Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BVerwG - Entscheidung vom 19.05.2020

4 BN 45.19

Normen:
VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1
GG Art. 14 Abs. 1 S. 2

BVerwG, Beschluss vom 19.05.2020 - Aktenzeichen 4 BN 45.19

DRsp Nr. 2020/10952

Voraussetzungen der grundsätztlichen Bedeutung einer Rechtssache; Anforderungen an die Konkretisierung der Planvorstellungen der Gemeinde hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung; Wirksamkeit einer Veränderungssperre; Voraussetzungen einer unzulässigen Negativplanung

1. Eine Veränderungssperre darf erst dann erlassen werden, wenn die Planung, die sie sichern soll, ein Mindestmaß dessen erkennen lässt, was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplanes sein soll.2. Eine Gemeinde muss bereits positive Vorstellungen über den Inhalt des Bebauungsplanes entwickelt haben, um eine Veränderungssperre zu rechtfertigen.

Tenor

Die Beschwerde der Antragstellerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 3. Juli 2019 wird zurückgewiesen.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 15 000 € festgesetzt.

Normenkette:

VwGO § 132 Abs. 2 Nr. 1 ; GG Art. 14 Abs. 1 S. 2;

Gründe

Die auf § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO gestützte Beschwerde bleibt ohne Erfolg.

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ist eine Rechtssache, wenn in dem angestrebten Revisionsverfahren die Klärung einer bisher höchstrichterlich ungeklärten, in ihrer Bedeutung über den der Beschwerde zugrundeliegenden Einzelfall hinausgehenden, klärungsbedürftigen und entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO ) zu erwarten ist. In der Beschwerdebegründung muss dargelegt (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ), also näher ausgeführt werden, dass und inwieweit eine bestimmte Rechtsfrage des revisiblen Rechts im allgemeinen Interesse klärungsbedürftig und warum ihre Klärung in dem beabsichtigten Revisionsverfahren zu erwarten ist (stRspr, siehe bereits BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>).

Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,

ob es für das Mindestmaß an inhaltlicher Konkretisierung im Hinblick auf die Wirksamkeit einer Veränderungssperre auch dann ausreichend ist, lediglich auf die Art der baulichen Nutzung abzustellen, wenn die Gemeinde mit der Planung im Wesentlichen das Maß der baulichen Nutzung steuern will.

Die Frage würde sich in einem Revisionsverfahren nicht stellen. Das Oberverwaltungsgericht hat seiner Entscheidung die ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zugrunde gelegt. Danach darf eine Veränderungssperre erst dann erlassen werden, wenn die Planung, die sie sichern soll, ein Mindestmaß dessen erkennen lässt, was Inhalt des zu erwartenden Bebauungsplanes sein soll (vgl. Urteil vom 9. August 2016 - 4 C 5.15 - BVerwGE 156, 1 Rn. 19 m.w.N.). Das ist nach den auf die Sitzungsvorlage für den Aufstellungsbeschluss gestützten Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts der Fall, weil die Antragsgegnerin danach bei Erlass der Veränderungssperre bereits hinreichend konkrete Planungsvorstellungen nicht nur zur Art, sondern auch zum Maß der baulichen Nutzung und der zulässigen Zahl von Wohneinheiten entwickelt hatte (UA S. 7 f.). Das Oberverwaltungsgericht hat damit festgestellt, dass zum Maß der baulichen Nutzung bereits ein Mindestmaß an Planungsvorstellungen be-stand, auch wenn vollkommen exakte Vorgaben noch fehlten.

Die Frage,

welche Anforderungen hinsichtlich des Maßes der baulichen Nutzung an die Konkretisierung der Planvorstellungen zu stellen sind,

führt nicht zur Zulassung der Revision. Soweit die Frage in verallgemeinerungsfähiger Weise beantwortet werden kann, ist sie in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt. Wesentlich ist, dass die Gemeinde bereits positive Vorstellungen über den Inhalt des Bebauungsplanes entwickelt hat. Eine Negativplanung, die sich darin erschöpft, einzelne Vorhaben auszuschließen, genügt nicht. Die nachteiligen Wirkungen der Veränderungssperre wären - auch vor dem Hintergrund des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 GG - nicht erträglich, wenn sie zur Sicherung einer Planung dienen sollte, die sich in ihrem Inhalt noch in keiner Weise absehen lässt. Eine unzulässige Negativplanung liegt nicht schon deswegen vor, weil die Gemeinde die Planung aus Anlass eines konkreten, bisher zulässigen Vorhabens betreibt, das sie verhindern will, oder weil sie das Ziel verfolgt, eine Ausweitung bestimmter bisher zulässiger Nutzungen zu verhindern, selbst wenn dies jeweils den Hauptzweck einer konkreten Planung darstellt. Ein detailliertes und abgewogenes Planungskonzept ist nicht erforderlich (vgl. BVerwG, Urteil vom 9. August 2016 - 4 C 5.15 - BVerwGE 156, 1 Rn. 19 sowie Beschlüsse vom 10. Oktober 2007 - 4 BN 36.07 - ZfBR 2008, 70 = juris Rn. 3 und vom 8. September 2016 - 4 BN 22.16 - BRS 84 Nr. 52 = juris Rn. 5). Das Mindestmaß an planerischen Vorstellungen, die vorliegen müssen, um eine Veränderungssperre zu rechtfertigen, muss zugleich geeignet sein, die Entscheidung der Genehmigungsbehörde nach § 14 Abs. 2 Satz 1 BauGB zu steuern, wenn sie über die Vereinbarkeit des Vorhabens mit der beabsichtigten Planung zu befinden hat (BVerwG, Urteil vom 30. August 2012 - 4 C 1.11 - BVerwGE 144, 82 Rn. 11). Ob die planerischen Vorstellungen diesen Anforderungen genügen, ist Gegenstand der tatrichterlichen Würdigung des Einzelfalls.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO , die Streitwertfestsetzung beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 , § 52 Abs. 1 GKG .

Vorinstanz: OVG Rheinland-Pfalz, vom 03.07.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 8 C 11553/18