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BGH - Entscheidung vom 25.03.2021

IX ZB 8/20

Normen:
ZPO § 520 Abs. 3 S. 2
ZPO § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1

BGH, Beschluss vom 25.03.2021 - Aktenzeichen IX ZB 8/20

DRsp Nr. 2021/6516

Anspruch aus anwaltlicher Vertretung über die Geltendmachung restlicher versicherungsvertraglicher Ansprüche nach einem Brandschaden

Wird die Berufung darauf gestützt, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht, hat die Berufungsbegründung die Bezeichnung der Umstände zu enthalten, aus denen sich nach Ansicht des Rechtsmittelführers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt.

Tenor

Die Rechtsbeschwerde gegen den Beschluss der 1. Zivilkammer des Landgerichts Hildesheim vom 10. März 2020 wird auf Kosten des Beklagten als unzulässig verworfen.

Der Gegenstandswert für das Rechtsbeschwerdeverfahren wird auf 2.874,56 € festgesetzt.

Normenkette:

ZPO § 520 Abs. 3 S. 2; ZPO § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ;

Gründe

I.

Die Klägerin vertrat den Beklagten anwaltlich, um restliche versicherungsvertragliche Ansprüche nach einem Brandschaden geltend zu machen. Da der Beklagte mit der Leistung der Klägerin unzufrieden war, bezahlte er die von der Klägerin in Rechnung gestellte Vergütung nicht vollständig und machte im Wege der Aufrechnung Gegenansprüche wegen anwaltlicher Fehlberatung geltend.

Das Amtsgericht hat den Beklagten zu einer Zahlung in Höhe von 2.874,56 € nebst Zinsen verurteilt. Einen aufrechenbaren Gegenanspruch des Beklagten hat es mit der Begründung verneint, die Klägerin sei ihren Beratungspflichten nachgekommen. Überdies fehle es an einem kausalen Schaden. Das Landgericht hat die Berufung des Beklagten als unzulässig verworfen. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner Rechtsbeschwerde.

II.

Die gemäß § 574 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 , § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO statthafte Rechtsbeschwerde ist unzulässig, weil ein Zulässigkeitsgrund (§ 574 Abs. 2 ZPO ) nicht eingreift.

1. Das Berufungsgericht hat ausgeführt, die Berufung sei unzulässig, weil sie nicht den Anforderungen des § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO genüge. Die Berufungsbegründung erschöpfe sich in allgemeinen Ausführungen zum Sach- und Streitstand sowie in der Äußerung einer eigenen Rechtsauffassung. Eine Auseinandersetzung mit den erstinstanzlichen Entscheidungsgründen erfolge nicht. Der Beklagte führe lediglich pauschal aus, die Klägerin sei entgegen der Annahme des erstinstanzlichen Gerichts ihren Beratungspflichten nicht nachgekommen. Ein Bezug zu den erstinstanzlichen Entscheidungsgründen werde lediglich insofern hergestellt, als dass das Amtsgericht "hierauf [...] auf Seite 7 Absatz 2 fälschlicherweise hingewiesen" habe. Der übrige Teil der Berufungsbegründung erschöpfe sich wiederum in allgemeinem Sachvortrag sowie Rechtsausführungen, ohne dass ein konkreter Bezug zu dem angefochtenen Urteil aufgezeigt werde.

2. Diese Würdigung ist nicht von Rechtsfehlern beeinflusst, welche die Zulässigkeit der Rechtsbeschwerde begründen könnten (§ 574 Abs. 2 ZPO ). Vielmehr fügt sich die angefochtene Entscheidung in die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ein.

a) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 und Nr. 3 ZPO muss die Berufungsbegründung die Umstände bezeichnen, aus denen sich die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt, oder konkrete Anhaltpunkte benennen, die Zweifel an der Richtigkeit oder Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen in dem angefochtenen Urteil begründen.

aa) Nach § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO hat, wenn die Berufung darauf gestützt wird, dass die angefochtene Entscheidung auf einer Rechtsverletzung beruht (§ 513 Abs. 1 , § 546 ZPO ), die Berufungsbegründung die Bezeichnung der Umstände zu enthalten, aus denen sich nach Ansicht des Rechtsmittelführers die Rechtsverletzung und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung ergibt. Da die Berufungsbegründung erkennen lassen soll, aus welchen tatsächlichen und rechtlichen Gründen der Berufungskläger das angefochtene Urteil für unrichtig hält, hat dieser - zugeschnitten auf den Streitfall und aus sich heraus verständlich - diejenigen Punkte rechtlicher Art darzulegen, die er als unzutreffend beurteilt ansieht, und dazu die Gründe anzugeben, aus denen sich die Fehlerhaftigkeit jener Punkte und deren Erheblichkeit für die angefochtene Entscheidung herleitet. Zur Darlegung der Fehlerhaftigkeit ist somit lediglich die Mitteilung der Umstände erforderlich, die das Urteil aus der Sicht des Berufungsführers in Frage stellen. Besondere formale Anforderungen werden nicht gestellt; für die Zulässigkeit der Berufung ist es insbesondere ohne Bedeutung, ob die Ausführungen in sich schlüssig oder rechtlich haltbar sind (st. Rspr., vgl. BGH, Beschluss vom 13. September 2012 - III ZB 24/12, NJW 2012, 3581 Rn. 8 mwN).

bb) Gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO hat der Berufungsführer konkrete Anhaltspunkte zu bezeichnen, die Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der Tatsachenfeststellungen im angefochtenen Urteil begründen und deshalb eine erneute Feststellung gebieten. Da das Berufungsgericht an die vom Gericht des ersten Rechtszugs festgestellten Tatsachen grundsätzlich gebunden ist (§ 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO ), muss die Berufung, die den festgestellten Sachverhalt angreifen will, eine Begründung dahin enthalten, warum die Bindung an die festgestellten Tatsachen ausnahmsweise nicht bestehen soll (vgl. BGH, Beschluss vom 26. Februar 2009 - III ZB 67/08, BeckRS 2009, 08726 Rn. 11).

b) Die Beurteilung des Berufungsgerichts, die Berufungsbegründung des Beklagten genüge den Erfordernissen gemäß § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 ZPO und § 520 Abs. 3 Satz 2 Nr. 3 ZPO nicht, weist keinen durchgreifenden Zulässigkeitsgrund auf.

aa) Das Berufungsgericht hat den Beklagten zu Recht mit dem Beschluss vom 14. Februar 2020 darauf hingewiesen, dass in der Berufungsbegründung in Bezug auf die erstinstanzlichen Entscheidungsgründe lediglich ausgeführt wird, die Klägerin sei ihren Beratungspflichten entgegen der Annahme des erstinstanzlichen Gerichts nicht nachgekommen, indem sie den Beklagten in ihrem Schreiben vom 1. Juli 2015 nicht entschieden darauf hingewiesen habe, dass die Klage im Hinblick auf den Neuwert bereits verjährt gewesen sei und insofern es eines Bauvertrages gar nicht mehr bedurft hätte; hierauf habe das erstinstanzliche Gericht auf Seite 7 Absatz 2 fälschlicherweise hingewiesen.

bb) An der mit der Berufungsbegründung durch den Beklagten in Bezug genommenen Stelle der erstinstanzlichen Entscheidungsgründe findet sich ein Hinweis auf ein Urteil des Oberlandesgerichts Celle vom 23. Juli 2018 zu den Voraussetzungen für die Geltendmachung eines Anspruchs auf eine Neuwertentschädigung. Demgegenüber ist dem Urteil des Amtsgerichts an dieser Stelle ein "fälschlicher Hinweis" zu der in der Berufungsbegründung angesprochenen Verjährungsfrage nicht zu entnehmen. Auch sonst finden sich in den Entscheidungsgründen keine Hinweise zu einer Verjährung des versicherungsvertraglichen Anspruchs des Beklagten.

cc) Das Berufungsgericht führt zutreffend aus, dass damit offenbleibt, worin der falsche Hinweis des Amtsgerichts bestanden habe, warum diese Rechtsauffassung unrichtig sei und worin die in der Berufungsbegründung erwähnte verjährungsrechtliche Problematik liegen solle. Zudem zeigt die Rechtsbeschwerde keinen Angriff auf die selbständig tragende Begründung der Entscheidung des Amtsgerichts zur fehlenden Kausalität auf.

dd) Für die Frage der Zulässigkeit der Berufung ist ohne Bedeutung, dass der Beklagte nach Ablauf der Berufungsbegründungsfrist mit dem Schriftsatz vom 4. März 2020 zu dem Hinweis des Berufungsgerichts vom 14. Februar 2020 Stellung genommen und seine Ausführungen gegenüber der Berufungsbegründung erweitert hat. Denn eine unzulängliche Berufungsbegründung kann nach Fristablauf nicht mehr geheilt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Januar 2015 - VI ZB 40/14, NJW-RR 2015, 511 Rn. 15).

Vorinstanz: AG Hildesheim, vom 15.10.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 80 C 1/19
Vorinstanz: LG Hildesheim, vom 10.03.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 1 S 48/19