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BGH - Entscheidung vom 29.04.2021

4 StR 46/21

Normen:
StGB § 20
StGB § 306a Abs. 1 Nr. 1
StGB § 22
StGB § 23 Abs. 1

Fundstellen:
NStZ-RR 2021, 219

BGH, Urteil vom 29.04.2021 - Aktenzeichen 4 StR 46/21

DRsp Nr. 2021/8682

Revision des Angeklagten gegen die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus in einem Verfahren wegen versuchter schwerer Brandstiftung; Krankheitsbedingte Aufhebung der Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten bei Begehung der Tat

Soweit bei Mischspuren, d.h. bei Spuren, die - wie hier - mehr als zwei Allele in einem DNA-System aufweisen und demnach von mehr als einer einzelnen Person stammen, von den Tatgerichten grundsätzlich weiterhin verlangt wird, in den Urteilsgründen mitzuteilen, wie viele Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergaben und mit welcher "Wahrscheinlichkeit" die festgestellte Merkmalskombination bei einer weiteren Person zu erwarten ist, ist eine Nichterfüllung dieser Anforderungen unerheblich, wenn ausgeschlossen werden kann, dass der Nachweis der Täterschaft des Angeklagten auf der unzureichenden Darstellung des Ergebnisses der DNA-Analyse beruht. Das ist etwa der Fall, wenn das Tatgericht - wie hier - dem Ergebnis der DNA-Vergleichsuntersuchung ersichtlich nur eine das bereits gefundene Ergebnis bestätigende Bedeutung beigemessen und den Schwerpunkt des Tatnachweises auf die tatzeitnah festgestellten anderen Beweisanzeichen gelegt hat.

Tenor

1.

Die Revision des Beschuldigten gegen das Urteil des Landgerichts Bochum vom 26. Oktober 2020 wird als unbegründet verworfen.

2.

Der Beschwerdeführer hat die Kosten seines Rechtsmittels zu tragen.

Normenkette:

StGB § 20 ; StGB § 306a Abs. 1 Nr. 1 ; StGB § 22 ; StGB § 23 Abs. 1 ;

Gründe

Das Landgericht hat die Unterbringung des Beschuldigten in einem psychiatrischen Krankenhaus angeordnet. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision des Beschuldigten hat keinen Erfolg.

1. a) Das Landgericht hat zu der der Unterbringungsanordnung zugrundeliegenden Anlasstat folgende Feststellungen getroffen:

Dem Beschuldigten war wegen seines ungewöhnlichen und aggressiven Verhaltens verboten worden, die Moschee der Ahmadiyya-Gemeinde zu betreten und an Veranstaltungen der Gemeinde teilzunehmen. Weil er aufgrund seiner zur Tatzeit akuten paranoid-halluzinatorischen Erkrankung aus dem Formenkreis der Schizophrenie in Verkennung der Realität glaubte, die Gemeindemitglieder hätten sich gegen ihn verschworen, wollte er sie bestrafen. Er begab sich deshalb am frühen Morgen des 23. Dezember 2019 mit einem Benzinkanister zu dem Gebäude, in dem sich im Erdgeschoss die Räumlichkeiten der Moschee und in den darüberliegenden Stockwerken Wohnungen befanden, die zur Tatzeit bewohnt waren. Dort verschüttete er das Benzin auf dem Boden vor der Wand der Moschee und entzündete anschließend den Brennstoff an mehreren Stellen mit mitgebrachten Streichhölzern, um das Gebäude in Brand zu setzen. Beim Entzünden des fünften Streichholzes fing der von ihm in der Hand gehaltene Benzinkanister Feuer, worauf ihn der Beschuldigte an ein Regenfallrohr warf und davonlief. Das Feuer brannte etwa 12 Minuten, ohne dass es wesentliche Teile des Gebäudes erfasste. Es entstand geringer Sachschaden.

b) Das Landgericht hat die Tat als rechtswidrig begangene versuchte schwere Brandstiftung gemäß §§ 306a Abs. 1 Nr. 1 , 22 , 23 Abs. 1 StGB gewertet. Die Steuerungsfähigkeit des Beschuldigten sei bei Begehung der Tat aufgrund seiner Erkrankung im Sinne des § 20 StGB aufgehoben gewesen, da er krankheitsbedingt die Mitglieder der Ahmadiyya-Gemeinde als "böse Menschen" angesehen habe und sich dem Impuls, diese durch Brandlegung zu bestrafen, nicht habe widersetzen können.

2. Das Urteil hält sachlich-rechtlicher Prüfung im Ergebnis stand.

a) Es kann dahinstehen, ob hinreichend belegt ist, dass sich der Vorsatz des Beschuldigten auf ein Gebäude bezog, das der Wohnung von Menschen diente (vgl. § 306a Abs. 1 Nr. 1 StGB ). Jedenfalls erfüllte die Handlung des Beschuldigten den Tatbestand der versuchten schweren Brandstiftung gemäß § 306a Abs. 1 Nr. 2 StGB , da es sich bei dem Tatobjekt (auch) um ein der Religionsausübung dienendes Gebäude handelte. Insoweit ist der erforderliche Vorsatz belegt.

b) Auch die Beweiswürdigung zur Täterschaft des Beschuldigten erweist sich im Ergebnis als rechtsfehlerfrei. Die Darstellung des Ergebnisses der gutachterlichen Auswertung der DNA-Mischspur genügt zwar - worauf der Generalbundesanwalt zu Recht hinweist - nicht in jeder Hinsicht den von der Rechtsprechung entwickelten Anforderungen an die Darstellung einer DNA-Vergleichsuntersuchung. Jedoch vermag der Senat ein Beruhen des Urteils auf diesem Rechtsfehler auszuschließen.

aa) Die Darstellung der Ergebnisse einer auf einer molekulargenetischen Vergleichsuntersuchung beruhenden Wahrscheinlichkeitsberechnung ist so auszugestalten, dass die Wahrscheinlichkeitsberechnung für das Revisionsgericht nachvollziehbar ist. Deshalb muss das Tatgericht in den Urteilsgründen mitteilen, wie viele Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergaben, mit welcher "Wahrscheinlichkeit" die festgestellte Merkmalskombination bei einer weiteren Person zu erwarten ist (vgl. BGH, Urteil vom 5. Juni 2014 - 4 StR 439/13, BGHR StPO § 267 Abs. 1 Satz 2 Beweisergebnis 6, Rn. 16; Beschlüsse vom 28. August 2018 - 5 StR 50/17, BGHSt 63, 187 , 188 Rn. 9 mwN und vom 27. Juni 2017 - 2 StR 572/16 Rn. 12 f.) und, sofern der Angeklagte einer fremden Ethnie angehört, inwieweit dieser Umstand bei der Auswahl der Vergleichspopulation von Bedeutung war (vgl. BGH, Beschluss vom 20. Mai 2015 - 4 StR 555/14, NJW 2015, 2594 Rn. 20 mwN).

Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt nach neuer Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs nur bei DNA-Vergleichsuntersuchungen, die sich auf eindeutige Einzelspuren beziehen und keine Besonderheiten in der forensischen Fragestellung aufweisen. In diesen Fällen genügt die Mitteilung, mit welcher Wahrscheinlichkeit die festgestellte Merkmalskombination bei einer weiteren Person zu erwarten ist (im Einzelnen: BGH, Beschlüsse vom 28. August 2018 - 5 StR 50/17, BGHSt 63, 187 , 189 Rn. 10 und vom 3. November 2020 - 4 StR 408/20 Rn. 4).

Bei Mischspuren, d.h. bei Spuren, die - wie hier - mehr als zwei Allele in einem DNA-System aufweisen und demnach von mehr als einer einzelnen Person stammen (vgl. zur Definition Schneider/Fimmers/Schneider/Brinkmann, Allgemeine Empfehlungen der Spurenkommission zur Bewertung von DNA-Mischspuren, NStZ 2007, 447 ), wird von den Tatgerichten grundsätzlich weiterhin verlangt, in den Urteilsgründen mitzuteilen, wie viele Systeme untersucht wurden, ob und inwieweit sich Übereinstimmungen in den untersuchten Systemen ergaben und mit welcher "Wahrscheinlichkeit" die festgestellte Merkmalskombination bei einer weiteren Person zu erwarten ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 3. November 2020 - 4 StR 408/20; vom 29. November 2018 ‒ 5 StR 362/18, StV 2019, 331 ). Lediglich in Fällen, in denen Mischspuren eine eindeutige Hauptkomponente aufweisen, können für die Darstellung der DNA-Vergleichsuntersuchung die für die Einzelspur entwickelten Grundsätze gelten (vgl. BGH, Beschlüsse vom 29. Juli 2020 - 6 StR 183/20; vom 29. Juli 2020 - 6 StR 211/20; vom 3. November 2020 - 4 StR 408/20).

bb) Die Ausführungen im angefochtenen Urteil erfüllen die letztgenannten Anforderungen nicht. Das Landgericht hat nicht mitgeteilt, wie viele DNA-Systeme der Mischspur untersucht wurden, wenngleich es naheliegt, dass der Wahrscheinlichkeitsberechnung des Rechtsmediziners standardmäßig die Untersuchung von 16 Systemen zugrunde lag. Die Feststellungen verhalten sich auch nicht zu dem Verhältnis der in der Mischspur enthaltenen Komponenten.

cc) Der Senat kann jedoch ausschließen, dass der Nachweis der Täterschaft des Angeklagten auf der unzureichenden Darstellung des Ergebnisses der DNA-Analyse beruht.

Denn das Landgericht hat seine Überzeugung von der Täterschaft des Beschuldigten bereits daraus gewonnen, dass bei ihm kurz nach der Tat frisch gewaschene Kleidungsstücke festgestellt wurden, die ausweislich einer Videoaufzeichnung vom Tatort in Art und Farbe der Täterkleidung gleichkamen. Zugleich wurde bei der tatzeitnahen Durchsuchung anderweit nicht erklärbarer Benzin- und Brandgeruch in der Wohnung des Beschuldigten festgestellt. Schon "allein" aus diesen beiden Indizien hat das Landgericht den sicheren Schluss auf die Täterschaft des Beschuldigten gezogen. Zwar hat es dieses Beweisergebnis "im Wesentlichen" neben aufgefundenen Internetrecherchen des Beschuldigten zum Thema "Feuer machen" und tatbezogenen Äußerungen des Beschuldigten gegenüber dem Sachverständigen auch durch das Ergebnis der DNA-Vergleichsuntersuchung gestützt gesehen und diese Umstände in die abschließende Gesamtbetrachtung eingestellt. Es hat diesen Indizien jedoch ersichtlich nur eine das bereits gefundene Ergebnis bestätigende Bedeutung beigemessen und den Schwerpunkt des Tatnachweises auf die tatzeitnah festgestellten Beweisanzeichen gelegt. Hinzu kommt, dass dem Ergebnis der DNA-Untersuchung ungeachtet der unzureichenden Darstellung im Urteil jedenfalls insoweit noch eine gewisse Indizwirkung zukommt, als der Beschuldigte als Mitverursacher der gesicherten Mischspur an der Streichholzschachtel in Betracht kommt.

3. Auch im Übrigen weist das angefochtene Urteil keine den Beschuldigten beschwerende Rechtsfehler auf.

Vorinstanz: LG Bochum, vom 26.10.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 30 Js 303/19
Fundstellen
NStZ-RR 2021, 219