom 6. Juni 2019 - StB 14/19, BGHSt 64, 89 Rn. 61; Urteil vom 20. Dezember 2018 - 3 StR 236/17, BGHSt 64, 10 Rn. 168), kann - erneut - dahinstehen. Ein solches liegt hier mit hoher Wahrscheinlichkeit vor. Denn die Übergriffe erfolgten in Ausführung der "politischen" Ideologie des IS mit dem Ziel, die Religion der Jesiden auszurotten und dem Islam radikal-sunnitischer Ausrichtung als der "wahren Religion" in den vom IS besetzten Gebieten alleinige Geltung zu verschaffen.

(b) Im Rahmen dieses Angriffs auf die Zivilbevölkerung führte die anderweitig Verfolgte O. Handlungen aus, die sich rechtlich als Versklavung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 3 VStGB darstellen.

(aa) Voraussetzung der Tatbestandsalternative des § 7 Abs. 1 Nr. 3 VStGB ist, dass der Täter ein angemaßtes "Eigentumsrecht" an einem Menschen ausübt (vgl. dazu die sich an dem Übereinkommen betreffend die Sklaverei vom 25. September 1926 in der Fassung des Änderungsprotokolls vom 7. Dezember 1953 [BGBl. 1972 II S. 1473 ff.] orientierende Legaldefinition des Art. 7 Abs. 2 Buchst. c IStGH-Statut ["die Ausübung aller oder einzelner mit einem Eigentumsrecht an einer Person verbundenen Befugnisse"]; BT-Drucks. 14/8524 S. 20; Werle/Jeßberger, Völkerstrafrecht, 5. Aufl., Rn. 1022; MüKoStGB/Werle, 3. Aufl., § 7 VStGB Rn. 57). Nachdem es von Rechts wegen allerdings kein solches Eigentumsrecht an einer Person gibt, umfasst der Tatbestand der Sklaverei eine de facto vergleichbare Behandlung (vgl. Werle/Jeßberger, aaO Rn. 1024), bei der der Täter einen Menschen seinem Willen und seinen Interessen unterwirft und diesem die Freiheit abspricht, selbstbestimmt zu handeln. Wesentliche Indizien dabei sind die Kontrolle der Bewegungsfreiheit des Opfers, seine Verletzlichkeit, Misshandlungen und die wirtschaftliche Beherrschung oder Ausnutzung der betroffenen Person. Nicht zwingend erforderlich ist es dagegen, dass das Opfer entgeltlich oder gegen eine sonstige Vergütung "erworben" oder wieder "veräußert" worden bzw. die Ausübung des "Eigentumsrechts" von längerer Dauer ist. Diese Aspekte können jedoch starke Indizien für eine Versklavung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 2 VStGB sein (vgl. JStGH, Urteil vom 22. Februar 2001 - IT-96-23-T u.a. - Kunarac - 539 ff.; Werle/Jeßberger, aaO Rn. 1024).

(bb) Unter Zugrundelegung dieser Maßstäbe hat die anderweitig Verfolgte O. die Zeugin L. mit hoher Wahrscheinlichkeit versklavt. Die Jesidin wurde von Angehörigen des IS gefangen genommen und musste von 2015 bis 2017 als "Sabaya" (Bezeichnung des IS für gefangen genommene Jesidinnen) bei O. und deren Ehemann Dienste (Hausarbeiten, Kinderbetreuung und anderes) verrichten. Sie wurde von O. angehalten, nicht nur in deren Haushalt, sondern auch bei der Angeklagten und einer weiteren Person unentgeltlich Arbeit zu leisten. Dabei bestimmte die anderweitig Verfolgte O. , ob und wann die Dienste der Zeugin in Anspruch genommen werden durften. Auch im Haus der Angeklagten gab ausschließlich O. Arbeitsanweisungen. Die Jesidin durfte sich weder dort noch sonst frei bewegen. Für die stets verschlossenen Haustüren hatte sie keinen Schlüssel, der Besitz eines Mobiltelefons war ihr nicht gestattet. Verhielt sie sich nicht nach den Wünschen von O. und deren Ehemann, wurde sie geschlagen.

(2) Die Angeklagte förderte die Tat der anderweitig Verfolgten O. , indem sie in Kenntnis dessen, dass die Zeugin als "Sabaya" gehalten wurde, deren Dienste in Anspruch nahm und dadurch zu einer weiteren Ausbeutung der Jesidin und Verfestigung des Machtanspruchs von O. beitrug.

Die bisherigen Ermittlungsergebnisse belegen indes nicht, dass die Angeklagte täterschaftlich handelte.

Bei Beteiligung mehrerer Personen, von denen nicht jede sämtliche Tatbestandsmerkmale verwirklicht, handelt mittäterschaftlich, wer seinen eigenen Tatbeitrag so in die Tat einfügt, dass er als Teil der Handlung eines anderen Beteiligten und umgekehrt dessen Handeln als Ergänzung des eigenen Tatanteils erscheint. Ob danach Mittäterschaft anzunehmen ist, hat das Tatgericht aufgrund einer wertenden Gesamtbetrachtung aller festgestellten Umstände zu prüfen; maßgebliche Kriterien sind der Grad des eigenen Interesses an der Tat, der Umfang der Tatbeteiligung und die Tatherrschaft oder wenigstens der Wille dazu, so dass die Durchführung und der Ausgang der Tat maßgeblich auch vom Willen des Betreffenden abhängen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschluss vom 6. August 2019 - 3 StR 189/19, NStZ 2020, 22 Rn. 4 f.; Urteile vom 15. Januar 1991 - 5 StR 492/90, BGHSt 37, 289 , 291; vom 12. Februar 1998 - 4 StR 428/97, NJW 1998, 2149 , 2150). Mittäterschaft erfordert dabei zwar nicht zwingend eine Mitwirkung am Kerngeschehen selbst; ausreichen kann auch ein die Tatbestandsverwirklichung fördernder Beitrag, der sich auf eine Vorbereitungs- oder Unterstützungshandlung beschränkt. Stets muss sich diese Mitwirkung aber nach der Willensrichtung des sich Beteiligenden als Teil der Tätigkeit aller darstellen (st. Rspr.; vgl. BGH, Beschlüsse vom 6. August 2019 - 3 StR 189/19, aaO mwN; vom 27. März 2012 - 3 StR 63/12, NStZ-RR 2012, 209 mwN). Erschöpft sich demgegenüber die Mitwirkung nach dem Willen des sich Beteiligenden in einer bloßen Förderung fremden Handelns, so fällt ihm lediglich Beihilfe zur Last (BGH, Beschluss vom 28. April 2020 - 3 StR 85/20, juris Rn. 4).

Hieran gemessen handelte die Angeklagte nicht als Täterin. Denn allein die anderweitig Verfolgte O. entschied, wann und wo die Zeugin Arbeitsleistungen zu erbringen hatte; nur O. erteilte der Jesidin Anweisungen, maßregelte sie bei deren Nichtbefolgung und überwachte deren Aufenthaltsort. Auch eingedenk des Umfangs der für die Angeklagte erbrachten Dienstleistungen stellen sich deren Handlungen nicht als (notwendiger) Bestandteil der Versklavung der Zeugin dar, sondern intensivieren diese lediglich.

(3) Die auf eine Versklavung im Sinne des § 7 Abs. 1 Nr. 3 VStGB gerichteten Handlungen der anderweitig Verfolgten O. hängen sachlich, zeitlich und räumlich eng zusammen. Sie richteten sich stets in gleichartiger Weise gegen dieselbe Geschädigte und waren in denselben ausgedehnten und systematischen Angriff gegen die jesidische Zivilbevölkerung eingebunden. Sie stellen deshalb eine Tat im Rechtssinne dar (vgl. BGH, Beschluss vom 6. Juni 2019 - StB 14/19, BGHSt 64, 89 Rn. 69), zu der die Angeklagte Beihilfe leistete.

ff) Im Hinblick auf die konkurrenzrechtliche Bewertung der Taten gilt ferner Folgendes:

Die mitgliedschaftlichen Beteiligungsakte, die zugleich den Tatbestand einer anderen Straftat erfüllen, stehen gemäß § 52 Abs. 1 Alternative 1 StGB in Tateinheit mit der jeweils gleichzeitig verwirklichten mitgliedschaftlichen Beteiligung, jedoch - soweit sich nach allgemeinen Grundsätzen nichts anderes ergibt -sowohl untereinander als auch zu der Gesamtheit der sonstigen mitgliedschaftlichen Beteiligungsakte in Tatmehrheit (BGH, Beschlüsse vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, BGHSt 60, 308 Rn. 23 ff.; vom 17. Oktober 2019 - StB 26/19, juris Rn. 30 ff.; vom 17. Oktober 2019 - AK 56/19, juris Rn. 53).

Die Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht, die Waffendelikte, die Kriegsverbrechen und die Beihilfe zu dem Verbrechen gegen die Menschlichkeit standen im Interesse des IS. Die Delikte bilden deshalb jeweils eine Tateinheit (§ 52 StGB ) mit der mitgliedschaftlichen Beteiligung, stellen aber untereinander eigenständige Taten im Sinne des § 53 StGB dar. Gegenüber den daneben von der Angeklagten verwirklichten, keinen weiteren Tatbestand erfüllenden mitgliedschaftlichen Beteiligungsakten ist ebenfalls Tatmehrheit gemäß § 53 StGB gegeben.

d) Deutsches Strafrecht ist anwendbar. Hinsichtlich der Vereinigungsdelikte folgt dies u.a. aus § 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 4 StGB (vgl. BGH, Beschlüsse vom 13. Juli 2017 - AK 32/17, juris Rn. 12; vom 6. April 2017 - AK 11-13/17, juris Rn. 16; vom 6. Oktober 2016 - AK 52/16, juris Rn. 33 ff.). Der notwendige Inlandsbezug ist gegeben, die Angeklagte ist deutsche Staatsangehörige. Jedenfalls ist deutsches Strafrecht insoweit - ebenso wie in Bezug auf den Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz und das Waffendelikt - gemäß § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB anwendbar. Die jeweiligen Tatorte befanden sich zur Tatzeit unter alleiniger Kontrolle des IS und unterlagen damit faktisch keiner Strafgewalt. Auslieferungen von und nach Syrien finden derzeit nicht statt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 5. Juni 2019 - AK 26/19, juris Rn. 17; vom 17. Oktober 2019 - AK 56/19, juris Rn. 55; vom 9. Juni 2020 - AK 12/20, juris Rn. 32). Die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts für die Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht (§ 171 StGB ) ergibt sich aus § 3 StGB . Die Tat wurde nach derzeitigem Ermittlungsstand zumindest auch im Inland begangen. Denn die Tathandlung begann mit dem Verlassen der Wohnung in Deutschland mit dem Ziel, sich mit dem minderjährigen Kind dauerhaft in einem Kampfgebiet des IS niederzulassen.

Im Hinblick auf die Kriegsverbrechen und das Verbrechen gegen die Menschlichkeit folgt die Anwendbarkeit deutschen Strafrechts aus § 1 VStGB .

e) Die nach § 129b Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB erforderliche Verfolgungsermächtigung liegt vor.

2. Es besteht der Haftgrund der Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO ). Es ist wahrscheinlicher, dass sich die Angeklagte - sollte sie auf freien Fuß gelangen - dem Strafverfahren entziehen als sich ihm stellen wird.

Die Angeklagte hat mit Blick auf die ihr zur Last gelegten Taten im Falle ihrer Verurteilung mit einer mehrjährigen Gesamtfreiheitsstrafe zu rechnen. Diesem erhöhten Fluchtanreiz stehen keine tragfähigen sozialen Bindungen im Bundesgebiet gegenüber. Sie hat ihren Lebensmittelpunkt hier vor Jahren aufgegeben, ein enger Bezug - etwa zu ihrer weiterhin in Deutschland lebenden Kernfamilie - ist nicht gegeben. Die Angeklagte ist wohnungs- und erwerbslos. Schließlich ist nicht erkennbar, dass sie sich von der Ideologie des IS abgewendet hat.

Darüber hinaus liegt der Haftgrund der Schwerkriminalität vor. Die Angeklagte ist der Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung dringend verdächtig. Daher sind die Voraussetzungen des § 112 Abs. 3 StPO auch bei der gebotenen restriktiven Auslegung dieser Vorschrift erfüllt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 22. September 2016 - AK 47/16, juris Rn. 26; vom 24. Januar 2019 - AK 57/18, juris Rn. 30 ff.).

Weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des § 116 StPO sind nicht erfolgversprechend.

3. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 112 Abs. 1 StPO ) liegen vor. Die besondere Schwierigkeit und der Umfang des Verfahrens haben ein Urteil bislang noch nicht zugelassen.

Nach der Festnahme der Angeklagten bei ihrer Wiedereinreise in das Bundesgebiet sind die bei der Durchsuchung ihrer Person aufgefundenen Asservate ausgewertet worden. Ferner sind zur Ermittlung der Radikalisierung und des Hintergrundes ihrer Ausreise nach Syrien Zeugen vernommen worden. Zur Vorbereitung einer etwaigen Vernehmung der Tochter der Angeklagten als tatnächste Zeugin ist ein Ergänzungspfleger bestellt worden, der schließlich mitgeteilt hat, das Mädchen mache von seinem Zeugnisverweigerungsrecht Gebrauch. Nach Abschluss der polizeilichen Ermittlungen Anfang Oktober 2020 hat der Generalbundesanwalt unverzüglich unter dem 28. Oktober 2020 Anklage zum Oberlandesgericht Düsseldorf erhoben. Die Akten sind dort am 2. November 2020 eingegangen. Der Vorsitzende des 7. Strafsenats hat noch am selben Tag die Zustellung der Anklageschrift verfügt und der Angeklagten gemäß § 201 Abs. 1 StPO eine Frist zur Stellungnahme von drei Wochen gesetzt. Mit Beschluss vom 11. Januar 2021 hat das Oberlandesgericht die Anklage zugelassen und das Hauptverfahren eröffnet. Die Hauptverhandlung soll am 25. Februar 2021 beginnen.

Nach alledem ist das Verfahren bislang mit der gebotenen Beschleunigung geführt worden.

4. Schließlich steht die Fortdauer der Untersuchungshaft derzeit nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung der Sache und der im Fall der Verurteilung zu erwartenden Strafe (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO ).