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BVerwG - Entscheidung vom 18.06.2020

2 WD 17.19

Normen:
GG Art. 3 Abs. 3 S. 2
GG Art. 5 Abs. 1 S. 1
GG Art. 17a
GG Art. 21
GG Art. 102
SG § 6
SG § 7
SG § 8
SG § 17 Abs. 2 S. 3
SG § 23
WDO § 38 Abs. 1
WDO § 58 Abs. 1 Nr. 2 und 4
WDO § 60
WDO § 91 Abs. 1 S. 1
WDO § 123 S. 3
StGB § 130 Abs. 1 Nr. 1
StPO § 301
GG Art. 3 Abs. 3 S. 2
GG Art. 5 Abs. 1 S. 1
GG Art. 17a
GG Art. 21
GG Art. 102
SG § 6
SG § 7
SG § 8
SG § 17 Abs. 2 S. 3
SG § 23
WDO § 38 Abs. 1
WDO § 58 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 4
WDO § 60
WDO § 91 Abs. 1 S. 1
WDO § 123 S. 3
StGB § 130 Abs. 1 Nr. 1
StPO § 301
GG Art. 1 Abs. 1
GG Art. 5 Abs. 1
GG Art. 20 Abs. 3
SG § 8
SG § 12 S. 2
SG § 17 Abs. 2
WDO § 38 Abs. 1
WDO § 58 Abs. 1

Fundstellen:
BVerwGE 168, 323
NVwZ-RR 2020, 1082
ZBR 2021, 135

BVerwG, Urteil vom 18.06.2020 - Aktenzeichen 2 WD 17.19

DRsp Nr. 2020/13734

Streit um die angemessene Disziplinarmaßnahme wegen rechtsradikalen und diskriminierenden Verhaltens eines Soldaten; Zumessungserwägungen bei einer Bagatellisierung des Nationalsozialismus; Bagatellisierung der Ausübung "extralegaler Gewalt"; Bewertung von Kommentaren in einem WhatsApp-Chat; Nichterweislichkeit eines Hitlergrußes; Ahndung außerdienstlicher Verhaltensweisen; Einschränkung der Meinungsfreiheit von Soldaten

1. Verhaltensweisen, die auf eine Bagatellisierung des Nationalsozialismus abzielen, begründen als Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die Entfernung aus dem Dienstverhältnis, wenn sie tatsächlich eine nationalsozialistische Gesinnung zum Ausdruck bringen.2. Wird der "Hitlergruß" erwiesen, ohne dass damit eine entsprechende Gesinnung einhergeht, bildet Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die Herabsetzung im Dienstgrad, während für niedrigschwelligere bagatellisierende Verhaltensweisen grundsätzlich ein Beförderungsverbot den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bildet.

Tenor

Auf die Berufung der Wehrdisziplinaranwaltschaft wird das Urteil des Truppendienstgerichts Süd vom 14. Mai 2019 im Ausspruch über die Disziplinarmaßnahme aufgehoben.

Die Dienstbezüge des Soldaten werden für die Dauer von 18 Monaten um 1/20 gekürzt.

Die Kosten des Berufungsverfahrens einschließlich der dem Soldaten darin erwachsenen notwendigen Auslagen werden dem Bund auferlegt.

Normenkette:

GG Art. 1 Abs. 1 ; GG Art. 5 Abs. 1 ; GG Art. 20 Abs. 3 ; SG § 8 ; SG § 12 S. 2; SG § 17 Abs. 2 ; WDO § 38 Abs. 1 ; WDO § 58 Abs. 1 ;

Gründe

I

Das Verfahren betrifft den disziplinarischen Vorwurf rechtsradikalen und diskriminierenden Verhaltens.

1. Der ... geborene Soldat absolvierte nach dem Hauptschulabschluss eine Lehre als Maler und Lackierer und arbeitete in diesem Beruf, bis er 2012 zur Bundeswehr eingezogen und in das Dienstverhältnis eines Soldaten auf Zeit berufen wurde. Seine Dienstzeit endet mit Ablauf des 30. Juni ... Er wurde zuletzt im Juli 2016 zum Oberstabsgefreiten befördert. Aktuell ist er bei der ... in ... als Sicherungssoldat und Hilfsausbilder eingesetzt.

Der Soldat wurde zwar bisher nicht planmäßig beurteilt, zu seiner Persönlichkeit und seinem Leistungsbild liegen jedoch Stellungnahmen und Aussagen von Disziplinarvorgesetzten vor. Der Zentralregisterauszug des Soldaten und sein Disziplinarbuchauszug enthalten keine Einträge. Er ist unter anderem berechtigt, die Einsatzmedaille ISAF (2013) sowie das Leistungsabzeichen Truppendienst in Gold zu tragen.

Der bei seinen Eltern lebende, kinderlose und unverheiratete Soldat wird nach Ablauf seiner Dienstzeit bis Juli 2023 Übergangsgebührnisse von etwa 2 570 € brutto und gut 2 160 € netto sowie eine Übergangsbeihilfe von ca. 15 660 € erhalten. Er bedient einen Kredit zur Anschaffung eines Kraftfahrzeuges mit monatlich etwa 200 €. Nach dem Dienstzeitende hat er eine Stelle als Verwaltungsangestellter in Aussicht.

2. Nach der am 3. Mai 2017 ordnungsgemäß erfolgten Einleitung des gerichtlichen Disziplinarverfahrens hat die Wehrdisziplinaranwaltschaft den Soldaten unter dem 14. September 2017 angeschuldigt:

"1. Der Soldat kommentierte als Mitglied der WhatsApp-Gruppe '...' am 25. September 2016 um 10: 35 Uhr über sein Smartphone mit der Nummer ... von einem nicht näher bekannten Ort den von einem Gruppenmitglied gesendeten Beitrag, welcher den Kontakt zur Terrormiliz IS eines festgenommenen 16-jährigen Flüchtlings thematisierte, mit der Textnachricht: 'Alle an die wand stellen', obwohl er wusste, zumindest hätte wissen können, dass er sich mit dem unkommentierten Versenden dieser Äußerung nicht von totalitären, menschenverachtenden oder ausländerfeindlichen Ideologien distanzierte beziehungsweise den Eindruck erweckte, solchen Ideologien und Anschauungen nicht ablehnend gegenüberzustehen.

2. Der Soldat antwortete als Mitglied der WhatsApp-Gruppe '...' am 3. November 2016 um 15: 00 Uhr über sein Smartphone mit der Nummer ... von einem nicht näher bekannten Ort dem Zeugen Stabsgefreiter W., nachdem dieser das von einem anderen Gruppenmitglied eingestellte Bild (Mann mit Down-Syndrom in der Uniform der Waffen-SS und der Überschrift 'SIG HAIL DI OSTFRONT IS DOWN') mit der Textnachricht: 'Sowas muss echt nicht in die Gruppe!' kommentiert hatte, mit der Nachricht: 'Du fotze. Klar total lustig''.

3. Der Soldat entgegnete als Mitglied der WhatsApp-Gruppe '...' über sein Smartphone mit der Nummer ... von einem nicht näher bekannten Ort

- am 13. November 2016 um 23: 43 Uhr auf die Nachrichten von zwei Gruppenmitgliedern ('Mit VollGAS zum SS-Treff... ähh Ehrenzug' und 'Jawohl Herr sturmbandführer') mit der Textnachricht: 'Sehr gerne Sturmtruppführer H.',

- am 24. Dezember 2016 um 20: 45 Uhr auf die von einem Gruppenmitglied gesendeten Fotos von einem Stahlhelm mit Hakenkreuz, einem Brustanstecker mit dem Emblem der NSDAP (Adler mit Hakenkreuz in den Fängen) sowie von einer Porträtaufnahme des SS-Führers Reinhard Heydrich, mit der Textnachricht: 'Oh da wird der Herr ...) 1x im leben sehr stolz auf dich sein. Genauso wie ich',

obwohl er jeweils wusste, zumindest hätte wissen können und müssen, dass er sich mit seinen Äußerungen nicht von dem Unrechtsregime des Dritten Reiches, das andere in ihrer Menschenwürde beeinträchtigte, sie verunglimpfte und in ihrem Ansehen herabsetzte, und den dort begangenen Verbrechen distanzierte beziehungsweise den Eindruck erweckte, diesem Unrechtsregime und dessen Ideologie und Handeln nicht ablehnend gegenüberzustehen.

4. Der Soldat rief am 17. November 2016 zwischen 22: 00 Uhr und 01: 00 Uhr im Raum ... im Gebäude ... der ...-Kaserne in ... während eines Trinkspiels mit Kameraden mindestens einmal 'Heil Hitler!' und zeigte dabei den Hitlergruß."

3. Das Truppendienstgericht hat gegen den Soldaten mit Urteil vom 14. Mai 2019 ein Beförderungsverbot für 48 Monate verbunden mit einer Kürzung seiner Dienstbezüge um 1/20 für 18 Monate verhängt.

Dass sich der Soldat vorsätzlich wie unter den Anschuldigungspunkten 1 bis 3 beschrieben verhalten habe, stehe aufgrund seiner geständigen Einlassungen fest. Eine Überprüfung der in das Geschehen involvierten Mannschaftsdienste durch den Militärischen Abschirmdienst habe ergeben, dass sie wie auch der Soldat nicht an extremistischen Bestrebungen beteiligt seien. Vom Anschuldigungspunkt 4 sei der Soldat nach dem Rechtsgrundsatz "in dubio pro reo" freizustellen. Zwar sei es wahrscheinlich, dass er den Hitlergruß erwiesen habe. Denkbar sei aber auch, dass er anwesend gewesen sei, ohne am Trinkspiel teilzunehmen, oder dass er beim Trinkspiel entsprechend den Spielregeln keinen Hitlergruß gezeigt habe, weil er keinen Buben gezogen habe.

Durch das zulasten des Soldaten festgestellte Verhalten habe dieser vorsätzlich gegen §§ 8 , 12 Satz 2 und § 17 Abs. 2 Satz 1 und 2 SG verstoßen. Auch wenn er das NS-Regime oder die rechtsradikale Szene nicht habe unterstützen wollen, habe er jedenfalls den Anschein erweckt, sich nicht für die freiheitliche demokratische Grundordnung einsetzen zu wollen. Das Dienstvergehen wiege schwer und verlange grundsätzlich eine laufbahnhemmende Maßnahme, weil bereits § 8 SG den Soldaten verpflichte, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu bejahen und für sie einzutreten. Dies tue ein Soldat jedenfalls dann nicht, wenn er im Hinblick auf Flüchtlinge und Asylsuchende bekunde, man solle diese "alle an die Wand stellen", oder er sich über Menschen, die an Trisomie 21 erkrankt seien, lustig mache und sie in Beziehung zu Offizieren des NS-Regimes setze. Ebenso stelle ihn die Verwendung von Dienstgradabzeichen, die denen der Waffen-SS stark ähnelten, in die Nähe dieser Ideologie; dies gelte auch, wenn er "Posts" von NS-Emblemen durch einen Kameraden begrüße. Hinzu trete die Verletzung der Kameradschaftspflicht durch die Beleidigung des Kameraden W.

Da das Dienstvergehen allerdings eher im unteren Bereich des Denkbaren liege, sei es mit einem Beförderungsverbot zu ahnden. Trotz der für den Soldaten sprechenden Umstände, habe es am obersten Ende des gesetzlich Möglichen verhängt werden müssen. Wegen der fehlenden Auswirkungen auf den dienstlichen Werdegang sei damit eine Kürzung der Dienstbezüge zu verbinden.

4. Mit ihrer frist- und formgerecht zulasten des Soldaten uneingeschränkt eingelegten Berufung macht die Wehrdisziplinaranwaltschaft geltend, die erstinstanzliche Beweiserhebung hätte den Nachweis erbracht, dass der Soldat den Hitlergruß gezeigt habe. Deshalb sei auch die Maßnahmebemessung rechtsfehlerhaft.

5. Wegen der weiteren Einzelheiten zur Person des Soldaten wird auf das Urteil des Truppendienstgerichts, hinsichtlich der Zeugenaussagen und der in das Verfahren eingeführten Urkunden und Augenscheinsobjekte wird auf das Protokoll der Berufungshauptverhandlung verwiesen.

II

Die zu Ungunsten des Soldaten eingelegte Berufung hat keinen Erfolg und führt zu einer Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zu dessen Gunsten.

1. Gegen den Soldaten war lediglich eine Bezügekürzung zu verhängen. Eine Abmilderung der vom Truppendienstgericht verhängten Disziplinarmaßnahme war möglich; gemäß § 123 Satz 3, § 91 Abs. 1 Satz 1 WDO i.V.m. § 301 StPO hat jedes von der Wehrdisziplinaranwaltschaft eingelegte Rechtsmittel die Wirkung, dass die angefochtene Entscheidung auch zu Gunsten des angeschuldigten Soldaten abgeändert oder aufgehoben werden kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 13. September 2011 - 2 WD 15.10 - juris Rn. 21).

2. Zur Überzeugung des Senats steht fest, dass der unter den Punkten 1 bis 3 angeschuldigte Sachverhalt zutrifft, während der Soldat vom Anschuldigungspunkt 4 - weiterhin - freizustellen ist.

a) Dass der Soldat sich wissentlich und willentlich wie unter Anschuldigungspunkt 1 bis 3 beschrieben verhalten hat, steht auf der Grundlage der in die Berufungshauptverhandlung eingeführten Auswertung des WhatsApp-Chats vom 27. Januar 2017 sowie der auch im Berufungsverfahren geständigen Einlassungen des Soldaten, an deren Richtigkeit zu zweifeln für den Senat kein Anlass bestand, fest.

b) Der Senat konnte demgegenüber im Anschuldigungspunkt 4 nicht die zu einer Verurteilung erforderliche Überzeugungsgewissheit (vgl. BVerwG, Urteil vom 7. Mai 2020 - 2 WD 13.19 - juris Rn. 15) davon erlangen, dass der Soldat am 17. November 2016 in der ...-Kaserne während eines Trinkspiels mit Kameraden mindestens einmal "Heil Hitler!" gerufen und dabei den Hitlergruß gezeigt hat.

Er hat ein solches Verhalten durchgehend bestritten. Weder die in der Berufungshauptverhandlung vernommenen Zeugen W., N. und H. noch der erstinstanzlich vernommene Zeuge Z. haben ein solches Verhalten beim Soldaten bestätigt. Auch der Zeuge A., dem seine außergerichtliche Aussage vom 19. Januar 2017, unter anderem habe der Soldat den Hitlergruß gezeigt und "Sieg-Heil" gerufen, vorgehalten wurde, hat sich daran - wie bereits erstinstanzlich - nicht erinnern können. Er konnte sich nunmehr nicht einmal mehr erinnern, ob der Soldat überhaupt an dem Spiel mitgewirkt hat.

3. Der Soldat hat damit ein Dienstvergehen begangen (§ 23 Abs. 1 SG ).

a) Mit seinem Kommentar "alle an die Wand stellen" (Anschuldigungspunkt 1) hat er gegen die nach § 17 Abs. 2 Satz 3 SG bestehende Pflicht verstoßen, auch außerhalb dienstlicher Unterkünfte und Anlagen sich so zu verhalten, dass er das Ansehen der Bundeswehr oder die Achtung und das Vertrauen, die seine dienstliche Stellung erfordert, nicht ernsthaft beeinträchtigt.

aa) Mangels anderer Anhaltspunkte ist davon auszugehen, dass er den Kommentar per WhatsApp außerhalb dienstlicher Unterkünfte und Anlagen versendet hat. Nach den Begleitumständen lag eine spontane und -wie der Soldat glaubhaft vorträgt - unüberlegte Meinungsäußerung vor, die sich auf den von einem Kameraden in den Chat eingestellten Bericht über einen jugendlichen Flüchtling mit Verbindung zu den Kämpfern des "Islamischen Staates" (IS) bezieht. Der Soldat hat seine Äußerung dahingehend erläutert, dass er von IS-Kämpfern - wohl angesichts ihres allgemein bekannten besonders brutalen Vorgehens im syrisch-irakischen Grenzgebiet - nichts halte. Objektiv betrachtet ist das allerdings nur ein nachvollziehbares Motiv, nicht der Inhalt seines Kommentars. Die Bemerkung "alle an die Wand stellen" enthält wörtlich genommen die Forderung nach einer umgehenden Erschießung von Flüchtlingen mit IS-Kontakten ohne vorhergehendes Verfahren. Da seine bildlich gehaltene Formulierung das Exekutionsgeschehen in den Vordergrund rückt, liegt eine weniger drastische Auslegung seiner Bemerkung im Sinne einer Befürwortung von Abschiebungen, von härteren Gerichtsstrafen bis hin zur gerichtlichen Todesstrafe etc. aus der Sicht eines objektiven Dritten fern. Der Soldat hat selbst nicht vorgetragen, etwas anderes als eine standrechtliche Erschießung gemeint zu haben, und seinem Kommentar rückblickend als zu weitgehend und unrichtig eingestuft. Die Bemerkung kann aber auch nicht dahingehend verstanden werden, dass der Soldat unmittelbar zur Durchführung von Exekutionen aufgerufen hätte. Vielmehr bringt er lediglich im Rahmen eines Kommentars zum Ausdruck, dass er in solchen Fällen standrechtliche Erschießungen befürworten würde. Dieser Kommentar war allerdings an etwa 20 andere Mannschaftssoldaten gerichtet und sollte - wenn auch auf einem außerdienstlichen Medium - die Meinungsbildung innerhalb der Kompanie beeinflussen. Darum war die Bemerkung des Soldaten auch relevant für seine dienstliche Stellung.

bb) Der von Radikalität geprägte Kommentar verletzte die Pflicht des Soldaten aus § 17 Abs. 2 Satz 3 SG , nicht durch außerdienstliches Verhalten die Achtung und das Vertrauen, die seine Stellung als Oberstabsgefreiter erfordert, ernsthaft zu beeinträchtigen.

Dies folgt allerdings nicht daraus, dass sich der Soldat wegen Volksverhetzung nach § 130 Abs. 1 Nr. 1 StGB im disziplinarrechtlich erheblichen Umfang strafbar gemacht hätte. Zwar verbietet diese Vorschrift es, in einer Weise, die geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören, zum Hass gegen Teile der Bevölkerung aufzustacheln oder zu Gewalt- und Willkürmaßnahmen aufzufordern. Dabei ist jedoch zu beachten, dass das Strafgesetzbuch ausländerfeindliche Äußerungen als solche nicht unter Strafe stellt (BVerfG, Beschluss vom 7. April 2001 - 1 BvQ 17/01 - NJW 2001, 2072 <2073>) und dass für ein Aufstacheln zum Hass eine besonders intensive Form der Einwirkung vonnöten ist (BGH, Urteil vom 20. September 2011 - 4 StR 129/11 - juris Rn. 38), an der es hier fehlt. Das Auffordern zu Gewalt- und Willkürmaßnahmen erfordert eine über bloßes Befürworten hinausgehendes, ausdrückliches Einwirken auf andere mit dem Ziel, in ihnen den Entschluss zu diskriminierenden Handlungen hervorzurufen, die elementaren Geboten der Menschlichkeit widersprechen (BGH, Beschluss vom 26. Juli 2017 - 3 StR 437/16 - NStZ-RR 2017, 386 <386>). Der Kommentar des Soldaten hat keinen ernsthaften, dahingehenden appellativen Charakter. Zudem war die Äußerung nicht geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören.

Außerdienstliche Verhaltensweisen können jedoch auch dann, wenn sie nicht im disziplinarrechtlich relevanten Umfang strafbar sind, dem in § 17 Abs. 2 Satz 3 SG enthaltenen außerdienstlichen Wohlverhaltensgebot widersprechen. Denn ein Soldat muss sich insbesondere dann in seinem privaten Verhalten mäßigen, wenn dabei ein besonderer Bezug zur Dienstausübung, d.h. zu seinem militärischen Auftrag, zu seinen Kameraden oder zur Bundeswehr besteht (vgl. BVerwG, Urteile vom 20. Mai 2014 - 2 WD 5.13 - BVerwGE 149, 224 Rn. 61 und vom 4. März 2020 - 2 WD 3.19 - juris Rn. 23; Scherer/Alff/Poretschkin/Luchs, SG , 10. Aufl. 2018, § 17 Rn. 27a). Ein besonderer Bezug zum Dienstgeschehen besteht hier in dem Umstand, dass der Soldat den Kommentar in eine aus etwa 20 Soldaten bestehende, ursprünglich zum Austausch dienstlicher Informationen gegründete Chat-Gruppe eingebracht und damit auch auf die weltanschauliche Willensbildung der Soldaten der ... Einfluss genommen hat. Zugleich beschäftigt sich sein Kommentar inhaltlich mit der Ausübung von Waffengewalt.

Die Äußerung "alle an die Wand stellen" ist mit dem Amtsverständnis wie es sowohl das Grundgesetz als auch das Soldatengesetz bei einem Waffenträger voraussetzen, unvereinbar. Der Soldat billigt mit der Tötung eines Menschen aufgrund eines "kurzen Prozesses" ein mit der Würde des Menschen (Art. 1 Abs. 1 GG ) unvereinbares und grob rechtsstaatswidriges Verfahren (Art. 20 Abs. 3 GG ). Äußerungen, welche die Ausübung "extralegaler Gewalt" (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29. Juli 2019 - 2 B 19.18 - Buchholz 232.01 § 33 BeamtStG Nr. 3 Rn. 19) bagatellisieren, sind mit dem Amtsverständnis eines Oberstabsgefreiten als Inhaber des höchsten Mannschaftsdienstgrades und zugleich rechtsstaatlich gebundenen Waffenträgers unvereinbar. Sie stellen das Vertrauen in einen Mannschaftssoldaten, dass er mit dem ihnen anvertrauten Waffen besonnen umgeht, ernsthaft in Frage.

cc) Der Senat verkennt nicht, dass ein Soldat gemäß § 6 Satz 1 SG grundsätzlich die gleichen staatsbürgerlichen Rechte wie jeder andere Staatsbürger hat und dass sein Grundrecht auf Meinungsfreiheit nach Art. 5 Abs. 1 Satz 1 GG jedwede durch das Element der Stellungnahme und des Dafürhaltens gekennzeichnete Äußerung unabhängig davon schützt, ob sie sich als wahr oder unwahr erweisen, begründet oder grundlos, emotional oder rational, wertvoll oder wertlos, gefährlich oder harmlos sind (BVerfG, Beschluss vom 22. Juni 2018 - 1 BvR 2083/15 - NJW 2018, 2861 Rn. 13 f.). Allerdings schränkt § 17 Abs. 2 Satz 3 SG als allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG die Meinungsäußerungsfreiheit zum Schutz der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr (Art. 17a Abs. 1 GG ) ein (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. April 2007 - 2 BvR 71/07 - BVerfGK 11, 82 <86 f.>). Die Vorschrift gebietet es, auch bei außerdienstlichen Meinungsäußerungen darauf zu achten, dass die Achtung und das Vertrauen, die die dienstliche Stellung eines Soldaten erfordert, nicht beeinträchtigt wird. Dies erfordert es, auch beim außerdienstlichen Meinungsaustausch mit Kameraden das notwendige Maß an Besonnenheit, Toleranz und Verfassungsloyalität aufzubringen.

Dabei besteht zwischen Grundrechtsschutz und Grundrechtsschranken eine Wechselwirkung. Gesetzliche Regelungen, die die Meinungsfreiheit beschränken, sind aus der Erkenntnis der grundlegenden Bedeutung der Meinungsfreiheit ihrerseits wieder einschränkend auszulegen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Juni 2018 - 1 BvR 2083/15 - NJW 2018, 2861 Rn. 18, Kammerbeschluss vom 28. April 2007 - 2 BvR 71/07 - BVerfGK 11, 82 <86>). Die danach gebotene Prüfung, ob bei Abwägung der geschützten Rechtsgüter im konkreten Einzelfall erhebliche Umstände für eine einschränkende Auslegung des § 17 Abs. 2 Satz 3 SG sprechen, führt hier dazu, dass selbst in einem privaten Forum von Mannschaftssoldaten jedenfalls keine radikalen und rechtsstaatswidrigen Parolen verbreitet werden dürfen, die mit der Stellung als Waffenträger unvereinbar sind. Der Senat trägt damit auch dem Umstand Rechnung, dass für Soldaten im Mannschaftsdienstgrad keine so weitgehende Mäßigungspflicht bei Äußerungen außer Dienst besteht, wie § 10 Abs. 6 SG sie für Unteroffiziere und Offiziere ausdrücklich vorsieht.

dd) Da ein außerdienstliches Dienstvergehen vorliegt, scheidet ein Verstoß auch gegen § 7 SG aus (BVerwG, Urteil vom 20. März 2014 - 2 WD 5.13 - BVerwGE 149, 224 Rn. 53)

b) Mit der Kommentierung ("Du fotze. Klar total lustig'') zur kritischen Anmerkung des Kameraden W. hat der Soldat gegen die Kameradschaftspflicht nach § 12 SG verstoßen. Der Zusammenhalt der Bundeswehr beruht wesentlich auf Kameradschaft. Sie verpflichtet, die Würde, die Ehre und die Rechte anderer Soldaten zu achten. Das schließt gegenseitige Anerkennung, Rücksicht und Achtung fremder Anschauungen ein. Die Beschränkungen des § 12 Satz 2 und 3 SG gelten auch für außerdienstliche Äußerungen. Denn ehrverletzende und diffamierende Äußerungen gefährden, auch wenn sie außerhalb des Dienstes und außerhalb dienstlicher Anlagen ausgesprochen werden, den Zusammenhalt der Truppe. § 12 Satz 2 und 3 SG dient damit der Funktionsfähigkeit der Bundeswehr und beschränkt insofern als allgemeines Gesetz im Sinne des Art. 5 Abs. 2 GG die private Meinungsäußerungsfreiheit (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Oktober 1984 - 1 WB 98.82 - BVerwGE 76, 267 <272 f.>; BVerfG, Kammerbeschluss vom 28. April 2007 - 2 BvR 71/07 - BVerfGK 11, 82 <84 f.>).

Mit der Anrede "Du fotze" hat der Soldat ein besonders vulgäres Schimpfwort verwendet und damit die Ehre des Kameraden W. verletzt, ohne dass für diese Schmähung ein erkennbarer Anlass vorhanden gewesen wäre. Damit hat er sich zugleich entgegen § 12 Satz 3 SG intolerant gegenüber der zuvor geäußerten Meinung des Kameraden W. gezeigt, dass ein derartiges Bild nicht in den Chat gehöre. Für die wohl spontane, aber vorsätzliche Kameradenbeleidigung sind auch bei Berücksichtigung der Wechselwirkung von § 12 SG und Art. 5 Abs. 1 GG keine Rechtfertigungsgründe ersichtlich.

Mit der Äußerung "klar, total lustig" hat der Soldat aus der maßgeblichen Sicht eines objektiven Dritten lediglich ausgesagt, dass er die Fotomontage mit einem in SS-Uniform gekleideten, am Down-Syndrom leidenden Jungen sowie den Schriftzug "Sig Hail. Di Ostfront ist down" komisch findet. Der Aussagegehalt des Chat-Beitrags erschöpft sich in der Meinungsäußerung, dass das Bild lustig, d.h. witzig und unterhaltsam, sei. Eine mittelbare Billigung oder Bagatellisierung nationalsozialistischen Gedankenguts ist damit nicht verbunden. Denn die vom Soldaten als komisch bewertete Fotomontage kann nicht als Verherrlichung, sondern nur als Verballhornung des Nationalsozialismus angesehen werden. Allein aus dem Umstand, dass der Schriftzug die Worte "Sig Hail" enthält und der behinderte Junge einen angedeuteten Hitlerbart trägt, kann nicht auf eine den Nationalsozialismus verherrlichende Tendenz geschlossen werden. Denn die Erinnerung an den Zusammenbruch der Ostfront im Zweiten Weltkrieg durch die Worte "Di Ostfront ist down" und die Einblendung eines am Down-Syndrom leidenden Jungen mit schief sitzender SS-Uniformkappe weckt bei einem objektiven und unvoreingenommenen Betrachter den Eindruck einer Persiflage.

Bei der disziplinarrechtlichen Würdigung einer Erklärung ist aber ihr Inhalt objektiv und sachlich vor dem Hintergrund des gesellschaftlichen, sozialen und politischen Geschehens, in dem sie gefallen ist, zu ermitteln. Gegen diesen Grundsatz wird verstoßen, wenn Teilen einer Meinungsäußerung eine bei hinreichender Beachtung des Zusammenhangs nicht mehr verständliche, verschärfende und damit überzogene Deutung gegeben und sie in dieser Deutung einer disziplinarrechtlichen Würdigung und Ahndung unterworfen wird (BVerfG, Beschluss vom 10. Juli 1992 - 2 BvR 1802/91 - NJW 1992, 2750 <2751>).

In gleicher Weise wäre es eine unzulässige Überinterpretation einzelner Bildelemente, wenn man in der Fotomontage eine zielgerichtete Lächerlichmachung, Ausgrenzung und Diskriminierung von behinderten Menschen und die Äußerung des Soldaten als Billigung eines solchen Verhaltens ansehen würde. Denn die meisten Bildelemente und der Schriftzug machen klar, dass der Fokus der Fotomontage auf einem historisch-militärischen Geschehen, dem Scheitern des NS-Regimes beim Zusammenbruch der Ostfront liegt. Der SS-Uniformträger wird in der Fotomontage durch Einblendung eines am Down-Syndrom leidenden Jungen lediglich verfremdet und verspottet. Dass man diese Verwendung des Bildes eines behinderten Menschen zum Zwecke der Verspottung des NS-Regimes und zur Belustigung des Publikums als geschmacklos empfinden kann, steht außer Zweifel. Dies ändert aber nichts daran, dass objektiv betrachtet die Diskriminierung behinderter Menschen nicht den Gegenstand der Bildbotschaft darstellt.

c) Durch die gemäß Anschuldigungspunkt 3 festgestellte Anlehnung an Dienstbezeichnungen aus der Zeit des Nationalsozialismus und die lobende Hervorhebung der Einstellung von nationalsozialistischen Insignien in den Chat hat der Soldat zur Bagatellisierung des nationalsozialistischen Unrechtsregimes beigetragen und damit gegen § 8 Alt. 2 SG verstoßen.

aa) Aus der Sicht eines objektiven Empfängers entstand durch das Foto eines auf 188 km/h eingestellten Tachometers, den Zusatz "mit VollGAS zum SS-Treff... äh Ehrenzug", die erste Anmerkung des Hauptgefreiten H. "Jawohl Herr sturmbandführer" und den Zusatz des angeschuldigten Soldaten "Sehr gerne sturmtruppführer H." der Eindruck, als wünschten sich drei Bundeswehrsoldaten die Zeit des Nationalsozialismus zurück und würden "gerne" an einer SS-Versammlung teilnehmen. Dass weder das Wort "SS-Treff" noch die Begriffe "Sturmbandführer" oder "Sturmtruppführer" im Dritten Reich verwendet worden sind, kann nicht als deutlich erkennbare Verfremdung angesehen werden, in der eine inhaltliche Distanzierung von der im Text formulierten positiven Bewertung der SS zum Ausdruck käme. Wie die Befragung des Soldaten in der mündlichen Verhandlung ergeben hat, ist ihm auch gar nicht bewusst gewesen, dass es innerhalb der SS nur Sturmbannführer und Rottenführer, nicht aber Sturmtruppführer gegeben hat.

Auch die anerkennenden Worte dafür, dass ein anderer Kamerad einen SS-Stahlhelm mit Hakenkreuz, ein NS-Partei-Emblem mit Hakenkreuz und ein Foto eines SS-Führers in den Chat eingestellt hat, können für Dritte objektiv nur als Ausdruck einer positiven Einstellung zum Nationalsozialismus gewertet werden. Dies gilt unabhängig davon, ob die übrigen Chat-Teilnehmer erkannt haben, dass auf dem Foto SS-Obergruppenführer Reinhard Heydrich, Leiter des Reichssicherheitshauptamtes, abgebildet ist; ohne Bedeutung ist auch, ob ihnen bewusst gewesen ist, dass Heydrich eine führende Rolle bei der massenhaften Ermordung von europäischen Juden gespielt hat. Denn jedenfalls erweckt das Lob des Soldaten, der Hauptgefreite H. und er seien "sehr stolz" auf die Einblendung dieser NS-Fotos, objektiv den Eindruck, er begrüße die Verbreitung von NS-Insignien und stehe der NS-Ideologie nahe.

bb) Damit hat der Soldat gegen seine politische Treuepflicht verstoßen. Die unabhängig von Dienstgrad bestehende Pflicht eines Soldaten nach § 8 SG verlangt von diesem zwar nicht, sich mit den Zielen oder einer bestimmten Politik der jeweiligen Bundesregierung oder der im Bundestag vertretenen Parteien zu identifizieren und sie zu unterstützen; sie verpflichtet ihn jedoch, die freiheitliche demokratische Grundordnung des Grundgesetzes zum einen anzuerkennen und zum anderen, durch sein gesamtes Verhalten für ihre Erhaltung einzutreten. Es handelt sich um eine Kernpflicht des Soldaten, deren Verletzung stets schwer wiegt (BVerwG, Urteil vom 23. März 2017 - 2 WD 16.16 - juris Rn. 67, 76 m.w.N.).

Der Begriff "freiheitliche demokratische Grundordnung" in § 8 SG ist identisch mit dem Begriff der freiheitlichen demokratischen Grundordnung, wie er bezogen auf Art. 21 Abs. 2 GG konturiert worden ist. Daraus folgt unter Zugrundelegung der neueren Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu Art. 21 GG eine Konzentration auf wenige, zentrale Grundprinzipien, die für den freiheitlichen Verfassungsstaat schlechthin unentbehrlich sind (BVerfG, Urteil vom 17. Januar 2017 - 2 BvB 1/13 - BVerfGE 145, 20 Rn. 535). Ausgangspunkt für die Bestimmung des Begriffsinhalts ist danach die Würde des Menschen und das Demokratieprinzip, für das die Möglichkeit gleichberechtigter Teilnahme aller am politischen Willensbildungsprozess sowie die Rückbindung der Ausübung von Staatsgewalt an das Volk maßgeblich ist. Schließlich erfasst der Begriff den Grundsatz der Rechtsstaatlichkeit.

Mit der Pflicht aus § 8 SG ist folglich ein Verhalten unvereinbar, das objektiv geeignet oder gar darauf angelegt ist, die Ziele des NS-Regimes zu verharmlosen sowie Kennzeichen, Symbole oder sonstige Bestandteile der NS-Ideologie (wieder) gesellschaftsfähig zu machen. Denn das Grundgesetz bildet gleichsam den "Gegenentwurf zu dem Totalitarismus des nationalsozialistischen Regimes" (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. November 2009 - 1 BvR 2150/08 - BVerfGE 124, 300 <328>). Der Treuepflicht zum Grundgesetz widersprechen somit alle Bestrebungen, die objektiv oder subjektiv darauf angelegt sind, im Sinne der "nationalsozialistischen Sache" zu wirken. Dementsprechend liegt eine Verletzung der Pflicht nach § 8 SG dann vor, wenn ein Soldat Propagandamaterial einer NSDAP-Auslandsorganisation verbreitet, das "Horst-Wessel-Lied" singt, Massenmorde an Menschen jüdischen Glaubens während des NS-Regimes leugnet, vor der NS-Hakenkreuzfahne oder anderen NS-Symbolen posiert, "Sieg Heil" ruft, den "Hitler-Gruß" verwendet oder wenn er Ausdrücke verwendet, die auf Sympathien zum NS-Regime und zur Waffen-SS schließen lassen (zusammenfassend: BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2008 - 2 WD 1.08 - BVerwGE 132, 179 Rn. 54).

In gleicher Weise hat der Soldat hier durch die angeschuldigten Äußerungen in der WhatsApp-Gruppe, die auf eine positive Einstellung zur SS, zum Nationalsozialismus und dessen Symbole schließen lassen, gegen seine Verpflichtung verstoßen, durch sein gesamtes Verhalten für die Erhaltung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung einzutreten. Die Verpflichtung zum Eintreten für die freiheitliche demokratische Grundordnung nach § 8 Alt. 2 SG geht weiter als die Pflicht zu ihrer Anerkennung gemäß § 8 Alt. 1 SG . Sie verlangt, dass der Soldat - wie der Beamte - sich nicht nur innerlich, sondern auch äußerlich von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die den Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren (vgl. BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - BVerfGE 39, 334 <348>). Ein Soldat darf daher auch nicht entgegen seiner inneren verfassungstreuen Gesinnung aus Solidarität zu Freunden, aus Übermut, aus Provokationsabsicht oder aus anderen Gründen nach außen hin verfassungsfeindliche Bestrebungen unterstützen und sich - wie hier - objektiv betrachtet illoyal verhalten.

Der angeschuldigte Soldat hat allerdings nicht zugleich gegen seine Pflicht verstoßen, die freiheitliche demokratische Grundordnung gemäß § 8 Alt. 1 SG anzuerkennen. Die bagatellisierenden Äußerungen beruhen nicht auf einer verfassungsfeindlichen Gesinnung. Dies folgt aus den glaubhaften Einlassungen des Soldaten, den Stellungnahmen seiner Disziplinarvorgesetzten - insbesondere der aktuellen Disziplinarvorgesetzten Hauptmann ... - und der Mitteilung des Militärischen Abschirmdienstes. Die Befragung des Soldaten in der Berufungshauptverhandlung hat ergeben, dass er weder mit den SS-Dienstgraden noch mit den führenden Repräsentanten des NS-Unrechtsregimes vertraut ist; ihm war insbesondere der Name Reinhard Heydrich und dessen Rolle innerhalb des NS-Regimes gänzlich unbekannt. Neben der Uninformiertheit des Soldaten spricht gegen eine nationalsozialistische Gesinnung, dass er die unter Punkt 2 angeschuldigte Fotomontage positiv bewertet hat, obwohl sie geeignet ist, die Kriegsführung des NS-Regimes lächerlich zu machen. Auch die Disziplinarvorgesetzten des Soldaten haben übereinstimmend ausgeführt, sie hätten beim Soldaten keine rechtsradikalen Tendenzen festgestellt. Ebenso hat die Überprüfung des Soldaten durch den Militärischen Abschirmdienst ergeben, dass er nicht an extremistischen Bestrebungen gegen den Geschäftsbereich Bundesverteidigungsministerium beteiligt sei und solche Bestrebungen nicht unterstütze. Daher sind die Äußerungen des Soldaten nicht auf eine nationalsozialistische Gesinnung, sondern eher auf eine altersunangemessene Unreife verbunden mit historischer Unkenntnis zurückzuführen.

cc) Ob der Soldat durch sein Verhalten zugleich gegen § 7 SG verstoßen hat, kann offenbleiben, weil damit jedenfalls kein die Schwere der Dienstpflichtverletzung erhöhender Umstand gegeben wäre (BVerwG, Urteil vom 22. Oktober 2010 - 2 WD 1.08 - BVerwGE 132, 179 Rn. 45).

4. Bei der konkreten Bemessung der Disziplinarmaßnahme geht der Senat in seiner gefestigten Rechtsprechung (vgl. BVerwG, Urteil vom 10. Februar 2010 - 2 WD 9.09 - juris Rn. 35 ff.) von einem zweistufigen Prüfungsschema aus:

a) Auf der ersten Stufe bestimmt er im Hinblick auf das Gebot der Gleichbehandlung vergleichbarer Fälle sowie im Interesse der rechtsstaatlich gebotenen Rechtssicherheit und Voraussehbarkeit der Disziplinarmaßnahme eine Regelmaßnahme für die in Rede stehende Fallgruppe als "Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen".

aa) Hierbei geht der Senat bei der Verletzung der politischen Treuepflicht aus § 8 SG durch das Zeigen eines "Hitlergrußes" grundsätzlich von der Höchstmaßnahme aus, wenn dies zugleich Ausdruck einer nationalsozialistischen Gesinnung ist (BVerwG, Urteil vom 28. Februar 2002 - 2 WD 35.01 - Buchholz 236.1 § 8 SG Nr. 4 S. 24 f., Beschlüsse vom 29. August 2002 - 2 WDB 6.02 - jurion Rn. 24 und vom 9. Oktober 2019 - 2 WDB 3.19 - juris Rn. 23). Auch für andere Verhaltensweisen und Kundgabeformen, die Ausdruck einer tatsächlich verfassungsfeindlichen, nationalsozialistisch geprägten Gesinnung sind, kann nichts anderes gelten (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 - 2 C 25.17 - BVerwGE 160, 370 Rn. 25 f.). Denn in diesen Fällen liegt sowohl eine Verletzung der Anerkennungspflicht aus § 8 Alt. 1 SG als auch der Eintretenspflicht aus § 8 Alt. 2 SG vor.

bb) Beruht die Verwendung nationalsozialistischer Kennzeichen, Grußformen oder Rituale nicht auf einer verfassungsfeindlichen Einstellung, muss eine mildere Maßnahmeart den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bilden. Dies folgt aus dem auch für das Disziplinarrecht geltenden Schuldprinzip sowie aus dem Übermaßverbot (BVerfG, Beschluss vom 12. August 2015 - 2 BvR 2646/13 - Rn. 25 m.w.N.). Beide Grundsätze gebieten eine differenzierende Abstufung des Ausgangspunkts der Zumessungserwägungen. Anderenfalls bestünde die Gefahr, dass generalpräventive Erwägungen eine allein ausschlaggebende Bedeutung erlangen, obgleich § 38 Abs. 1 WDO mit den spezialpräventiven Bemessungsfaktoren "Maß der Schuld", "Persönlichkeit und bisherige Führung" und -vor allem auch - "Beweggründe" zum Ausdruck bringt, dass diese Aspekte gleichermaßen bedeutsam sind. Im Wehrdisziplinarrecht steht auch ansonsten nicht die Tat als solche im Vordergrund, sondern die durch sie zum Ausdruck gekommenen Charakter- und Persönlichkeitsmängel (BVerwG, Urteil vom 28. September 2018 - 2 WD 14.17 - Buchholz 459 § 11 SG Nr. 3 Rn. 101).

cc) Allerdings gebieten Verhaltensweisen, die den irrigen Eindruck einer hohen Identifikation mit dem Nationalsozialismus vermitteln, die Dienstgradherabsetzung zum Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen zu machen. Dazu gehört etwa das Erweisen des sogenannten Hitlergrußes (BVerwG, Urteil vom 23. März 2017 - 2 WD 16.16 - juris Rn. 76). Dies hat seinen Grund darin, dass der Hitlergruß Außenstehenden als Ausdruck der Verehrung des Führers des nationalsozialistischen Unrechtsregimes erscheinen muss und dass die öffentliche Verwendung dieses nationalsozialistischen Kennzeichens im Inland nach § 86a Abs. 1 Nr. 1 , Abs. 2 StGB strafrechtlich untersagt ist. Ebenso spricht auch in anderen Fällen die strafrechtliche Ächtung eines entsprechenden Verhaltens für die Dienstgradherabsetzung als Regelmaßnahme, wobei die spezifisch strafrechtlichen Einschränkungen (Inlandsbezug, Öffentlichkeit) für die disziplinarrechtliche Einstufung nicht so bedeutsam sind, dass sie für eine Dienstgradherabsetzung zwingend vorliegen müssen (vgl. BVerwG, Urteil vom 17. November 2017 - 2 C 25.17 - BVerwGE 160, 370 Rn. 29, 74 , 76).

dd) Zeigt ein Soldat hingegen niedrigschwelligere, bagatellisierende Verhaltensweisen von einigem Gewicht, bildet grundsätzlich ein Beförderungsverbot den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen. Angesichts der großen Bandbreite möglicher niedrigschwelliger Verletzungen der politischen Treuepflicht ist eine Typisierung in diesem Bereich allerdings nur eingeschränkt möglich. Insbesondere bei einmaligen, unüberlegten oder aus jugendlicher Unreife verübten Verstößen im niedrigschwelligeren Bereich können gerichtliche Disziplinarmaßnahmen nach Maßgabe des § 38 Abs. 1 WDO unangemessen sein.

ee) Nach diesen Maßstäben bildet vorliegend ein Beförderungsverbot den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen. Das Verhalten des Soldaten hat nicht die für eine Dienstgradherabsetzung erforderliche Schwere. Denn es ist nicht erwiesen, dass er selbst den Hitlergruß gezeigt hat; er hat allerdings durch die zu Anschuldigungspunkt 3 festgestellten Kommentare auf niedrigschwelligere Weise der Verbreitung nationalsozialistischen Gedankenguts Vorschub geleistet und den Eindruck einer nationalsozialistisch geprägten Gesinnung entstehen lassen. Sein Verhalten hat auch das für eine gerichtliche Disziplinarmaßnahme erforderliche Gewicht, weil eine wiederholte Pflichtverletzung vorliegt.

b) Auf der zweiten Stufe ist zu prüfen, ob im konkreten Einzelfall im Hinblick auf die in § 38 Abs. 1 WDO normierten Bemessungskriterien und die Zwecksetzung des Wehrdisziplinarrechts Umstände vorliegen, die die Möglichkeit einer Milderung oder die Notwendigkeit einer Verschärfung gegenüber der auf der ersten Stufe in Ansatz gebrachten Regelmaßnahme eröffnen. Dabei ist vor allem angesichts der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens sowie dessen Auswirkungen zu klären, ob es sich im Hinblick auf die be- und entlastenden Umstände um einen schweren, mittleren oder leichten Fall der schuldhaften Pflichtverletzung handelt. Liegt kein mittlerer, sondern ein höherer bzw. niedrigerer Schweregrad vor, ist gegenüber dem Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen die zu verhängende Disziplinarmaßnahme nach "oben" bzw. nach "unten" zu modifizieren. Zusätzlich sind die gesetzlich normierten Bemessungskriterien für die Bestimmung der konkreten Sanktion zu gewichten, wenn die Maßnahmeart, die den Ausgangspunkt der Zumessungserwägungen bildet, dem Wehrdienstgericht einen Spielraum eröffnet. Dabei müssen die Milderungsgründe umso gewichtiger sein, je schwerer das Dienstvergehen wiegt (BVerwG, Urteil vom 2. November 2017 - 2 WD 3.17 - juris Rn. 73 m.w.N.).

Danach gebieten im vorliegenden Fall mehrere mildernde Umstände, zur gemäß § 58 Abs. 1 Nr. 2 i.V.m. § 60 WDO zulässigen Kürzung der Dienstbezüge überzugehen.

aa) Hinsichtlich der Eigenart und Schwere des Dienstvergehens bewegt sich das Verhalten des Soldaten im mittleren Bereich niedrigschwelligeren Verhaltens. Er hat zwar lediglich zweimal Kommentare in den Chat eingestellt, die eine Verbreitung nationalsozialistischen Symbole und Gedanken Vorschub geleistet haben. Allerdings ist zu berücksichtigen, dass seine Meinung bei den anderen Mannschaftssoldaten besonderes Gewicht hatte, weil er als Oberstabsgefreiter einen höheren Rang bekleidete und wegen seiner Einsatzerfahrung auch besonders respektiert wurde. Ferner saß er bei dem Trinkspiel, in dessen Verlauf jedenfalls andere Soldaten den Hitlergruß gezeigt haben, mit am Tisch und hat auch hierbei eine Sympathisantenstellung eingenommen. Zudem wirkt seine Bemerkung, man solle Flüchtlinge mit IS-Kontakten "an die Wand stellen" erschwerend. Daran ändert auch der Umstand wenig, dass die Bemerkung eher spontan und unüberlegt abgegeben worden ist. Schließlich erhöht die bei der Bestimmung des Ausgangspunkts der Zumessungserwägungen noch nicht berücksichtigte Kameradenbeleidigung Eigenart und Schwere des Dienstvergehens; sie ist jedoch weniger gravierend, weil der Betroffene die Beleidigung angesichts des seinerzeit in der Einheit herrschenden rauen Umgangstones nicht als besonders schwerwiegend empfunden und weil sich der Soldat später bei ihm entschuldigt hat.

bb) Als mildernder Umstand von Gewicht ist die Nachbewährung des Soldaten zu berücksichtigen. Er war schon vorher ein leistungsstarker Soldat. Insbesondere hat sich der Soldat auch in einem Auslandseinsatz bewährt (BVerwG, Urteil vom 28. August 2019 - 2 WD 28.18 - juris Rn. 62). Seine früheren Disziplinarvorgesetzten, Major ... und Hauptmann ..., haben ihn als gewissenhaften Soldaten beschrieben, dessen Leistungsbereitschaft und Leistungsvermögen im oberen Drittel gelegen und dem sie trotz des Dienstvergehens weiter vertraut hätten. Er habe auch während des Disziplinarverfahrens ein sehr hohes Engagement gezeigt. Die aktuelle Disziplinarvorgesetzte, Hauptmann ..., hat erklärt, dass er sich gerade in den letzten zwölf Monaten bewährt habe. Ihm sei es lediglich wegen der Corona-Pandemie nicht möglich gewesen, seine Leistungen noch mehr zu steigern. Die kontinuierliche Erbringung von Spitzenleistungen sowie die tadelfreie Führung während eines gerichtlichen Disziplinarverfahrens kommen einer Nachbewährung gleich und sind mit gleich hohem Gewicht zu Gunsten des Soldaten zu berücksichtigen. Damit liegt ein klassischer Milderungsgrund vor, der regelmäßig den Übergang zu einer milderen Maßnahme veranlasst (vgl. BVerwG, Urteile vom 24. Oktober 2019 - 2 WD 25.18 - juris Rn. 24 und vom 7. Mai 2020 - 2 WD 13.19 - juris Rn. 40).

cc) Auch beim Umfang der gebotenen Bezügekürzung sind weitere mildernde Umstände zu berücksichtigen. Insbesondere hat sich der Soldat in der Berufungshauptverhandlung einsichtig und reuig gezeigt. Dem entspricht, dass der frühere Disziplinarvorgesetzte ... bestätigt hat, der Soldat würde sich nunmehr zurückhaltender verhalten. Schließlich hat der Soldat sich in psychotherapeutische Behandlung begeben, um sein Verhalten selbstkritisch zu reflektieren und sein Leben neu zu ordnen. Dies hat auch das Bedürfnis für eine spezialpräventive Einwirkung auf den Soldaten reduziert (vgl. BVerwG, Urteile vom 14. März 2019 - 2 WD 22.18 - juris Rn. 39 und vom 7. Mai 2020 - 2 WD 13.19 - juris Rn. 41). Nach allem hätte es nahegelegen, eine Bezügekürzung im mittleren Bereich von zweieinhalb Jahren Dauer zu verhängen.

c) Allerdings wirkt sich zusätzlich mildernd aus, dass das gerichtliche Disziplinarverfahren in erster Instanz entgegen Art. 6 Abs. 1 EMRK nicht in angemessener Zeit erledigt worden ist. Denn das Verfahren als solches wirkt bereits belastend und ist mit pflichtenmahnenden Nachteilen verbunden, die nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz das Sanktionsbedürfnis mindern (BVerwG, Urteil vom 23. April 2020 - 2 WD 4.19 - juris Rn. 36). Das erstinstanzliche Verfahren weist eine Überlänge von acht Monaten auf. Die Anschuldigungsschrift ging im September 2017 beim Truppendienstgericht ein und der Fall wurde im Mai 2019 erstinstanzlich entschieden, so dass das Verfahren dort insgesamt ein Jahr und acht Monate gedauert hat. Zwar wies es durch die Notwendigkeit einer umfangreichen Zeugenvernehmung einen leicht überdurchschnittlichen Schwierigkeitsgrad auf. Da es aber wegen der im Raum stehenden Degradierung für den Soldaten von erheblicher Bedeutung war, hätte eine Erledigung bei einem normalen Geschäftsgang binnen eines Jahres erwartet werden können. Besondere Umstände, die die Verzögerung erklären könnten, sind der Verfahrensakte nicht zu entnehmen. Insbesondere hat das Prozessverhalten des Soldaten nicht zu einer Verlängerung der Prozessdauer beigetragen. Daher ist davon auszugehen, dass die Überschreitung der angemessenen Verfahrensdauer der allgemein bekannten Überlastung der Truppendienstgerichte geschuldet ist. Dieser strukturelle Mangel rechtfertigt die Überlänge nicht, so dass der Staat für die mit der unangemessenen Dauer des Verfahrens verbundenen Nachteile einen Ausgleich schaffen muss. Im vorliegenden Fall ist es deshalb angemessen, die Bezügekürzung bei der bereits vom Truppendienstgericht festgelegten Dauer von eineinhalb Jahren zu belassen.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 139 Abs. 2 , § 140 Abs. 3 Satz 1 WDO .

Fundstellen
BVerwGE 168, 323
NVwZ-RR 2020, 1082
ZBR 2021, 135