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BFH - Entscheidung vom 25.03.2021

VIII R 45/18

Normen:
EStG § 7g Abs. 3
EStG § 7g Abs. 3

Fundstellen:
BB 2021, 2480
BFH/NV 2021, 976
BStBl II 2021, 530
DStR 2021, 1529
DStRE 2021, 883
DStZ 2021, 594
GmbHR 2021, 1060

BFH, Urteil vom 25.03.2021 - Aktenzeichen VIII R 45/18

DRsp Nr. 2021/8699

Grenzen der Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrages Zulässigkeit der Änderung der Einkommensteuerfestsetzung wegen eines Irrtums des Finanzamts

1. § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG ermöglicht als spezielle Korrekturvorschrift lediglich eine punktuelle Rückgängigmachung des vom Steuerpflichtigen gemäß § 7g Abs. 1 EStG gewinnmindernd berücksichtigten Investitionsabzugsbetrages. Über diesen Rahmen hinausgehende Gewinnänderungen können nur vorgenommen werden, wenn diese durch andere Änderungsnormen gedeckt sind. Dies gilt auch für Fehler, die dem FA im Zusammenhang mit der Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrages unterlaufen sind. 2. Auch die Hemmung der Festsetzungsverjährung gemäß § 7g Abs. 3 Satz 3 EStG wirkt nur partiell. Sie tritt nur insoweit ein, als die Rückgängigmachung des Investitionsabzugsbetrages gemäß § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG betroffen ist.

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Finanzgerichts Köln vom 13.11.2018 – 15 K 1325/17 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Kosten des Revisionsverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Normenkette:

EStG § 7g Abs. 3 ;

Gründe

I.

Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) war im Jahr 2009 (Streitjahr) selbständig als ... tätig. Seinen Gewinn ermittelte er gemäß § 4 Abs. 3 des Einkommensteuergesetzes in der im Streitjahr geltenden Fassung ( EStG ). In seiner im November 2010 eingereichten Einkommensteuererklärung für das Streitjahr erklärte er einen Gewinn aus freiberuflicher Arbeit in Höhe von 89.174 €, bei dessen Ermittlung er einen Investitionsabzugsbetrag gemäß § 7g Abs. 1 EStG in Höhe von 15.800 € für geplante Investitionen berücksichtigt hatte.

Der Beklagte und Revisionskläger (das Finanzamt —FA—) veranlagte den Kläger erklärungsgemäß, ohne den Einkommensteuerbescheid vom 18.01.2011 unter den Vorbehalt der Nachprüfung zu stellen. In den am 18.02.2011 und 18.10.2011 ergangenen Einkommensteueränderungsbescheiden blieben die Einkünfte aus der freiberuflichen Tätigkeit des Klägers unverändert.

Da die Anschaffung der Wirtschaftsgüter —wie der Kläger im Jahr 2014 mitgeteilt hatte— unterblieben war, beabsichtigte das FA ausweislich des "Überwachungsbogens VZ 2009 für Investitionsabzugsbeträge gemäß § 7g EStG " den Abzugsbetrag von 15.800 € im Veranlagungszeitraum 2009 hinzuzurechnen. Am 29.09.2014 erließ es unter Verweis auf § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG einen Einkommensteueränderungsbescheid für das Streitjahr, in dessen Erläuterungen es heißt: "Im Veranlagungszeitraum 2009 haben Sie einen Investitionsabzugsbetrag für zukünftige Anschaffungen i.H.v. 15.800 € gewinnmindernd abgezogen. Soweit der Investitionsabzugsbetrag nicht bis zum Ende des dritten auf das Wirtschaftsjahr des Abzugsbetrag folgenden Wirtschaftsjahres (hier 2012) nach § 7g Abs. 2 hinzugerechnet wurde, ist der Abzug nach § 7g Abs 1 EStG gemäß Abs.3 rückgängig zu machen."

Allerdings erhöhte das FA in dem Bescheid vom 29.09.2014 die bisher berücksichtigten Einkünfte des Klägers aus der freiberuflichen Tätigkeit in Höhe von 89.174 € nicht um 15.800 € auf 104.974 €, sondern es minderte diese um 14.200 € auf 74.974 € und setzte die Einkommensteuer entsprechend niedriger fest. Warum es zu dieser fehlerhaften Minderung der Einkünfte aus der freiberuflichen Tätigkeit kam, konnte nicht aufgeklärt werden.

Das FA bemerkte den Fehler im Jahr 2017. Es erließ am 21.02.2017 einen weiteren Einkommensteueränderungsbescheid für das Streitjahr, in dem es die Einkünfte des Klägers um 30.000 € (14.200 € + 15.800 €) erhöhte. Das FA berücksichtigte nunmehr Einkünfte des Klägers aus freiberuflicher Tätigkeit in Höhe von 104.974 €. Als Rechtsgrundlage für die Änderung verwies es erneut auf § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG .

Den hiergegen gerichteten Einspruch des Klägers wies das FA mit Einspruchsentscheidung vom 03.05.2017 als unbegründet zurück. Das Finanzgericht (FG) gab der nachfolgenden Klage in seinem in Entscheidungen der Finanzgerichte (EFG) 2019, 367 veröffentlichten Urteil vom 13.11.2018 – 15 K 1325/17 teilweise statt. Es war der Auffassung, § 7g Abs. 3 EStG gestatte nur eine auf die Korrektur des seinerzeit gewinnmindernd berücksichtigten Investitionsabzugsbetrages beschränkte Änderung der Einkünfte des Klägers in Höhe von 15.800 €. Die weiter gehende Gewinnerhöhung um 14.200 € sei demgegenüber nicht von der Korrekturvorschrift des § 7g Abs. 3 EStG gedeckt. Insoweit habe das FA keinen Investitionsabzugsbetrag hinzugerechnet, sondern einen ihm im Bescheid vom 29.09.2014 unterlaufenen materiell-rechtlichen Fehler korrigiert.

Hiergegen wendet sich das FA mit seiner Revision. Das FG habe unzutreffend entschieden, dass § 7g Abs. 3 EStG eine Änderung der Steuerfestsetzung lediglich in Höhe des rückgängig zu machenden Investitionsabzugsbetrages und nicht zur Korrektur einer in diesem Zusammenhang erfolgten fehlerhaften Steuerfestsetzung zulasse.

Das FA beantragt,

die Klage unter Aufhebung des Urteils des FG Köln vom 13.11.2018 – 15 K 1325/17 abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Revision des FA zurückzuweisen.

II.

Die Revision des FA ist unbegründet. Sie war daher zurückzuweisen (§ 126 Abs. 2 der Finanzgerichtsordnung —FGO—). Das FG hat zutreffend erkannt, dass die Änderung des Einkommensteuerbescheides vom 29.09.2014 verfahrensrechtlich insoweit ausgeschlossen war, als das FA die Einkünfte des Klägers aus dessen freiberuflicher Tätigkeit —über die Rückgängigmachung des Investitionsabzugsbetrages in Höhe von 15.800 € hinaus— um weitere 14.200 € erhöht hat. Diese Änderung ist —entgegen der Auffassung des FA— nicht durch § 7g Abs. 3 EStG gedeckt (s. unter 1.). Die Korrektur nach einer anderen Vorschrift ist aufgrund des Eintritts der Festsetzungsverjährung nach § 169 Abs. 1 Satz 1 der Abgabenordnung ( AO ) nicht mehr zulässig (s. unter 2.).

1. Das FA konnte die Änderung des Einkommensteuerbescheides vom 29.09.2014 zur Korrektur der ohne nachvollziehbaren Grund vorgenommenen Gewinnminderung in Höhe von 14.200 € nicht auf § 7g Abs. 3 Sätze 1 und 2 EStG stützen.

a) Gemäß § 7g Abs. 3 Satz 1 EStG ist der nach § 7g Abs. 1 EStG vorgenommene Abzug rückgängig zu machen, soweit der Investitionsabzugsbetrag nicht bis zum Ende des dritten auf das Wirtschaftsjahr des Abzugs folgenden Wirtschaftsjahres nach § 7g Abs. 2 EStG hinzugerechnet wurde. Wurde der Gewinn des maßgebenden Wirtschaftsjahres bereits einer Steuerfestsetzung oder einer gesonderten Feststellung zugrunde gelegt, ist der entsprechende Steuer– oder Feststellungsbescheid insoweit zu ändern (§ 7g Abs. 3 Satz 2 EStG ).

b) § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG enthält für die Fälle der Rückgängigmachung des Investitionsabzugsbetrages eine spezielle Korrekturvorschrift i.S. des § 172 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. d AO für das Abzugsjahr. Diese wird in § 7g Abs. 3 Satz 3 EStG durch eine besondere Regelung zur Ablaufhemmung für die Festsetzungsfrist ergänzt. Nach dieser endet die Festsetzungsfrist insoweit nicht, bevor die Festsetzungsfrist für den Veranlagungszeitraum abgelaufen ist, in dem das dritte auf das Wirtschaftsjahr des Abzugs folgende Wirtschaftsjahr endet (vgl. z.B. Schmidt/Kulosa, EStG , 40. Aufl., § 7g Rz 65; Bartone in Korn, EStG , § 7g n.F. Rz 97).

Wie sich bereits aus dem Wortlaut ergibt, erlaubt die Norm die Änderung bestandskräftiger Steuer– oder Feststellungsbescheide nur insoweit, als dies der Rückgängigmachung eines gemäß § 7g Abs. 1 EStG vorgenommenen Abzugs dient. § 7g Abs. 3 Satz 2 EStG ermöglicht demnach lediglich eine punktuelle Rückgängigmachung des nach § 7g Abs. 1 EStG vom Steuerpflichtigen gewinnmindernd berücksichtigten Abzugsbetrages. Die Korrektur ist folglich auf den Umfang des geltend gemachten und berücksichtigten Abzugsbetrages begrenzt. Über diesen Rahmen hinausgehende Änderungen können nur vorgenommen werden, wenn diese durch andere Änderungsnormen gedeckt sind (vgl. FG Baden-Württemberg, Beschluss vom 27.03.2012 – 3 V 279/12, nachfolgend dazu: Beschluss des Bundesfinanzhofs vom 17.07.2012 – I B 56, 57/12, BFH/NV 2012, 1955 ; Bugge in Kirchhof/Söhn/Mellinghoff —KSM—, EStG , § 7g Rz D 15; Bartone in Korn, EStG , § 7g n.F. Rz 98; Blümich/Brandis, § 7g EStG Rz 66; Wackerbeck, EFG 2019, 367 , 370; Kratzsch in Frotscher/Geurts, EStG , § 7g Rz 72; BeckOK EStG/Graw, 9. Ed. [01.01.2021], EStG § 7g Rn. 135; wohl auch Meyer in Herrmann/Heuer/ Raupach —HHR—, § 7g EStG Rz 76).

Die gegenteilige Auffassung des FA, nach der § 7g Abs. 3 EStG auch die Korrektur von Fehlern erlaubt, die im Zusammenhang mit der Rückgängigmachung eines Investitionsabzugsbetrages unterlaufen sind, lässt sich weder aus dem Wortlaut des § 7g Abs. 3 EStG noch aus der Gesetzesbegründung oder dem Sinn und Zweck der Norm herleiten. Die Regelung schafft den verfahrensrechtlichen Rahmen dafür, dass die Bildung von Abzugsbeträgen bei fehlender Investitionsabsicht uninteressant ist (vgl. Schmidt/Kulosa, a.a.O., § 7g Rz 57). Dass sie darüber hinaus eine umfassende Korrektur für alle im Zusammenhang mit der Rückgängigmachung des Abzugsbetrages auftretenden Fehler ermöglichen soll, ist demgegenüber nicht ersichtlich, zumal das Gesetz in den §§ 172 ff. AO einen umfassenden Katalog an allgemeinen Korrekturvorschriften beinhaltet.

c) Danach ist die —über die Korrektur des Investitionsabzugsbetrages in Höhe von 15.800 € hinausgehende— Berichtigung der vom FA beim Erlass des Änderungsbescheides vom 29.09.2014 vorgenommenen Gewinnminderung in Höhe von 14.200 € nicht von § 7g Abs. 3 EStG gedeckt.

d) Entgegen der Auffassung des FA ist bei einer Korrektur der Einkommensteuerfestsetzung des Streitjahres gemäß § 7g Abs. 3 EStG nicht von den der ursprünglichen Veranlagung des Klägers zugrunde gelegten Einkünften aus selbständiger Arbeit in Höhe von 89.174 €, sondern von den in dem zu ändernden Bescheid vom 29.09.2014 zugrunde gelegten Einkünften aus selbständiger Arbeit in Höhe von 74.974 € auszugehen. Die vorliegend streitige Beurteilung der Rechtmäßigkeit des Einkommensteueränderungsbescheides vom 21.02.2017 hängt nämlich davon ab, ob und inwieweit die Änderung des Einkommensteuerbescheides vom 29.09.2014 verfahrensrechtlich zulässig ist.

2. Einer weiter gehenden Änderung des Bescheides vom 29.09.2014 steht der Eintritt der Festsetzungsverjährung entgegen (§ 169 Abs. 1 Satz 1 AO ). Zum Zeitpunkt des Erlasses des Änderungsbescheides vom 21.02.2017 war die reguläre Festsetzungsfrist (§ 169 Abs. 2 AO ), die am 31.12.2014 endete, bereits abgelaufen. Eine Hemmung des Ablaufs der Festsetzungsfrist, die dem FA eine weiter gehende Korrektur der Steuerfestsetzung mittels des Änderungsbescheides vom 21.02.2017 ermöglichen würde, ist nicht ersichtlich. Eine solche ergibt sich weder aus § 7g Abs. 3 Satz 3 EStG noch aus § 171 Abs. 2 AO .

a) Zwar wurde der Ablauf der Festsetzungsfrist gemäß § 7g Abs. 3 Satz 3 EStG gehemmt. Jedoch tritt die Ablaufhemmung nach dieser Vorschrift nur "insoweit" ein, als die Rückgängigmachung des Investitionsabzugs betroffen ist. Die Ablaufhemmung wirkt somit nur partiell. Folglich löst sie keine Ablaufhemmung hinsichtlich des gesamten Steueranspruchs aus und ermöglicht keine weiter gehende Korrektur aufgrund anderer Änderungsvorschriften (vgl. Bugge in KSM, EStG , § 7g Rz D 17; HHR/Meyer, § 7g EStG Rz 77).

b) Läge eine offenbare Unrichtigkeit i.S. des § 129 AO vor und griffe die Ablaufhemmung gemäß § 171 Abs. 2 AO ein, so wäre die Festsetzungsfrist in Bezug auf diese Korrekturmöglichkeit lediglich bis zum Ablauf eines Jahres nach Bekanntgabe des Bescheides vom 29.09.2014 gehemmt gewesen. Sie wäre mithin bei Erlass des Änderungsbescheides am 21.02.2017 ebenfalls abgelaufen gewesen. Dies ist zwischen den Beteiligten unstreitig und bedarf daher keiner weiteren Ausführungen.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 2 FGO .

Vorinstanz: FG Köln, vom 13.11.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 15 K 1325/17
Fundstellen
BB 2021, 2480
BFH/NV 2021, 976
BStBl II 2021, 530
DStR 2021, 1529
DStRE 2021, 883
DStZ 2021, 594
GmbHR 2021, 1060