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BVerwG - Entscheidung vom 06.08.2020

6 B 11.20

Normen:
GG Art. 3 Abs. 1
GG Art. 12 Abs. 1
BayAGVwGO Art. 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 6
BayAGVwGO Art. 15 Abs. 2
VwGO § 75 S. 2

BVerwG, Beschluss vom 06.08.2020 - Aktenzeichen 6 B 11.20

DRsp Nr. 2020/12841

Streit um das wiederholte Nichtbestehen einer Pflichtprüfung; Geltendmachung ausgeprägter Konzentrationsstörungen als Folge einer lang anhaltenden Erkrankung; Vereinbarkeit des Rechtsschutzes in berufsbezogenen Prüfungssachen mit dem Gebot der Chancengleichheit; Wahlmöglichkeit zwischen Widerspruch und Klage; Anforderungen an eine Fristverkürzung rechtfertigende Umstände des Falls im Sinne von § 75 Satz 2 VwGO

Die die Vorgaben des Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BayAGVwGO für den Rechtsschutz in berufsbezogenen Prüfungssachen verstoßen nicht gegen das Gebot der Chancengleichheit nach Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG .

Tenor

Die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision in dem Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 4. Dezember 2019 wird zurückgewiesen. Die Klägerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Beschwerdeverfahren auf 7 500 € festgesetzt.

Normenkette:

GG Art. 3 Abs. 1 ; GG Art. 12 Abs. 1 ; BayAGVwGO Art. 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 6; BayAGVwGO Art. 15 Abs. 2; VwGO § 75 S. 2;

Gründe

I

Die Klägerin wendet sich gegen die Feststellung, sie habe das Bachelorstudium wegen des wiederholten Nichtbestehens einer Pflichtprüfung endgültig nicht bestanden. Sie will diese Prüfung nochmals ablegen.

Die Klägerin bestand die Teilprüfung "Italienisch" eines Pflichtmoduls des Bachelorstudiengangs "Regie - Musiktheater und Schauspiel" zum zweiten Mal nicht. Die Prüfungsordnung der Hochschule sieht einen weiteren Prüfungsversuch nicht vor. Nachdem die Klägerin telefonisch von dem Nichtbestehen der Wiederholungsprüfung erfahren hatte, legte sie ein fachärztliches Attest vor, in dem ihr bescheinigt wurde, am Prüfungstag als Folge einer lang anhaltenden Erkrankung unter anderem an ausgeprägten Konzentrationsstörungen gelitten zu haben.

Die Hochschule stellte durch Bescheid fest, dass die Klägerin das Bachelorstudium endgültig nicht bestanden habe. Auf Prüfungsunfähigkeit könne sie sich nicht berufen, weil sie das Prüfungsrisiko bewusst eingegangen sei. Durch sofort vollziehbaren Bescheid vom gleichen Tag exmatrikulierte die Hochschule die Klägerin. Diese legte Widerspruch gegen den Feststellungsbescheid ein; später erhob sie vor Erlass des Widerspruchsbescheids Klage. Die Hochschule wies den Widerspruch rund zwei Monate nach der Einlegung zurück. Die Klägerin erhob gegen den Widerspruchsbescheid mehr als einen Monat später Klage.

Das Verwaltungsgericht hat die Hochschule verpflichtet, den Rücktritt der Klägerin von der Wiederholungsprüfung zu genehmigen und diese Prüfung zu annullieren. Zugleich hat es den Exmatrikulationsbescheid aufgehoben. Nach Auffassung des Verwaltungsgerichts hat die Klägerin nur im Klageweg gegen den Feststellungsbescheid vorgehen können. Auf die Berufung der Beklagten hat der Verwaltungsgerichtshof die Klage durch Beschluss nach § 130a Satz 1 VwGO abgewiesen. Zuvor hatte die Berichterstatterin die Klägerin auf die aus Sicht des Verwaltungsgerichtshofs entscheidungserheblichen Erwägungen hingewiesen und eine Entscheidung "nach § 130a VwGO " ohne mündliche Verhandlung angekündigt.

In der Berufungsentscheidung heißt es: Der das endgültige Nichtbestehen feststellende Bescheid sei bestandskräftig geworden, sodass die dagegen gerichtete Klage unzulässig sei. Es handele sich um eine personenbezogene Prüfungsentscheidung, die wahlweise durch Widerspruch oder unmittelbar durch Klage angefochten werden könne. Da die Klägerin zunächst Widerspruch eingelegt habe, sei ihre danach erhobene Untätigkeitsklage bis zum Ablauf der gesetzlichen Dreimonatsfrist für die Entscheidung über den Widerspruch unzulässig gewesen. Die Klägerin habe keinen Nachteil dargelegt, der eine Verkürzung dieser Frist habe rechtfertigen können. Die Klage sei auch nach Erlass des Widerspruchsbescheids während des Laufs der Dreimonatsfrist nicht zulässig geworden. Denn die Klägerin habe versäumt, den Widerspruchsbescheid rechtzeitig, d.h. innerhalb eines Monats nach Zustellung, in die Untätigkeitsklage einzubeziehen. Da feststehe, dass die Klägerin den Bachelorstudiengang endgültig nicht bestanden habe, fehle es an dem Rechtsschutzbedürfnis für die Klage gegen den Exmatrikulationsbescheid. Die Exmatrikulation sei zwingend auszusprechen, wenn Studierende den Studiengang nicht abschließen könnten.

Die Klägerin will die Zulassung der Revision mit Grundsatz- und Verfahrensrügen erreichen.

II

Die Nichtzulassungsbeschwerde der Klägerin kann keinen Erfolg haben. Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass ein Revisionszulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt. Nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO ist das Bundesverwaltungsgericht im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde auf die Prüfung derjenigen Gesichtspunkte beschränkt, auf die der Zulassungsantrag gestützt wird.

1. Der Erfolg einer Grundsatzrüge setzt voraus, dass der Beschwerdeführer darlegt, der Streitsache komme grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO zu. Hierfür muss er eine Frage des revisiblen Rechts aufwerfen und begründen, dass diese Frage allgemeine, über den Einzelfall hinausreichende Bedeutung hat und im konkreten Fall entscheidungserheblich ist. Ein genereller Klärungsbedarf besteht nicht, wenn die Rechtsfrage auf der Grundlage der bundesgerichtlichen Rechtsprechung eindeutig beantwortet werden kann und der Beschwerdeführer keine neuen, bislang nicht behandelten Gesichtspunkte aufzeigt (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90 <91 f.> und vom 27. Januar 2015 - 6 B 43.14 [ECLI: DE: BVerwG: 2015: 270115B6B43.14.0] - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 421 Rn. 8). Die Klägerin hat nicht dargelegt, dass diese Voraussetzungen in Bezug auf die von ihr aufgeworfenen Rechtsfragen vorliegen:

a) Mit der ersten Frage will die Klägerin geklärt wissen, ob die Vorgaben des Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 des bayerischen Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung (BayAGVwGO) für den Rechtsschutz in berufsbezogenen Prüfungssachen gegen das Gebot der Chancengleichheit nach Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG verstößt. Diese Frage ist nicht rechtsgrundsätzlich bedeutsam im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO , weil sie auf der Grundlage der gefestigten Rechtsprechung von Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgericht ohne weiteres beantwortet werden kann.

Nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BayAGVwGO kann der Betroffene gegen einen nur an ihn gerichteten Verwaltungsakt bei personenbezogenen Prüfungsentscheidungen entweder Widerspruch einlegen oder unmittelbar Klage erheben. Nach der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs liegt eine solche Entscheidung vor, wenn ein Verwaltungsakt das Ergebnis der Beurteilung von Leistungen, Fähigkeiten oder Dispositionen auf der Grundlage einer Prüfung festlegt. Dieses Normverständnis und die darauf beruhende Annahme, der angefochtene Bescheid über das endgültige Nichtbestehen der Pflichtprüfung und damit des Bachelorstudiengangs sei eine personenbezogene Prüfungsentscheidung im Sinne von Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BayAGVwGO, binden das Bundesverwaltungsgericht, weil sie die Auslegung und Anwendung irrevisiblen Landesrechts betreffen (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 , § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 560 ZPO ; vgl. BVerwG, Urteil vom 14. Dezember 2016 - 6 C 19.15 [ECLI: DE: BVerwG: 2016: 141216U6C19.15.0] - BVerwGE 157, 46 Rn. 6).

Davon ausgehend räumt das bayerische Landesrecht Prüfungsteilnehmern für den Rechtsschutz gegen Prüfungsentscheidungen eine Wahlmöglichkeit zwischen der Einlegung von Widerspruch und der Klageerhebung ein. Dagegen kann ein Exmatrikulationsbescheid, der als Folge einer negativen Prüfungsentscheidung das Ende der Mitgliedschaft an der Hochschule ausspricht, wegen des Ausschlusses des Widerspruchs nach Art. 15 Abs. 2 BayAGVwGO nur durch Klageerhebung angefochten werden.

Diese Rechtsschutzmöglichkeiten verstoßen schon deshalb nicht gegen das von der Klägerin angeführte prüfungsrechtliche Gebot der Chancengleichheit nach Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG , weil dieses Grundrecht keine Vorgaben für den Rechtsschutz gegen Prüfungsentscheidungen enthält. Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungs- und des Bundesverwaltungsgerichts stellt das Gebot der Chancengleichheit Anforderungen an die Durchführung von berufsbezogenen Prüfungen und an die Bewertung der Prüfungsleistungen. Für vergleichbare Prüfungen müssen so weit wie möglich vergleichbare Prüfungsbedingungen und Bewertungsmaßstäbe gelten. Für das Prüfungsverfahren, d.h. für Form und Verlauf der Prüfungen, müssen einheitliche Regeln gelten, die auch einheitlich angewandt werden; die tatsächlichen Verhältnisse während der Prüfung müssen gleichartig sein. Bevorzugungen und Benachteiligungen einzelner Teilnehmer oder Teilnehmergruppen müssen möglichst vermieden werden, um gleiche Erfolgschancen zu gewährleisten (stRspr, vgl. BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81 und 213/83 - BVerfGE 84, 34 <52>; BVerwG, Urteile vom 15. März 2017 - 6 C 46.15 [ECLI: DE: BVerwG: 2017: 150317U6C46.15.0] - Buchholz 451.33 SprG Nr. 4 Rn. 25 und vom 10. April 2019 - 6 C 19.18 [ECLI: DE: BVerwG: 2019: 100419U6C19.18.0] - BVerwGE 165, 202 Rn. 12; Beschlüsse vom 30. Juni 2015 - 6 B 11.15 [ECLI: DE: BVerwG: 2015: 300615B6B11.15.0] - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 422 Rn. 9 und vom 22. Juni 2016 - 6 B 21.16 [ECLI: DE: BVerwG: 2016: 220616B6B21.16.0] - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 424 Rn. 13).

In Bezug auf den Rechtsschutz gegen berufsbezogene Prüfungsentscheidungen folgt aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Art. 12 Abs. 1 GG , dass den Prüfungsteilnehmern eine wirkungsvolle gerichtliche Nachprüfung ermöglicht werden muss. Dementsprechend sind die Gerichte berechtigt und verpflichtet, Prüfungsentscheidungen in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht uneingeschränkt nachzuprüfen, sofern es nicht um die Bewertung der Prüfungsleistungen geht. Hierfür steht den Prüfern ein Beurteilungsspielraum zu, dessen Reichweite und Grenzen in der Rechtsprechung von Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgericht geklärt sind (BVerfG, Beschluss vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81 und 213/83 - BVerfGE 84, 34 <50 ff.>; BVerwG, Urteil vom 10. April 2019 - 6 C 19.18 - BVerwGE 165, 202 Rn. 15; Beschluss vom 5. März 2018 - 6 B 71.17 [ECLI: DE: BVerwG: 2018: 050318B6B71.17.0] - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 429 Rn. 8). Das Rechtsschutzdefizit in Bezug auf die Leistungsbewertung wird dadurch ausgeglichen, dass die Prüfungsteilnehmer deren Überdenken durch die Prüfer, d.h. eine ergänzende Ausübung des Beurteilungsspielraums, verlangen können (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 10. April 2019 - 6 C 19.18 - BVerwGE 165, 202 Rn. 26; Beschlüsse vom 9. Oktober 2012 - 6 B 39.12 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 417 Rn. 5 und vom 5. März 2018 - 6 B 71.17 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 429 Rn. 10).

Es liegt auf der Hand, dass die Rechtsschutzmöglichkeiten nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 BayAGVwGO den grundgesetzlichen Vorgaben Rechnung tragen. Die Wahlmöglichkeit zwischen Widerspruch und Klage gewährleistet, dass Prüfungsteilnehmer durch die Einlegung von Widerspruch ein Überdenken von Leistungsbewertungen durch die Prüfer herbeiführen können. Die Widerspruchsbehörde muss zu diesem Zweck die Prüfer einschalten. Dagegen können Prüfungsteilnehmer sogleich das Gericht anrufen, wenn sie die Prüfungsentscheidung aus anderen Gründen für fehlerhaft halten. Hierzu gehören z.B. Einwendungen, die die Prüfungsbedingungen oder die Prüfungsfähigkeit des Teilnehmers betreffen. Derartige Einwendungen können die Gerichte uneingeschränkt nachprüfen.

Der Umstand, dass ein an die Prüfungsentscheidung anknüpfender Exmatrikulationsbescheid nur durch Klageerhebung angefochten werden kann, stellt offensichtlich keine Erschwerung des Rechtsschutzes dar. Die Betroffenen werden durch Rechtsmittelbelehrungen nach § 58 Abs. 1 VwGO auf die unterschiedlichen Rechtsschutzmöglichkeiten hingewiesen. Im Falle der Unrichtigkeit einer Belehrung beträgt die Einlegungsfrist nach § 58 Abs. 2 Satz 1 VwGO ein Jahr.

Mit dem Vortrag, durch die Gestaltung des Rechtsschutzes nach Art. 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 und Abs. 2 BayAGVwGO würden Studierende bayerischer Hochschulen gegenüber Studierenden der Hochschulen anderer Bundesländer gleichheitswidrig benachteiligt, verkennt die Beschwerdeführerin, dass das Gebot der Gleichbehandlung nach Art. 3 Abs. 1 GG nur im Bereich eines Hoheitsträgers, hier des bayerischen Landesgesetzgebers, gilt. Der Gleichheitssatz bindet die Träger öffentlicher Gewalt in ihrem Zuständigkeitsbereich. Die Verfassungsmäßigkeit eines Landesgesetzes kann nicht deshalb in Zweifel gezogen werden, weil andere Landesgesetzgeber die Sachmaterie abweichend geregelt haben (stRspr, vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 18. Juli 1979 - 2 BvR 488/76 - BVerfGE 52, 42 <57 f.>; vom 7. November 1995 - 2 BvR 413/88 u.a. - BVerfGE 93, 319 <351> und vom 7. November 2002 - 2 BvR 1053/98 - BVerfGE 106, 225 <241>).

b) Mit der zweiten Frage will die Klägerin geklärt wissen, wie hoch die Anforderungen an besondere Umstände des Falls im Sinne von § 75 Satz 2 VwGO sind, um eine Verkürzung der behördlichen Entscheidungsfrist von drei Monaten und die Zulässigkeit einer Untätigkeitsklage vor Ablauf dieser Frist zu rechtfertigen. Diese Frage ist in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts geklärt, soweit sie von allgemeiner Bedeutung ist. Der Vortrag der Klägerin zu den tatsächlichen Umständen des vorliegenden Einzelfalles und deren Würdigung durch den Verwaltungsgerichtshof ist nicht geeignet, die grundsätzliche Bedeutung der Frage im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO darzulegen.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind besondere, eine Fristverkürzung rechtfertigende Umstände des Falls im Sinne von § 75 Satz 2 VwGO anzunehmen, wenn dem Kläger das Zuwarten bis zum Ablauf der Dreimonatsfrist nicht zugemutet werden kann, weil ihm schwere und unverhältnismäßige Nachteile drohen. Er darf nicht an der Einhaltung der Frist festgehalten werden, wenn die Inanspruchnahme wirkungsvollen gerichtlichen Rechtsschutzes wegen Zeitablaufs unmöglich gemacht oder erheblich erschwert würde (BVerwG, Urteil vom 22. März 2018 - 7 C 21.16 [ECLI: DE: BVerwG: 2018: 220318U7C21.16.0] - Buchholz 404 IFG Nr. 27 Rn. 13).

Der Verwaltungsgerichtshof hat seine Auffassung, die Klägerin habe keine besonderen Umstände im Sinne von § 75 Satz 2 VwGO dargelegt, auf eine Würdigung des konkreten Sachverhalts gestützt. Die Klägerin habe durch die Feststellung des endgültigen Nichtbestehens des Bachelorstudiengangs und die daran anknüpfende Exmatrikulation nicht an der als Bachelorarbeit vorgesehenen Opernaufführung gehindert werden können, weil sie die Aufführung bereits durch die E-Mail vom 11. Juli 2016 abgesagt hatte. Die Einwendungen der Klägerin gegen diese Würdigung haben ausschließlich für die Entscheidung des vorliegenden Einzelfalls Bedeutung.

c) Nicht Gegenstand der Zulassungsprüfung ist die entscheidungstragende Rechtsansicht des Verwaltungsgerichtshofs, eine nach Einlegung von Widerspruch verfrüht erhobene Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO werde im Falle einer Entscheidung über den Widerspruch innerhalb der Dreimonatsfrist nach § 75 Satz 2 VwGO nur dann zulässig, wenn der Kläger den Widerspruchsbescheid innerhalb der gesetzlichen Klagefrist von einem Monat in das laufende Verfahren einbezieht. Insoweit ist das Darlegungserfordernis nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht erfüllt, weil die Klägerin hierzu in der Beschwerdebegründung keine Ausführungen gemacht hat.

2. Mit der Verfahrensrüge macht die Klägerin geltend, der Verwaltungsgerichtshof habe ihr Recht auf Gewährung rechtlichen Gehörs nach Art. 103 Abs. 1 GG , § 108 Abs. 2 VwGO verletzt, weil er der Berufung der Beklagten ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss nach § 130a Satz 1 VwGO stattgegeben habe. Dieses Vorgehen sei ermessensfehlerhaft gewesen, weil zur Klärung streitiger Tatsachenfragen eine mündliche Verhandlung erforderlich gewesen sei. Die Annahme des Verwaltungsgerichtshofs, die Klägerin habe die Opernaufführung durch E-Mail vom 11. Juli 2016 abgesagt, sei auf eine unzutreffende Auswertung des Akteninhalts zurückzuführen. Auch bei der Würdigung ihrer E-Mail vom 1. August 2016 habe das Gericht die weitere Aktenlage nicht beachtet.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts verstößt die Entscheidung über die Berufung durch Beschluss nach § 130a Satz 1 VwGO gegen das Verhandlungsgebot nach § 101 Abs. 1 VwGO und zugleich gegen das Gebot, rechtliches Gehör zu gewähren, wenn sich die Streitsache nach den Gesamtumständen des Einzelfalles in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht als außergewöhnlich schwierig erweist. Unter dieser Voraussetzung haftet der Berufungsentscheidung nach § 130a Satz 1 VwGO ein Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO an (BVerwG, Urteile vom 30. Juni 2004 - 6 C 28.03 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 64 S. 57 und vom 9. Dezember 2010 - 10 C 13.09 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 82 Rn. 24; Beschluss vom 20. Oktober 2011 - 2 B 63.11 - juris Rn. 5 ff.).

Allerdings kann ein Verfahrensbeteiligter die Revisionszulassung wegen eines solchen Verfahrensmangels nur erreichen, wenn er in der Berufungsinstanz die ihm zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um sich Gehör zu verschaffen. Die Gehörsrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisse in der Tatsacheninstanz wettzumachen (stRspr; vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 13. Januar 2000 - 9 B 2.00 - Buchholz 310 § 133 n.F. VwGO Nr. 53 und vom 30. Januar 2003 - 1 B 169.02 - Buchholz 11 Art. 103 Abs. 1 GG Nr. 67 ).

So liegt der Fall hier: In dem gerichtlichen Hinweisschreiben vom 17. September 2019 ist der Klägerin mitgeteilt worden, aus welchen Gründen ihre Klage nach Ansicht des Verwaltungsgerichtshofs keine Erfolgsaussichten gehabt hat. Das Schreiben hat die tragenden Erwägungen der späteren Berufungsentscheidung vorweggenommen. Es hat mit der Ankündigung abgeschlossen, "nach § 130a VwGO " ohne mündliche Verhandlung zu entscheiden, falls die Klage nicht zurückgenommen würde, und hat der Klägerin eine Frist zur Stellungnahme gesetzt.

Aufgrund dessen hätte es der anwaltlich vertretenen Klägerin oblegen, deutlich zu machen, dass sie eine mündliche Verhandlung über die Berufung für erforderlich hielt. In dem Schriftsatz vom 29. Oktober 2019 hat die Klägerin zwar beantragt, die Berufung zurückzuweisen, und dargelegt, dass sie die Erwägungen des Verwaltungsgerichtshofs für unrichtig hält. Jedoch hat sie der angekündigten Entscheidung nach § 130a Satz 1 VwGO nicht widersprochen; insbesondere hat sie keinen Antrag auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung gestellt. Daher hat der Verwaltungsgerichtshof in vertretbarer Weise den Schluss ziehen können, die Klägerin habe keine Einwendungen gegen eine Entscheidung nach § 130a Satz 1 VwGO .

Dessen ungeachtet genügt die Verfahrensrüge auch den Darlegungsanforderungen nach § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO nicht. Sie behandelt den entscheidenden Gesichtspunkt nicht, ob sich die Streitsache als außergewöhnlich schwierig darstellt. Vielmehr beschränkt sich die Klägerin darauf, der Sachverhaltswürdigung des Verwaltungsgerichtshofs zu den Folgen der Exmatrikulation ihre eigene abweichende Sichtweise entgegenzusetzen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens folgen aus § 154 Abs. 2 VwGO . Die Festsetzung des Werts des Streitgegenstandes beruht auf § 47 Abs. 1 und 3 , § 52 Abs. 1 GKG (Nr. 18 .1 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit 2013).

Vorinstanz: VGH Bayern, vom 04.12.2019 - Vorinstanzaktenzeichen 7 B 18.1945