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BVerwG - Entscheidung vom 07.10.2020

2 B 34.20

Normen:
GG Art. 33 Abs. 5
LDG NRW § 59 Abs. 2 S. 2

BVerwG, Beschluss vom 07.10.2020 - Aktenzeichen 2 B 34.20

DRsp Nr. 2020/16655

Streit um die Bemessung einer Disziplinarmaßnahme gegen eine Beamtin vor dem Hintergrund des Vorwurfs einer ungeordneten Schuldenwirtschaft; Vereinbarkeit der Kürzung der Dienstbezüge mit dem Anspruch auf amtsangemessene Alimentation; Anforderungen der Wesentlichkeitstheorie; Anfälligkeit eines Beamten für Korruption aufgrund unsorgfältiger Abwicklung privater finanzieller Verbindlichkeiten

Die unsorgfältige Abwicklung von finanziellen Verbindlichkeiten eines Beamten stellt eine Dienstpflichtverletzung dar, denn ein solcher Beamter ist im erhöhten Maße anfällig für Korruption und beeinträchtigt das Vertrauens der Allgemeinheit in die Integrität der öffentlichen Verwaltung.

Tenor

Die Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Urteil des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen vom 26. Februar 2020 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Normenkette:

GG Art. 33 Abs. 5 ; LDG NRW § 59 Abs. 2 S. 2;

Gründe

Die auf sämtliche Zulassungsgründe gestützte Beschwerde der Beklagten gegen die Nichtzulassung der Revision (§ 67 Satz 1 LDG NRW und § 132 Abs. 2 VwGO ) ist teilweise unzulässig und im Übrigen unbegründet.

1. Die 1962 geborene Beklagte steht als Regierungsamtsrätin (Besoldungsgruppe A 12 BBesO ) im Dienst des klagenden Landes. Seit Anfang Juni 2014 - mit einer Unterbrechung von Dezember 2018 bis Ende März 2019 - ist die Beklagte dienstunfähig erkrankt. Ende Oktober 2016 erhob das klagende Land mit dem Ziel der Entfernung der Beklagten aus dem Beamtenverhältnis Disziplinarklage wegen des Vorwurfs, die Beklagte habe eine ungeordnete Schuldenwirtschaft betrieben, habe ihr gewährte Beihilfeleistungen zweckwidrig - nicht für die Begleichung von Arztrechnungen, sondern zur Tilgung anderer Verbindlichkeiten - verwendet, habe das ihr zugewiesene Dienstfahrzeug ungenehmigt privat genutzt und habe gegen dienstliche Regelungen und Weisungen hinsichtlich der Nutzung dieses Dienstfahrzeugs verstoßen. Es sei der Beklagten zwar weder disziplinarrechtlich vorwerfbar, dass sie Verbindlichkeiten eingegangen sei, noch lägen Anhaltspunkte dafür vor, dass sie beim Eingehen dieser Verbindlichkeiten in der Absicht gehandelt habe, diese nicht, nicht vollständig oder nicht fristgerecht zu bedienen. Vorwerfbar sei jedoch die Abwicklung der Verbindlichkeiten ohne die erforderliche Sorgfalt. Die Beklagte habe es in zahlreichen Fällen zu Pfändungen und mithin zu Titeln gegen sich kommen lassen, statt sich gegen unberechtigte Forderungen zur Wehr zu setzen oder bei berechtigten Forderungen vergleichsweise Regelung zu treffen, um die Schulden abzutragen, ohne den Dienstherrn mit Pfändungen zu befassen. Mithin habe die Beklagte die Vorgänge ignoriert oder die Zahlungen zu Unrecht unterlassen. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte in das Amt einer Regierungsamtfrau (Besoldungsgruppe A 11 BBesO ) versetzt. Auf die Berufung der Beklagten hat das Oberverwaltungsgericht das Urteil des Verwaltungsgerichts abgeändert und die Dienstbezüge der Beklagten für drei Jahre um ein Fünftel gekürzt. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt:

Bei der Abwicklung ihrer Schulden habe die Beklagte leichtfertig gegen Sorgfaltspflichten verstoßen, dabei ihr gewährte Beihilfeleistungen zweckwidrig verwendet und das Fahrtenbuch für das ihr im Zeitraum Oktober 2011 bis März 2014 zur Verfügung gestellte Dienstfahrzeug nicht monatlich vorgelegt; weitere Dienstvergehen fielen ihr nicht zur Last. Die Schwere des Dienstvergehens indiziere eine Herabstufung der Beklagten um eine Stufe in die Besoldungsgruppe A 11 BBesO . Einer der sog. klassischen Milderungsgründe sei nicht gegeben. Für die Beklagte spreche jedoch, dass sie sich in der Berufungsverhandlung einsichtig und geläutert gezeigt habe. Auch seien der Beklagten ihre in der Vergangenheit gezeigten dienstlichen Leistungen, welche die Anforderungen übertroffen hätten, zugutezuhalten. Auch ließen die in der mündlichen Verhandlung geschilderten Lebensumstände aufgrund der sich über mehrere Jahre hinweg hinziehenden Trennung von ihrem Ehemann das Fehlverhalten der Beklagten in einem milderen Licht erscheinen. Die Dauer des Disziplinarverfahrens von über fünf Jahren wirke sich ebenfalls mildernd aus. Dementsprechend sei das Dienstvergehen mit der Kürzung der Dienstbezüge zu ahnden.

2. Die Rechtssache hat nicht die grundsätzliche Bedeutung (§ 67 Satz 1 LDG NRW und § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ), die ihr die Beschwerde der Beklagten beimisst.

Grundsätzliche Bedeutung (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO ) hat eine Rechtssache nur dann, wenn sie eine - vom Beschwerdeführer zu bezeichnende - grundsätzliche, bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder einer Weiterentwicklung des Rechts revisionsgerichtlicher Klärung bedarf und die für die Entscheidung des Revisionsgerichts erheblich sein wird (stRspr, BVerwG, Beschluss vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.>). Das ist hier nicht der Fall.

a) Die Beschwerde der Beklagten sieht die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache zunächst in den Fragen

"Ist es bei einer verfassungsmäßigen Auslegung des § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG und des § 13 LDG NRW zulässig, allein aufgrund der (angeblich) ungeordneten Vermögensverhältnisse eine Disziplinarmaßnahme zu verhängen, insbesondere eine Maßnahme, die die Vermögenssituation des Beamten (weiter) aushöhlt oder zerstört (durch Geldbuße, Kürzung der Dienstbezüge, Zurückstufung oder Entfernung) und damit Rechte der Gläubiger beeinträchtigt, gleichgültig, ob bereits eine Einzel- oder Gesamtvollstreckung stattfindet oder eventuell (u.U. durch die Disziplinarmaßnahme ausgelöst) drohen könnte?"

"Und gilt dies auch nach Abschluss solcher Vollstreckungsmaßnahmen?"

Diese beiden zusammenhängenden Fragen können schon deshalb nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache führen, weil sie im angestrebten Revisionsverfahren nicht rechtsgrundsätzlich geklärt werden könnten. Die aufgeworfenen Fragen tragen den entscheidenden Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts zum Gehalt des der Beklagten anzulastenden Dienstvergehens nicht Rechnung.

Das Berufungsgericht hat unter III. der Entscheidungsgründe seines Urteils eingehend dargelegt (UA S. 30 bis 41), welche Dienstpflichtverletzungen der Beklagten aufgrund des von ihm festgestellten Geschehensablaufs anzulasten und welche Verhaltensweisen der Beklagten gerade nicht als dienstpflichtwidrig anzusehen sind.

Anhaltspunkte für die Leichtfertigkeit beim Eingehen von Schulden, die als begrenzendes Merkmal der Pflichtwidrigkeit gegeben sein muss, hat das Oberverwaltungsgericht gerade nicht festgestellt. Auch hat das Berufungsgericht die Annahme ausgeschlossen, die Beklagte habe bei Eingehung der verschiedenen Verbindlichkeiten jeweils einen Eingehungsbetrug begangen. Ferner hat es ausgehend von seinen tatsächlichen Feststellungen als ausgeschlossen angesehen, dass die Beklagte bei der Abwicklung ihrer wesentlichen Verbindlichkeiten gegenüber bestimmten Gläubigern - der N. Sparkasse, dem Herrn A., der Volksbank M. und den Rechtsanwälten H. - dienstpflichtwidrig gehandelt hat. Demgegenüber hat das Berufungsgericht eine Dienstpflichtverletzung darin begründet gesehen, dass die Beklagte ihre Schulden aus Arzt- und Krankenhausleistungen nicht mit der gebotenen Sorgfalt getilgt hat. Insbesondere habe die Beklagte in den - 20 - Fällen, in denen sie vom Kläger im Hinblick auf Arztrechnungen Beihilfeleistungen erhalten habe, diese ihr gewährten Gelder sowie die Leistungen aus ihrer privaten Krankenzusatzversicherung wissentlich und willentlich anderweitig - zur Deckung anderer Verbindlichkeiten - verwendet. Ferner habe die Beklagte in weiteren 27 Fällen der gegen sie erwirkten Pfändungs- und Überweisungsbeschlüsse aus ärztlichen Honorarforderungen nicht oder nicht rechtzeitig Beihilfeleistungen beantragt. In diesen insgesamt 47 Fällen habe die Beklagte ihre außerdienstliche Pflicht zu einer geordneten Wirtschaftsführung verletzt. Eine Dienstpflichtverletzung sei auch gegeben, wenn sich der Beamte beim Abwickeln der Verbindlichkeiten unlauter oder unredlich verhalten oder wenn er seine Schulden nicht mit der ihm möglichen, gebotenen und zumutbaren Sorgfalt tilge und dadurch die Gefahr gerichtlicher Maßnahmen gegen ihn heraufbeschwöre. Entgegen ihren Dienstpflichten habe die Beklagte auch dadurch gehandelt, dass sie das Fahrtenbuch für das ihr im Zeitraum Oktober 2011 bis März 2014 zur Verfügung gestellte Dienstfahrzeug nicht monatlich vorgelegt habe. Weitere Dienstpflichtverletzungen der Beklagten hat das Berufungsgericht gerade ausgeschlossen.

Mit diesen eingehenden und differenzierten Erwägungen des Oberverwaltungsgerichts ist die zentrale Annahme der aufgeworfenen Fragen unvereinbar, gegen die Beklagte sei "allein" aufgrund ihrer (angeblich) ungeordneten Vermögensverhältnisse eine Disziplinarmaßnahme verhängt worden.

b) Auch die weitere von der Beschwerde ausdrücklich aufgeworfene Frage,

"ob Art. 24 Abs. 2 Satz 2 LV NRW mit der landesverfassungsrechtlichen Garantie gleichen Lohns für gleiche Tätigkeit und gleiche Leistung auch auf Beamte Anwendung findet und ob dies einer Kürzung der Bezüge im Disziplinarverfahren landesverfassungsrechtliche Grenzen setzt bzw. dieser entgegensteht"

führt nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache, weil sie im Revisionsverfahren nicht zu entscheiden wäre.

Für die finanziellen Ansprüche des Beamten gegen seinen Dienstherrn ist nicht Art. 24 Abs. 2 LV NRW maßgeblich, sondern Art. 33 Abs. 5 GG . Das durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistete Alimentationsprinzip verpflichtet den Dienstherrn, Beamte sowie ihre Familien lebenslang angemessen zu alimentieren und ihnen nach ihrem Dienstrang, nach der mit ihrem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung der rechtsprechenden Gewalt und des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren. Damit wird der Bezug der Besoldung sowohl zu der Einkommens- und Ausgabensituation der Gesamtbevölkerung als auch zur Lage der Staatsfinanzen, d.h. zu der sich in der Situation der öffentlichen Haushalte ausdrückenden Leistungsfähigkeit des Dienstherrn, hergestellt. Die Besoldung stellt in diesem Zusammenhang kein Entgelt für bestimmte Dienstleistungen dar. Sie ist vielmehr ein "Korrelat" des Dienstherrn für die mit der Berufung in das Richter- und Beamtenverhältnis verbundene Pflicht, unter Einsatz der ganzen Persönlichkeit - grundsätzlich auf Lebenszeit - die volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen und gemäß den jeweiligen Anforderungen die Dienstpflichten nach Kräften zu erfüllen. Die Gewährleistung einer rechtlich und wirtschaftlich gesicherten Position, zu der die individuelle Garantie einer amtsangemessenen Besoldung und Versorgung durch das Alimentationsprinzip und die Möglichkeit ihrer gerichtlichen Durchsetzung wesentlich beitragen, bildet die Voraussetzung und innere Rechtfertigung für die lebenslange Treuepflicht sowie das Streikverbot (BVerfG, Beschluss vom 4. Mai 2020 - 2 BvL 4/18 - Rn. 23 f.).

In der gerichtlichen Praxis sind die von den Verwaltungsgerichten auf gesetzlicher Grundlage ausgesprochenen Disziplinarmaßnahmen im Hinblick auf ihre finanziellen Folgen für den betroffenen Beamten wie auch für dessen Gläubiger, wie etwa die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis (BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2019 - 2 C 3.18 - BVerwGE 166, 389 Rn. 20 ff.), die Zurückstufung (BVerwG, Urteil vom 29. Juli 2010 - 2 A 4.09 - Rn. 200 ff.) und auch die Kürzung der Dienstbezüge (BVerwG, Urteil vom 27. Januar 2011 - 2 A 5.09 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 17 Rn. 36 ff.), nicht als mit dem aus Art. 33 Abs. 5 GG folgenden Anspruch auf amtsangemessene Alimentation unvereinbar angesehen worden.

Im Übrigen bedarf es, wenn entsprechend der Beschwerde von der Geltung des Art. 24 Abs. 2 Satz 2 LV NRW und der Interpretation durch das Bundesarbeitsgericht ausgegangen wird, auch nicht des angestrebten Revisionsverfahrens, um festzustellen, dass es sich bei einer vom Gericht im Disziplinarverfahren ausgesprochenen Kürzung der Bezüge eines Beamten als Folge eines Dienstvergehens nicht um eine "willkürliche, aus Launenhaftigkeit geborene, differenzierende Lohnfestsetzung" handelt.

c) Bei rechtsschutzfreundlicher Auslegung lassen sich dem Beschwerdevorbringen - ohne dass eine Frage konkret formuliert und dadurch herausgestellt wird - darüber hinaus einige Fragen entnehmen, denen nach der Einschätzung der Beklagten rechtsgrundsätzliche Bedeutung zukommt. Aber auch diese führen nicht zur Zulassung der Revision nach § 67 Satz 1 LDG NRW und § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO .

aa) Die Anforderungen der Wesentlichkeitstheorie führen nicht zur Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache.

Es bedarf nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens, um festzustellen, dass die denkbaren Formen der Verletzung von Dienstpflichten durch einen Beamten so vielgestaltig sind, dass selbst eine typologische Beschreibung oder die Bildung von Fallgruppen von Dienstpflichtverletzungen mit Vorgaben für ihre disziplinarrechtliche Ahndung unmittelbar durch den Gesetzgeber - etwa im Sinne eines Sanktionenkatalogs - ausgehend von den Vorgaben des § 13 LDG NRW ausscheiden muss. Das Bundesverfassungsgericht sieht die Generalklauseln der §§ 33 ff. BeamtStG auch unter dem strengen, auf das Disziplinarrecht anwendbaren Maßstab des Art. 103 Abs. 2 GG als unproblematisch an. Es weist ausdrücklich darauf hin, dass eine vollständige Aufzählung der mit einem Beruf verbundenen Pflichten nicht möglich und in der Regel auch nicht nötig ist. Denn es handelt sich um Normen, die nur den Kreis der Berufsangehörigen betreffen, sich aus der ihnen gestellten Aufgabe ergeben und daher für sie im Allgemeinen leicht erkennbar sind (BVerfG, Kammerbeschluss vom 6. Mai 2008 - 2 BvR 337/08 - NJW 2008, 2568 Rn. 24 m.w.N.). Im Übrigen berücksichtigt die Beklagte insoweit nicht, dass im Falle der Erhebung der Disziplinarklage, wie hier, die Disziplinarmaßnahme gerade nicht der freien Entscheidung des Dienstherrn überlassen ist. Denn im Falle der Erhebung der Disziplinarklage ist die Bemessung der Disziplinarmaßnahme Sache des Gerichts (§ 59 Abs. 2 Satz 2 LDG NRW), die diese unabhängig von den disziplinarrechtlichen Wertungen des Dienstherrn festsetzt (BVerwG, Urteil vom 3. Mai 2007 - 2 C 9.06 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 3 Rn. 11).

bb) Es bedarf auch nicht der Durchführung eines Revisionsverfahrens zur Klärung des Umstands, dass ein Beamter - wie jeder andere Bürger auch - private Verbindlichkeiten begründen darf. Die Dienstpflichtverletzung besteht nicht in der Begründung, sondern in der unsorgfältigen Abwicklung der finanziellen Verbindlichkeiten. Ein Beamter, der die von ihm begründeten finanziellen Verbindlichkeiten nicht sorgfältig abwickelt, ist zum einen im erhöhten Maße anfällig für Korruption. Zum anderen erweckt ein Beamter, der es trotz eines Anspruchs auf Beihilfeleistungen und Leistungen seiner privaten Krankenversicherung im Hinblick auf Leistungen von Ärzten und Krankenhäusern zu Zwangsvollstreckungsmaßnahmen kommen lässt, Zweifel daran, dass er seinen dienstlichen Verpflichtungen mit der dafür erforderlichen Sorgfalt nachkommt. Dies beeinträchtigt das Vertrauen der Allgemeinheit in die Integrität der öffentlichen Verwaltung.

3. Die Revision ist auch nicht wegen der von der Beklagten geltend gemachten Divergenz (§ 67 Satz 1 LDG NRW und § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO ) zuzulassen.

Eine die Revision eröffnende Divergenz ist nur dann im Sinne des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung eines divergenzfähigen Gerichts aufgestellten ebensolchen die Entscheidung dieses Gerichts tragenden Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 9. April 2014 - 2 B 107.13 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 20 Rn. 3 und vom 12. Juli 2018 - 2 B 17.18 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 118 Rn. 7 jeweils m.w.N.). Das Aufzeigen einer fehlerhaften oder unterbliebenen Anwendung von Rechtssätzen, die das Bundesverwaltungsgericht in seiner Rechtsprechung aufgestellt hat, genügt weder den Zulässigkeitsanforderungen einer Divergenz- noch denen einer Grundsatzrüge (vgl. BVerwG, Beschluss vom 17. Januar 1995 - 6 B 39.94 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 342 S. 55).

a) In Bezug auf die geltend gemachte Abweichung des Berufungsurteils vom Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Oktober 1977 - 2 BvR 80/77 - (BVerfGE 46, 17 ) ist die Beschwerde unzulässig. Denn es wird nicht dargelegt, inwieweit das Oberverwaltungsgericht von diesem Beschluss rechtssatzmäßig abgewichen sein soll.

b) Im Hinblick auf die geltend gemachte Abweichung des Berufungsurteils vom Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 21. März 2001 - 1 D 29.00 - (BVerwGE 114, 88 ) ist die Divergenzrüge unbegründet. Denn das Oberverwaltungsgericht ist nicht rechtssatzmäßig von diesem Urteil abgewichen.

Zunächst ist darauf zu verweisen, dass sich das herangezogene Urteil vom 21. März 2001 auf § 9 Abs. 1 BDO bezieht, während Maßstab für die Bemessung der konkreten Disziplinarmaßnahme hier § 8 Abs. 1 LBG NRW ist. § 8 Abs. 1 LBG NRW weicht, wie auch § 8 Abs. 1 BDG , von § 9 Abs. 1 BDO insoweit wesentlich ab, als der Gesetzgeber die Laufzeit der Maßnahme auf höchstens drei Jahre erheblich verkürzt hat ( BDO : fünf Jahre).

Maßgeblich ist aber, dass das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 21. März 2001 keine absoluten Höchstgrenzen - 1/25 bei Beamten des einfachen Dienstes, 1/20 bei Beamten des mittleren Dienstes und 1/10 bei Beamten des gehobenen und höheren Dienstes bis zur Besoldungsgruppe A 16 - vorgegeben hat. Solche Höchstgrenzen hätten ohnehin der gesetzlichen Regelung in § 9 Abs. 1 Satz 1 BDO ("um höchstens ein Fünftel und auf längstens fünf Jahre") widersprochen. Vielmehr handelt es sich um Überlegungen für den Regelfall, von denen im konkreten Einzelfall ohne Weiteres abgewichen werden kann.

Ohne dass es für den Zulassungsgrund der Divergenz entscheidend ist, ist zur Erläuterung der Bemessung der Kürzung der Dienstbezüge der Beklagten darauf zu verweisen, dass das Oberverwaltungsgericht (UA S. 43 ff.) angenommen hat, die Schwere des Dienstvergehens der Beklagten indiziere die - schwerer wiegende - Herabstufung nach § 9 Abs. 1 LDG NRW um eine Stufe von der Besoldungsgruppe A 12 BBesO in die Besoldungsgruppe A 11 BBesO , mildernde Umstände führten jedoch zur milderen Maßnahme der Kürzung der Dienstbezüge.

c) Auch das Vorbringen zu der von der Beklagten geltend gemachten Divergenz des Berufungsurteils vom Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 2. Dezember 2013 - D 6 B 147/12 - führt nicht zur Zulassung der Revision.

Dies folgt bereits daraus, dass der herangezogene Beschluss des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 2. Dezember 2013 die Einbehaltung der Dienstbezüge nach § 38 Abs. 2 SächsDG (entspricht § 38 Abs. 2 BDG ) zum Gegenstand hat, während es beim Berufungsurteil um die Kürzung der Dienstbezüge als Disziplinarmaßnahme geht.

4. Schließlich führt auch das Vorbringen der Beklagten zu angeblichen Mängeln des behördlichen Disziplinarverfahrens, der Disziplinarklageschrift oder des Verfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht nicht zur Zulassung der Revision (§ 67 Satz 1 LDG NRW und § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ).

a) Das Vorbringen in der Beschwerdebegründung zu - angeblichen - Fehlern im behördlichen Disziplinarverfahren oder der Disziplinarklageschrift als solchen führt nicht zum Erfolg der Beschwerde.

Der Begriff des Verfahrensmangels im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO meint lediglich Verstöße des Berufungsgerichts gegen verwaltungsprozessrechtliche Vorschriften und Rechtsgrundsätze. Ein davon zu unterscheidender - wesentlicher - Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens oder der Disziplinarklageschrift zieht einen Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO nur dann nach sich, wenn das Berufungsgericht die sich aus § 65 Abs. 1 und § 54 LDG NRW ergebende Verpflichtung verletzt hat, auf die Beseitigung eines wesentlichen Mangels durch den Dienstherrn hinzuwirken. Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO kann nur der gerichtliche Verstoß gegen § 65 Abs. 1 und § 54 LDG NRW sein, nicht aber der Mangel des behördlichen Disziplinarverfahrens oder der Disziplinarklageschrift selbst (BVerwG, Urteil vom 24. Juni 2010 - 2 C 15.09 - BVerwGE 137, 192 Rn. 18 f.; Beschlüsse vom 26. Februar 2008 - 2 B 122.07 - Buchholz 235.1 § 55 BDG Nr. 2 Rn. 3 und vom 20. Dezember 2016 - 2 B 127.15 - Buchholz 310 § 96 VwGO Nr. 64 Rn. 6).

b) Die nicht näher erläuterten Ausführungen der Beklagten in der Beschwerdebegründung zum "Durchschlagen" der von ihr geltend gemachten Mängel des behördlichen Disziplinarverfahrens "auf das gerichtliche Disziplinarverfahren" genügen nicht den Anforderungen des § 67 Satz 1 LDG NRW und § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO . Denn danach muss in der Beschwerde der Verfahrensmangel des Oberverwaltungsgerichts dargelegt werden, auf dem dessen Entscheidung beruhen kann.

c) Unbegründet ist die Rüge, das Oberverwaltungsgericht hätte nach dem auch im Disziplinarrecht geltende Grundsatz "im Zweifel für den Angeklagten" davon ausgehen müssen, dass die Anordnung zur Vorlage der Fahrtenbücher durch eine konträre Verwaltungspraxis in dem Sinne überholt gewesen sei, dass es erst wieder einer ausdrücklichen Anordnung zur Beachtung der Vorgaben zur Vorlage der Fahrtenbücher durch den klagenden Dienstherrn bedurft hätte.

Das Oberverwaltungsgericht hat aber keine Anhaltspunkte für die Annahme festgestellt, im Geschäftsbereich des Landesbetriebes Wald und Holz sei die Verpflichtung aus § 25 Abs. 5 der Richtlinie über die Haltung und Benutzung von Dienstfahrzeugen im Lande Nordrhein-Westfalen (RdErl. d. Finanzministeriums vom 5. März 1999) tatsächlich generell nicht mehr mit der Folge beachtet worden, dass die im Runderlass des Finanzministeriums geregelte Verpflichtung zur monatlichen Vorlage des Fahrtenbuchs bei der Kraftfahrzeugsachbearbeitung oder der Fahrdienstleitung erst wieder - mündlich oder schriftlich - in Kraft hätte gesetzt werden müssen. Eine solche Verwaltungspraxis entgegen der ausdrücklichen Vorgabe der Richtlinie ist aber Voraussetzung für die Anwendung des Grundsatzes "in dubio pro reo".

d) Unbegründet ist ferner die Rüge, das Oberverwaltungsgericht habe "unvollständig Beweis" erhoben (2.3.2.3 der Beschwerdebegründung).

Herangezogen wird von der Beschwerde insoweit ausdrücklich § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO . Danach entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Die Beweiswürdigung einer Tatsacheninstanz ist der Beurteilung des Revisionsgerichts nur insoweit unterstellt, als es um Verfahrensfehler im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO geht. Rügefähig ist damit nicht das Ergebnis der Würdigung, sondern nur ein Verfahrensvorgang auf dem Weg dorthin. Derartige Mängel liegen insbesondere vor, wenn das angegriffene Urteil von einem falschen oder unvollständigen Sachverhalt ausgeht, also etwa entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder auf einer aktenwidrigen Tatsachengrundlage basiert (BVerwG, Beschlüsse vom 13. Februar 2012 - 9 B 77.11 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 73 Rn. 7 und vom 23. Dezember 2015 - 2 B 40.14 - Buchholz 449 § 3 SG Nr. 82 Rn. 53 m.w.N.). Das Gericht darf nicht in der Weise verfahren, dass es einzelne erhebliche Tatsachenfeststellungen oder Beweisergebnisse nicht in die rechtliche Würdigung einbezieht, insbesondere Umstände übergeht, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen. In solchen Fällen fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts, auch wenn die darauf basierende rechtliche Würdigung als solche nicht zu beanstanden ist (BVerwG, Urteile vom 2. Februar 1984 - 6 C 134.81 - BVerwGE 68, 338 <339> und vom 5. Juli 1994 - 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <208 f.>; Beschlüsse vom 18. November 2008 - 2 B 63.08 - Buchholz 235.1 § 17 BDG Nr. 1 Rn. 27, vom 31. Oktober 2012 - 2 B 33.12 - NVwZ-RR 2013, 115 Rn. 12, vom 20. Dezember 2013 - 2 B 35.13 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 21 Rn. 19 und vom 25. Juni 2019 - 2 B 66.18 - Rn. 4).

Im Hinblick auf die persönlichen Verhältnisse der Beklagten ist dem Berufungsgericht kein Verfahrensfehler anzulasten. Zwar weist das Vorbringen der Beklagten in der Beschwerdebegründung auf eine vermeintliche Verletzung von § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO hin. Der Sache nach geht es aber in erster Linie (Beschwerdebegründung S. 54) um die - angeblich - unzureichenden Ermittlungen des Oberverwaltungsgerichts hinsichtlich der sonstigen Einnahmen und Verpflichtungen der Beklagten. Der damit geltend gemachte Verstoß gegen die Verpflichtung zur Ermittlung des Sachverhalts von Amts wegen (§ 57 Abs. 1 und § 65 Abs. 1 LDG NRW sowie § 3 Abs. 1 LDG NRW und § 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO ) ist unbegründet. Ausweislich des Protokolls der Berufungsverhandlung hat die Beklagte dort keinen entsprechenden Beweisantrag gestellt. Die Beklagte legt in der Beschwerde aber auch nicht dar, dass sich dem Oberverwaltungsgericht aufgrund bestimmter Anhaltspunkte die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken von Amts wegen hätten aufdrängen müssen (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 22. Januar 1969 - 6 C 52.65 - BVerwGE 31, 212 <217 f.>; Beschlüsse vom 6. März 1995 - 6 B 81.94 - Buchholz 310 § 86 Abs. 1 VwGO Nr. 265 S. 8, vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 <n.F.> VwGO Nr. 26 S. 14 f. und vom 18. Juni 1998 - 8 B 56.98 - Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 154 S. 475).

e) Das Vorbringen unter 2.3.2.4 der Beschwerdebegründung lässt einen Verfahrensfehler des Oberverwaltungsgerichts nicht erkennen. Vielmehr geht es nach dem Vorbringen der Beklagten um den nach ihrer Einschätzung unrichtigen rechtlichen Ansatz des Berufungsgerichts hinsichtlich der vermeintlichen "Zweckbindung" von Beihilfeleistungen des Dienstherrn auch nach deren Auszahlung an den Beamten.

5. Der Schriftsatz des Bevollmächtigten der Beklagten vom 21. September 2020 enthält im Hinblick auf die rechtzeitig geltend gemachten Zulassungsgründe keine Ausführungen, die Anlass für eine weitergehende Bescheidung der Beschwerde geben (vgl. auch § 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO ).

6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 74 Abs. 1 LDG NRW und § 154 Abs. 2 VwGO . Einer Festsetzung des Streitwerts bedarf es nicht, weil für das Beschwerdeverfahren Festgebühren nach dem Gebührenverzeichnis der Anlage zu § 75 LDG NRW erhoben werden.

Vorinstanz: OVG Nordrhein-Westfalen, vom 26.02.2020 - Vorinstanzaktenzeichen A 4281/18