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BGH - Entscheidung vom 11.02.2021

6 StR 235/20

Normen:
KWKG § 22a Abs. 1

BGH, Urteil vom 11.02.2021 - Aktenzeichen 6 StR 235/20

DRsp Nr. 2021/3543

Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe und Munition für Kriegswaffen in Tateinheit mit Besitz von Schusswaffen und Munition; Verstoß gegen Aufbewahrungsvorschriften für Schusswaffen sowie Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen

Tenor

Die Revision der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landgerichts Schwerin vom 19. Dezember 2019 wird verworfen.

Die Kosten des Rechtsmittels und die dem Angeklagten hierdurch entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Normenkette:

KWKG § 22a Abs. 1 ;

Gründe

Das Landgericht hat den Angeklagten wegen Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe und Munition für Kriegswaffen in Tateinheit mit Besitz von Schusswaffen und Munition, mit einem Verstoß gegen Aufbewahrungsvorschriften für Schusswaffen sowie mit Umgang mit explosionsgefährlichen Stoffen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und neun Monaten verurteilt und deren Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt. Die auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützte Revision der Staatsanwaltschaft bleibt ohne Erfolg.

I.

Nach den Feststellungen des Landgerichts beschäftigte sich der Angeklagte, ein Polizeibeamter des Landes Mecklenburg-Vorpommern, früherer Angehöriger eines Spezialeinsatzkommandos sowie leidenschaftlicher Sportschütze und Schießtrainer, intensiv mit Katastrophenszenarien und betrieb in Vorbereitung auf den Eintritt eines "Tag X" zusammen mit Gleichgesinnten das sogenannte Preppen; die in diesem Rahmen beabsichtigte gemeinsame Vorratshaltung umfasste neben der Beschaffung von Dingen des täglichen Bedarfs auch die Bevorratung großer Mengen Munition.

Bei einer Durchsuchung beim Angeklagten am 28. August 2017 wurden zwei Übungsgranaten aus Beständen der Bundeswehr, 18 Schuss Kriegswaffenmunition sowie 2.997 Schuss ursprünglich an Bundes- und Landesministerien ausgelieferte Munition sichergestellt, für die er jeweils die erforderliche Erlaubnis nicht besaß. Zudem lagerte der Angeklagte, der für die bei ihm zu diesem Zeitpunkt aufgefundenen Waffen über die erforderlichen Waffenbesitzkarten verfügte, eine halbautomatische Kurzwaffe und eine Luftdruckwaffe nicht ordnungsgemäß.

Am 12. Juni 2019 fand bei dem Angeklagten eine weitere Durchsuchung statt. Bei ihm wurden die folgenden Gegenstände sichergestellt, für die er nicht über die erforderlichen Erlaubnisse verfügte: Eine von ihm bereits im Jahr 2009 oder 2010 erworbene Maschinenpistole "Uzi", eine Selbstladebüchse "Winchester", ein verrosteter Gewehrlauf, 1.469 Schuss Kriegswaffenmunition, 5.228 Schuss Behördenmunition sowie 133 Irritationswurfkörper und Signallichter. Außerdem lagerte er eine Luftdruckwaffe, eine Schreckschusspistole und eine Druckluftpistole nicht ordnungsgemäß, die er jeweils erlaubnisfrei besaß.

Mit Ausnahme von 202 Schuss Munition und der Luftdruckwaffe hatte der Angeklagte die im Juni 2019 sichergestellten Gegenstände bereits zum Zeitpunkt der ersten Durchsuchung in seinem Besitz, sie jedoch nicht zuhause aufbewahrt; so hatte er die Maschinenpistole bis zum Frühjahr 2018 in einem Koffer im Keller des Hauses seiner Schwiegereltern gelagert.

II.

Die Beschwerdeführerin wendet sich im Wesentlichen gegen die tatgerichtliche Beweiswürdigung zum (durchgängigen) Besitz des Angeklagten an der Maschinenpistole, aufgrund dessen das Landgericht eine rechtliche Verklammerung der einzelnen waffen- und sprengstoffrechtlichen Verstöße angenommen hat, und beanstandet darüber hinaus die Strafbemessung sowie die Aussetzung der verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung; einen durchgreifenden Rechtsfehler zeigt die Revision indes nicht auf.

1. Der Schuldspruch hält rechtlicher Überprüfung stand.

a) Die Beweiswürdigung der Strafkammer weist nach den Maßstäben der insoweit eingeschränkten revisionsgerichtlichen Überprüfbarkeit (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12. Januar 2017 - 1 StR 394/16, NStZ 2017, 714 Rn. 12; Beschluss vom 7. Juni 1979 - 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18 , 20) keinen den Angeklagten begünstigenden Rechtsfehler auf. Sie ist weder lückenhaft noch widersprüchlich noch lässt sie besorgen, dass das Landgericht überspannte Anforderungen an seine Überzeugungsbildung gestellt haben könnte.

Auch die von der Beschwerdeführerin beanstandete Formulierung im angefochtenen Urteil, die Einlassung des Angeklagten zu den Erwerbsumständen der Maschinenpistole sei "unwiderlegbar", gibt zu dieser Besorgnis keinen Anlass. Denn die revisionsgerichtliche Prüfung hat sich am sachlichen Gehalt der tatrichterlichen Ausführungen und nicht an ihren möglicherweise missverständlichen oder sonst unzulänglichen Wendungen zu orientieren. Aus der Gesamtschau der Beweiswürdigung ergibt sich, dass das Landgericht die geständige Einlassung des Angeklagten umfassend gewürdigt, insbesondere auch auf ihre Plausibilität geprüft und zudem durch zahlreiche weitere Beweismittel bestätigt gesehen hat. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass es allein für den Teilaspekt des Erwerbs und der Lagerung der Maschinenpistole von einem zu engen oder sonst unzutreffenden Beurteilungsmaßstab ausgegangen sein könnte.

Die - wenngleich knappen - Feststellungen des Landgerichts zur Aufbewahrung der Maschinenpistole bis zum Frühjahr 2018 in einem Koffer im Keller der Schwiegereltern tragen auch die Bewertung als (durchgängiger) Besitz im waffenrechtlichen Sinne. Denn bei lebensnaher Betrachtung spricht nichts dafür, dass der Angeklagte mit der von ihm selbst veranlassten Einlagerung zugleich die Möglichkeit aufgegeben hat, nach eigenem Willen auf die Maschinenpistole einzuwirken (vgl. zum Besitz bei Abwesenheit BGH, Urteil vom 3. März 1978 - 2 StR 717/77, BGHSt 27, 380 , 382).

b) Auch im Übrigen ist der Schuldspruch rechtlich nicht zu beanstanden (vgl. Antragsschrift des Generalbundesanwalts vom 25. August 2020, S. 21).

2. Der Strafausspruch erweist sich ebenfalls als rechtsfehlerfrei. Das Landgericht hat sowohl seine Entscheidung über die Anwendung des (Regel-) Strafrahmens nach § 22a Abs. 1 KWKG als auch die konkrete Strafbemessung sorgfältig und unter Abwägung sämtlicher hierfür wesentlicher Umstände begründet. Es hat sich dabei insbesondere auch mit dem sogenannten Preppen und der politischen Haltung des Angeklagten auseinandergesetzt und ist dazu gelangt, dass hieraus nicht zuverlässig auf eine schulderhöhende Verwendungsabsicht der gehorteten Waffen und Sprengstoffe zu verbotenen Zwecken geschlossen werden könne. Dagegen ist vor dem Hintergrund der auch insoweit nur eingeschränkten revisionsgerichtlichen Kontrolle (grundlegend BGH, Beschluss vom 10. April 1987 - GSSt 1/86, BGHSt 34, 345 , 349) von Rechts wegen nichts zu erinnern.

3. Schließlich hält auch die Entscheidung über die Aussetzung der Vollstreckung der verhängten Freiheitsstrafe zur Bewährung rechtlicher Überprüfung stand. Entgegen der Ansicht der Revision hat das Landgericht nicht nur das Vorliegen einer positiven Kriminalprognose bei dem strafrechtlich bislang nicht in Erscheinung getretenen Angeklagten begründet; erkennbar und für das Revisionsgericht nachprüfbar werden die darüber hinaus erforderlichen besonderen Umstände im Sinne von § 56 Abs. 2 StGB in rechtlich nicht zu beanstandender Weise aus einer sorgfältigen und die Tat des Angeklagten keineswegs verharmlosenden Gesamtwürdigung der für die Tat und die Täterpersönlichkeit wesentlichen Umstände gewonnen (vgl. zur Bedeutung der für die Kriminalprognose geeigneten Umstände auch für § 56 Abs. 2 StGB nur BGH, Urteil vom 2. März 2017 - 4 StR 196/16, NStZ-RR 2017, 200 ). Auch die Voraussetzungen des § 56 Abs. 3 StGB hat die Strafkammer eingehend und mit nachvollziehbaren Erwägungen verneint. Das gegen die Aussetzungsentscheidung gerichtete Vorbringen der Beschwerdeführerin läuft auf eine abweichende Bewertung und Gewichtung der wesentlichen Umstände hinaus. Aufgrund der nur eingeschränkten Überprüfbarkeit von Bewährungsentscheidungen (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteile vom 6. Juli 2017 - 4 StR 415/16, NStZ 2018, 29 , 31; vom 26. April 2017 - 2 StR 47/17, NStZ-RR 2017, 201 ) kann sie hiermit im Revisionsverfahren nicht gehört werden.

Von Rechts wegen

Vorinstanz: LG Schwerin, vom 19.12.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 133 Js 33228/18 34 KLs 15/19 1 Ss 56/20