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BVerwG - Entscheidung vom 04.08.2020

2 B 41.19

Normen:
VwGO § 133 Abs. 3 S. 3
LDG NRW § 54 Abs. 3 S. 1
LDG NRW § 67 S. 1

BVerwG, Beschluss vom 04.08.2020 - Aktenzeichen 2 B 41.19

DRsp Nr. 2020/12667

Streit um die Entfernung eines Polizeibeamten aus dem Beamtenverhältnis; Anforderungen an die Darlegung einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache; Anforderungen an die Darlegung einer Divergenz; Anforderungen an die Darlegung eines Verfahrensfehlers; Heilung des Mangels der ordnungsgemäßen Beteiligung der Personalvertretung im Gerichtsverfahren

Ein - wesentlicher - Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens oder der Disziplinarklageschrift zieht einen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nur dann nach sich, wenn das Verwaltungsgericht die sich aus § 54 Abs. 3 Satz 1 LDG NRW ergebende Verpflichtung verletzt hat, auf die Beseitigung eines wesentlichen Mangels durch den Dienstherrn hinzuwirken. Diese Verpflichtung gilt nach § 65 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW auch für das Berufungsgericht. Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO kann nur der gerichtliche Verstoß gegen § 54 Abs. 3 Satz 1 LDG NRW sein, nicht aber der Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens oder der Disziplinarklageschrift selbst.

Tenor

Die Beschwerde des Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. Juli 2019 wird verworfen.

Der Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Normenkette:

VwGO § 133 Abs. 3 S. 3; LDG NRW § 54 Abs. 3 S. 1; LDG NRW § 67 S. 1;

Gründe

Die Beschwerde des Beklagten ist als unzulässig zu verwerfen. Die auf sämtliche Revisionszulassungsgründe gemäß § 67 Satz 1 LDG NRW i.V.m. § 132 Abs. 2 VwGO gestützte Beschwerde genügt den Darlegungsanforderungen gemäß § 67 Satz 1 LDG NRW i.V.m. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht.

1. Der Beklagte steht im Amt eines Polizeihauptmeisters (Besoldungsgruppe A 8) im Dienst des Klägers. Das Oberverwaltungsgericht hat die vom Verwaltungsgericht ausgesprochene Entfernung des Beklagten aus dem Beamtenverhältnis bestätigt. Der Sachentscheidung über die Disziplinarklage stünden - nach zwischenzeitlich erfolgter Bekanntgabe der Ausdehnungsverfügung an den Beklagten - keine Hinderungsgründe entgegen. Der Einwand der fehlerhaften Beteiligung des Personalrats greife nicht durch. Die Disziplinarklage genüge auch den an ihre Bestimmtheit zu stellenden Anforderungen gerade noch. Nach Lösung von den Feststellungen des abgekürzten Urteils des Amtsgerichts und eigener Prüfung stehe zur Überzeugung des Gerichts fest, dass der Beklagte ein einheitliches Dienstvergehen begangen habe, indem er im Jahr 2007 ein gefundenes Mobiltelefon sowie in den Jahren 2008/2009 in drei Fällen ihm anvertraute Verwarnungsgelder unterschlagen und im Jahr 2009 eine Brieftasche bei einem Polizeieinsatz entwendet habe. Nach der Beschränkung des Verfahrens spielten der Vorwurf, auch noch in weiteren Fällen Verwarnungsgelder unterschlagen zu haben, sowie der Vorwurf des Dienstausübens unter Kokaineinfluss keine Rolle mehr. Das sehr schwerwiegende Dienstvergehen des Beklagten erfordere nach einer Gesamtwürdigung sämtlicher zu berücksichtigender Umstände seine Entfernung aus dem Dienst. Weder persönlichkeitsbezogene Milderungsgründe noch die erhebliche Gesamtdauer des Disziplinarverfahrens von annähernd mehr als acht Jahren könnten das Absehen von der Höchstmaßnahme rechtfertigen.

2. Die Beschwerde legt die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht gemäß § 67 Satz 1 LDG NRW i.V.m. § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO dar.

Die nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO erforderliche Darlegung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO setzt voraus, dass der Beschwerdeführer eine konkrete Frage des revisiblen Rechts bezeichnet und aufzeigt, dass diese Frage sowohl im konkreten Fall entscheidungserheblich als auch allgemein klärungsbedürftig ist. Aus der Beschwerdebegründung muss sich ergeben, dass eine die Berufungsentscheidung tragende rechtliche Erwägung des Berufungsgerichts im Interesse der Rechtseinheit oder der Rechtsfortbildung der Nachprüfung in einem Revisionsverfahren bedarf (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 6. Januar 2012 - 2 B 113.11 - DÖD 2012, 104 und vom 6. Oktober 2016 - 2 B 80.15 - juris Rn. 6). Diesen Anforderungen wird die Beschwerdebegründung nicht gerecht. Sie formuliert schon keine Frage, die auf die grundsätzliche Klärungsbedürftigkeit und -fähigkeit untersucht werden könnte. Eine solche Frage ist dem Beschwerdevorbringen auch nicht der Sache nach zu entnehmen.

3. Gleiches gilt für den Zulassungsgrund der Divergenz (§ 67 Satz 1 LDG NRW i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ).

Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aufgestellten ebensolchen, die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 21. Juli 1988 - 1 B 44.88 - Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 32 S. 5 f., vom 21. Juni 1995 - 8 B 61.95 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 18 S. 5, vom 22. März 2012 - 2 B 148.11 - juris Rn. 4 und vom 4. Juni 2020 - 2 B 26.19 - juris Rn. 30). Daran fehlt es. Die Beschwerde zeigt keine Rechtssatzdivergenz auf. Soweit sie die Entscheidung des Senats vom 28. Februar 2013 - 2 C 62.11 - (Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 19) zitiert und rügt, dass entgegen der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der der Disziplinarklage zugrunde liegende Sachverhalt vor Klageerhebung nicht umfassend aufgeklärt worden sei, stellt sie keine divergenzfähigen Rechtssätze gegenüber, sondern beanstandet die vermeintlich unrichtige Rechtsanwendung im konkreten Fall.

4. Schließlich ist auch der Zulassungsgrund des Verfahrensfehlers (§ 67 Satz 1 LDG NRW i.V.m. § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ) nicht dargelegt.

Der Begriff des Verfahrensmangels im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO erfasst Verstöße des Berufungsgerichts gegen verwaltungsprozessrechtliche Vorschriften und Rechtsgrundsätze. Ein davon prinzipiell zu unterscheidender - wesentlicher - Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens oder der Disziplinarklageschrift zieht einen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nur dann nach sich, wenn das Verwaltungsgericht die sich aus § 54 Abs. 3 Satz 1 LDG NRW ergebende Verpflichtung verletzt hat, auf die Beseitigung eines wesentlichen Mangels durch den Dienstherrn hinzuwirken. Diese Verpflichtung gilt nach § 65 Abs. 1 Satz 1 LDG NRW auch für das Berufungsgericht. Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO kann nur der gerichtliche Verstoß gegen § 54 Abs. 3 Satz 1 LDG NRW sein, nicht aber der Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens oder der Disziplinarklageschrift selbst (vgl. BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2010 - 2 C 15.09 - BVerwGE 137, 192 Rn. 18 f.; Beschlüsse vom 26. Februar 2008 - 2 B 122.07 - Buchholz 235.1 § 55 BDG Nr. 2 Rn. 3 und vom 20. Dezember 2016 - 2 B 127.15 - Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 64 Rn. 6 zur inhaltsgleichen Vorschrift des § 55 Abs. 3 Satz 1 BDG ).

Die Beschwerde hat einen Verstoß des Berufungsgerichts gegen § 54 Abs. 3 Satz 1 LDG NRW in einer den Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO entsprechenden Weise nicht dargelegt.

Die Beschwerdebegründung erschöpft sich in der Behauptung, es liege ein wesentlicher Mangel im Sinne von § 54 LDG NRW vor, weil der Kläger den Beklagten nicht rechtzeitig auf sein Recht der Beteiligung des Personalrats hingewiesen habe und deshalb der Hauptpersonalrat wegen Verfristung nicht mehr am Verfahren habe mitwirken können. Das Vorbringen entbehrt der Grundlage und geht an den Erwägungen des Berufungsgerichts vorbei. Der - wesentliche - Mangel der ordnungsgemäßen Beteiligung der Personalvertretung kann regelmäßig durch eine nachträgliche Durchführung des Mitwirkungsverfahrens im Gerichtsverfahren geheilt werden (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 22. März 1989 - 1 DB 30.88 - BVerwGE 86, 140 <143 f.> und vom 20. Dezember 2013 - 2 B 44.12 - juris Rn. 27). Davon ist das Berufungsgericht - wie die Vorinstanz - ausgegangen und hat die beabsichtigte Disziplinarmaßnahme vom Personalrat als gebilligt (vgl. § 69 Abs. 2 Satz 1 LPVG NRW) angesehen, weil der Antrag des Personalrats auf Einleitung des Stufenverfahrens nach § 69 Abs. 3 LPVG NRW nicht innerhalb der Zweiwochenfrist bei dem Ministerium des Innern des Landes Nordrhein-Westfalen als der dafür zuständigen Behörde gestellt worden sei. Die nicht fristgerechte Antragstellung auf Einleitung des Stufenverfahrens bei der dafür zuständigen Stelle betrifft einen internen Vorgang der Personalvertretung, der die Rechtmäßigkeit der beteiligungspflichtigen Maßnahme des Dienstherrn nicht berührt.

Im Übrigen ist der Beschwerdebegründung auch bei rechtsschutzfreundlicher Auslegung kein tauglicher Anhalt für eine Revisionszulassung wegen eines Verfahrensmangels im gerichtlichen Verfahren in der Berufungsinstanz zu entnehmen. Sie beschränkt sich darauf, Fehler des behördlichen Disziplinarverfahrens zu rügen.

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 74 Abs. 1 LDG NRW i.V.m. § 154 Abs. 2 VwGO . Einer Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes bedarf es nicht, weil für das Beschwerdeverfahren Festgebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 75 LDG NRW erhoben werden.

Vorinstanz: OVG Nordrhein-Westfalen, vom 18.07.2019 - Vorinstanzaktenzeichen A 2175/18