Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BVerwG - Entscheidung vom 07.10.2020

2 C 19.19

Normen:
BeamtVG § 55 Abs. 1 S. 8 und 9
BeamtVG § 56 Abs. 1
BeamtVG § 56 Abs. 2
BeamtVG § 56 Abs. 3 S. 1 und 3
BeamtVG § 56 Abs. 6
BeamtVG § 69c Abs. 5
BeamtVG § 69e Abs. 2
BeamtVG § 69e Abs. 3 S. 1
BeamtVG § 69m Abs. 2 S. 1
BewG § 14 Abs. 1 S. 4
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 33 Abs. 5
AEUV Art. 151 Abs. 1
AEUV Art. 157
AEUV Art. 267
GKG § 42
BeamtVG § 55 Abs. 1 S. 8-9
BeamtVG § 56 Abs. 1
BeamtVG § 56 Abs. 2
BeamtVG § 56 Abs. 3 S. 1 und S. 3
BeamtVG § 56 Abs. 6
BeamtVG § 69c Abs. 5
BeamtVG § 69e Abs. 2
BeamtVG § 69e Abs. 3 S. 1
BeamtVG § 69m Abs. 2 S. 1
BewG § 14 Abs. 1 S. 4
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 33 Abs. 5
AEUV Art. 151 Abs. 1
AEUV Art. 157
AEUV Art. 267
GKG § 42
BeamtVG (2010) § 55 Abs. 1 S. 9
BeamtVG (2009) § 56 Abs. 3 S. 3
BewG (2008) § 14 Abs. 1 S. 4
AEUV Art. 157

Fundstellen:
BVerwGE 169, 299
NVwZ-RR 2021, 365
ZBR 2021, 166

BVerwG, Urteil vom 07.10.2020 - Aktenzeichen 2 C 19.19

DRsp Nr. 2021/2968

Verrentung von Kapitalbeträgen unter Verwendung geschlechtsspezifischer Sterbetafeln hinsichtlich des Grundsatzes der Entgeltgleichheit; Anrechnung von Kapitalbeträgen für Dienstzeiten eines Beamten aus einer zwischenstaatlichen Verwendung auf sein Ruhegehalt

1. Die Verrentung von Kapitalbeträgen unter Verwendung geschlechtsspezifischer Sterbetafeln nach § 56 Abs. 3 Satz 3 BeamtVG 2009 i.V.m. § 55 Abs. 1 Satz 9 BeamtVG 2010 und der Tabelle zu § 14 Abs. 1 Satz 4 BewG 2008 verstößt gegen den gemäß Art. 157 AEUV gewährleisteten unionsrechtlichen Grundsatz der Entgeltgleichheit.2. Die Unvereinbarkeit von nationalen Regelungen mit Art. 157 AEUV führt bei der Berechnung des maßgeblichen Kapitalwerts nach § 55 Abs. 1 Satz 9 BeamtVG 2010 i.V.m. der Tabelle zu § 14 Abs. 1 Satz 4 BewG grundsätzlich nicht zur Anwendung eines Mittelwerts, sondern dazu, dass der für Frauen geltende Vervielfältiger des Kapitalwerts auch bei Männern angewendet wird (sog. "Angleichung nach oben").

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird der Bescheid der Beklagten vom 6. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. November 2009 aufgehoben, soweit darin die Versorgungsbezüge des Klägers vom 1. Februar 2009 bis zum 30. Juni 2009 über den monatlichen Betrag in Höhe von 299,82 € hinaus und für die Folgezeit über einen monatlichen Betrag hinaus zum Ruhen gebracht werden, der sich auf der Grundlage eines verrenteten Kapitalbetrags von 394,62 € ergibt, und soweit vom Kläger für den Zeitraum vom 1. Februar 2009 bis 30. April 2009 über den Betrag von 358,88 € hinaus zu viel gezahlte Versorgungsbezüge zurückgefordert werden.

Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. August 2019 und das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 13. Mai 2011 werden aufgehoben, soweit sie dem entgegenstehen.

Im Übrigen wird die Revision des Klägers zurückgewiesen.

Die Revision der Beklagten wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen.

Normenkette:

BeamtVG (2010) § 55 Abs. 1 S. 9; BeamtVG (2009) § 56 Abs. 3 S. 3; BewG (2008) § 14 Abs. 1 S. 4; AEUV Art. 157 ;

Gründe

I

Der Kläger wendet sich gegen die Anrechnung von Kapitalbeträgen für Dienstzeiten aus einer zwischenstaatlichen Verwendung auf sein Ruhegehalt.

Der Kläger stand als technischer Regierungsoberamtsrat im Dienst der Beklagten. Vom 1. August 2005 bis zum 17. Oktober 2008 war er für eine Tätigkeit bei einer Einrichtung der NATO (NAHEMA) beurlaubt. Hierfür erhielt der Kläger als Versorgung einen Kapitalbetrag in Höhe von 62 750,27 €.

Zum Ablauf des Monats Januar 2009 versetzte die Beklagte den Kläger in den Ruhestand. Mit Bescheid vom 6. April 2009 brachte die Beklagte die Versorgungsbezüge ab dem 1. Februar 2009 in Höhe von monatlich 343,64 € zum Ruhen und forderte die vom 1. Februar 2009 bis zum 30. April 2009 überzahlten Versorgungsbezüge in Höhe von 490,34 € zurück. Hierbei legte sie einen Kapitalbetrag in Höhe von 56 988,65 € zugrunde. Der Widerspruch gegen den Bescheid und die anschließende Klage vor dem Verwaltungsgericht sind erfolglos geblieben.

Der Verwaltungsgerichtshof hat den Bescheid der Beklagten in der Gestalt des Widerspruchsbescheids insoweit aufgehoben, als die Versorgungsbezüge des Klägers ab dem 1. Februar 2009 über den monatlichen Betrag von 320,77 € hinaus zum Ruhen gebracht werden und soweit vom Kläger für den Zeitraum vom 1. Februar 2009 bis 30. April 2009 über den Betrag von 421,73 € hinaus zu viel gezahlte Versorgungsbezüge zurückgefordert werden. Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof die Berufung zurückgewiesen.

Hiergegen richten sich die wechselseitigen Revisionen des Klägers und der Beklagten.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

den Bescheid der Beklagten vom 6. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. November 2009 vollständig aufzuheben und das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. August 2019 sowie das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 13. Mai 2011 aufzuheben, soweit sie dem entgegenstehen, sowie die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt sinngemäß,

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 13. Mai 2011 vollständig zurückzuweisen und das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. August 2019 aufzuheben, soweit es dem entgegensteht, sowie die Revision des Klägers zurückzuweisen.

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht unterstützt den Antrag der Beklagten.

II

Die Revision des Klägers ist zum Teil begründet und die Revision der Beklagten vollständig unbegründet. Über die Revisionen, deren Anträge der Senat gemäß § 88 VwGO sachdienlich ausgelegt hat, konnte der Senat gemäß § 101 Abs. 2 , § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

Maßgebliche Rechtsgrundlage für das Ruhen des Ruhegehalts sind vorliegend § 56 Beamtenversorgungsgesetz ( BeamtVG ) i.d.F. der Bekanntmachung vom 20. Dezember 2001 (BGBl. I S. 3926 ) mit den versetzt in Kraft getretenen Änderungen durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160 - BeamtVG 2009) (1.). Der angefochtene Ruhensbescheid ist hinsichtlich der Höhe des Ruhens- und des Rückforderungsbetrags teilweise rechtswidrig, denn die genannten gesetzlichen Regelungen sind wegen der Verwendung geschlechtsspezifischer Sterbetafeln teilweise unionsrechtswidrig. Das Berufungsurteil verletzt insoweit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ); auf diesem Verstoß beruht das Urteil auch (2.). Das Ruhen des Ruhegehalts ohne zeitliche Begrenzung ist rechtmäßig (3.).

1. Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage richtet sich nach dem materiellen Recht (stRspr; vgl. BVerwG, Urteile vom 31. März 2004 - 8 C 5.03 - BVerwGE 120, 246 <250>, vom 25. November 2004 - 2 C 17.03 - BVerwGE 122, 237 <241> und vom 13. Dezember 2007 - 4 C 9.07 - BVerwGE 130, 113 Rn. 10).

Bei Ruhensbescheiden handelt es sich um feststellende Verwaltungsakte mit sich jeweils monatlich neu aktualisierender Wirkung, für die die im jeweiligen Monat geltende Sach- und Rechtslage maßgeblich ist. Dies folgt bereits daraus, dass das Ruhen kraft Gesetzes eintritt und Ruhensbescheide zwar zulässig, aber nicht erforderlich sind. Im Umfang des durch das Gesetz bestimmten Ruhens hat ein solcher Verwaltungsakt deshalb lediglich deklaratorische Bedeutung (BVerwG, Urteile vom 26. November 2013 - 2 C 17.12 - Buchholz 239.1 § 53 BeamtVG Nr. 27 Rn. 10 und vom 15. November 2016 - 2 C 9.15 - Buchholz 239.1 § 55 BeamtVG Nr. 30 Rn. 18 ff.). Diese Feststellung des Dienstherrn ändert nichts daran, dass sich die gesetzmäßige Höhe des Ruhensbetrags in jedem Monat aus dem in diesem Monat geltenden Recht und den jeweils vorliegenden Tatsachen ergibt.

Ab dem Zeitpunkt der Zurruhesetzung des Klägers mit Ablauf des Monats Januar 2009 ist zunächst die mit Wirkung vom 28. März 2008 rückwirkend erweiterte Übergangsvorschrift des § 69c Abs. 5 BeamtVG 2009 anzuwenden. Da der Kläger seine Zeiten i.S.d. § 56 BeamtVG erstmals nach dem 1. Januar 1999 zurückgelegt hat, führt § 69c Abs. 5 Satz 1 BeamtVG 2009 ohne Günstigkeitsvergleich nach § 69c Abs. 5 Satz 2 BeamtVG 2009 zur Anwendung der jeweils aktuellen Fassung des § 56 BeamtVG .

Im Fall des Klägers war dies anfangs § 56 BeamtVG 2001 mit den versetzt in Kraft getretenen Änderungen durch das Dienstrechtsneuordnungsgesetz vom 5. Februar 2009. Abgeändert wurde diese Regelung hinsichtlich der Berechnung des Mindestruhensbetrags zunächst durch § 69e Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 BeamtVG 2001 und § 69e Abs. 3 BeamtVG 2001, die für diese Berechnung über einen gewissen Zeitraum einen anderen Faktor zur Ermittlung des Ruhensbetrags vorsahen. Mit dem Inkrafttreten des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes wurde § 69e Abs. 2 Satz 1 Halbs. 2 BeamtVG 2001 durch § 69e Abs. 2 Satz 4 BeamtVG 2009 abgelöst.

Die Regelung für die Dynamisierung von Kapitalbeträgen in § 55 Abs. 1 Satz 8 BeamtVG 2009 findet im Fall des Klägers Anwendung. Sie erfasst Kapitalbeträge von Beamten, die nach dem 28. März 2008 in den Ruhestand getreten sind (BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 2 C 47.11 - Buchholz 239.1 § 56 BeamtVG Nr. 8 Rn. 12). Die Verrentung des Kapitalbetrags des Klägers bestimmt sich nach § 55 Abs. 1 Satz 9 BeamtVG i.d.F. der Bekanntmachung vom 19. November 2010 (BGBl. I S. 1552 ). Diese Fassung des § 55 Abs. 1 Satz 9 BeamtVG ist bei allen Beamten anwendbar, die - wie der Kläger - ab dem 1. Januar 2009 in den Ruhestand getreten sind und noch treten (BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 2 C 47.11 - Buchholz 239.1 § 56 BeamtVG Nr. 8 Rn. 16).

Die Berechnung der Höchstgrenze i.S.d. § 56 Abs. 2 BeamtVG 2009 bestimmt sich nach § 69e Abs. 2 Satz 1 Halbs. 1 BeamtVG 2001 und später gemäß § 69e Abs. 2 Satz 1 BeamtVG 2009 nach § 54 Abs. 2 BeamtVG in der bis zum 31. Dezember 2002 geltenden Fassung. Diese unterscheidet sich hinsichtlich des vorliegend relevanten Satzes 1 Nr. 1 jedoch nicht von den späteren Fassungen des § 54 Abs. 2 BeamtVG (vgl. BGBl. 1999 I S. 322 <341>; BGBl. 2001 I S. 3926 <3932>; BGBl. 2009 I S. 160 <233>).

Das Inkrafttreten des Besoldungsstrukturenmodernisierungsgesetzes (BesStMG) vom 9. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2053 ) am 1. Juli 2020 hat keinen Einfluss auf die Rechtslage im Fall des Klägers. Gemäß § 69m Abs. 2 Satz 1 BeamtVG n.F. 2019 sind die für den Kläger maßgeblichen Regelungen in der bis zum 30. Juni 2020 geltenden Fassung weiter anzuwenden.

2. Der Ruhensbescheid vom 6. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. November 2009 ist hinsichtlich der Höhe des Ruhens- und des Rückforderungsbetrags infolge der Verwendung geschlechtsspezifischer Sterbetafeln teilweise unionsrechtswidrig. Dies führt dazu, dass bei der Verrentung von Kapitalbeträgen, die an Beamte geleistet werden, - derzeit - derselbe Vervielfältiger wie bei Beamtinnen anzuwenden ist (a). Daraus ergibt sich ein Ruhensbetrag in Höhe von anfänglich monatlich 299,82 €. Der vom Verwaltungsgerichtshof angenommene Wert beruht auf der unionsrechtswidrigen Verwendung einer durch Mittelwertbildung vereinheitlichten Sterbetafel (b).

a) Die Verrentung von Kapitalbeträgen unter Verwendung geschlechtsspezifischer Sterbetafeln nach § 56 Abs. 3 Satz 3 BeamtVG 2009 i.V.m. § 55 Abs. 1 Satz 9 BeamtVG 2010 und der Tabelle zu § 14 Abs. 1 Satz 4 des Bewertungsgesetzes ( BewG ) i.d.F. der Bekanntmachung vom 24. Dezember 2008 (BGBl. I S. 3018 ) verstößt gegen den gemäß Art. 157 AEUV gewährleisteten Grundsatz der Entgeltgleichheit (aa). Daraus folgt, dass der Ruhensbetrag für einen Beamten wie der Ruhensbetrag für eine Beamtin berechnet werden muss, bis Maßnahmen zur Herstellung der Gleichheit in Kraft getreten sind (bb). Ein Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV ist aufgrund der klaren Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union nicht erforderlich (cc).

aa) Die Verrentung von Kapitalbeträgen unter Verwendung geschlechtsspezifischer Sterbetafeln verstößt gegen Art. 157 AEUV (vgl. hierzu bereits BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 2 C 47.11 - Buchholz 239.1 § 56 BeamtVG Nr. 8 Rn. 29 ff.).

Die Regelungen des Beamtenversorgungsgesetzes führen zur Berechnung des Ruhensbetrags unter Rückgriff auf die Tabelle zu § 14 Abs. 1 Satz 4 BewG , der vorsieht, dass das Bundesministerium der Finanzen die Vervielfältiger für den Kapitalwert einer lebenslangen Nutzung oder Leistung nach Lebensalter und Geschlecht der Berechtigten in einer Tabelle zusammenstellt und diese zusammen mit dem Datum der Veröffentlichung der Sterbetafel im Bundessteuerblatt bekannt macht. Die hier vorgesehene Differenzierung nach dem Geschlecht führt zu unterschiedlich hohen Ruhensbeträgen für Männer und Frauen und ist deshalb mit Art. 157 AEUV unvereinbar.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist der primärrechtliche Grundsatz der Entgeltgleichheit des Art. 157 AEUV unmittelbar anwendbar (EuGH, Urteile vom 9. Februar 1982 - C-12/81, Garland - Slg. 1982, 359 Rn. 15 und vom 14. Dezember 1993 - C-110/91, Moroni - Slg. 1993, I-6591 Rn. 23). Das Ruhegehalt, welches nach dem Beamtenversorgungsgesetz gewährt wird, fällt in den Anwendungsbereich des Art. 157 AEUV (EuGH, Urteil vom 23. Oktober 2003 - C-4/02, Schönheit - Slg. 2003, I-12575, Rn. 56 ff.; BVerwG, Urteil vom 23. Juni 2016 - 2 C 17.14 - BVerwGE 155, 280 Rn. 25 f.; vgl. zur niederländischen Beamtenversorgung: EuGH, Urteil vom 28. September 1994 - C-7/93, Beune - Slg. 1994, I-4471 Rn. 41 ff., 57; zur französischen Beamtenversorgung: EuGH, Urteil vom 29. November 2001 - C-366/99, Griesmar - Slg. 2001, I-9383 Rn. 31 ff.).

Die zeitliche Begrenzung für die Anwendung des Art. 157 AEUV , die der Gerichtshof der Europäischen Union in seiner Entscheidung in der Sache C-262/88 aus "zwingenden Gründen der Rechtssicherheit" auf die Zeit nach seinem Urteil gezogen hatte (EuGH, Urteil vom 17. Mai 1990 - C-262/88, Barber - Slg. 1990, I-1889 Rn. 40 ff.; siehe hierzu auch: EuGH, Urteile vom 6. Oktober 1993 - C-109/91, Ten Oever - Slg. 1993, I-4879 Rn. 19 f., vom 28. September 1994 - C-200/91, Coloroll Pension Trustees - Slg. 1994, I-4389 Rn. 44 ff., 57 ff. und vom 23. Oktober 2003 - C-4/02, Schönheit - Slg. 2003, I-12575, Rn. 100 ff.), steht der Anwendung der Norm vorliegend nicht entgegen. Denn die nach dem Geschlecht differenzierenden Regelungen für die Verrentung sind erst nach dem für die Begrenzung maßgeblichen Stichtag des 18. Mai 1990 eingeführt worden. Daher würde die Begrenzung sogar dann nicht greifen, wenn der Kläger die Zeiten bei der zwischenstaatlichen Einrichtung vor dem 18. Mai 1990 absolviert hätte.

Die Differenzierung nach dem Geschlecht im Rahmen der Berechnung des Ruhensbetrags ist mit Art. 157 AEUV unvereinbar. Art. 157 AEUV verbietet jede das Entgelt betreffende Ungleichbehandlung von Männern und Frauen ohne Rücksicht darauf, woraus sich diese Ungleichbehandlung ergibt (EuGH, Urteile vom 14. Dezember 1993 - C-110/91, Moroni - Slg. 1993, I-06591 Rn. 10 und vom 28. September 1994 - C-408/92, Smith - Slg. 1994, I-04435 Rn. 11). Der Grundsatz des gleichen Entgelts gilt dabei für jeden einzelnen Bestandteil des den männlichen oder den weiblichen Arbeitnehmern gezahlten Entgelts (EuGH, Urteil vom 17. Mai 1990 - C-262/88, Barber - Slg. 1990, I-1889, Rn. 32 f.). Er setzt voraus, dass sich die betroffenen Arbeitnehmer in einer identischen oder vergleichbaren Lage befinden (EuGH, Urteile vom 9. November 1993 - C-132/92, Roberts - Slg. 1993, I-5579, Rn. 17 und vom 9. Dezember 2004 - C-19/02, Hlozek - Slg. 2004, I-11491, Rn. 44).

Im Streitfall liegt danach eine unmittelbare Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vor, weil über § 55 Abs. 1 Satz 9 BeamtVG 2010 und § 14 Abs. 1 Satz 4 BewG direkt an das Geschlecht der betroffenen Personen angeknüpft wird.

Ohne rechtliche Relevanz ist die statistisch unterschiedliche Lebenserwartung von Männern und Frauen. Der Gerichtshof der Europäischen Union hat bereits im Jahr 2007 eine Diskriminierung durch die Verwendung versicherungsmathematischer Faktoren mit der Begründung bejaht, dass sich die Notwendigkeit höherer versicherungsmathematischer Werte für Frauen nicht mit dem Erfordernis eines gesunden Finanzgebarens innerhalb des gemeinschaftlichen Versorgungssystems rechtfertigen lässt, weil die gleiche Ausgewogenheit mit geschlechtseinheitlichen versicherungsmathematischen Werten erreicht werden kann (EuGH, Urteil vom 11. September 2007 - C-227/04 P, Lindorfer - Slg. 2007, I-6767, Rn. 53 ff.).

Noch deutlicher ist der Gerichtshof im Jahr 2014 in der Entscheidung C-318/13 betreffend die Richtlinie 79/7/EWG des Rates vom 19. Dezember 1978 zur schrittweisen Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen im Bereich der sozialen Sicherheit (RL 79/7/EWG - ABl. L 6, S. 24) geworden. Er hat Art. 4 Abs. 1 der RL 79/7/EWG , der den Grundsatz der Gleichbehandlung regelt, dahin ausgelegt, dass er einer innerstaatlichen Rechtsvorschrift entgegensteht, aufgrund deren die unterschiedliche Lebenserwartung für Männer und Frauen als versicherungsmathematisches Kriterium für die Berechnung der infolge eines Arbeitsunfalls zu zahlenden gesetzlich vorgeschriebenen Leistungen der sozialen Sicherheit herangezogen wird, wenn bei Verwendung dieses Kriteriums die an einen Mann zu zahlende einmalige Entschädigungsleistung niedriger ausfällt als die Entschädigung, die eine gleichaltrige Frau erhielte, die sich im Übrigen in einer vergleichbaren Situation befindet (EuGH, Urteil vom 3. September 2014 - C-318/13 - VersR 2015, 349 Rn. 40). Dagegen war eingewandt worden, der Unterschied der Entschädigungsbeträge je nach dem Geschlecht des betroffenen Arbeitnehmers könne durch den objektiven Unterschied der durchschnittlichen Lebenserwartung von Männern und Frauen gerechtfertigt werden. Sonst würden Frauen, die gegenüber Männern eine statistisch höhere Lebenserwartung hätten, benachteiligt, weil mit der pauschalen Entschädigung die Unfallfolgen für den Rest des Lebens der geschädigten Person abgegolten werden sollten (ebenda Rn. 37). Diesem Argument hat der Gerichtshof der Europäischen Union entgegengehalten, dass eine solche Verallgemeinerung zu einer diskriminierenden Behandlung der Versicherten männlichen Geschlechts gegenüber den Versicherten weiblichen Geschlechts führt. Im Übrigen steht der Berücksichtigung allgemeiner geschlechtsspezifischer statistischer Daten entgegen, dass nicht sicher ist, dass eine Versicherte stets eine höhere Lebenserwartung hat als ein Versicherter gleichen Alters in einer vergleichbaren Situation (EuGH, Urteil vom 3. September 2014 - C-318/13 - VersR 2015, 349 Rn. 38; vgl. auch: Generalanwalt van Gerven, Schlussantrag vom 28. April 1993 - C-109/91, C-110/91, C-152/91 und C-200/91 - Slg. 1993, I-4893 Rn. 35 ff.; Generalanwältin Kokott, Schlussantrag vom 15. Mai 2014 - C-318/13 - juris Rn. 50 ff.). Auch wenn diese Entscheidung nicht unmittelbar zu Art. 157 AEUV ergangen ist, lassen die generellen Ausführungen des Gerichtshofs klar erkennen, dass die von der Beklagten im vorliegenden Fall vorgebrachten Argumente für die Anwendung der geschlechtsbezogenen Sterbetafeln unionsrechtlich nicht tragen.

Die älteren Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union in den Verfahren C-152/91 und C-200/91 stehen dem nicht entgegen. Der Gerichtshof hat dort ausgeführt, dass sich die Verpflichtung des Arbeitgebers aus Art. 157 AEUV nicht auf die Modalitäten der Finanzierung bezieht, die zur Gewährleistung der regelmäßigen Zahlung der Rente gewählt wurden. Diese Modalitäten fallen anders als die Zahlung der Renten nicht in den Anwendungsbereich von Art. 157 AEUV . Diese Folgerung erstreckt sich notwendig auf die Umwandlung eines Teils der Rente in einen Kapitalbetrag und die Transferleistung in Höhe der Rentenanwartschaften, deren Wert sich nur nach Maßgabe der gewählten Finanzierungsmodalitäten bestimmen lässt (EuGH, Urteile vom 22. Dezember 1993 - C-152/91, Neath - Slg. 1993, I-06935 Rn. 30 ff. und vom 28. September 1994 - C-200/91, Coloroll Pension Trustees - Slg. 1994, I-4389 Rn. 76 ff.).

Diese Entscheidungen lassen sich nicht auf die vorliegenden Regelungen des Beamtenversorgungsgesetzes zur Verrentung des Kapitalbetrags übertragen. Denn der Gerichtshof der Europäischen Union hat in den oben angeführten Entscheidungen aus den Jahren 1993 und 1994 die Verwendung versicherungsmathematischer Faktoren nicht allgemein erlaubt, sondern sich allein zum Begriff des "Entgelts" i.S.d. Art. 157 AEUV geäußert (so auch: Generalanwältin Kokott, Schlussantrag vom 30. September 2010 - C-236/09, Test Achats - Rn. 55). Beide Entscheidungen gehen von dem Grundsatz aus, dass auch aus betrieblichen Versorgungssystemen grundsätzlich gleiche Leistungen zu erbringen sind. Die Auszahlung eines je nach Geschlecht unterschiedlichen Kapital- oder Transferbetrags darf allein Folge unterschiedlich hoher Arbeitgeberbeiträge zur Finanzierung des Systems mittels einer Kapitalansammlung sein (EuGH, Urteil vom 22. Dezember 1993 - C-152/91, Neath - Slg. 1993, I-06935 Rn. 31 ff.). Vorliegend geht es aber um die Rentenzahlungen des Systems, dem der Arbeitnehmer oder der Beamte zuletzt angehört. Zahlungen von Renten und Ruhegehältern sind ohne Differenzierung nach dem Geschlecht zu leisten (EuGH, Urteil vom 28. September 1994 - C-200/91, Coloroll Pension Trustees - Slg. 1994, I-4389 Rn. 96 ff.).

Ob neben Art. 157 AEUV auch die Richtlinie 2006/54/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 5. Juli 2006 zur Verwirklichung des Grundsatzes der Chancengleichheit und Gleichbehandlung von Männern und Frauen in Arbeits- und Beschäftigungsfragen (Neufassung, ABl. L 204 S. 23) der Verwendung unterschiedlicher Sterbetafeln bei der Berechnung des Ruhensbetrags entgegensteht, kann offen bleiben. Auf die Vereinbarkeit mit der Richtlinie kommt es nicht an, wenn sich bereits anhand der Bestandteile des Entgelts und der in Art. 157 AEUV aufgestellten Kriterien unmittelbar feststellen lässt, dass eine Diskriminierung aufgrund des Geschlechts vorliegt (so zur Vorgängerrichtlinie 86/378/EWG: EuGH, Urteile vom 14. Dezember 1993 - C-110/91, Moroni - Slg. 1993, I-06591 Rn. 24, vom 28. September 1994 - C-7/93, Beune - Slg. 1994, I-4471 Rn. 64 und vom 23. Oktober 2003 - C-4/02, Schönheit - Slg. 2003, I-12575 Rn. 65). Denn Bestimmungen der Richtlinie können die Tragweite von Art. 157 AEUV nicht beschränken (so ebenfalls zur Vorgängerrichtlinie: EuGH, Urteil vom 14. Dezember 1993 - C-110/91, Moroni - Slg. 1993, I-06591 Rn. 24).

bb) Die Unvereinbarkeit der nationalen Regelungen mit Art. 157 AEUV führt bei der Berechnung des maßgeblichen Kapitalwerts nach § 55 Abs. 1 Satz 9 BeamtVG 2010 i.V.m. der Tabelle zu § 14 Abs. 1 Satz 4 BewG dazu, dass derzeit der für Frauen geltende Vervielfältiger des Kapitalwerts auch bei Männern anzuwenden ist.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union müssen den benachteiligten Arbeitnehmern bis zum Inkrafttreten von Maßnahmen zur Beseitigung des Verstoßes gegen Art. 157 AEUV dieselben Vergünstigungen gewährt werden, wie sie den übrigen Arbeitnehmern zugutekommen (EuGH, Urteile vom 28. September 1994 - C-200/91, Coloroll Pension Trustees - Slg. 1994, I-4389 Rn. 30 ff., vom 28. September 1994 - C -408/92, Smith - Slg. 1994, I-4435 Rn. 16 und vom 7. Oktober 2019 - C-171/18, Safeway - NZA 2020, 33 Rn. 33). Auf die Angehörigen der benachteiligten Gruppe hat das nationale Gericht die gleiche Regelung anzuwenden, wie sie für die übrigen Arbeitnehmer gilt, wobei diese Regelung, solange Art. 157 AEUV im innerstaatlichen Recht nicht ordnungsgemäß durchgeführt ist, das einzige gültige Bezugssystem bleibt (EuGH, Urteile vom 7. Februar 1991 - C-184/89, Nimz - Slg. 1991, I-297 Rn. 18, vom 28. September 1994 - C-200/91, Coloroll Pension Trustees - Slg. 1994, I-4389 Rn. 31, vom 28. September 1994 - C-408/92, Smith - Slg. 1994, I-4435 Rn. 16 und vom 7. Oktober 2019 - C-171/18, Safeway - NZA 2020, 33 Rn. 17).

Voraussetzung für eine solche Angleichung "nach oben" ist, dass es ein gültiges Bezugssystem gibt (zur Altersdiskriminierung: EuGH, Urteile vom 19. Juni 2014 - C-501/12 u.a., Specht u.a. - NVwZ 2014, 1294 Rn. 96 und vom 28. Januar 2015 - C-417/13, Starjakob - NZA 2015, 217 Rn. 47; zur Benachteiligung wegen einer Behinderung: EuGH, Urteil vom 9. März 2017 - C-406/15, Milkova - NZA 2017, 439 Rn. 68). Daran fehlt es, wenn es im Rahmen der nationalen Rechtsvorschriften nicht möglich ist, eine Kategorie bevorzugter Beamter zu benennen (so zur altersdiskriminierenden Besoldung: EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - C-501/12 u.a., Specht u.a. - NVwZ 2014, 1294 Rn. 96). Dies ist hinsichtlich der vorliegenden Ruhensvorschriften nicht der Fall. Bei diesen existiert ein gültiges Bezugssystem, weil es mit den Beamtinnen eine klar abgrenzbare Kategorie bevorzugter Personen gibt.

Soweit der Verwaltungsgerichtshof angenommen hat, dass die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union zur Angleichung "nach oben" anhand von Fällen entwickelt worden sei, in denen eine kleinere Beschäftigtengruppe von einer begünstigenden Norm ausgenommen worden sei, ist hieraus nichts anderes abzuleiten. Auch das Bundesarbeitsgericht zieht in der vom Verwaltungsgerichtshof hierzu zitierten Entscheidung aus diesem Umstand keine unmittelbare Schlussfolgerung (BAG, Urteil vom 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 - BAGE 140, 1 Rn. 32), sondern gelangt im Ergebnis für die Vergangenheit ebenfalls zu einer Anpassung "nach oben".

In der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union findet sich zudem auch in neueren Entscheidungen die Formulierung, dass den "Angehörigen der benachteiligten Gruppe" dieselben Vorteile gewährt werden wie den "Angehörigen der privilegierten Gruppe" (EuGH, Urteile vom 22. Juni 2011 - C-399/09, Landtová - Slg. 2011, I-05573 Rn. 51, vom 22. Januar 2019 - C-193/17, Cresco Investigation - NZA 2019, 297 Rn. 80 und vom 7. Oktober 2019 - C-171/18, Safeway - NZA 2020, 33 Rn. 17). Einschränkende Aussagen des Gerichtshofs zu Größenverhältnissen sind nicht ersichtlich. So kann auch eine zahlenmäßig größere Gruppe gegenüber einer kleineren benachteiligt werden.

Eine rückwirkende Schlechterstellung von Frauen scheidet als Mittel zur Herstellung einer unionsrechtskonformen Lage aus. Zwar erlaubt es Art. 157 AEUV , dass für die Zukunft Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gleichheit ergriffen werden, mit denen die Gleichheit durch Kürzung der Vergünstigungen hergestellt wird (EuGH, Urteile vom 28. September 1994 - C-28/93, van den Akker - Slg. 1994, I-4527 Rn. 19, vom 28. September 1994 - C-200/91, Coloroll Pension Trustees - Slg. 1994, I-4389 Rn. 33, 36, vom 28. September 1994 - C-408/92, Smith - Slg. 1994, I-4435 Rn. 21 und vom 7. Oktober 2019 - C-171/18, Safeway - NZA 2020, 33 Rn. 18).

Die Gleichheit darf jedoch regelmäßig nicht durch eine rückwirkende Schlechterstellung der bevorzugten Gruppe hergestellt werden. Der Grundsatz der Rechtssicherheit verbietet in der Regel eine auf einen Zeitpunkt in der Vergangenheit bezogene Rückwirkung eines das Unionsrecht durchführenden Rechtsakts. Außerdem ist Art. 157 AEUV gemäß der Präambel des Vertrages über die Europäische Union und gemäß Art. 151 Abs. 1 AEUV mit der Angleichung der Arbeitsbedingungen im Wege des Fortschritts verknüpft. Mit diesem Ziel und mit dem Grundsatz der Rechtssicherheit ist es unvereinbar, den Verantwortlichen des betreffenden Rentensystems zu ermöglichen, eine gegen Art. 157 AEUV verstoßende Diskriminierung durch eine Maßnahme zu beenden, mit der Ungleichbehandlung durch eine rückwirkende Schlechterstellung der bevorzugten Gruppe hergestellt wird. Dies würde bedeuten, dass die Verantwortlichen sich der Pflicht entziehen könnten, eine Diskriminierung unverzüglich und vollständig zu beseitigen. Zudem würde die bis zum Erlass dieser Maßnahmen geschaffene Unsicherheit in Bezug auf die Reichweite der Rechte der Mitglieder den Grundsatz der Rechtssicherheit verletzen. Maßnahmen zur Beendigung unionsrechtswidriger Diskriminierungen sind daher insgesamt nur dann ausnahmsweise rückwirkend zulässig, wenn das berechtigte Vertrauen der Betroffenen gebührend beachtet wird und ein im Allgemeininteresse liegendes Ziel dies tatsächlich gebietet. Ein zwingender Grund des Allgemeininteresses kann insbesondere bei einer erheblichen Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Rentensystems gegeben sein (EuGH, Urteil vom 7. Oktober 2019 - C-171/18, Safeway - NZA 2020, 33 Rn. 33 ff., 41, 43 unter Bezugnahme auf Urteil vom 28. September 1994 - C-408/92, Smith - Slg. 1994, I-4435 Rn. 5, 13 f. und 17 f.).

Nach diesen unionsrechtlichen Maßstäben ist im vorliegenden Verfahren eine Angleichung durch rückwirkende Änderung zunächst der Rechtslage und - darauf aufbauend - dann auch der Ruhensbescheide von bevorzugten Beamtinnen ausgeschlossen, weil dem insbesondere der Grundsatz der Rechtssicherheit entgegensteht. Eine erhebliche Gefährdung des finanziellen Gleichgewichts des Rentensystems ist nicht ersichtlich. Außerdem gibt es im vorliegenden Verfahren im Unterschied zu dem vom Gerichtshof entschiedenen Fall keine Mitteilung darüber, dass die nach Geschlechtern differenzierende Regelung durch eine einheitliche ersetzt werden soll (vgl. EuGH, Urteil vom 7. Oktober 2019 - C-171/18, Safeway - NZA 2020, 33 Rn. 29, 42 ). Der Grundsatz der Rechtssicherheit spricht hier noch stärker gegen eine Rückwirkung als in dem vom Gerichtshof entschiedenen Fall. Hinzu tritt - aus dem nationalen Recht - noch der strenge Gesetzesvorbehalt im Beamtenversorgungsrecht.

cc) Die Einleitung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 Abs. 1 und 3 AEUV ist nicht geboten.

Ein letztinstanzliches Gericht eines Mitgliedstaats muss eine Frage über die Auslegung von Unionsrecht dann nicht dem Gerichtshof der Europäischen Union vorlegen, wenn es feststellt, dass die gestellte Frage nicht entscheidungserheblich ist, dass die betreffende gemeinschaftsrechtliche Bestimmung bereits Gegenstand einer Auslegung durch den Gerichtshof war oder dass die richtige Anwendung des Gemeinschaftsrechts derart offenkundig ist, dass für einen vernünftigen Zweifel keinerlei Raum bleibt (so grundlegend zu Art. 177 EGV : EuGH, Urteile vom 6. Oktober 1982 - C-283/81, CILFIT - Slg. 1982, I-03415 Rn. 21 und vom 15. September 2005 - C-495/03, Intermodal Transports - Slg. 2005, I-8191 Rn. 33). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts kann ein Gericht einen solchen "acte clair" oder "acte éclairé" annehmen, wenn es sich hinsichtlich des materiellen Unionsrechts hinreichend kundig gemacht hat, etwaige einschlägige Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ausgewertet hat und seine Entscheidung hieran orientiert. Auf dieser Grundlage muss es unter Anwendung und Auslegung des materiellen Unionsrechts die vertretbare Überzeugung bilden, dass die Rechtslage entweder von vornherein eindeutig oder durch Rechtsprechung in einer Weise geklärt ist, die keinen vernünftigen Zweifel offenlässt (BVerfG, Urteil vom 28. Januar 2014 - 2 BvR 1561/12 - BVerfGE 135, 155 Rn. 184 und Beschluss vom 19. Dezember 2017 - 2 BvR 424/17 - BVerfGE 147, 364 Rn. 37 ff.).

Nach diesen Maßstäben ist hier eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union nicht erforderlich, weil mit den Entscheidungen des Gerichtshofs insbesondere in den Verfahren C-152/91, C-200/91, C-227/04, C-318/13 und C-171/18 eine gesicherte Rechtsprechung des Gerichtshofs vorliegt, durch die die hier relevanten Rechtsfragen geklärt sind.

b) Der einheitlich anzuwendende Verrentungsdivisor führt zu einem Ruhensbetrag in Höhe von anfänglich monatlich 299,82 € (aa). Dieser Betrag lag zumindest zunächst über dem von der Beklagten rechtsfehlerfrei bestimmten Mindestruhensbetrag (bb). Der Rückforderungsbescheid ist insoweit unionsrechtswidrig (cc).

aa) Die Höchstgrenzenberechnung nach § 56 Abs. 3 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 BeamtVG i.V.m. mit § 54 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BeamtVG führt im Fall des Klägers zu einem Ruhensbetrag in Höhe von anfänglich monatlich 299,82 €.

Rechtswidrig ist der ansonsten rechtsfehlerfreie Bescheid der Beklagten vom 6. April 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. November 2009 hinsichtlich des sich aus der Verrentung ergebenden monatlichen Betrags. Die Beklagte hatte ihren Berechnungen diesbezüglich einen monatlichen Betrag in Höhe von 438,44 € zugrunde gelegt. Rechtmäßig ist jedoch lediglich ein monatlicher Betrag in Höhe von 394,62 €.

Der für die Höchstgrenzenberechnung zu verrentende Kapitalbetrag war für die Berechnung nicht deshalb zu verringern, weil der Empfänger Bankprovisionen zu zahlen hatte. Wie sich aus dem Berufungsurteil ergibt, handelte es sich bei der Provision um eine Zahlung, die der Kläger im Zusammenhang mit dem Erhalt der 62 750,27 € leisten musste.

Dieser Kapitalbetrag war jedoch um 1/11 zu reduzieren, weil der Kapitalbetrag zu diesem Anteil auf freiwilligen Beiträgen des Klägers beruhte (2 % von insgesamt 22 % des Gehalts). Die Kürzung nach § 56 BeamtVG ist lediglich dann hinreichend legitimiert, wenn sie dem Abbau einer überhöhten Versorgung dient, die sich nicht aus einem freiwilligen eigenen Vermögensopfer ergibt. Eine Erhöhung der Beiträge sowie eine Fortführung der Versicherung mit ausschließlich eigenem Einkommen und Vermögen des Beschäftigten haben außer Betracht zu bleiben (vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Oktober 1983 - 2 C 30.81 - RiA 1984, 68 <69 f.> und vom 28. Januar 2004 - 2 C 4.03 - Buchholz 239.1 § 55 BeamtVG Nr. 26 S. 6; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 30. September 1987 - 2 BvR 933/82 - BVerfGE 76, 256 <334 f.>). Der zu dynamisierende und zu verrentende Kapitalbetrag betrug damit 57 045,70 € (62 750,27 € x 10/11).

Dieser Kapitalbetrag war für die Zeit vom 17. November 2008 bis zum 31. Januar 2009 mit 2,8 % zu dynamisieren. Denn Kapitalbeträge sind nach § 56 Abs. 3 Satz 3 BeamtVG i.V.m. § 55 Abs. 1 Satz 8 BeamtVG um diejenigen Vomhundertsätze der allgemeinen Anpassungen nach § 70 BeamtVG zu erhöhen oder zu vermindern, die sich nach dem Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs auf die Kapitalbeträge bis zur Gewährung von Versorgungsbezügen ergeben. Im Fall des Klägers fand in diesem Zeitraum eine Änderung i.S.d. § 70 BeamtVG statt. Das Gesetz über die Anpassung von Dienst- und Versorgungsbezügen im Bund 2008/2009 ( BBVAnpG 2008/2009) i.d.F. der Verkündung vom 29. Juli 2008 (BGBl. I S. 1582 ) trat nach dessen Art. 14 Abs. 2 am 1. Januar 2009 und damit im Falle des Klägers zwischen den in § 55 Abs. 1 Satz 8 BeamtVG genannten Zeitpunkten in Kraft. Das Gesetz führte zu einer Anpassung i.S.d. § 70 BeamtVG in der Form einer Erhöhung um 2,8 Prozent.

§ 55 Abs. 1 Satz 8 BeamtVG setzt für die Dynamisierung nicht voraus, dass der Anspruch auf den Kapitalbetrag bis zur Gewährung der Versorgungsbezüge eine gewisse Zeit vor oder nach der Anpassung i.S.d. § 70 BeamtVG besteht. Dass der Empfänger den Kapitalbetrag - wie hier der Kläger - kein ganzes Jahr nutzen kann, macht die Regelung weder unverhältnismäßig noch aus einem anderen Grund rechtswidrig. Der Gesetzgeber verfügt insoweit über einen Gestaltungsspielraum (vgl. hierzu BVerfG, Beschlüsse vom 30. September 1987 - 2 BvR 933/82 - BVerfGE 76, 256 <321> und vom 23. Mai 2017 - 2 BvL 10/11 u.a. - BVerfGE 145, 249 Rn. 82, 94 ) und hat diesen mit der hier gewählten Stichtagsregelung nicht überschritten.

Der zu verrentende Betrag beläuft sich nach der Dynamisierung auf 58 642,98 € (57 045,70 € x 1,028).

Dieser Betrag ist nach § 56 Abs. 3 Satz 3 BeamtVG i.V.m. § 55 Abs. 1 Satz 9 BeamtVG 2010 zu verrenten. Der Gesetzgeber durfte sich in diesen Vorschriften im Rahmen seiner weiten Pauschalierungs- und Typisierungsbefugnis zur näheren Bestimmung des Verrentungsdivisors an die Tabelle zu § 14 Abs. 1 Satz 4 BewG anlehnen. Die damit verbundenen Zinsen in Höhe von 5,5 % sind verfassungsrechtlich unbedenklich, weil es dem Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums zumindest in diesem Umfang freisteht, die vielfältigen Einsatzmöglichkeiten eines Kapitalbetrags zu berücksichtigen. Der Wert der am Ende der Auslandsdienstzeit ausgezahlten Kapitalabfindung wird nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch durch den nach § 56 Abs. 3 Satz 3 BeamtVG 2009 i.V.m. § 55 Abs. 1 Satz 8 und Satz 9 BeamtVG 2009 ermittelten Betrag nicht in jedem Fall erschöpft. Denn eine derartige Abfindung bietet eine Vielzahl von Einsatzmöglichkeiten, die dienstrechtlich nicht eingeschränkt sind, also allein von den Bedürfnissen und der Anlagestrategie ihres Empfängers abhängen und damit über eine verzinsliche Anlage in der Art einer kapitalbildenden Lebensversicherung (oder privaten Rentenversicherung) mit Einmaleinzahlung weit hinausgehen können (BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2017 - 2 BvL 10/11 u.a. - BVerfGE 145, 249 Rn. 86). Diese Art der Verzinsung ist deshalb nicht mit der aktuell diskutierten Frage der Verfassungsmäßigkeit der Zinssätze gemäß § 238 Abs. 1 Satz 1 AO vergleichbar (vgl. dazu BFH, Beschlüsse vom 25. April 2018 - IX B 21/18 - BFHE 260, 431 und vom 3. September 2018 - VIII B 15/18 - FR 2019, 143 , und die anhängigen Verfahren beim BVerfG 1 BvR 2237/14 und 1 BvR 2422/17).

Die Verrentung des dynamisierten Kapitalbetrags in Höhe von 58 642,98 € gemäß § 56 Abs. 3 Satz 3 BeamtVG i.V.m. § 55 Abs. 1 Satz 9 BeamtVG ergibt bei Berücksichtigung der unionsrechtlich geforderten Anwendung des Wertes für Frauen aus der Tabelle zu § 14 Abs. 1 Satz 4 BewG im Fall des Klägers einen monatlichen Betrag in Höhe von 394,62 € (58 642,98 €/12 Monate/12,384).

bb) Der mittels der Höchstgrenzenberechnung ermittelte Betrag in Höhe von anfangs 299,82 € hat über dem Mindestruhensbetrag in Höhe von damals monatlich 270,29 € gelegen und ist deshalb nach § 56 Abs. 1 Satz 1 BeamtVG zugrunde zu legen gewesen. Die Beklagte hat den Mindestruhensbetrag rechtsfehlerfrei berechnet. Die Einwände des Klägers diesbezüglich sind unbegründet.

Bei Erlass des Ruhensbescheids war für die Berechnung des Mindestruhensbetrags zunächst noch die oben bereits dargestellte Übergangsphase nach § 69e Abs. 2 und 3 BeamtVG 2001 und 2009 maßgeblich. Diese Übergangsphase hat die Beklagte berücksichtigt, indem sie den Minderungssatz von 1,875 % je Jahr im zwischenstaatlichen oder überstaatlichen Dienst weiter anwendete und parallel die ruhegehaltfähigen Dienstbezüge auch für die Berechnung des Ruhensbetrags um den Faktor des § 69e Abs. 3 Satz 1 BeamtVG reduzierte (vgl. Bescheid vom Bescheid vom 6. April 2009, Anlage 1 S. 3).

Die von der Höhe des Kapitalbetrags unabhängige, zeitbezogene Berechnung des Mindestruhensbetrags ist nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts verfassungsrechtlich unbedenklich. Selbst die ursprüngliche gesetzgeberische Entscheidung in § 160b BeamtVG a.F. und später § 56 BeamtVG a.F., das Ruhen ausschließlich an der Länge der nicht im deutschen Staatsdienst verbrachten Zeit (und der Höhe der ruhegehaltfähigen Dienstbezüge) zu orientieren, ist verfassungskonform gewesen. Der deutsche Dienstherr kann die Höhe der zwischenstaatlichen Kapitalabfindung nicht beeinflussen und darf von der Annahme ausgehen, dass sie von der Höhe der während der Auslandsverwendung verdienten monatlichen Besoldung abhängt. Außerdem ist die Zeit der Beurlaubung ohne Dienstbezüge, die den Betroffenen gleichwohl als ruhegehaltfähig angerechnet wird, derjenige Aspekt, unter dem alle Betroffenen aus Sicht des deutschen Dienstherrn verglichen werden können. Denn es geht nicht um die Abschöpfung erhaltener Vorteile - in diesem Falle wäre an die Höhe der Abfindung anzuknüpfen -, sondern darum, ein Besoldungsniveau zu gewährleisten, das in Ansehung der angerechneten ruhegehaltfähigen Dienstzeit einschließlich Auslandsverwendung und der am Ende der Karriere erreichten Besoldungsstufe amtsangemessen ist (BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2017 - 2 BvL 10/11 u.a. - BVerfGE 145, 249 Rn. 102). Die in der Entscheidung zum Verfahren BVerwG 2 C 25.09 diesbezüglich geäußerten Bedenken (BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2011 - 2 C 25.09 - Buchholz 449.4 § 55b SVG Nr. 1 Rn. 34, 37) sind damit überholt.

cc) Der Rückforderungsbescheid ist in größerem Umfang rechtswidrig als im Berufungsurteil tenoriert; die Beträge erhöhen sich gegenüber der Tenorierung im Berufungsurteil um weitere 62,85 € (3 x 20,95 € <320,77 € - 299,82 €>) auf 131,46 € (62,85 € + 68,61 €). Damit ist lediglich eine Rückforderung in Höhe von 358,88 € rechtmäßig.

3. Der angefochtene Ruhensbescheid ist nicht deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte ein zeitlich unbegrenztes Ruhen festgestellt hat.

Art. 33 Abs. 5 und Art. 3 Abs. 1 GG stehen einer Ruhensregelung ohne zeitliche Begrenzung grundsätzlich nicht entgegen (BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2017 - 2 BvL 10/11 u.a. - BVerfGE 145, 249 ). Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass § 55b Abs. 3 Satz 1 Soldatenversorgungsgesetz ( SVG ) in den Fassungen vom 5. März 1987 und vom 18. Dezember 1989 mit dem Grundgesetz vereinbar ist (BVerfG, ebenda). Der Senat hat daraufhin bereits hinsichtlich dieser Fassungen der Ruhensvorschriften entschieden, dass er an seinen abweichenden Ausführungen in den Urteilen zu den Verfahren BVerwG 2 C 47.11 und 2 C 25.09 nicht mehr festhält (BVerwG, Beschlüsse vom 29. März 2019 - 2 B 50.18 - Buchholz 449.4 § 55b SVG Nr. 2 Rn. 12 und vom 29. August 2019 - 2 B 73.18 - Buchholz 239.1 § 56 BeamtVG Nr. 9 Rn. 11).

Dass im Fall des Klägers § 56 BeamtVG Anwendung findet und es sich um spätere Fassungen der Norm handelt, führt zu keinem anderen Ergebnis. § 56 BeamtVG ist insoweit mit § 55b SVG identisch und auch die späteren Fassungen enthalten keine Regelung dahingehend, dass das Ruhen enden muss, sobald die Summe der Ruhensbeträge die Höhe des Kapitalbetrags erreicht (a.A. OVG Lüneburg, Beschluss vom 21. Mai 2019 - 5 LA 236/17 - juris Rn. 42; a.A. vor der genannten Entscheidung des BVerfG: OVG Münster, Urteile vom 20. Januar 2016 - 1 A 2021/13 - juris Rn. 33 ff. und vom 7. Dezember 2016 - 1 A 707/15 - juris Rn. 32 ff.).

§ 56 Abs. 6 Satz 1 BeamtVG 2001 sieht zwar vor, dass der Ruhensbetrag die von der zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung gewährte Versorgung nicht übersteigen darf, doch bezieht sich dies allein auf den jeweiligen monatlichen Ruhensbetrag in Relation zur Höhe des verrenteten Kapitalbetrags.

Dies ergibt sich daraus, dass es sich bei dem Ruhensbetrag i.S.d. § 56 Abs. 6 Satz 1 BeamtVG 2001 nicht um eine Summe von Ruhensbeträgen, sondern um den im jeweiligen Monat ruhenden Betrag handelt. Aus den gesamten Regelungen des § 55b SVG 2002 und des § 56 BeamtVG 2001 geht hervor, dass sie jeweils der Berechnung von monatlichen Ruhensbeträgen dienen. So handelt es sich etwa bei den dort genannten Höchstgrenzen gemäß § 56 Abs. 1 BeamtVG 2001 i.V.m. § 54 Abs. 2 BeamtVG um monatsbezogene Werte. Bei der Versorgung mit Kapitalbeträgen ermöglicht es § 55 Abs. 1 BeamtVG 2009, mittels der Verrentung monatsbezogene Werte zu ermitteln, die dann über § 56 Abs. 3 Satz 3 BeamtVG 2009 zu monatsbezogenen Ruhensbeträgen führen. Dass dies auch den Begriff des Ruhensbetrags prägt, zeigt sich an § 56 Abs. 8 BeamtVG 2009, der sich auf den bei Anwendung der Absätze 1 bis 7 ergebenden Ruhensbetrag bezieht. Gemeint ist vom Gesetzgeber auch hier der im jeweiligen Monat ruhende Betrag.

Darüber hinaus zeigen auch die Gesetzesmaterialien, dass der Gesetzgeber die Regelung des § 56 Abs. 6 Satz 1 BeamtVG und die Vorgängerregelung in § 160b Abs. 1 Satz 3 BBG a.F. sowie später § 56 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG nicht geschaffen hat, um das Ruhen im Falle der Versorgung durch Kapitalbeträge auf die Höhe des gesamten Kapitalbetrags zu begrenzen. § 160b Abs. 1 Satz 3 BBG a.F. bezog sich bei seiner Einführung mit dem Gesetz vom 19. Juli 1968 (BGBl. I S. 848 ) allein auf laufende Versorgungsleistungen der zwischen- oder überstaatlichen Einrichtungen. Die Regelung begrenzte die Höhe des monatlichen Ruhensbetrags auf die Höhe der laufenden Versorgungsleistung im jeweiligen Monat. Die Empfänger von Kapitalbeträgen erhielten diesen Schutz damals nicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2017 - 2 BvL 10/11 u.a. - BVerfGE 145, 249 Rn. 99). Sie schützte der Gesetzgeber durch die Möglichkeit, den Kapitalbetrag an den Dienstherren abzuführen und dadurch das Ruhen abzuwenden (vgl. BT-Drs. V/2251 S. 7).

Mit dem Gesetz zur Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes , des Soldatenversorgungsgesetzes sowie anderer versorgungsrechtlicher Vorschriften vom 20. September 1994 (BeamtVGÄndG, BGBl. I S. 2442) erweiterte der Gesetzgeber den Schutz für die Empfänger von Kapitalbeträgen, indem er in § 56 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG 1994 auch auf § 56 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG verwies. Durch die in § 56 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG 1994 erstmals vorgesehene Verrentung der Kapitalbeträge war es möglich geworden, § 56 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG , der dem § 160b Abs. 1 Satz 3 BBG a.F. entsprach (vgl. hierzu BT-Drs. 7/2505 S. 53), auch auf Kapitalbeträge anzuwenden. Bei der Anwendung des § 56 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG 1994 war dabei nach § 56 Abs. 3 Satz 1 BeamtVG 1994 der sich bei einer Verrentung des Kapitalbetrags ergebende Betrag zugrunde zu legen. Die Höhe des verrenteten Kapitalbetrags begrenzt seitdem für jeden einzelnen Monat die Höhe des Ruhensbetrags. Die Einführung der darüber hinausgehenden, vom Kläger begehrten Begrenzung der Summe der Ruhensbeträge auf den Kapitalbetrag ist im Gesetz und in den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 12/5919) nicht erkennbar.

Die Einführung des § 56 Abs. 6 Satz 1 BeamtVG 1998 mit dem Versorgungsreformgesetz 1998 vom 29. Juni 1998 (BGBl. I S. 1666 ) brachte ebenfalls nicht die vom Kläger gewünschte Begrenzung. Grund für diese "Verschiebung" des ansonsten unangetasteten § 56 Abs. 1 Satz 3 BeamtVG a.F. war nach der Begründung des Gesetzesentwurfs allein die systematische Zusammenfassung mit den neuen Mindestbelassungsregeln (BT-Drs. 13/9527 S. 41).

Entgegen der Ansicht des Klägers wird er durch die fehlende zeitliche Begrenzung nicht ungerechtfertigt oder unangemessen benachteiligt. Wie bereits dargestellt (Rn. 50), wird der wirtschaftliche Wert eines Kapitalbetrags nicht allein durch seinen Nennwert, sondern wesentlich durch das mit ihm verbundene Anlage- bzw. Nutzungspotenzial bestimmt (siehe auch insoweit BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2017 - 2 BvL 10/11 u.a. - BVerfGE 145, 249 Rn. 86). Einem Beamten oder Soldaten, der kein solches Anlage- und/oder Nutzungspotenzial für sich sieht oder der die mit dem Erhalt eines Kapitalbetrags verbundenen Risiken nicht eingehen möchte, hat der Gesetzgeber seit der ersten Fassung des § 56 BeamtVG stets die Wahlmöglichkeit eröffnet, den Kapitalbetrag abzuführen und dafür das volle Ruhegehalt zu erhalten. An dem einmal ausgeübten Wahlrecht muss sich der Beamte oder Soldat für die Dauer des Bezugs von Ruhegehalt festhalten lassen.

4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO . Trotz des erweiterten Obsiegens des Klägers in der Revisionsinstanz unterliegt die Beklagte auch weiterhin nur zu einem geringen Teil, weil der Kläger den Ruhensbescheid in gesamter Höhe und für die gesamte Dauer seiner Wirksamkeit angefochten hat und insgesamt mit dem weit überwiegenden Anteil seiner Klage unterliegt.

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstands wird für das Revisionsverfahren gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 42 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 GKG auf 16 051,96 € festgesetzt.

Bei Verfahren über Ruhensbeträge ist gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG der 36-fache Betrag des monatlichen Ruhensbetrags anzusetzen; zu diesem Betrag werden gemäß § 42 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 GKG die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge hinzugerechnet. Eine Ausnahme von § 42 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 GKG gibt es nach dem Willen des Gesetzgebers gemäß § 42 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 GKG lediglich für Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen.

Die Anfechtung der Rückforderung wirkt sich nicht auf den Streitwert aus (vgl. BVerwG, Urteil vom 27. August 2009 - 2 C 25.08 - Buchholz 360 § 52 GKG Nr. 10). Die Addition hat trotz § 39 Abs. 1 GKG zu unterbleiben, weil das Anfechtungsbegehren hinsichtlich des Ruhens- und des Rückforderungsanteils der Bescheide wirtschaftlich identisch ist.

Vorinstanz: VG München, vom 13.05.2011 - Vorinstanzaktenzeichen M 21 K 09.5780
Vorinstanz: VGH Bayern, vom 14.08.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 14 BV 18.671
Fundstellen
BVerwGE 169, 299
NVwZ-RR 2021, 365
ZBR 2021, 166