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BGH - Entscheidung vom 10.03.2021

IV ZR 337/19

Normen:
ZPO § 544 Abs. 9
GG Art. 103 Abs. 1

Fundstellen:
VersR 2022, 264

BGH, Beschluss vom 10.03.2021 - Aktenzeichen IV ZR 337/19

DRsp Nr. 2021/5281

Beanspruchung von Leistungen aus einer Wohngebäudeversicherung nach dem Brand mehrerer Nebengebäude auf dem versicherten Anwesen; Neuwertentschädigung wegen der Kosten des Baus zweier Löschwasserbrunnenschächte infolge einer mit einer Neubaugenehmigung verbundenen behördlichen Auflage

1. Eine in erster Instanz siegreiche Partei darf darauf vertrauen, vom Berufungsgericht rechtzeitig einen Hinweis zu erhalten, wenn dieses in einem entscheidungserheblichen Punkt der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will und aufgrund dessen eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich erachtet.2. Die in § 29 Ziff. 5 VGB 2006 geregelte Dreijahresfrist zur Sicherstellung der Wiederherstellung ist für die Frage der Wiederherstellung im Sinne von § 2 Ziff. 6 Buchst. a VGB 2006 nicht maßgeblich.

Tenor

Auf die Beschwerde des Klägers wird die Revision gegen das Urteil des 16. Zivilsenats des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts in Schleswig vom 18. November 2019 zugelassen, soweit die Berufung des Klägers hinsichtlich seines Zahlungsantrags in Höhe von 37.267,31 € nebst Zinsen zurückgewiesen worden ist. Im Umfang der Revisionszulassung wird das vorgenannte Urteil gemäß § 544 Abs. 9 ZPO sowie im Kostenpunkt aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.

Die weitergehende Beschwerde wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens, soweit es ohne Erfolg geblieben ist. Insoweit beträgt der Wert des Beschwerdegegenstands für die Gerichtskosten 46.308,36 € und für die außergerichtlichen Kosten 83.575,67 € mit der Maßgabe, dass letztere im Verhältnis zur Beklagten nur in Höhe von 55% anzusetzen sind (§ 97 Abs. 1 ZPO ; vgl. BGH, Beschluss vom 17. Dezember 2003 - V ZR 343/02, NJW 2004, 1048 ).

Normenkette:

ZPO § 544 Abs. 9 ; GG Art. 103 Abs. 1 ;

Gründe

I. Die Parteien streiten um Leistungen aus der vom Kläger bei der Beklagten gehaltenen Wohngebäudeversicherung nach dem Brand mehrerer Nebengebäude auf dem versicherten Anwesen am 30. August 2012, für deren Zerstörung die Beklagte den Zeitwert in Höhe von 24.654,89 € erstattet hat. Der Kläger fordert - soweit hier noch von Interesse - zusätzlich eine Neuwertentschädigung in Höhe von 46.308,36 € sowie 37.267,31 € wegen der Kosten des Baus zweier Löschwasserbrunnenschächte infolge einer mit einer Neubaugenehmigung verbundenen behördlichen Auflage.

Die dem Versicherungsvertrag zugrundeliegenden "Bedingungen Wohngebäudeversicherung mit Glasversicherung (WG06 - Stand 1.12.2006)", (im Folgenden: VGB 2006) regeln unter anderem in § 2 Ziff. 6 Buchst. a:

"Wir ersetzen die entstandenen Mehrkosten für die W iederherstellung der versicherten und vom Schaden betroffenen Sachen durch behördliche Auflagen auf der Grundlage bereits vor Eintritt des Versicherungsfalles erlassener Gesetze und Verordnungen. ..."

Weiter heißt es in § 29 Ziff. 5:

"In der Gleitenden Neuwertversicherung und der Neuwertversicherung erwerben Sie den Anspruch auf Zahlung des Teils der Entschädigung, der den Zeitwertschaden übersteigt (Neuwertanteil) nur, soweit und sobald Sie innerhalb von drei Jahren nach Eintritt des Versicherungsfalles sicherstellen, dass Sie die Entschädigung verwenden werden, um versicherte Sachen in gleicher Art und Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle wiederherzustellen oder wiederzubeschaffen. ..."

Bei dem Brand wurden ein Gewächshaus, eine Garage, zwei Rundhallen, eine große Halle und eine Überdachung vollständig zerstört. Der Kläger erwirkte am 19. Mai 2015 bei der zuständigen Kreisverwaltung eine Baugenehmigung für den Neubau einer Gerätehalle mit Werkstatt, Abstellplatz und Garage, der gesamte umbaute Raum war im Genehmigungsverfahren mit 1.142,88 m3, die Grundfläche mit 12 x 16 m (192 m2) angegeben worden. Die Baugenehmigung enthielt die Auflage, für die Nebenanlage vor Baubeginn den Nachweis eines Löschwasservolumenstroms von mindestens 48 m3/h über zwei Stunden zu erbringen, wobei die Entnahmestelle nicht weiter als 75 m Luftlinie über einen gesicherten Weg von den Gebäuden entfernt liegen dürfe. Ein erster vom Kläger veranlasster Brunnenbau führte nicht zu einer ausreichenden Löschwasserförderung, weshalb der Kläger einen weiteren Brunnenschacht bauen ließ, der mit dem ersten verbunden wurde.

Im Dezember 2016 wurde die Halle im Rohbau errichtet. Wegen Einwänden der Beklagten zur Größe der neuen Halle beantragte der Kläger eine neue Baugenehmigung über eine Halle mit geringerer Höhe und nur noch 824,64 m3 umbauten Raumes. Diese Genehmigung wurde dem Kläger am 7. März 2018 ohne die vorgenannte Auflage erteilt.

Der Kläger behauptet, die ursprünglich vorhandenen Nebengebäude hätten in der Summe 736,91 m3 umbauten Raumes aufgewiesen. Noch vor Ablauf von drei Jahren nach dem Brand habe er für den Löschwasserbrunnen, die Errichtung eines Fundaments, Baugenehmigungs und -planungskosten bereits circa 40.000 € aufgewendet. Letztendlich habe er die Halle auch in gleicher Größe fertiggestellt. Die beding ungsgemäße Verwendung der Neuwertspitze sei drei Jahre nach dem Brand (am 30. August 2015) sichergestellt gewesen.

Die Löschwasser-Auflage der ersten Baugenehmigung entspreche der Landesbauordnung (LBO) und dem Brandschutzgesetz (BrSchG) des Landes Schleswig-Holstein. Eine Löschwasserentnahme aus dem NordOstsee-Kanal sei nach den geltenden Bestimmungen nicht zulässig, im Übrigen habe er von der Rechtmäßigkeit der Auflage ausgehen dürfen.

Die Beklagte verweigert die Erstattung der Neuwertspitze unter anderem deshalb, weil der Kläger die Wiederherstellung einer Halle von gleicher Art und Zweckbestimmung nicht binnen drei Jahren nach dem Brand sichergestellt habe. Der Kläger habe binnen dieser Frist weder einen Bauvertrag vorgelegt noch den Baubeginn angezeigt. Zudem übertreffe der der ersten Baugenehmigung zugrunde gelegte Bruttorauminhalt der geplanten neuen Halle den Bruttorauminhalt sämtlicher abgebrannter Nebengebäude um fast das Doppelte.

Eine eigene Löschwasserversorgung des Anwesens sei unter anderem wegen des nahegelegenen Nord-Ostsee-Kanals nicht nötig, es bestehe hier auch keine erhöhte Brandlast oder Brandgefährdung; die diesbezügliche Auflage der ersten Baugenehmigung sei mithin rechtswidrig. Dadurch, dass der Kläger dies hingenommen habe, habe er gegen seine Schadensminderungsobliegenheit und außerdem gegen die Weisung der Beklagten verstoßen, nicht ohne vorherige Abstimmung mit ihr mit Behörden zu korrespondieren. Stattdessen habe er die Beklagte erst nach Ablauf der Widerspruchsfrist über die Korrespondenz mit der Baugenehmigungsbehörde informiert.

Das Landgericht hat die Klage ab-, das Oberlandesgericht die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der Nichtzulassungsbeschwerde verfolgt der Kläger seinen Zahlungsantrag weiter.

II. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, der Kläger habe weder einen Anspruch auf den Neuwertanteil noch auf den Ersatz der Kosten für den Brunnenbau.

Entgegen § 29 Ziff. 5 VGB 2006 habe er nicht innerhalb von drei Jahren nach dem Versicherungsfall sichergestellt, dass er die Entschädigung verwenden werde, um versicherte Sachen gleicher Art und Zweckbestimmung an der bisherigen Stelle wiederherzustellen, denn innerhalb der genannten Ausschlussfrist habe er allein die erste Baugenehmigung nebst deren Antragsunterlagen vorgelegt und ein Fundament errichten lassen. Mit Blick auf die Gleichartigkeit des wiederherzustellenden Gebä udes habe dies für die Beklagte keine ausreichende Beurteilungsgrundlage ergeben. Einen Bauvertrag habe der Kläger nicht vorgelegt. Wegen der innerhalb der Dreijahresfrist mitgeteilten Größe des Bauvorhabens fehle es an der Gleichartigkeit des wieder zu errichtenden Gebäudes. Die später umgeplanten Wiederherstellungsmaßnahmen hätten keinen Einfluss auf den Entschädigungsanspruch des Klägers. Im Übrigen ergäben sich wegen der geplanten Errichtung einer alleinstehenden Mehrzweckhalle anstelle der ursprünglich einzelnen aneinandergereihten Nebengebäude Zweifel an der Gleichheit der Zweckbestimmung.

Die Beklagte müsse dem Kläger auch nicht die Kosten für den Brunnenbau in Höhe von 37.267,31 € ersetzen. Sie hätten entgegen § 2 Ziff. 6 Buchst. a VGB 2006 nicht der Wiederherstellung der versicherten Sache gedient. Auch wenn sie auf die in der Baugenehmigung enthaltene Auflage zurückgingen, für den Objektschutz eine Löschwasserförderung von 48 m3/h für die Dauer von zwei Stunden nachzuweisen, wenn weiter entgegen der Auffassung des Landgerichts der Anspruch nicht an u nzureichendem Klägervortrag zu den gesetzlichen Grundlagen dieser Auflage scheitere, auch nicht von einer Rechtswidrigkeit der Auflage ausgegangen werde, und wenn man schließlich davon ausgehe, dass die Dreijahresfrist des § 29 Ziff. 5 VGB 2006 insoweit nicht maßgeblich sei, komme es nach dem Wortlaut des § 2 Ziff. 6 Buchst. a VGB 2006 darauf an, dass die Mehrkosten für die Wiederherstellung der versicherten und vom Schaden betroffenen Sache entstanden seien. So liege es hier nicht, weil sich die (erste) Baugenehmigung, in welcher die kostenverursachende Auflage erteilt worden sei, auf die Errichtung eines sich nach Art und Größe von den früheren Gebäuden unterscheidenden Gebäudes bezogen habe. Anderes folge auch nicht daraus, dass der Ersatz für Mehrkosten infolge behördlicher Auflagen in den Bedingungen an anderer Stelle (§ 2 Ziff. 6 Buchst. a VGB 2006) geregelt sei als die strenge Wiederherstellungsklausel (§ 29 Ziff. 5 VGB 2006). Denn der Regelungszusammenhang lasse dennoch darauf schließen, dass Mehrkosten nicht unabhängig von der Wiederh erstellung, auf die sich die behördliche Auflage beziehe, erstattungsfähig seien. Das zeige bereits der Vergleich mit einem Versicherungsnehmer, der bewusst und unter Verzicht auf die Neuwertspitze ein vom ursprünglichen Zustand abweichendes Gebäude errichten wolle und hierfür behördliche Auflagen erteilt bekomme. In einem solchen Falle könne eine Eintrittspflicht des Versicherers für die hierdurch entstehenden Mehrkosten schlechterdings nicht angenommen werden

III. Das hält rechtlicher Nachprüfung nicht stand, soweit das Berufungsgericht dem Kläger Ersatz für die Kosten des Brunnenbaus versagt hat. Insoweit hat die Beschwerde Erfolg und führt gemäß § 544 Abs. 9 ZPO zur Aufhebung des angegriffenen Urteils und zur Zurückverwei sung der Sache an das Berufungsgericht. Im Übrigen ist die Nichtzulassungsbeschwerde unbegründet.

1. Die Entscheidung über den Ersatz der durch den Bau zweier Brunnenschächte entstandenen Kosten verletzt den Anspruch des Klägers auf Gewährung rechtlichen Gehörs (Art. 103 Abs. 1 GG ). Er rügt mit Recht, das Berufungsgericht habe insoweit eine überraschende Entscheidung getroffen. Das Berufungsgericht hätte den Kläger darauf hinweisen müssen, dass es beabsichtigte, die auf Ersatz der durch behördliche Auflagen entstandenen Kosten gerichtete Klage aus einem anderen Grunde für unbegründet zu erachten als das Landgericht.

a) Gerichtliche Hinweispflichten dienen der Vermeidung von Überraschungsentscheidungen und konkretisieren den Anspruch der Parteien auf rechtliches Gehör. Diese in Art. 103 Abs. 1 GG normierte Gewährleistung stellt eine Ausprägung des Rechtsstaatsgedankens für das gerichtliche Verfahren dar. Rechtliche Hinweise müssen danach unter Berücksichtigung der Parteien in ihrer konkreten Situation so erteilt werden, dass es diesen auch tatsächlich möglich ist, vor einer Entscheidung zu Wort zu kommen, um Einfluss auf das Verfahren und sein Ergebnis nehmen zu können, sie also nicht gehindert werden, rechtzeitig ihren Sachvortrag zu ergänzen (Senatsbeschluss vom 15. März 2006 - IV ZR 32/05, VersR 2007, 225 Rn. 4 m.w.N.). Hieraus folgt nicht nur, dass eine in erster Instanz siegreiche Partei darauf vertrauen darf, vom Berufungsgericht rechtzeitig einen Hinweis zu erhalten, wenn dieses in einem entscheidungserheblichen Punkt der Beurteilung der Vorinstanz nicht folgen will und aufgrund dessen eine Ergänzung des Vorbringens oder einen Beweisantritt für erforderlich erachtet (vgl. Senatsbeschlüsse vom 29. März 2017 - IV ZR 510/15, r+s 2018, 508 Rn. 8 und vom 15. März 2006 aaO jeweils m.w.N.), sondern das Gericht darf nach Art. 103 Abs. 1 GG auch in anderen Fällen ohne vorherigen Hinweis nicht auf einen rechtlichen Gesichtspunkt abstellen, den es anders beurteilt als die Parteien und mit dem auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte. Es hat vielmehr in einem solchen Fall auf seine Rechtsauffassung hinzuweisen und den Prozessbeteiligten eine Möglichkeit zur Stellungnahme zu eröffnen (BGH, Beschluss vom 16. Mai 2013 - VII ZR 63/11, NJW-RR 2013, 969 Rn. 8; vgl. Nober/Ghassemi-Tabar, NJW 2017, 3265 , 3269).

b) Das hat das Berufungsgericht nicht beachtet.

aa) Die Beklagte hatte in erster Instanz gegen den vom Kläger auf § 2 Ziff. 6 Buchst. a VGB 2006 gestützten Anspruch auf Erstattung der Kosten für den Brunnenbau eingewandt, die Löschwasserversorgung könne über den nahegelegenen Nord-Ostsee-Kanal erfolgen, die dem Kläger in der ersten Baugenehmigung auferlegte Schaffung einer zusätzlichen Löschwasserversorgung sei nicht erforderlich gewesen; außerdem habe der Kläger gegen seine Schadensminderungsobliegenheit und die Weisung der Beklagten verstoßen, nicht ohne vorherige Abstimmung mit ihr mit Behörden zu korrespondieren.

Das Landgericht hat den Klageantrag mit der Begründung abgewiesen, der Kläger habe nicht schlüssig dargetan, dass die Auflage den zur Zeit des Versicherungsfalls geltenden Gesetzen und Vero rdnungen entsprochen habe, weil er zu den Voraussetzungen der in Betracht kommenden Rechtsgrundlagen, insbesondere des § 27 BrSchG und des § 19 LBO (des Landes Schleswig-Holstein) nicht hinreichend vorgetragen habe. Zu der von § 2 Ziff. 6 Buchst. a VGB 2006 vorausgesetzten Wiederherstellung der versicherten und vom Schaden betroffenen Sachen verhält sich das landgerichtliche Urteil nicht. Auch die Parteien haben im Berufungsverfahren hierzu nicht Stellung genommen.

Rechtliche Hinweise hierzu hat das Berufungsgericht nicht erteilt. Stattdessen hat es im Berufungsurteil ausgeführt, obgleich entgegen der Auffassung des Landgerichts der Anspruch nicht an unzureichendem Klägervortrag zu den gesetzlichen Grundlagen der behördlichen Auflage scheitere und selbst wenn weder von deren Rechtswidrigkeit noch der Maßgeblichkeit der Dreijahresfrist des § 29 Ziff. 5 VGB 2006 ausgegangen werde, seien die eingeklagten Mehrkosten nicht für die Wiederherstellung der versicherten und vom Schaden betroffenen Sache entstanden, weil sich die Baugenehmigung, in welcher die kostenverursachende Auflage erteilt worden sei, auf die Errichtung eines nach Art und Größe den früheren Gebäuden nicht gleichenden Gebäudes bezogen habe. Dass der Versicherungsnehmer in einem solchen Falle keinen Kostenerstattungsanspruch habe, ergebe sich aus dem Regelungszusammenhang des § 2 Ziff. 6 Buchst. a und des § 29 Ziff. 5 VGB 2006.

bb) Mit dieser Begründung durfte das Berufungsgericht die Klage nicht abweisen, denn es hat den Parteien, die diesen rechtlichen Gesichtspunkt ebenso wie das Landgericht nicht im Blick gehabt haben, keine ausreichende Gelegenheit gegeben, hierzu Stellung zu nehmen. Es hat insbesondere dem Kläger die Möglichkeit genommen, daran zu erinnern, dass er bereits in erster Instanz behauptet hatte, die Auflage betreffend die Bereitstellung von Löschwasser sei in der zweiten Baugenehmigung vom 7. März 2018 nur deshalb nicht mehr enthalten gewesen, weil die notwendige Löschwasseranlage bereits fertiggestellt gewesen sei. Hierzu verhält sich das Berufungsurteil ebenso nicht.

cc) Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Berufungsurteil auf diesem Rechtsfehler beruht, denn der Kläger hat infolge des nicht erteilten Hinweises keine Gelegenheit gehabt, darzulegen, dass die in der ersten Baugenehmigung erteilte Auflage nicht allein für die seinerzeit noch geplante größere Halle, sondern für jegliche neu zu errichtende Halle erteilt worden wäre und deshalb auch für die vom Kläger am Ende errichtete Halle Geltung beansprucht hätte.

c) Das Berufungsurteil erweist sich insoweit auch nicht aus anderem Grunde als richtig.

aa) Soweit die Beschwerdeerwiderung den oben dargelegten Gehörsverstoß für nicht entscheidungserheblich erachtet, weil die schließlich erbaute Halle wegen Fristablaufes nicht mehr die Wiederherstellung der versicherten Sache habe darstellen können, ist das Berufungsgericht zu Recht davon ausgegangen, dass die in § 29 Ziff. 5 VGB 2006 geregelte Dreijahresfrist zur Sicherstellung der Wiederherstellung für die Frage der Wiederherstellung im Sinne von § 2 Ziff. 6 Buchst. a VGB 2006 nicht maßgeblich ist. Die Versäumnis dieser Frist führt zwar nach § 29 Ziff. 5 VGB 2006 dazu, dass der Anspruch auf Erstattung der Neuwertspitze nicht entsteht, kann aber nach dem für die Bedingungsauslegung maßgeblichen Verständnis eines durchschnittlichen Versicherungsnehmers nicht zugleich den Anspruch aus § 2 Ziff. 6 VGB 2006 entfallen lassen, denn eine solche Fristgebundenheit ist der letztgenannten Klausel nicht zu entnehmen. Angesichts einer so schwerwiegenden Rechtsfolge wie dem Anspruchsverlust darf der durchschnittliche Versicherungsnehmer anderenfalls redlicherweise erwarten, dass der Versicherer als Verwender der Allgemeinen Versicherungsbedingungen durch eine nicht verklausulierte Regelung in § 2 Ziff. 6 Buchst. a VGB 2006 - etwa durch eine ausdrückliche Regelung der Dreijahresfrist auch an dieser Stelle oder zumindest einen deutlichen Verweis auf die Fristenregelung in § 29 Ziff. 5 VGB 2006 - klargestellt hätte, dass auch ein Anspruch auf Erstattung von Mehrkosten infolge behördlicher Auflagen nur dann entstehen soll, wenn die von der Klausel vorausgesetzte Wiederherstellung der versicherten und vom Schaden betroffenen Sachen vom Versicherungsnehmer innerhalb von drei Jahren nach dem Versicherungsfall sichergestellt wird. Eine solche Regelung ist hier nicht getroffen.

bb) Aus seiner Sicht konsequent hat das Berufungsgericht bisher nicht abschließend geklärt, ob die vom Kläger am Ende errichtete Mehrzweckhalle als Wiederherstellung der versicherten und vom Schaden betroffenen Sachen im Sinne von § 2 Ziff. 6 Buchst. a VGB 2006 angesehen werden kann. Denn für die Frage der fristgerechten Sicherstellung der Wiederherstellung im Sinne der strengen Wiederherstellungsklausel (§ 29 Ziff. 5 VGB 2006) war dies nicht entscheidungserheblich. Das Berufungsgericht hat es dabei belassen, Zweifel an der Gleichartigkeit und Zweckbestimmung darzulegen, ohne die Frage aber abschließend zu entscheiden. Der Senat kann insoweit keine eigene Entscheidung treffen, weil es hier noch weiterer Feststellungen bedarf.

cc) Weiter hat das Berufungsgericht bislang nicht geprüft, inwieweit der Vorwurf der Beklagten zutrifft, der Kläger habe schuldhaft seine Schadensminderungsobliegenheit durch Hinnahme der behördlichen Auflage verletzt sowie gegen die Weisung des Versicherers verstoßen, nicht ohne vorherige Abstimmung mit ihm mit Behörden zu korrespondieren.

Insoweit war die Sache im Umfang der Aufhebung des Berufungsurteils an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

2. Soweit sich die Nichtzulassungsbeschwerde gegen die Versagung einer Neuwertentschädigung in Höhe von 46.308,36 € richtet, war sie zurückzuweisen, weil die Rechtssache insoweit keine grundsätzliche Bedeutung hat und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts erfordert (§ 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO ). Die in diesem Zusammenhang erhobene Gehörsrüge hat der Senat geprüft und für nicht durchgreifend erachtet. Von einer näheren Begründung wird gemäß § 544 Abs. 6 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO abgesehen.

Vorinstanz: LG Kiel, vom 08.02.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 5 O 246/15
Vorinstanz: SchlHOLG, vom 18.11.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 16 U 22/19
Fundstellen
VersR 2022, 264