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BGH - Entscheidung vom 02.02.2021

X ZB 2/20

Normen:
ZPO § 574 Abs. 2

Fundstellen:
AnwBl 2021, 301
NJW-RR 2021, 444

BGH, Beschluss vom 02.02.2021 - Aktenzeichen X ZB 2/20

DRsp Nr. 2021/4087

Ausgleichszahlungen nach der Fluggastrechteverordnung; Unstatthaftigkeit der Rechtsbeschwerde

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 11. Zivilkammer des Landgerichts Köln vom 17. Dezember 2019 wird auf Kosten der Kläger verworfen.

Der Wert des Rechtsbeschwerdeverfahrens wird auf 1.080 Euro festgesetzt.

Normenkette:

ZPO § 574 Abs. 2 ;

Gründe

I. Die Kläger begehren von der Beklagten Ausgleichszahlungen nach der Fluggastrechteverordnung.

Die Klage blieb in erster Instanz erfolglos. Die Kläger legten Berufung ein.

Nach einem Hinweis der Vorsitzenden, die Berufung sei innerhalb der vorgesehenen Frist nicht begründet worden, haben die Kläger eine Berufungsbegründung nachgereicht. Zugleich haben sie Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und dazu ausgeführt, die Versäumung der Berufungsbegründungsfrist beruhe darauf, dass eine Mitarbeiterin ihres Prozessbevollmächtigten es versäumt habe, diese Frist in das von ihm genutzte elektronische Kanzleisystem einzutragen. Entsprechend sei auch das für die Vorfrist zur Berufungsbegründung bestimmte zweite Kontrollblatt weder ausgedruckt worden noch zur Handakte gelangt. Das Fehlen dieses Kontrollblatts sei bei der Berufungseinlegung nicht bemerkt worden.

Das Berufungsgericht hat den Wiedereinsetzungsantrag der Kläger zurückgewiesen und ihre Berufung als unzulässig verworfen. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde der Kläger, der die Beklagte entgegentritt.

II. Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung ausgeführt:

Die Versäumung der Frist zur Begründung der Berufung beruhe auf einem Verschulden des Prozessbevollmächtigten der Kläger. Nach dem Vorbringen der Kläger werde in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten bei der Eintragung von Rechtsmittelfristen in den EDV-gestützten Kalender ein Kontrollblatt ausgedruckt, das für die Handakte bestimmt sei. Der Rechtsanwalt hätte bei der Zeichnung des Empfangsbekenntnisses und nochmals bei der Einlegung der Berufung eigenverantwortlich prüfen müssen, ob die Rechtsmittelfristen notiert sind. Hätte er diese Prüfung vorgenommen, hätte er das Fehlen des entsprechenden Kontrollblatts bemerken müssen. Dies hätte ihm Anlass gegeben, die Eintragung der Rechtsmittelfrist im elektronischen System zu prüfen, wodurch das Versäumnis seiner Mitarbeiterin zutage getreten wäre.

III. Die Rechtsbeschwerde ist nach § 574 Abs. 1 Nr. 1 in Verbindung mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthaft. Sie ist jedoch nicht zulässig, weil die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO nicht erfüllt sind. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts.

1. Wie die Rechtsbeschwerde nicht verkennt, darf nach der gefestigten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs die elektronische Kalenderführung eines Prozessbevollmächtigten keine geringere Überprüfungssicherheit bieten als die eines herkömmlichen Fristenkalenders. Daraus wird abgeleitet, dass grundsätzlich die Fertigung eines Kontrollausdrucks erforderlich ist, um nicht nur Datenverarbeitungsfehler des eingesetzten Programms, sondern auch Eingabefehler oder -versäumnisse mit geringem Aufwand rechtzeitig erkennen und beseitigen zu können (etwa BGH, Beschluss vom 28. Februar 2019 - III ZB 96/18, NJW 2019, 1456 Rn. 13). Die allgemeine Anordnung, einen solchen Kontrollausdruck in die Handakte aufzunehmen, gewährleistet, dass der Rechtsanwalt, wenn ihm die Handakte vorgelegt wird, eine eigenverantwortliche Fristenkontrolle durchführen kann.

Entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde gelten für eine Phase, in der eine Umstellung von einem herkömmlichen auf einen elektronisch geführten Fristenkalender vorgenommen wird, keine geringeren Sorgfaltsanforderungen.

Ob durch andere Maßnahmen eine gleichwertige Möglichkeit zur eigenverantwortlichen Fristenkontrolle durch den Rechtsanwalt gewährleistet werden kann, bedarf keiner Entscheidung, weil die Kläger nicht vorgetragen haben, dass ihr Prozessbevollmächtigter solche Maßnahmen getroffen hat.

2. Die von der Rechtsbeschwerde aufgeworfene Frage, ob an dem Erfordernis der Fertigung eines Kontrollausdrucks festzuhalten ist, wenn der Rechtsanwalt keine Handakte in Papierform mehr führt, sondern lediglich mit einer elektronischen Akte arbeitet, bedarf keiner abschließenden Entscheidung.

Nach dem Vorbringen der Kläger wurden in der Kanzlei ihres Prozessbevollmächtigten in dem hier interessierenden Zeitraum weiterhin Handakten in Papierform geführt. Damit bestand weiterhin die Verpflichtung zur Fertigung von Kontrollausdrucken.

Unabhängig davon ist ein Anwalt auch bei elektronischer Aktenführung verpflichtet, die ordnungsgemäße Notierung von Fristen in eigener Verantwortung zu überprüfen. Von der Anfertigung von Kontrollausdrucken dürfte deshalb allenfalls dann abgesehen werden, wenn andere Vorkehrungen getroffen werden, die ein vergleichbares Maß an Sicherheit ermöglichen. Auch hierzu ist nichts vorgetragen.

3. Bei dieser Sachlage ist die Würdigung des Berufungsgerichts, dass das Fristversäumnis auf einem Verschulden des Prozessbevollmächtigten beruht, nicht zu beanstanden.

Bei Aufwendung pflichtgemäßer Sorgfalt hätte der Prozessbevollmächtigte das Fehlen des zweiten Kontrollblatts bemerken müssen, als ihm die Handakten anlässlich der Zustellung des erstinstanzlichen Urteils und zur Berufungseinlegung vorgelegt wurden. Dies hätte er zum Anlass nehmen müssen zu prüfen, ob die Berufungsbegründungsfrist in den elektronischen Fristenkalender eingetragen wurde. Bei einer solchen Vorgehensweise wäre der Fehler rechtzeitig bemerkt worden.

Vorinstanz: AG Köln, vom 18.08.2017 - Vorinstanzaktenzeichen 117 C 91/17
Vorinstanz: LG Köln, vom 17.12.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 11 S 365/17
Fundstellen
AnwBl 2021, 301
NJW-RR 2021, 444