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BGH - Entscheidung vom 03.03.2021

AK 10/21

Normen:
StGB § 129a Abs. 1 Nr. 1
StGB § 129b Abs. 1

BGH, Beschluss vom 03.03.2021 - Aktenzeichen AK 10/21

DRsp Nr. 2021/4747

Anordnung der Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus; Dringender Tatverdacht auf Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung; Mitglied der ausländischen terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat"

Eine Beteiligungshandlung des Mitglieds einer terroristischen Vereinigung kann darin bestehen, unmittelbar zur Durchsetzung der Ziele der Vereinigung beizutragen; sie kann auch darauf gerichtet sein, lediglich die Grundlagen für die Aktivitäten der Vereinigung zu schaffen oder zu erhalten. Ausreichend ist deshalb die Förderung von Aufbau, Zusammenhalt oder Tätigkeit der Organisation. In Betracht kommt etwa ein organisationsförderndes oder ansonsten vereinigungstypisches Verhalten von entsprechendem Gewicht. In Abgrenzung hierzu fehlt es in Fällen einer bloß formalen oder passiven, für das Wirken der Vereinigung bedeutungslosen Mitgliedschaft grundsätzlich an einem aktiven mitgliedschaftlichen Beteiligungsakt. Dies gilt auch für die Tätigkeiten von Frauen im Zusammenleben mit von ihnen geheirateten aktiven IS-Kämpfern. Dienen diese Aktivitäten einschließlich des Führens des gemeinsamen Haushalts angesichts der auch aus den dargelegten weiteren Umständen folgenden mitgliedschaftlichen Einbindung der Betroffenen in den IS dem Ziel, im Rahmen der ihr vom IS zugedachten Rolle als Ehefrau und Mutter die Vereinigung zu fördern, stellen sie sich nicht lediglich als bloße alltägliche Verrichtungen ohne Organisationsbezug dar.

Tenor

Die Untersuchungshaft hat fortzudauern.

Eine etwa erforderliche weitere Haftprüfung durch den Bundesgerichtshof findet in drei Monaten statt.

Bis zu diesem Zeitpunkt wird die Haftprüfung dem nach allgemeinen Grundsätzen zuständigen Gericht übertragen.

Normenkette:

StGB § 129a Abs. 1 Nr. 1 ; StGB § 129b Abs. 1 ;

Gründe

I.

Die Beschuldigte wurde am 4. August 2020 aufgrund eines Haftbefehls der Ermittlungsrichterin des Kammergerichts vom 31. Juli 2020 (2 ER 66/20) festgenommen und befindet sich seitdem ununterbrochen in Untersuchungshaft.

Gegenstand des Haftbefehls ist der Vorwurf, die Beschuldigte habe sich in der Zeit von Ende Dezember 2014 bis September 2018 in Syrien und im Irak durch drei rechtlich selbständige Handlungen als Mitglied an der ausländischen terroristischen Vereinigung "Islamischer Staat" (IS) beteiligt, deren Zwecke oder deren Tätigkeit darauf gerichtet seien, Mord (§ 211 StGB ), Totschlag (§ 212 StGB ), Völkermord (§ 6 VStGB ), Verbrechen gegen die Menschlichkeit (§ 7 VStGB ) und Kriegsverbrechen (§§ 8 , 9 , 10 , 11 und 12 VStGB ) zu begehen. In einem dieser Fälle habe sie durch dieselbe Handlung ihre Fürsorge- und Erziehungspflicht gegenüber einer Person unter sechzehn Jahren gröblich verletzt und dadurch die Schutzbefohlene in die Gefahr gebracht, in ihrer körperlichen oder psychischen Entwicklung erheblich geschädigt zu werden; in einem weiteren Fall habe sie durch dieselbe Handlung die tatsächliche Gewalt über eine Kriegswaffe ohne Genehmigung nach § 2 Abs. 2 KrWaffKontrG erworben; strafbar gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 , § 171 StGB , § 22a Abs. 1 Nr. 2 KrWaffKontrG in Verbindung mit Teil B Nr. 29 Buchst. c der Anlage zu § 1 Abs. 1 KrWaffKontrG, §§ 52 , 53 StGB .

II.

Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus liegen vor.

1. Die Beschuldigte ist der ihr mit dem Haftbefehl zur Last gelegten Taten dringend verdächtig.

a) Nach dem gegenwärtigen Ermittlungsstand ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts von folgendem Sachverhalt auszugehen:

aa) Der IS ist eine Organisation mit militant-fundamentalistischer islamischer Ausrichtung, die es sich ursprünglich zum Ziel gesetzt hatte, einen das Gebiet des heutigen Irak und die historische Region "ash-Sham" - die heutigen Staaten Syrien, Libanon und Jordanien sowie Palästina - umfassenden und auf ihrer Ideologie gründenden "Gottesstaat" unter Geltung der Sharia zu errichten und dazu die schiitisch dominierte Regierung im Irak sowie das Regime des syrischen Präsidenten Bashar al-Assad zu stürzen. Zivile Opfer nahm und nimmt sie bei ihrem fortgesetzten Kampf in Kauf, weil sie jeden, der sich ihren Ansprüchen entgegenstellt, als "Feind des Islam" begreift; die Tötung solcher "Feinde" oder ihre Einschüchterung durch Gewaltakte sieht die Vereinigung als legitimes Mittel des Kampfes an.

Die Führung der Vereinigung, die sich mit der Ausrufung des "Kalifats" am 29. Juni 2014 von "Islamischer Staat im Irak und in Großsyrien" (ISIG) in "Islamischer Staat" (IS) umbenannte - wodurch sie von der territorialen Selbstbeschränkung Abstand nahm -, hatte seit 2010 bis zu seiner Tötung im Oktober 2019 Abu Bakr al-Baghdadi inne. Inzwischen wurde ein Nachfolger ernannt. Bei der Ausrufung des Kalifats war al-Baghdadi von seinem Sprecher zum "Kalifen" erklärt worden, dem die Muslime weltweit Gehorsam zu leisten hätten. Dem "Kalifen" unterstehen ein Stellvertreter sowie "Minister" als Verantwortliche für einzelne Bereiche, so ein "Kriegsminister" und ein "Propagandaminister". Zur Führungsebene gehören außerdem beratende "Shura-Räte". Veröffentlichungen werden in der Medienabteilung "Al-Furqan" produziert und über die Medienstelle "al-l'tisam" verbreitet, die dazu einen eigenen Twitter-Kanal und ein Internetforum nutzt. Das auch von den Kampfeinheiten verwendete Symbol der Vereinigung besteht aus dem "Prophetensiegel", einem weißen Oval mit der Inschrift "Allah - Rasul Muhammad" auf schwarzem Grund, überschrieben mit dem islamischen Glaubensbekenntnis. Die - zeitweilig mehreren tausend - Kämpfer sind dem "Kriegsminister" unterstellt und in lokale Kampfeinheiten mit jeweils einem Kommandeur gegliedert.

Die Vereinigung teilte von ihr besetzte Gebiete in Gouvernements ein und richtete einen Geheimdienstapparat ein; diese Maßnahmen zielten auf die Schaffung totalitärer staatlicher Strukturen. Angehörige der irakischen und syrischen Armee, aber auch in Gegnerschaft zum IS stehender Oppositionsgruppen, ausländische Journalisten und Mitarbeiter von Nichtregierungsorganisationen sowie Zivilisten, die den Herrschaftsanspruch des IS in Frage stellten, sahen sich Verhaftung, Folter und Hinrichtung ausgesetzt. Filmaufnahmen von besonders grausamen Tötungen wurden mehrfach vom IS zu Zwecken der Einschüchterung veröffentlicht. Darüber hinaus beging der IS immer wieder Massaker an Teilen der Zivilbevölkerung und außerhalb seines Machtbereichs Terroranschläge. So übernahm er auch für Anschläge in Europa, etwa in Paris, Brüssel, Nizza und Berlin, die Verantwortung.

Im Irak gelang es dem IS im Jahr 2014, etwa ein Drittel des Staatsterritoriums zu besetzen. Am 10. Juni 2014 erlangte er die Kontrolle über die Millionenstadt Mossul, die bis zu der Offensive der von den USA unterstützten irakischen Armee Ende 2016 der zentrale Ort seiner Herrschaft im Irak war. Seit Januar 2015 wurde die Vereinigung schrittweise erfolgreich zurückgeschlagen. So begann am 16. Oktober 2016 die Rückeroberung von Mossul, die Anfang Juni 2017 abgeschlossen war. Am 27. August 2017 wurde der IS aus seiner letzten nordirakischen Hochburg in Tal Afar verdrängt; im Frühjahr 2019 verlor er auch die von ihm zuletzt noch kontrollierten Gebiete im Norden Syriens. Heute hat der IS sein ehemaliges Herrschaftsgebiet in Syrien und im Irak verloren, ohne dass aber die Vereinigung als solche zerschlagen wäre.

bb) Die Beschuldigte, die muslimischen Glaubens ist, vertrat jedenfalls ab 2013 eine salafistisch-islamistische Ideologie und identifizierte sich mit dem Vorgehen und den Zielen des IS. Anfang Dezember 2014 reiste die damals 25 Jahre alte Beschuldigte mit ihrer am 5. November 2011 geborenen dreijährigen Tochter Ta. aus eigenem freien Entschluss von B. über Istanbul in das Herrschaftsgebiet des IS nach Syrien aus, um sich dort der Vereinigung anzuschließen, an den Aktivitäten des IS zum Aufbau eines fundamental-islamistischen Staates nach den Regeln der Sharia im Rahmen der ihr als Frau nach der Ideologie des IS gegebenen Möglichkeiten mitzuwirken und fortan im IS-Gebiet ein Leben in Übereinstimmung mit den Vorstellungen des IS zu führen.

(1) Nach ihrer Ankunft im syrischen IS-Gebiet gliederte sich die Beschuldigte in den IS ein und heiratete sogleich nach islamischem Ritus einen IS-Kämpfer, und zwar den am 21. Oktober 1990 in M. (Somalia) geborenen britischen Staatsangehörigen C. , den sie über das Internet als ein heiratswilliges IS-Mitglied kennengelernt hatte.

Anfang 2015, womöglich, nachdem sie die falsche Information erlangt hatte, dass ihr Ehemann C. bei einem seiner Kampfeinsätze verstorben sei, wurde die Beschuldigte für kurze Zeit Ehefrau nach islamischem Ritus des ebenfalls aus Deutschland zum IS ausgereisten T. , der in Rakka lebte, in höherer Position als Kämpfer für den IS tätig war und bereits bei der Einreise der Beschuldigten in das IS-Gebiet und ihrer Eingliederung in die Vereinigung behilflich gewesen war. Diesen begleitete sie zu einem Kampfeinsatz in Tal Afar (Irak). Als sich kurz nach dieser Heirat herausstellte, dass ihr Ehemann C. nicht verstorben war, wurde die Ehe zwischen der Beschuldigten und T. aufgelöst. Beide wurden vom IS für ihre von der Vereinigung für unbotmäßig erachtete Verbindung bestraft, die Beschuldigte mit Schlägen, T. mit einer kurzen Haft. Im Anschluss wurde die Beschuldigte vom IS für kurze Zeit in einem Frauenhaus der Vereinigung untergebracht.

Die Beschuldigte, die sich beim IS " " und später " " nannte, kehrte zu ihrem Ehemann C. zurück. Fortan lebte sie mit diesem gemeinsam zunächst in Rakka, später, als der IS in Rakka militärisch unter Druck geriet, in der syrischen Provinz Idlib.

Mit ihrem Ehemann C. bekam die Beschuldigte zwei gemeinsame Söhne, und zwar den am 21. Januar 2016 in A. (Syrien) geborenen A. B. und den am 5. April 2017 ebenfalls in A. (Syrien) geborenen I. B. .

C. verstarb am 10. Mai 2017, als die gesamte Familie - gemeinsam mit anderen Familien - vom IS zum Schutz vor gegnerischen Kräften in einem Landhaus in der Nähe von Hama untergebracht war, bei einem Bombenangriff auf dieses Haus. Die Beschuldigte wurde daraufhin als Witwe eines gefallenen IS-Kämpfers mit kleinen Kindern vom IS finanziell und mit Lebensmitteln versorgt; zudem bekam sie von der Vereinigung kostenfrei Wohnraum für sich und ihre Kinder in der Region Idlib zur Verfügung gestellt. Die Beschuldigte nahm diese Unterstützung vom IS in der Überzeugung an, hierauf als Witwe eines "Märtyrers" mit Waisenkindern einen Anspruch zu haben.

Etwa ein Jahr später, im April 2018, heiratete die Beschuldigte, wie es vom IS von Witwen gefallener IS-Kämpfer erwartet wurde, nach islamischem Ritus einen anderen, aus Nigeria stammenden IS-Kämpfer mit dem Namen " ", mit dem sie gleichfalls im syrischen IS-Gebiet lebte. Von diesem wurde sie erneut schwanger; dieses Kind wurde allerdings erst nach ihrer Rückkehr nach Deutschland geboren.

Wegen der schwierigen Lebensbedingungen infolge der Schwächung des IS und der Zurückdrängung der Vereinigung aus weiten Teilen ihres einstigen Herrschaftsgebiets verließ die Beschuldigte im September 2018 gemeinsam mit ihrem neuen Ehemann " " den Machtbereich des IS, ohne sich aber von der Ideologie des IS und ihrer Verbundenheit mit der Vereinigung loszusagen. Sie reiste von Syrien in die Türkei und begab sich von dort - nachdem bereits kurz zuvor ihre drei Kinder von Verwandten nach Deutschland gebracht worden waren - am 3. April 2019 zurück in die Bundesrepublik Deutschland. Ihr Ehemann " " verblieb in der Türkei (Fall 1).

(2) Die Beschuldigte erzog ihre Tochter Ta. während ihres knapp vierjährigen Aufenthaltes beim IS im Sinne der IS-Ideologie und veranlasste zur weiteren entsprechenden Einwirkung auf ihre Tochter, dass diese eine vom IS geführte Schule besuchte.

Durch ihre Verbringung in den Machtbereich des IS und während ihres dortigen Aufenthalts war Ta. unmittelbar betroffen von Gewalthandlungen des IS und von Bombenangriffen gegen den IS, wodurch das Mädchen in die konkrete Gefahr geriet, in ihrer körperlichen und psychischen Entwicklung erheblich geschädigt zu werden. Die Beschuldigte nahm dies billigend in Kauf als Preis dafür, sich dem IS in Syrien anschließen zu können. Ta. erlebte unmittelbar mit, wie ihr Stiefvater C. am 10. Mai 2017 bei einem Luftangriff gegen den IS durch eine Bombenexplosion ums Leben kam. Auch wurde sie unmittelbar Zeugin eines Bombenabwurfs, bei dem einer ihrer Halbbrüder durch Bombensplitter schwer im Gesicht verletzt wurde. Diese für die Kindesentwicklung schädlichen Erlebnisse und die durch Kampfhandlungen bedingten Ortswechsel innerhalb des IS-Gebiets belasteten die Tochter der Beschuldigten erheblich und führten bei dieser, wie die Beschuldigte zumindest für möglich hielt und billigend in Kauf nahm, zu einer fortbestehenden posttraumatischen Belastungsstörung, die zum Zeitpunkt der Rückkehr des Kindes nach Deutschland gekennzeichnet war unter anderem durch Emotionsarmut, zeitweilige geistige Abwesenheit, Verstocktheit beim Erzählen, Schreckhaftigkeit sowie nächtlichem Einkoten und Einnässen (Fall 2).

(3) Jedenfalls im Januar 2018, als sie nach dem Tod ihres Ehemannes C. in ihr vom IS zur Verfügung gestelltem Wohnraum in der Provinz Idlib lebte, übte die Beschuldigte - ohne, wie sie wusste, im Besitz der hierfür erforderlichen Genehmigung zu sein - die tatsächliche Gewalt über ein Sturmgewehr "Kalaschnikow" und einen militärischen Einsatzgürtel beziehungsweise eine militärische Einsatzweste aus, um damit erforderlichenfalls gegen gegnerische Kräfte mit Waffengewalt vorzugehen (Fall 3).

b) Der dringende Tatverdacht ergibt sich in Bezug auf die außereuropäische terroristische Vereinigung "Islamischer Staat", wie dem Senat aus anderen Verfahren bekannt ist, insbesondere aus Gutachten des Sachverständigen Dr. S. , umfangreichen Auswertevermerken des Bundeskriminalamts und Behördenerklärungen des Bundesnachrichtendienstes.

Hinsichtlich der gegen die Beschuldigte erhobenen Vorwürfe gilt:

Der dringende Tatverdacht hinsichtlich der Ausreise der Beschuldigten zum IS, ihres dortigen Aufenthalts und ihrer Alimentierung durch den IS nach dem Tod ihres ersten Ehemannes ergibt sich zum einen aus Bekundungen der Zeugen I. T. , M. T. , Q. und H. , zum anderen aus überwachten Telefonaten und bei der Auswertung von Mobiltelefonen festgestellter Chatnachrichten der Beschuldigten.

Ihre Heirat mit dem IS-Kämpfer C. , die Geburt von zwei gemeinsamen Söhnen und den Tod von C. bei einem Bombenangriff gegen den IS am 10. Mai 2017 hat zudem die Beschuldigte in einer gegenüber dem Deutschen Generalkonsulat in Istanbul am 21. März 2019 abgegebenen eidesstattlichen Versicherung zur Abstammung ihrer in Syrien geborenen Söhne geschildert (vgl. zur Verwertbarkeit allgemein BGH, Beschluss vom 14. September 2010 - 3 StR 573/09, BGHSt 55, 314 Rn. 7 ff.).

Die Erlebnisse der Tochter der Beschuldigten im IS-Gebiet und deren Folgen für das Kind, von denen im Sinne eines dringenden Tatverdachts auszugehen ist, ergeben sich unter anderem aus Feststellungen des Amtsgerichts Frankfurt a.M. in einem Beschluss vom 7. April 2020, mit dem der Beschuldigten das Sorgerecht für ihre Tochter entzogen wurde.

Der dringende Tatverdacht dahingehend, dass die Beschuldigte während ihres Aufenthaltes beim IS die tatsächliche Gewalt über ein Sturmgewehr und eine Einsatzweste beziehungsweise einen Einsatzgürtel ausübte, ergibt sich aus zwei Lichtbildern, die die Beschuldigte eigenen Angaben zufolge von einem Zimmer fertigte, in dem sie und ihre Kinder schliefen. Auf einem Lichtbild ist ein unmittelbar neben der Schlafstätte an die Wand gelehntes Sturmgewehr "Kalaschnikow" zu sehen. Auf dem zweiten Lichtbild ist - an einem Fenstergriff hängend eine militärische Einsatzweste oder ein militärischer Einsatzgürtel zu erkennen.

2. In rechtlicher Hinsicht folgt daraus, dass sich die Beschuldigte mit hoher Wahrscheinlichkeit wegen Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung in drei Fällen, davon in einem Fall in Tateinheit mit Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht und in einem weiteren Fall in Tateinheit mit der Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine Kriegswaffe gemäß § 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 , § 171 StGB , §§ 52 , 53 StGB , § 22a Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a KrWaffKontrG in Verbindung mit Teil B Nr. 29 Buchst. c der Anlage zu § 1 Abs. 1 KrWaffKontrG strafbar gemacht hat (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Oktober 2019 - StB 26/19, juris Rn. 20).

a) Die Beschuldigte ist der mitgliedschaftlichen Beteiligung am IS dringend verdächtig (§ 129a Abs. 1 Nr. 1, § 129b Abs. 1 Satz 1 und 2 StGB ).

Das gilt sowohl unter Zugrundelegung des früher nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs maßgeblichen Vereinigungsbegriffs (vgl. dazu etwa BGH, Urteile vom 20. März 1963 - 3 StR 5/63, BGHSt 18, 296 , 299 f.; vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 123) als auch auf der Grundlage der Legaldefinition des § 129 Abs. 2 in Verbindung mit § 129a Abs. 1 StGB in der seit dem 22. Juli 2017 gültigen Fassung (vgl. § 2 Abs. 1 , 3 StGB ; BGH, Beschlüsse vom 9. Juni 2020 - AK 12/20, juris Rn. 24; vom 17. Oktober 2019 - AK 56/19, juris Rn. 27), die im Hinblick auf die Organisationsstruktur und die Willensbildung geringere Anforderungen stellt und den Begriff dadurch ausgeweitet hat.

Nach beiden Varianten setzt die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer terroristischen Vereinigung nach § 129a Abs. 1 StGB eine gewisse formale Eingliederung des Täters in die Organisation voraus. Sie kommt nur in Betracht, wenn der Täter die Vereinigung von innen und nicht lediglich von außen her fördert. Insoweit bedarf es zwar keiner förmlichen Beitrittserklärung oder einer förmlichen Mitgliedschaft. Notwendig ist aber, dass der Täter eine Stellung innerhalb der Vereinigung einnimmt, die ihn als zum Kreis der Mitglieder gehörend kennzeichnet und von den Nichtmitgliedern unterscheidbar macht. Dafür reicht allein die Tätigkeit für die Vereinigung, mag sie auch besonders intensiv sein, nicht aus; denn ein Außenstehender wird nicht allein durch die Förderung der Vereinigung zu deren Mitglied. Die Mitgliedschaft setzt ihrer Natur nach eine Beziehung voraus, die einer Vereinigung nicht aufgedrängt werden kann, sondern ihre Zustimmung erfordert. Ein auf lediglich einseitigem Willensentschluss beruhendes Unterordnen und Tätigwerden genügt nicht, selbst wenn der Betreffende bestrebt ist, die Vereinigung und ihre kriminellen Ziele zu fördern. Die Annahme einer mitgliedschaftlichen Beteiligung scheidet daher aus, wenn die Unterstützungshandlungen nicht von einem einvernehmlichen Willen zu einer fortdauernden Teilnahme am Verbandsleben getragen sind (BGH, Beschluss vom 13. Juni 2019 - AK 27/19, juris Rn. 20; vgl. auch BGH, Urteil vom 14. August 2009 - 3 StR 552/08, BGHSt 54, 69 Rn. 128).

Eine Beteiligungshandlung des Mitglieds kann darin bestehen, unmittelbar zur Durchsetzung der Ziele der Vereinigung beizutragen; sie kann auch darauf gerichtet sein, lediglich die Grundlagen für die Aktivitäten der Vereinigung zu schaffen oder zu erhalten. Ausreichend ist deshalb die Förderung von Aufbau, Zusammenhalt oder Tätigkeit der Organisation. In Betracht kommt etwa ein organisationsförderndes oder ansonsten vereinigungstypisches Verhalten von entsprechendem Gewicht. In Abgrenzung hierzu fehlt es in Fällen einer bloß formalen oder passiven, für das Wirken der Vereinigung bedeutungslosen Mitgliedschaft grundsätzlich an einem aktiven mitgliedschaftlichen Beteiligungsakt (vgl. BGH, Beschluss vom 15. Mai 2019 - AK 22/19, BGHR StGB § 129a Abs. 1 Mitgliedschaft 5 Rn. 24 mwN).

Daran gemessen besteht bei einer Gesamtwürdigung der bislang ermittelten Umstände der dringende Tatverdacht, dass sich die Beschuldigte einvernehmlich in den IS eingliederte und nicht nur passives Mitglied des IS war, sondern vereinigungstypische Tätigkeiten für dessen Zwecke entfaltete.

Hierbei ist im Rahmen einer Gesamtschau insbesondere Folgendes von Bedeutung: Die Beschuldigte begab sich freiwillig und aus eigenem Antrieb in das Herrschaftsgebiet des IS, um dort die Aktivitäten der Vereinigung zum Aufbau eines islamistischen Staatsgebildes nach den Regeln der Sharia zu fördern. Sie heiratete dort nach islamischem Ritus nacheinander drei IS-Kämpfer, die ihr vor ihrer Ausreise zum IS nicht bekannt waren. Im Anschluss an ihre kurzzeitige Ehe mit dem IS-Kämpfer T. nahm der IS sie in ein von der Vereinigung betriebenes Frauenhaus auf. Nachdem sie zu dem IS-Kämpfer C. zurückgekehrt war, gebar sie diesem zwei Söhne. Nach dem Tod dieses Ehemannes verblieb die Beschuldigte aus eigenem Entschluss mit ihren Kindern im IS-Gebiet. Sie wurde von der Vereinigung als "Witwe eines Märtyrers" mit Wohnraum und Lebensmitteln versorgt sowie finanziell alimentiert. Sie schickte ihre Tochter auf eine vom IS betriebene Schule, um sie dort im Sinne der IS-Ideologie erziehen zu lassen. Jedenfalls im Januar 2018 war sie im Besitz eines Sturmgewehres und einer Einsatzweste beziehungsweise eines Einsatzgürtels, um damit erforderlichenfalls gegen gegnerische Kräfte mit Waffengewalt vorzugehen. Etwa ein Jahr nach dem Tod ihres ersten Ehemannes heiratete sie einen dritten IS-Kämpfer, von dem sie im Zeitpunkt ihrer Rückkehr nach Deutschland schwanger war. Zudem hielt sich die Beschuldigte über einen Zeitraum von annähernd vier Jahren aus eigenem Antrieb im Herrschaftsgebiet des IS auf. In Anbetracht dessen ist im Sinne eines dringenden Tatverdachts davon auszugehen, dass die Beschuldigte einvernehmlich in die Vereinigung aufgenommen wurde.

In Anbetracht dieser Gesamtumstände stellen sich die der Beschuldigten zur Last gelegten Aktivitäten im IS-Herrschaftsgebiet als aktive mitgliedschaftliche Beteiligungsakte dar; mit ihren Aktivitäten im IS-Herrschaftsgebiet förderte die Beschuldigte bewusst und gewollt die Ziele der Vereinigung. Dies gilt auch für ihre Tätigkeiten im Zusammenleben mit den von ihr sukzessive geheirateten drei aktiven IS-Kämpfern. Diese Aktivitäten einschließlich des Führens der gemeinsamen Haushalte stellen sich angesichts der auch aus den dargelegten weiteren Umständen folgenden mitgliedschaftlichen Einbindung der Beschuldigten in den IS und ihres Zieles, im Rahmen der ihr vom IS zugedachten Rolle als Ehefrau und Mutter die Vereinigung zu fördern, nicht lediglich als bloße alltägliche Verrichtungen ohne Organisationsbezug dar (vgl. BGH, Beschlüsse vom 9. Februar 2021 - AK 5/21, juris Rn. 25; vom 30. Juni 2020 - AK 14/20, juris Rn. 25 f.; vom 9. Juni 2020 - AK 12/20, juris Rn. 26; vom 13. Juni 2019 - AK 27/19, juris Rn. 21 f.; vom 15. Mai 2019 - AK 22/19, BGHR StGB § 129a Abs. 1 Mitgliedschaft 5 Rn. 24 ff.). Die Beschuldigte erfüllte daher nicht lediglich die "häuslichen Pflichten", die sich aus dem Zusammenleben mit ihren Ehemännern nach islamischem Ritus ergaben (vgl. zu dieser Konstellation BGH, Beschlüsse vom 23. Juni 2020 - StB 20/20; vom 23. Juni 2020 - StB 19/20; vom 22. März 2018 - StB 32/17, NStZ-RR 2018, 206 , 207).

Die nach § 129b Abs. 1 Satz 2 und 3 StGB erforderliche Ermächtigung zur strafrechtlichen Verfolgung von Mitgliedern des IS hat das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz am 13. Oktober 2015 erteilt.

b) Der dringende Tatverdacht einer Strafbarkeit wegen gröblicher Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht im Sinne des § 171 StGB ergibt sich nach der derzeitigen vorläufigen Beweislage zum einen daraus, dass die Beschuldigte ihre Tochter vorsätzlich aus der Bundesrepublik Deutschland in ein Kriegsgebiet verbrachte, in dem Gefahr für deren körperliche und psychische Entwicklung bestand. Die Gefahr für die körperliche und zugleich auch psychische Integrität der Tochter Ta. wird, abgesehen von der allgemeinen Lage vor Ort im Tatzeitraum, unter anderem dadurch deutlich, dass Ta. zwei Bombenangriffe hautnah miterlebte, wobei bei dem einen ihr Stiefvater getötet, bei dem anderen einer ihrer Halbbrüder schwer verletzt wurde. Die von der Beschuldigten verursachte Gefahr für die psychische Integrität ihrer Tochter manifestiert sich in der bei dem Kind nach der Rückkehr nach Deutschland diagnostizierten Belastungsstörung mit den geschilderten Auswirkungen. Zum anderen bestand durch die Erziehung von Ta. im Sinne des IS die Gefahr, dass das Kind dessen Ziele sowie Vorgehensweisen teilen und durch Handlungen in dessen Sinne einen kriminellen Lebenswandel führen würde. Die äußeren Umstände lassen derzeit den Schluss auf den subjektiven Tatbestand zu (vgl. zum Ganzen BGH, Beschlüsse vom 4. März 2020 - StB 7/20 Rn. 40; vom 17. Oktober 2019 - StB 26/19, juris Rn. 25 mwN; vom 17. Oktober 2019 - AK 56/19, juris Rn. 42 ff.; zum erforderlichen Vorsatz BGH, Beschluss vom 8. Oktober 2020 - 4 StR 339/20, NStZ-RR 2020, 372 ; grundsätzlich BVerfG, Beschluss vom 15. Oktober 2014 - 2 BvR 920/14, NJW 2015, 44 Rn. 14 ff.).

c) Weil - jedenfalls bislang - nicht ermittelt ist, wie die Beschuldigte den Besitz an dem Sturmgewehr "Kalaschnikow" erlangte, ist statt von einem Erwerb der tatsächlichen Gewalt über Kriegswaffen (§ 22a Abs. 1 Nr. 2 KrWaffKontrG) von der Ausübung der tatsächlichen Gewalt über eine solche auszugehen, ohne dass der Erwerb der tatsächlichen Gewalt auf einer Genehmigung nach dem Kriegswaffenkontrollgesetz beruhte (§ 22a Abs. 1 Nr. 6 Buchst. a KrWaffKontrG). Das Sturmgewehr "Kalaschnikow" stellt eine Kriegswaffe im Sinne von Teil B Nr. 29 Buchst. c der Anlage zu § 1 Abs. 1 KrWaffKontrG dar.

d) Für die konkurrenzrechtliche Beurteilung der verschiedenen verwirklichten Straftatbestände gilt:

Die mitgliedschaftlichen Beteiligungsakte, die auch den Tatbestand einer anderen Strafvorschrift erfüllen und der Zwecksetzung der Vereinigung oder ihren sonstigen Interessen dienen, stehen gemäß § 52 Abs. 1 Alternative 1 StGB in Tateinheit mit der jeweils gleichzeitig verwirklichten mitgliedschaftlichen Beteiligung, jedoch - soweit sich nach allgemeinen Grundsätzen nichts anderes ergibt - sowohl untereinander als auch zu der Gesamtheit der sonstigen mitgliedschaftlichen Beteiligungsakte in Tatmehrheit (BGH, Beschluss vom 9. Juli 2015 - 3 StR 537/14, BGHSt 60, 308 Rn. 23 ff.).

Die Fürsorgepflichtverletzung und das unabhängig davon verwirklichte Kriegswaffendelikt stehen zueinander in Tatmehrheit (vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Oktober 2019 - StB 26/19, juris Rn. 32, vom 10. August 2017 - AK 35/17 u.a., juris Rn. 37 mwN). Da sowohl der Waffenbesitz als auch die Ansiedlung der Tochter im IS-Gebiet und die Erziehung des Kindes im Interesse des IS waren und mithin Beteiligungsakte darstellen, sind sie für sich jeweils in Tateinheit im Sinne des § 52 StGB zur Mitgliedschaft verwirklicht (BGH, Beschluss vom 4. März 2020 - StB 7/20 Rn. 45).

In Tatmehrheit (§ 53 StGB ) dazu treten die fortdauernden, keinen weiteren Straftatbestand erfüllenden mitgliedschaftlichen Beteiligungsakte (vgl. BGH, Beschluss vom 17. Oktober 2019 - StB 26/19, juris Rn. 30 ff. mwN).

e) Deutsches Strafrecht ist nach gegenwärtigem Stand der Ermittlungen anwendbar. Dies folgt für die mitgliedschaftliche Beteiligung an einer ausländischen terroristischen Vereinigung entweder unmittelbar aus § 129b Abs. 1 Satz 2 Variante 2 StGB (vgl. BGH, Beschluss vom 31. Juli 2009 - StB 34/09, BGHR StGB § 129b Anwendbarkeit 1) oder - ebenso wie für die Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht und den Verstoß gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz - aus § 7 Abs. 2 Nr. 1 StGB , weil die Beschuldigte Deutsche ist und das Gebiet, in dem sie sich als Mitglied des IS beteiligte, im Tatzeitraum effektiv keiner staatlichen Strafgewalt unterlag (vgl. näher BGH, Beschlüsse vom 9. Juni 2020 - AK 12/20, juris Rn. 32; vom 17. Oktober 2019 - AK 56/19, juris Rn. 55; vom 17. Oktober 2019 - StB 26/19, juris Rn. 28; vom 6. Oktober 2016 - AK 52/16, juris Rn. 33 ff.). Im Übrigen ist der Anschluss an eine terroristische Organisation gemäß Art. 1 und 3 des syrischen Anti-Terror-Gesetzes Nr. 19 vom 28. Juni 2012, das die zuvor geltenden Vorschriften über die Strafbarkeit einer Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung nach Art. 304 bis 306 des syrischen Strafgesetzbuchs ersetzt hat, auch in Syrien mit Strafe bedroht (BGH, Beschlüsse vom 30. Juni 2020 - AK 14/20, juris Rn. 27; vom 13. Juni 2019 - AK 27/19, juris Rn. 23). Gleiches gilt hinsichtlich der Verstöße gegen das Kriegswaffenkontrollgesetz im Hinblick auf §§ 39, 41 des syrischen Präsidialerlasses Nr. 51 vom 24. September 2001 (BGH, Beschluss vom 30. Juni 2020 - AK 14/20, juris Rn. 27). In Bezug auf die Verletzung der Fürsorge- und Erziehungspflicht gemäß § 171 StGB liegt zudem, weil mit der Tatausführung mit der Ausreise und damit in Deutschland begonnen wurde, ein Tatort auch in Deutschland (§§ 3 , 9 Abs. 1 StGB ; vgl. BGH, Beschlüsse vom 17. Februar 2021 - AK 7/21, juris Rn. 25; vom 9. Februar 2021 - AK 5/21, juris Rn. 49).

3. Es sind die Haftgründe der Fluchtgefahr gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO sowie - bei der gebotenen restriktiven Auslegung des § 112 Abs. 3 StPO (vgl. BGH, Beschluss vom 24. Januar 2019 - AK 57/18, juris Rn. 30 ff.; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO , 63. Aufl., § 112 Rn. 37 mwN) - der Schwerkriminalität gegeben. Es ist wahrscheinlicher, dass sich die Beschuldigte - sollte sie auf freien Fuß gelangen - dem Strafverfahren entziehen, als dass sie sich ihm stellen wird.

Die Beschuldigte hat im Falle ihrer Verurteilung mit einer erheblichen Freiheitsstrafe zu rechnen. Dem davon ausgehenden Fluchtanreiz stehen keine hinreichenden fluchthemmenden Umstände entgegen.

Die Beschuldigte ist insbesondere in Deutschland weder sozial noch beruflich verankert. Das Sorgerecht für ihre vier Kinder wurde ihr entzogen. Vor ihrer Verhaftung wohnte sie in einem Wohnheim, ohne einer beruflichen Tätigkeit nachzugehen. Gewichtige Gründe, die sie zu einem Verbleib in Deutschland bewegen könnten, sind daher nicht ersichtlich. Zwar reiste sie von sich aus wieder nach Deutschland ein. Allerdings erklärte sie unmittelbar zuvor bei einer Anhörung durch das Bundeskriminalamt in der Türkei, nur wegen der besseren Bildungschancen für ihre Kinder nach Deutschland zurückkehren zu wollen; für sich ziehe sie ein Leben in der Türkei oder einem anderen muslimischen Land vor. Es ist nicht erkennbar, dass sich an dem damit geäußerten Wunsch, nicht dauerhaft in Deutschland leben zu wollen, zwischenzeitlich etwas geändert hat, zumal sie noch am 19. Mai 2020, über ein Jahr nach ihrer Rückkehr nach Deutschland, in einem Telefonat davon sprach, sie verstehe nicht, dass Muslime in Deutschland leben würden. Die Beschuldigte verfügt zudem über Kontakte in das Ausland, die ihr bei einer Flucht dorthin behilflich sein könnten. So steht sie weiterhin in Verbindung mit ihrem in der Türkei verbliebenen letzten Ehemann; dieser hat der Beschuldigten, wie sie in verschiedenen Telefonaten im Frühjahr 2020 mitteilte, Hilfe angeboten. Auch zu Mitgliedern der in Großbritannien und Schweden lebenden Familie ihres verstorbenen Ehemannes C. hält die Beschuldigte Kontakt.

Der Zweck der Untersuchungshaft kann unter den gegebenen Umständen nicht durch weniger einschneidende Maßnahmen im Sinne des § 116 Abs. 1 StPO - die bei verfassungskonformer Auslegung auch im Rahmen des § 112 Abs. 3 StPO möglich sind - erreicht werden.

4. Die Voraussetzungen für die Fortdauer der Untersuchungshaft über sechs Monate hinaus (§ 121 Abs. 1 StPO ) sind gegeben. Die besondere Schwierigkeit und der Umfang der Ermittlungen haben ein Urteil noch nicht zugelassen und rechtfertigen den weiteren Vollzug der Untersuchungshaft. Das Verfahren ist bislang mit der in Haftsachen gebotenen Beschleunigung geführt worden.

Die Ermittlungen waren und sind besonders umfangreich; die Akten umfassen derzeit 30 Bände. Es galt und gilt, eine Vielzahl sichergestellter elektronischer Datenträger mit umfangreichen Datensätzen und etliche im Rahmen von Telekommunikationsüberwachungen festgestellte Kommunikationsereignisse auszuwerten, zumal sich die Beschuldigte im Strafverfahren bislang nicht zur Sache eingelassen hat. Nicht nur die Mobiltelefone der Beschuldigten selbst, sondern auch Geräte von Kommunikationspartnern mussten und müssen umfassend ausgewertet werden. Denn es hat sich im Laufe der Ermittlungen gezeigt, dass die Beschuldigte während ihres Aufenthalts in Syrien und danach verschiedenen Kommunikationspartnern über ihre Erlebnisse in Syrien berichtete und diesen Fotos und Videos zusandte. Weil ein Teil der von der Beschuldigten geführten Kommunikation in arabischer und englischer Sprache erfolgte, bedurfte es des ebenfalls zeitaufwändigen Einsatzes von Sprachmittlern.

Erst aus der aufwändigen Auswertung der bei der Festnahme der Beschuldigten am 4. August 2020 sichergestellten Mobiltelefone ergab sich Ende November 2020 die Notwendigkeit einer Wohnungsdurchsuchung bei der Zeugin W. . Denn es wurde bei der Auswertung dieser Geräte festgestellt, dass die Zeugin auch länger zurückliegende Chatkommunikationen mit der Beschuldigten in den Speichern alter Mobiltelefone nicht gelöscht hatte und diese alten Mobiltelefone in ihrer Wohnung verwahrte. Bei einer deshalb am 8. Dezember 2020 erfolgten Durchsuchung bei der Zeugin W. wurden elektronische Geräte, unter anderem mehrere Mobiltelefone, sichergestellt, deren Auswertung noch nicht abgeschlossen ist.

Die Vernehmung mehrerer Zeugen aus dem Umfeld der Beschuldigten wurde aus nicht zu beanstandenden ermittlungstaktischen Gründen bis zur weitgehenden Auswertung der sichergestellten elektronischen Datenträger im Januar 2021 zurückgestellt, um die Zeugen, die dem islamistisch-salafistischen Milieu zugeordnet werden, bei ihren Vernehmungen mit den aus der Auswertung von Kommunikationsereignissen gewonnenen Erkenntnissen konfrontieren zu können.

5. Schließlich steht die Untersuchungshaft nach Abwägung zwischen dem Freiheitsgrundrecht der Beschuldigten einerseits sowie dem Strafverfolgungsinteresse der Allgemeinheit andererseits nicht zu der Bedeutung der Sache und der zu erwartenden Strafe außer Verhältnis (§ 120 Abs. 1 Satz 1 StPO ). Der Senat geht aufgrund des derzeitigen Ermittlungsstands davon aus, dass die Generalstaatsanwaltschaft Berlin ihren Angaben entsprechend ungeachtet der noch nicht abgeschlossenen Auswertung weiterer elektronischer Datenträger in Kürze Anklage gegen die Beschuldigte erheben kann.