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BVerwG - Entscheidung vom 16.07.2020

2 C 15.19

Normen:
USG 2015 § 11
GG Art. 3 Abs. 1
USG (2015) § 11
GG Art. 3 Abs. 1
USG § 11
GG Art. 3 Abs. 1

BVerwG, Urteil vom 16.07.2020 - Aktenzeichen 2 C 15.19

DRsp Nr. 2020/13505

Streit um den Umfang von Dienstgeld für einen Reservistendienst; Höhe des Dienstgeldes für einen dreitägigen Reservistendienst von Freitag bis Sonntag; Notwendigkeit der Aufspaltung eines dreitägigen Reservistendienstes von Freitag bis Sonntag in einen zweitägigen Reservistendienst am Wochenende und in einen Reservistendienst am Freitag

Auch für einen Reservistendienst, der nicht auf das Wochenende beschränkt war, sondern sich auch auf einen anderen Wochentag erstreckte, war für die auf das Wochenende entfallenden Tage ein erhöhtes Dienstgeld nach § 11 USG 2015 i.V.m. der Anlage 2 Spalte 5 zu gewähren.

Tenor

Das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 8. August 2019 wird aufgehoben.

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 23. Mai 2018 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens.

Normenkette:

USG § 11 ; GG Art. 3 Abs. 1 ;

Gründe

I

Der Kläger - ein Rechtsanwalt und Leutnant der Reserve - leistete in der Zeit vom 22. bis 24. Januar 2016 (Freitag bis Sonntag) Reservistendienst. Das Bundesamt für das Personalmanagement der Bundeswehr bewilligte dem Kläger für die Wehrübung Dienstgeld und setzte den Tagessatz nach Spalte 4 der Tabelle in Anlage 2 zum Unterhaltssicherungsgesetz - USG - auf jeweils 37,02 € fest.

Auf die nach erfolglos durchgeführtem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide verpflichtet, dem Kläger für den von ihm am Samstag, den 23. Januar 2016, und am Sonntag, den 24. Januar 2016, geleisteten Wehrdienst ein Dienstgeld nach § 11 USG i.V.m. Spalte 5 der Tabelle in Anlage 2 zu gewähren. Seine Entscheidung hat es wie folgt begründet: Bei dem vom Kläger am Samstag und Sonntag geleisteten Wehrdienst habe es sich um einen zweitägigen Wehrdienst am Wochenende im Sinne von Spalte 5 gehandelt. Unerheblich sei, dass der Kläger zusätzlich am Freitag Wehrdienst geleistet habe. Die Aufteilung einer Wehrübung in normale Übungstage und solche am Wochenende sei möglich und geboten.

Das Oberverwaltungsgericht hat das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe nur einen Anspruch auf Dienstgeld nach § 11 USG i.V.m. Spalte 4 der Tabelle in Anlage 2. § 11 USG i.V.m. den Spalten 4 und 5 der Anlage sei dahingehend auszulegen, dass Dienstgeld für einen ein- oder zweitägigen Reservistendienst am Wochenende nach Spalte 5 nur gewährt werde, wenn der Reservist seinen Reservistendienst ausschließlich am Wochenende geleistet habe; in allen übrigen Fällen, in denen der Reservistendienst auch oder nur an Werktagen geleistet werde, komme lediglich ein Dienstgeld nach Spalte 4 in Betracht. Die Beweggründe des Gesetzgebers sowie Sinn und Zweck des § 11 USG sprächen gegen die vom Verwaltungsgericht vorgenommene Auslegung. Ausgehend von der zu § 11 USG geäußerten gesetzgeberischen Vorstellung, die Vorschrift des § 8 des Wehrsoldgesetzes gewissermaßen fortzuführen, könne hier an die Intentionen des Gesetzgebers zu der Vorgängerbestimmung angeknüpft werden. Danach habe einerseits eine Entlastung der Verwaltung und der Truppe von jeder vermeidbaren Arbeit und andererseits eine angemessene Abfindung bei Kurzwehrübungen erreicht werden sollen; das sachliche Ziel der Verwaltungsvereinfachung und Praktikabilität sei besonders betont worden.

Mit dieser Auslegung werde auch keine mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbare Besserstellung von Reservistendienst Leistenden, die eine Wehrübung nur am Wochenende absolvierten, gegenüber denjenigen bewirkt, deren Wehrübung auch das Wochenende erfasse. Die Benachteiligung bei einer "verlängerten" Wochenendübung im Verhältnis zu einer "reinen" Wochenendübung erschöpfe sich im Ergebnis in einem Tagessatz für eine Reservistendienstleistungsprämie nach § 10 Abs. 1 USG , die noch dazu durch die Vergünstigungen nach den in den §§ 6 und 7 USG enthaltenen Regelungen über den Verdienstausfall "aufgefangen" werde. Die Schlechterstellung sei nur von geringer Natur und könne das Interesse des Gesetzgebers, die Verwaltung und die Truppe von vermeidbarem Aufwand zu entlasten, nicht aufwiegen.

Hiergegen richtet sich die bereits vom Oberverwaltungsgericht zugelassene Revision des Klägers, mit der er beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 8. August 2019 aufzuheben und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Berlin vom 23. Mai 2018 zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

II

Die Revision des Klägers - über die der Senat gemäß § 101 Abs. 2 , § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann - ist begründet. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ). Das Oberverwaltungsgericht ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass der dreitägige Reservistendienst, den der Kläger von einem Freitag bis zu einem Sonntag geleistet hat, nicht in einen zweitägigen Reservistendienst am Wochenende und in einen Reservistendienst am Freitag aufzuspalten, sondern einheitlich mit dem für den Freitag vorgesehenen Dienstgeld abzugelten ist. Auch für einen Reservistendienst, der nicht auf das Wochenende beschränkt war, sondern sich auch auf einen anderen Wochentag erstreckte, war für die auf das Wochenende entfallenden Tage ein erhöhtes Dienstgeld zu gewähren.

Nach § 11 des Gesetzes über die Leistungen an Reservistendienst Leistende und zur Sicherung des Unterhalts der Angehörigen von freiwilligen Wehrdienst Leistenden - Unterhaltssicherungsgesetz ( USG ) in der Fassung vom 29. Juni 2015 (BGBl. I S. 1070 ) - erhalten Reservistendienst Leistende, die gemäß ihrem Heranziehungsbescheid nicht mehr als drei Tage Reservistendienst leisten, statt der Leistungen nach § 10 USG ein Dienstgeld nach den Spalten 4 und 5 der Tabelle in Anlage 2. Spalte 4 dieser Tabelle sieht nach Dienstgrad gestaffelte Beträge für "Dienstgeld (§ 11)" vor, Spalte 5 regelt solche Beträge für "Dienstgeld für ein- oder zweitägigen Wehrdienst am Wochenende (§ 11)". Seit dem 1. Januar 2020 gilt nach dem nunmehr so bezeichneten Gesetz über die Leistungen zur Sicherung des Unterhalts von Reservistendienst Leistenden - Unterhaltssicherungsgesetz - vom 4. August 2019 (BGBl. I S. 1147 ) eine andere Regelung des Dienstgeldes (vgl. § 14 dieses Gesetzes).

Der Wortlaut des § 11 USG i.V.m. der Tabelle in der Anlage gibt kein Auslegungsergebnis zwingend vor. Dass Reservistendienst Leistende "ein Dienstgeld nach den Spalten 4 und 5 der Tabelle in Anlage 2" erhalten und die Tabelle in der Anlage zwischen "Dienstgeld (§ 11)" und "Dienstgeld für ein- oder zweitägigen Wehrdienst am Wochenende (§ 11)" unterscheidet, lässt eine Auslegung, dass in einem konkreten Anwendungsfall beide Spalten kumulativ zur Anwendung kommen, ebenso zu wie eine Auslegung, dass die beiden Spalten nur alternativ zur Anwendung kommen. Die Frage, ob bei einem Reservistendienst, der sowohl an einem Wochenendtag als auch an einem Wochentag stattfindet, nur die Spalte 4 zur Anwendung kommt - so das Oberverwaltungsgericht- oder die Spalten 4 und 5 heranzuziehen sind - so das Verwaltungsgericht -, ist nach dem Gesetzeswortlaut offen.

Da auch die Gesetzessystematik unergiebig ist, kann das Auslegungsergebnis in erster Linie aus Sinn und Zweck der Bestimmung unter Berücksichtigung ihrer Entstehungsgeschichte gewonnen werden. Danach ist für einen Reservistendienst, der - wie hier - von Freitag bis Sonntag dauert, für den Samstag und den Sonntag ein "Dienstgeld für ein- oder zweitägigen Wehrdienst am Wochenende" nach § 11 USG i.V.m. Anlage 2 Spalte 5 und für den Freitag ein "Dienstgeld" nach § 11 USG i.V.m. Anlage 2 Spalte 4 zu zahlen. Denn Sinn und Zweck des höheren Dienstgeldes für Reservistendienst am Wochenende gegenüber Reservistendienst an sonstigen Tagen ist die mit dem Reservistendienst am Wochenende verbundene besondere Belastung, nämlich die damit verbundene Einbuße an - außerhalb der normalen Dienst- und Arbeitszeit gelegener - Freizeit. Dieser Sinn und Zweck, der in der Gesetzesbegründung zu § 8 des Wehrsoldgesetzes ( WSG ) formuliert ist (vgl. BT-Drs. IV/2346 S. 20 zu dem damaligen § 7a des Entwurfs), liegt unverändert auch § 11 USG i.V.m. Anlage 2 Spalte 5 zugrunde (vgl. BT-Drs. 18/4632 S. 1). Die mit dem erhöhten Dienstgeld abzugeltende Belastung für einen Wehrdienst am Wochenende wird aber nicht dadurch geringer, dass der Reservistendienst Leistende außer am Wochenende zusätzlich auch noch an einem weiteren Tag- und damit sogar länger - Dienst leistet.

Dem lässt sich auch nicht mit dem Oberverwaltungsgericht entgegenhalten, dass der Gesetzgeber, der § 11 USG an die Stelle des § 8 WSG setzte, nichts substanziell ändern wollte. Zwar wird in dem betreffenden Gesetzentwurf zu § 11 USG -E ausgeführt, diese Vorschrift entspreche dem derzeitigen § 8 des Wehrsoldgesetzes (BT-Drs. 18/4632, S. 32). Allerdings ist die Regelungssystematik und sind die Regelungsinhalte des § 11 i.V.m. der Anlage 2 und der Tabelle anders als in § 8 WSG . Deshalb kann dieser Einordnung in der Entstehungsgeschichte nur eine Bedeutung dahingehend zukommen, dass es sich um den identischen Regelungsgegenstand mit teilweise übereinstimmenden Inhalten handelt. Dies aber ist für die vorliegende Auslegungsfrage unerheblich.

Die mit der geringeren Höhe des Dienstgeldes für einen Wochenendtag verbundene Schlechterstellung derjenigen, die von Freitag bis Sonntag Reservistendienst leisten, gegenüber denjenigen, die nur am Wochenende Reservistendienst leisten, wäre auch entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts mangels eines die Unterscheidung rechtfertigenden Grundes nicht mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar.

Zum einen kann die Heranziehung des zu § 8 WSG (zu dem damaligen § 7a des Entwurfs) entstehungsgeschichtlich formulierten gesetzgeberischen Zweckes der "Entlastung der Verwaltung und der Truppe von jeder vermeidbaren, mit Dauer, Inhalt und Zweck der Alarmübungen und der Ausbildung der Territorialreserve nicht zu vereinbarenden Arbeit" (vgl. BT-Drs. IV/2346, S. 19 f.) - also Verwaltungsvereinfachung und Praktikabilität (vgl. auch OVG Saarlouis, Urteil vom 29. April 1993 - 1 R 85/90 - juris Rn. 23) - die Ungleichbehandlung nicht rechtfertigen. Denn die Berechnung der Höhe des Dienstgeldes in zwei Schritten (Tagessatz X für Freitag, Tagessatz Y für Samstag und Sonntag) statt in einem Schritt (Tagessatz X für Freitag bis Sonntag) verursacht nur einen marginalen Mehraufwand. Der Verwaltungsaufwand für die Berechnung des Dienstgeldes - ebenso wie der für die Berechnung der Entschädigung für Verdienstausfall oder Einkünfteausfall nach §§ 6 ff. USG - erschöpft sich in wenigen Rechenschritten.

Zum anderen kann die Ungleichbehandlung auch nicht damit gerechtfertigt werden, dass Reservistendienst Leistende, die (auch) unter der Woche Reservistendienst leisten, regelmäßig nicht nur Dienstgeld, sondern auch weitere finanzielle Leistungen für ihren Dienst erhalten. Denn die Vergünstigungen nach den in den §§ 6 und 7 USG enthaltenen Regelungen über dem Verdienstausfall dienen anderen Zwecken als das Dienstgeld und haben keinen überkompensatorischen Charakter.

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO .

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Revisionsverfahren auf die Wertstufe bis 500 € festgesetzt (§§ 47 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG ).

Vorinstanz: VG Berlin, vom 23.05.2018 - Vorinstanzaktenzeichen 23 K 259.16
Vorinstanz: OVG Berlin-Brandenburg, vom 08.08.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 10 B 7.19