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BVerwG - Entscheidung vom 05.06.2020

5 C 3.19 D

Normen:
GVG § 198 Abs. 1
GVG § 198 Abs. 2 S. 1
ZPO § 292 S. 1
GVG § 198 Abs. 1
GVG § 198 Abs. 2 S. 1
ZPO § 292 S. 1
GVG § 198 Abs. 1
GVG § 198 Abs. 2
ZPO § 292 S. 1

BVerwG, Urteil vom 05.06.2020 - Aktenzeichen 5 C 3.19 D

DRsp Nr. 2020/11737

Streit um eine Entschädigung wegen überlanger Dauer eines Gerichtsverfahrens; Prüfungsmaßstab für die Widerlegung der Vermutung eines immateriellen Nachteils nach § 198 Abs. 2 GVG ; Keine Sanktionierung rechtswidrigen Verhaltens auf dem Wege der Entziehung des Entschädigungsanspruchs nach § 198 GVG ; Fehlende Gesamtbewertung; Nichtvermögensschaden

Die im Zusammenhang mit einem Gerichtsverfahren stehende rechtswidrige Verschaffung eines Vorteils schließt jedenfalls dann nicht notwendig einen immateriellen Nachteil im Sinne von § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG aus, wenn das Gerichtsverfahren, dessen Überlänge gerügt ist, sich dahingehend auswirken kann, den erlangten Vorteil für die Zukunft zu legalisieren.

Tenor

Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 21. November 2018 aufgehoben.

Die Sache wird zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht Mecklenburg-Vorpommern zurückverwiesen.

Die Entscheidung über die Kosten bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Normenkette:

GVG § 198 Abs. 1 ; GVG § 198 Abs. 2 ; ZPO § 292 S. 1;

Gründe

I

Die Beteiligten streiten um eine Entschädigung wegen überlanger Dauer eines Gerichtsverfahrens.

Gegenstand des Verfahrens, dessen Überlänge der Kläger rügt, war die Erteilung eines Bauvorbescheides für die Errichtung eines Wochenendhauses auf dem Grundstück des Klägers. Die zuständige Behörde hatte seinen Antrag unter Hinweis darauf abgelehnt, dass der geplante Standort des Bauvorhabens im Außenbereich liege. Die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Verpflichtungsklage wies das Verwaltungsgericht ab. Hiergegen beantragte der Kläger am 27. Januar 2012 die Zulassung der Berufung. Am 29. Dezember 2015 erhob er Verzögerungsrüge. Mit Beschluss vom 22. November 2016 lehnte das Oberverwaltungsgericht den Zulassungsantrag ab.

Mit seiner Entschädigungsklage hat der Kläger die Überlänge des Berufungszulassungsverfahrens geltend gemacht und Ausgleich für dadurch bedingte immaterielle Nachteile begehrt. Das Oberverwaltungsgericht hat die Entschädigungsklage mit dem angefochtenen Urteil abgewiesen. Ob die Dauer des Berufungszulassungsverfahrens unangemessen gewesen sei, müsse nicht entschieden werden. Denn der Kläger habe auch bei unterstellter Überlänge die gesetzliche Nachteilsvermutung selbst widerlegt. Er habe in der mündlichen Verhandlung seine Angaben dahingehend präzisiert, dass er bereits vor Erlass des erstinstanzlichen Urteils ohne die erforderliche Baugenehmigung ein Wochenendhaus auf seinem Grundstück errichtet habe. Deshalb habe die Dauer des Berufungszulassungsverfahrens nicht zu einem Nachteil geführt.

Mit seiner Revision verfolgt der Kläger sein Entschädigungsbegehren weiter. Er rügt eine Verletzung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG und vertritt die Ansicht, ein formell baurechtswidriges Verhalten, das wegen der anderen örtlichen Lage des Vorhabens nicht zum Streitgegenstand des Ausgangsverfahrens zu rechnen sei, könne die gesetzliche Vermutung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG nicht widerlegen.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 21. November 2018 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, an ihn eine Entschädigung in einer Höhe zu zahlen, die in das Ermessen des Gerichtes gestellt wird, jedoch mindestens 3 600,00 € nebst Zinsen in Höhe von 5 % über dem Basiszins seit Zustellung der Klage beträgt.

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Er verteidigt das angegriffene Urteil und macht über die Urteilsgründe hinaus unter anderem geltend, die Nachteile des Klägers aus einer unterstellten unangemessen langen Dauer des Berufungszulassungsverfahrens seien insofern als kompensiert anzusehen, als er das von ihm illegal errichtete Wochenendhaus habe nutzen können und deshalb mehr erreicht habe, als er bei einem erfolgreichen Verfahrensausgang mit einem Bauvorbescheid hätte erreichen können. Zudem könne von dem Kläger als Rechtsanwalt und Organ der Rechtspflege ein besonderes Maß an Rechtstreue verlangt werden.

II

Die Revision des Klägers, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 173 Satz 2 VwGO i.V.m. § 201 Abs. 2 GVG , §§ 141 , 125 Abs. 1 , § 101 Abs. 2 VwGO ), ist im Sinne einer Zurückverweisung begründet. Das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht mit Bundesrecht nicht in Einklang (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ). Es verletzt § 198 Abs. 2 Satz 1 des Gerichtsverfassungsgesetzes ( GVG ) in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl. I S. 1077 ), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 12. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2633 ).

Anspruchsgrundlage für den vom Kläger geltend gemachten Entschädigungsanspruch wegen Nichtvermögensnachteilen als Folge eines überlangen Gerichtsverfahrens ist die Regelung des § 198 Abs. 1 und 2 GVG . Nach § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG kann eine Entschädigung wegen einer überlangen Verfahrensdauer nur erhalten, wer einen Nachteil erleidet. Nach § 198 Abs. 2 GVG fallen hierunter auch Nachteile, die nicht Vermögensnachteile sind (immaterielle Nachteile). Der Gesetzgeber hat damit in erster Linie die nachteiligen psychologischen Wirkungen wie Besorgnisse, Ärgernisse und Ungewissheiten gemeint, die sich aus der überlangen Verfahrensdauer über die übliche Belastung durch Prozessrisiken hinaus ergeben (vgl. BT-Drs. 17/3802, 19). Ein solcher immaterieller Nachteil wird nach § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG vermutet, wenn ein Gerichtsverfahren unangemessen lange gedauert hat.

Das Oberverwaltungsgericht ist auf der Grundlage der von ihm festgestellten Tatsachen zu Unrecht davon ausgegangen, dass die gesetzliche Vermutung eines Nichtvermögensnachteils nach § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG im vorliegenden Fall als widerlegt anzusehen ist. Dabei steht bereits der vom Oberverwaltungsgericht zugrunde gelegte Prüfungsmaßstab nicht mit § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG im Einklang (1.). Seine Entscheidung stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (2.). Weil der Senat mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden kann, ist die Sache an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (3.).

1. Die angefochtene Entscheidung erweist sich als rechtsfehlerhaft, weil der ihr zu entnehmende und als Prüfungsmaßstab zugrunde gelegte Satz, die gesetzliche Vermutung eines immateriellen Nachteils infolge eines überlangen Gerichtsverfahrens sei allein dadurch widerlegt, dass sich der Kläger vor oder während des gerichtlichen Verfahrens einen tatsächlichen Vorteil rechtswidrig verschafft hat, mit § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG nicht vereinbar ist.

Bei der in dieser Vorschrift normierten gesetzlichen Vermutungsregelung handelt es sich um eine widerlegliche gesetzliche Tatsachenvermutung im Sinne von § 292 Satz 1 ZPO , die dem Betroffenen die Geltendmachung eines immateriellen Nachteils erleichtern soll, weil in diesem Bereich ein Beweis oft nur schwierig oder gar nicht zu führen ist (BGH, Urteile vom 12. Februar 2015 - III ZR 141/14 - BGHZ 204, 184 Rn. 40 m.w.N. und vom 13. April 2017 - III ZR 277/16 - NJW 2017, 2478 Rn. 21). Diese Vermutungsregel, die sich sowohl auf das Vorliegen eines Nichtvermögensnachteils als auch auf die haftungsausfüllende Kausalität erstreckt, entspricht der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der eine starke, aber widerlegbare Vermutung dafür annimmt, dass die überlange Verfahrensdauer einen Nichtvermögensschaden verursacht ( EGMR , Urteil vom 29. März 2006 - 36813/97, Scordino/Italien - NJW 2007, 1259 Rn. 204; vgl. ferner - eine "starke Vermutung" für einen Nachteil i.S.v. § 198 Abs. 1 Satz 2 GVG annehmend - etwa auch BSG , Urteil vom 12. Dezember 2019 - B 10 ÜG 3/19 R - SGb 2020, 235 <236>). Bei einer gesetzlichen Vermutung des Vorliegens einer Tatsache ist nach der im verwaltungsgerichtlichen Verfahren gemäß § 173 Satz 1 VwGO entsprechend anzuwendenden Regel des § 292 Satz 1 ZPO in Ermangelung einer anderweitigen gesetzlichen Anordnung der Beweis des Gegenteils zulässig, d.h. der Beweis, dass die vom Gesetz vermutete Tatsache in Wirklichkeit nicht gegeben ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 8. Juli 1994 - 8 C 4.93 - Buchholz 310 § 111 VwGO Nr. 1 S. 11 f. m.w.N.). Um die Vermutung im Sinne einer Widerlegung zu entkräften, genügt es aber nicht, sie lediglich zu erschüttern; es muss vielmehr der volle Beweis des Nichtbestehens der vermuteten Tatsache erbracht werden (BVerwG, Urteile vom 24. August 1990 - 8 C 65.89 - BVerwGE 85, 314 <321> und vom 8. Juli 1994 - 8 C 4.93 - Buchholz 310 § 111 VwGO Nr. 1 S. 12 jeweils m.w.N.; vgl. auch BGH, Urteil vom 4. Februar 2002 - II ZR 37/00 - WM 2002, 755 ).

In Anbetracht dessen ist im Fall des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG die Vermutung eines auf der Verfahrensdauer beruhenden immateriellen Nachteils nur dann widerlegt, wenn das Entschädigungsgericht unter Berücksichtigung der vom Kläger gegebenenfalls geltend gemachten Beeinträchtigungen nach einer Gesamtbewertung der Folgen, die die Verfahrensdauer mit sich gebracht hat, die Überzeugung gewinnt, dass die (unangemessene) Verfahrensdauer nicht zu einem Nachteil geführt hat (BGH, Urteile vom 12. Februar 2015 - III ZR 141/14 - BGHZ 204, 184 Rn. 41 und vom 13. April 2017 - III ZR 277/16 - NJW 2017, 2478 Rn. 21). Dies kann der Fall sein, wenn bei einer Gesamtbewertung der Schluss gerechtfertigt ist, dass die unangemessene Verfahrensdauer entweder als solche nicht nachteilig (oder sogar vorteilhaft) gewesen ist oder es an einem Kausalzusammenhang zwischen Verfahrensdauer und Nachteil fehlt (vgl. BFH, Urteil vom 20. November 2013 - X K 2/12 - BFHE 243, 151 Rn. 26 ff.; BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 - III ZR 141/14 - BGHZ 204, 184 Rn. 41).

In Abweichung von diesem Maßstab ist das Oberverwaltungsgericht, das bereits eine derartige Gesamtbewertung nicht ansatzweise vorgenommen hat, von einem rechtsfehlerhaften Prüfungsansatz ausgegangen. Mit § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG steht es nicht in Einklang, die Versagung einer Entschädigung für immaterielle Nachteile der Sache nach als Sanktion für ein rechtswidriges Verhalten zu verstehen und allein aus einer mit dem Gerichtsverfahren im Zusammenhang stehenden rechtswidrigen Erlangung tatsächlicher Vorteile auf die Widerlegung der Nachteilsvermutung zu schließen. Das ergibt sich nicht nur aus der obigen Herleitung des Erfordernisses einer Gesamtbewertung der Folgen, sondern erschließt sich im Wege einer systematischen Betrachtung auch schon daraus, dass § 198 GVG selbst dann Rechtsfolgen an die Überlänge eines Gerichtsverfahrens knüpft, wenn - wie etwa in Strafverfahren (vgl. § 199 GVG ) oder in gerichtlichen Verfahren zu Disziplinarsachen (vgl. dazu etwa BVerwG, Urteil vom 12. Juli 2018 - 2 WA 1.17 D - Buchholz 300 § 198 GVG Nr. 8) - ein rechtswidriges Verhalten gerade Auslöser und Gegenstand des Verfahrens ist. Die Sanktionierung rechtswidrigen Verhaltens findet grundsätzlich auf anderem Wege als der Entziehung des Entschädigungsanspruchs nach § 198 GVG statt. Sie ist etwa im Falle der bereits formell illegalen Errichtung baulicher Anlagen gegebenenfalls einem gesonderten Ordnungswidrigkeitsverfahren sowie insbesondere dem der Herstellung rechtmäßiger baurechtlicher Zustände dienenden Bauordnungsverfahren vorbehalten. Auch der Sinn und Zweck der in die Entschädigungsregelung aufgenommenen Nachteilvermutung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG geht nicht dahin, einen Entschädigungsanspruch wegen der Überlänge eines Gerichtsverfahrens notwendig auszuschließen, wenn ein zu einem tatsächlichen Vorteil führendes rechtswidriges Verhalten des Betroffenen mit diesem Verfahren im Zusammenhang steht. Denn auch bei einem solchen Vorverhalten dürfen das Interesse des Betroffenen an einem zeitgerechten Verfahrensabschluss als Schutzgut des § 198 GVG und damit auch die Intensität der Beeinträchtigung durch überlanges Warten auf eine klärende gerichtliche Entscheidung nicht schlechthin ausgeblendet werden. Soweit sich ein Kläger - wie hier durch die (schon formell) baurechtswidrige Errichtung eines Wochenendhauses - auf rechtswidrige Weise einen Vorteil verschafft, schließt dies daher jedenfalls dann nicht notwendig einen immateriellen Nachteil aus, wenn das Gerichtsverfahren, dessen Überlänge er rügt, dazu dienen soll, den erlangten Vorteil für die Zukunft zu legalisieren.

2. Auf dem vorgenannten Rechtsfehler des Oberverwaltungsgerichts beruht die angefochtene Entscheidung. Sie stellt sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig dar (§ 144 Abs. 4 VwGO ). Die Vermutung des § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG ist auf der Grundlage der für den Senat nach § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts auch bei Zugrundelegung des oben dargelegten zutreffenden rechtlichen Maßstabs nicht widerlegt.

Eine Widerlegung der Vermutung, dass durch die Überlänge des gerichtlichen Verfahrens immaterielle Nachteile im Sinne von § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG eingetreten sind, kann zwar dann anzunehmen sein, wenn im Einzelfall derartige Nachteile schon von vornherein oder im Verfahrensverlauf in ihrem Gewicht bzw. ihrer Wirkung als erheblich vermindert oder als weggefallen zu bewerten sind (vgl. zu solchen Konstellationen BGH, Urteile vom 12. Februar 2015 - III ZR 141/14 - BGHZ 204, 184 Rn. 43 und vom 13. April 2017 - III ZR 277/16 - NJW 2017, 2478 Rn. 24). Eine Widerlegung der Nachteilsvermutung kann auch dann in Betracht kommen, wenn im Rahmen der Gesamtbewertung die immateriellen Nachteile durch sonstige Folgen des überlangen Verfahrens kompensiert werden, beispielsweise weil die Verfahrensdauer für den betreffenden Verfahrensbeteiligten erhebliche Vorteile mit sich gebracht hat, welche die nachteiligen Wirkungen weitestgehend oder vollständig in den Hintergrund treten lassen (vgl. dazu BFH, Urteil vom 20. November 2013 - X K 2/12 - BFHE 243, 151 Rn. 27 ff.). Genügende Umstände, die eine solche Folgenbewertung tragen könnten, ergeben sich auf der Grundlage der vom Oberverwaltungsgericht festgestellten Tatsachen jedoch nicht.

a) Die Durchführung des Berufungszulassungsverfahrens und dessen zeitgerechter Abschluss waren für den Kläger nicht allein deshalb (von vornherein) ohne Bedeutung, weil er schon zuvor ohne Genehmigung ein vergleichbares Vorhaben auf demselben Grundstück errichtet und mit diesem rechtswidrigen Vorgehen dem Ausgang des gerichtlichen Verfahrens zu seinen Gunsten vorgegriffen hatte. Der Kläger hat im gerichtlichen Ausgangsverfahren in zulässiger Weise erstrebt, die Rechtmäßigkeit eines baulichen Vorhabens auf seinem Grundstück in planungsrechtlicher Hinsicht zu klären. Dieses Ziel hatte er mit der Errichtung eines bereits formell illegalen und daher in rechtlicher Hinsicht gerade nicht dauerhaft gesicherten Gebäudes aber nicht erreicht, das darüber hinaus schon wegen seines abweichenden Standorts auch ein baurechtlich anderes Vorhaben darstellt als dasjenige, das Gegenstand des Bauvorbescheidverfahrens war. Die rechtswidrige Vorteilserlangung ändert daher grundsätzlich nichts an dem Interesse des Klägers, im hier in Rede stehenden gerichtlichen Verfahren die planungsrechtliche Lage bezogen auf den in der Bauvoranfrage bezeichneten Standort in seinem Sinne zu klären. Auf der Grundlage der vom Oberverwaltungsgericht festgestellten Tatsachen ergeben sich auch keine hinreichenden Anhaltspunkte oder gar Belege dafür, dass die illegale Errichtung des Wochenendhauses Ausdruck eines Umdenkens des Klägers in dem Sinne gewesen sein könnte, er habe den als überlang gerügten Rechtsstreit als faktisch erledigt bzw. durch die spätere Stellung eines Bauantrags für das tatsächlich errichtete Gebäude als überholt oder sinnlos angesehen und das Interesse an einer Entscheidung des streitgegenständlichen Verfahrens verloren.

Eine zur Widerlegung der Nachteilsvermutung führende Gesamtbewertung der Folgen ergibt sich hier entgegen der Ansicht des Beklagten auch nicht daraus, dass dem Kläger als Rechtsanwalt und Organ der Rechtspflege ein besonderes Maß an Rechtstreue abverlangt werden könne. Es ist nicht erkennbar, dass das in Rede stehende Verhalten des Klägers, nämlich die Errichtung eines Wochenendhauses ohne Baugenehmigung, einen Zusammenhang mit seiner beruflichen Stellung als Rechtsanwalt oder den daraus resultierenden Pflichten aufweist. Deshalb kann auch nicht angenommen werden, dem Kläger könnten wegen der Verletzung solcher Pflichten anerkennenswerte immaterielle Nachteile schon von vornherein nicht entstanden sein. Ihm sind als Organ der Rechtspflege im Übrigen Nachteile infolge der Überlänge eines von ihm als Partei geführten Gerichtsverfahrens jedenfalls auch deshalb nicht leichter zuzumuten, weil und soweit dieses Verfahren - wie hier der Ausgangsrechtsstreit - als solches keinen unmittelbaren Bezug zu seinen beruflichen Pflichten hat.

b) Die nach § 198 Abs. 2 Satz 1 GVG gesetzlich vermuteten immateriellen Nachteile des Klägers aus der (vom Oberverwaltungsgericht unterstellten) unangemessen langen Dauer des Berufungszulassungsverfahrens sind auch nicht in der Weise als kompensiert anzusehen, dass diese Nachteile von ihrem Gewicht her gegenüber den für den Betroffenen günstigen Folgen weitestgehend in den Hintergrund treten. Soweit der Beklagte im Revisionsverfahren vorträgt, eine solche Kompensation sei anzunehmen, weil der Kläger während der Laufzeit des Berufungszulassungsverfahrens das von ihm illegal errichtete Wochenendhaus habe nutzen können und deshalb mehr erreicht habe, als er bei einem erfolgreichen Verfahrensausgang mit einem Bauvorbescheid erreicht hätte, vermag er damit nicht durchzudringen. Zunächst fehlt es schon an entsprechenden tatsächlichen Feststellungen und Würdigungen des Oberverwaltungsgerichts. Dieses hat etwa keine Feststellungen dazu getroffen, ob und inwieweit der Kläger das Gebäude überhaupt während der Laufzeit des Verfahrens genutzt hat. Selbst wenn von einer solchen Nutzung auszugehen wäre, ließe sich die Frage, ob Nachteile einer überlangen Verfahrensdauer durch derartige Umstände als kompensiert angesehen werden können, regelmäßig nicht unabhängig von der (hier erst noch zu ermittelnden) Dauer der Überlänge des Verfahrens beantworten. Jedenfalls schließt allein die rechtswidrige Verschaffung eines tatsächlichen (Nutzungs-)Vorteils einen immateriellen Nachteil nicht notwendig aus, wenn - wie hier - das als überlang gerügte Gerichtsverfahren sich erkennbar dahingehend auswirken könnte, diesen Vorteil für die Zukunft zu legalisieren.

3. Die Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts ermöglichen dem Senat keine abschließende Beurteilung, ob und in welchem Umfang der geltend gemachte Entschädigungsanspruch besteht. Insbesondere hat das Oberverwaltungsgericht, weil es nach seiner Rechtsansicht nicht darauf ankam, zum haftungsbegründenden Tatbestand der unangemessenen Dauer des Gerichtsverfahrens im Sinne von § 198 Abs. 1 GVG keine hinreichenden Feststellungen getroffen und dazu erforderliche Tatsachenwürdigungen vorgenommen. Die Sache ist deshalb an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO ).

4. Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Schlussentscheidung vorbehalten.

Vorinstanz: OVG Mecklenburg-Vorpommern, vom 21.11.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 2 P-EK 466/16