Kontakt : 0221 / 93 70 18 - 0
Wir durchsuchen unsere Datenbank

BVerwG - Entscheidung vom 07.10.2020

2 C 7.20

Normen:
SVG § 55b Abs. 1 S. 1 und S. 3
GG Art. 3 Abs. 1

BVerwG, Urteil vom 07.10.2020 - Aktenzeichen 2 C 7.20

DRsp Nr. 2021/2971

Ruhen eines Teils des Ruhegehalts eines Soldaten wegen Versorgungsleistungen aus einer zwischenstaatlichen Verwendung; Ruhensregelung ohne zeitliche Begrenzung

Tenor

Auf die Revisionen des Klägers und der Beklagten wird das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 14. Februar 2020 dahingehend geändert, dass die erneute Entscheidung über den Antrag des Klägers vom 7. Februar 2014 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Bundesverwaltungsgerichts zu erfolgen hat.

Im Übrigen werden die Revisionen zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen die Beteiligten je zur Hälfte.

Normenkette:

SVG § 55b Abs. 1 S. 1 und S. 3; GG Art. 3 Abs. 1 ;

Gründe

I

Der Kläger begehrt die Aufhebung von Bescheiden, mit denen die Beklagte das Ruhen eines Teils seines Ruhegehalts wegen Versorgungsleistungen aus einer zwischenstaatlichen Verwendung festgestellt hat.

Der im Jahr 1945 geborene Kläger ist Soldat im Ruhestand. Während seiner aktiven Dienstzeit war er von Januar 1987 bis September 1990 in einer Einrichtung der NATO (NAMMA) tätig. Er war hierfür von der Beklagten beurlaubt und erhielt von der NATO als Versorgung Kapitalbeträge in Höhe von 42 641,18 DM.

Die Beklagte versetzte den Kläger mit Ablauf des 31. März 1998 in den Ruhestand. Mit Bescheid vom 1. April 1998 stellte sie fest, dass die Versorgungsbezüge in Höhe von monatlich 289,69 DM ruhen.

Mit Schreiben vom 7. Februar 2014 beantragte der Kläger die Neufestsetzung des Ruhensbetrags und die Nachzahlung zu viel einbehaltener Versorgungsbezüge. Dies lehnte die Beklagte ab und wies den Widerspruch hiergegen zurück. Die Klage des Klägers auf Verpflichtung der Beklagten zur Neubescheidung und Nachzahlung blieb vor dem Verwaltungsgericht erfolglos.

Das Oberverwaltungsgericht hat die Beklagte bei Berufungszurückweisung im Übrigen verpflichtet, über den Antrag des Klägers vom 7. Februar 2014 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden. Der Kläger habe einen noch unerfüllten Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag. Der Ruhensbescheid sei von Anfang an rechtswidrig gewesen. Die Beklagte hätte den monatlichen Ruhensbetrag auf die Höhe des verrenteten Kapitalbetrags in Höhe von monatlich 130,09 DM reduzieren müssen. Richtig sei, dass der Ruhensbescheid keinen zeitlichen Endpunkt enthielt. Der Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung habe sich nicht zu einem Anspruch auf Aufhebung des Ruhensbescheids verdichtet.

Hiergegen richten sich die wechselseitigen Revisionen des Klägers und der Beklagten.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 14. Februar 2020 abzuändern und das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 11. Juni 2018 sowie den Bescheid der Generalzolldirektion vom 21. Februar 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 10. Januar 2018 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag des Klägers vom 7. Februar 2014 unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden sowie die Beklagte zu verurteilen, ihm zu Unrecht einbehaltene Versorgungsbezüge nachzuzahlen nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz der EZB seit Rechtshängigkeit, hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, nach Rücknahme des Ruhensbescheids und Neubescheidung die sich ergebenden Beträge verzinslich an den Kläger auszukehren, und die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären, sowie die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

Die Beklagte beantragt (sinngemäß),

die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 11. Juni 2018 vollständig zurückzuweisen und das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 14. Februar 2020 aufzuheben, soweit es dem entgegensteht, sowie die Revision des Klägers zurückzuweisen.

II

Die zulässigen Revisionen des Klägers und der Beklagten, über die der Senat in sachdienlicher Auslegung ihres Begehrens (§ 88 VwGO ) und gemäß § 101 Abs. 2 , § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, sind jeweils zum Teil begründet.

Die für die Zulässigkeit der Revision des Klägers erforderliche Beschwer ist gegeben, weil sich die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts nicht mit der des Klägers deckt und für ihn insoweit ungünstig ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 3. Dezember 1981 - 7 C 30.80 u.a. - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 157 S. 51 f., vom 30. Mai 1984 - 4 C 58.81 - BVerwGE 69, 256 <258> und vom 18. Juli 2013 - 5 C 8.12 - BVerwGE 147, 216 Rn. 11 ff.). Maßgeblich ist insoweit insbesondere, dass das Berufungsgericht den Ruhensbescheid vom 1. April 1998 entgegen der Rechtsauffassung des Klägers nicht wegen der Aufzehrung des Kapitalbetrags und des damit verbundenen Fehlens einer zeitlichen Begrenzung als rechtswidrig angesehen hat.

Das Berufungsurteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO ).

Der Kläger hat einen Anspruch aus § 51 Abs. 5 VwVfG i.V.m. § 48 VwVfG auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag vom 7. Februar 2014. Der Bescheid vom 1. April 1998 ist rechtswidrig, weil die Beklagte darin einen zu hohen Ruhensbetrag festgestellt hatte (1.). Dass die Beklagte das teilweise Ruhen des Ruhegehalts des Klägers ohne zeitliche Begrenzung festgestellt hat, ist hingegen rechtmäßig (2.). In der Rechtsfolgeentscheidung ist das Rücknahmeermessen über das vom Berufungsgericht angenommene Maß hinaus reduziert (3.). Dass es das Berufungsgericht abgelehnt hat, die Beklagte zugleich zur Zahlung zur verpflichten, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden (4.).

1. Der Bescheid vom 1. April 1998 ist rechtswidrig, weil die Beklagte den von ihr festgestellten Mindestruhensbetrag nicht nach § 55b Abs. 4 Satz 1 des Soldatenversorgungsgesetzes ( SVG ) i.d.F. der Bekanntmachung vom 27. Januar 1995 (BGBl. I S. 50 ) i.V.m. mit § 55b Abs. 1 Satz 3 SVG 1995 begrenzt hat. Diese Regelungen finden im Fall des Klägers Anwendung (a)) und führen zu einem geringeren Ruhensbetrag (b)).

a) Das Ruhen der Versorgungsbezüge des Klägers richtet sich im Wesentlichen nach § 55b SVG 1995.

Der maßgebliche Zeitpunkt für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage richtet sich nach dem materiellen Recht (stRspr, vgl. BVerwG, Urteile vom 31. März 2004 - 8 C 5.03 - BVerwGE 120, 246 <250>, vom 25. November 2004 - 2 C 17.03 - BVerwGE 122, 237 <241> und vom 13. Dezember 2007 - 4 C 9.07 - BVerwGE 130, 113 Rn. 10).

Bei Ruhensbescheiden handelt es sich um feststellende Verwaltungsakte mit sich jeweils monatlich neu aktualisierender Wirkung, für die die im jeweiligen Monat geltende Sach- und Rechtslage maßgeblich ist. Dies folgt bereits daraus, dass das Ruhen kraft Gesetzes eintritt und Ruhensbescheide zwar zulässig, aber nicht erforderlich sind. Im Umfang des durch das Gesetz bestimmten Ruhens hat ein solcher Verwaltungsakt deshalb lediglich deklaratorische Bedeutung (BVerwG, Urteile vom 26. November 2013 - 2 C 17.12 - Buchholz 239.1 § 53 BeamtVG Nr. 27 Rn. 10 und vom 15. November 2016 - 2 C 9.15 - Buchholz 239.1 § 55 BeamtVG Nr. 30 Rn. 18 ff.). Diese Feststellung des Dienstherrn ändert nichts daran, dass sich die gesetzmäßige Höhe des Ruhensbetrags in jedem Monat aus dem in diesem Monat geltenden Recht und den jeweils vorliegenden Tatsachen ergibt.

Ab dem Zeitpunkt der Zurruhesetzung des Klägers mit Ablauf des 31. März 1998 ist § 55b SVG 1995 anzuwenden. Dies ergibt sich ab dem 1. Januar 1999 aus der Übergangsvorschrift des § 96 Abs. 5 Satz 2 SVG i.d.F. der Bekanntmachung vom 29. Juni 1998 (BGBl. I S. 1666 ). § 96 Abs. 5 Satz 2 SVG 1998 findet entgegen der Auffassung im Berufungsurteil auch dann Anwendung, wenn der Soldat bei ihrem Inkrafttreten am 1. Januar 1999 bereits im Ruhestand war (vgl. zur wortgleichen Regelung des Beamtenversorgungsgesetzes <BeamtVG> BVerwG, Urteil vom 27. März 2008 - 2 C 30.06 - BVerwGE 131, 29 Rn. 14). Der Wortlaut der Regelung enthält keine dahingehende Einschränkung und eine solche ergibt sich auch nicht aus der Begründung des Gesetzentwurfs. Das Berufungsurteil enthält insoweit eine Rechtsverletzung, auf der das Urteil jedoch nicht beruht, weil es im Ergebnis auch ohne § 96 Abs. 5 Satz 2 SVG 1998 zur Anwendung § 55b SVG 1995 gelangt.

Nach § 96 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 1 SVG 1998 ist für Soldaten, die wie der Kläger die Zeiten i.S.d. § 55b SVG vor dem 1. Januar 1999 zurückgelegt haben, der § 55b in der bis zum 30. September 1994 geltenden Fassung anzuwenden, es sei denn, die Anwendung des § 55b in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung ist für den Versorgungsempfänger günstiger. Außerdem bleibt § 94b Abs. 5 SVG nach § 96 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 SVG 1998 unberührt.

§ 94b Abs. 5 SVG 1995 hat keinen Einfluss auf das Ruhen des Ruhegehalts des Klägers. Sinn dieser spezielleren Übergangsvorschrift ist es, den jährlichen Satz für die zeitbezogene Berechnung des Mindestruhensbetrags im Rahmen von § 55b SVG an den sich aus den Übergangsregelungen des § 94b SVG ergebenden Ruhegehaltssatz anzupassen (BVerwG, Beschluss vom 6. November 2018 - 2 B 10.18 - Buchholz 449.4 § 94b SVG Nr. 1 Rn. 16). Danach ist § 94b Abs. 5 SVG im vorliegenden Fall nicht anzuwenden, weil der Ruhegehaltssatz des Klägers richtigerweise nicht nach § 94b Abs. 1 SVG berechnet worden ist. Es war nicht veranlasst, den Kläger als am 31. Dezember 1991 bereits vorhandenen Soldaten i.S.v. § 94b Abs. 1 SVG zu begünstigen, weil er auch nach damals neuem Recht den Höchstruhegehaltssatz in Höhe von 75 Prozent erreichte. Auch auf der Grundlage von § 94b Abs. 1 SVG hätte er lediglich diesen Satz erreichen können. Die Anwendung des § 94b Abs. 1 SVG (und damit auch des § 94b Abs. 5 SVG ) ist somit nach § 94b Abs. 3 Satz 1 SVG ausgeschlossen. Für eine Ergänzung des § 94b Abs. 5 SVG um ein Günstigkeitsprinzip wie in § 96 Abs. 5 Satz 2 SVG ist angesichts der ausdrücklichen Regelungen kein Raum. Außerdem gibt es hierfür angesichts des Normzwecks kein Bedürfnis (BVerwG, Beschluss vom 6. November 2018 - 2 B 10.18 - Buchholz 449.4 § 94b SVG Nr. 1 Rn. 16).

Der danach gemäß § 96 Abs. 5 Satz 2 SVG 1998 vorzunehmende Günstigkeitsvergleich führt zur Anwendung des § 55b in der bis zum 31. Dezember 1998 geltenden Fassung der Bekanntmachung vom 19. Januar 1995. Diese ist für den Kläger günstiger, weil § 55b Abs. 4 Satz 1 SGV 1995 i.V.m. § 55b Abs. 1 Satz 3 SVG in seinem Fall zu einer Begrenzung der Höhe des Ruhensbetrags führt.

b) Bei Anwendung des SVG 1995 hätte der monatliche Ruhensbetrag unter dem Betrag gelegen, den die Beklagte mit Bescheid vom 1. April 1998 festgestellt hat. Die Beklagte hätte den von ihr festgestellten Mindestruhensbetrag in Höhe von monatlich 289,69 DM nach § 55b Abs. 4 Satz 1 SVG 1995 i.V.m. § 55b Abs. 1 Satz 3 SVG auf die von der NATO gewährte Versorgung deckeln müssen. Maßgeblich ist insoweit für jeden Monat die Höhe des verrenteten Kapitalbetrags (siehe unten 2.).

Der verrentete Kapitalbetrag beträgt im Fall des Klägers für die Zeit bis zum Ablauf des 27. März 2008 wie vom Berufungsgericht berechnet monatlich 66,51 € (130,09 DM; 42 641,18 DM/12/27,315). Für diesen Zeitraum sind mangels gesetzlicher Vorgaben für die Dynamisierung und die Verrentung des Kapitalbetrags die Vorgaben des Senats in der Entscheidung zum Verfahren BVerwG 2 C 30.06 heranzuziehen und ist auf den Mittelwert der Lebenserwartung für 53-jährige Frauen und Männer im Jahr 1998 abzustellen (BVerwG, Urteil vom 27. März 2008 - 2 C 30.06 - BVerwGE 131, 29 Rn. 35).

Für die Zeit ab dem 28. März 2008 beruht das Berufungsurteil auf einer Rechtsverletzung, weil es davon ausgeht, dass die hier relevanten Regelungen des Dienstrechtsneuordnungsgesetzes vom 5. Februar 2009 (BGBl. I S. 160 ) keine Anwendung auf Soldaten finden, die bei dem Inkrafttreten dieser Regelungen am 28. März 2008 bereits im Ruhestand waren. Dies trifft aufgrund des Wortlauts des § 55a Abs. 1 Satz 8 SVG 2009 lediglich auf die Regelung für die Dynamisierung des Kapitalbetrags zu (so zur wortgleichen Regelung des BeamtVG BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 2 C 47.11 - Buchholz 239.1 § 56 BeamtVG Nr. 8 Rn. 12).

Die 2009 eingeführte Regelung für die Verrentung des Kapitalbetrags gilt jedoch auch für die am 28. März 2008 vorhandenen Ruhestandssoldaten wie den Kläger (vgl. zur wortgleichen Regelung des BeamtVG BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 2 C 47.11 - Buchholz 239.1 § 56 BeamtVG Nr. 8 Rn. 13 ff.). Nach § 96 Abs. 5 Satz 5 SVG 2009 i.V.m. § 55a Abs. 1 Satz 9 SVG 2009 erfolgt die Verrentung in Fällen wie dem des Klägers mithilfe eines Verrentungsdivisors, der sich aus dem zwölffachen Betrag des Kapitalwerts nach Anlage 9 zum Bewertungsgesetz ( BewG ) i.d.F. der Bekanntmachung vom 23. Juni 1993 (BGBl. I S. 944 ), für den hier maßgeblichen Zeitraum zuletzt geändert durch Art. 18 Nr. 10 des Gesetzes vom 13. Dezember 2006 (BGBl. I S. 2878 ), ergibt.

Für die Zeit ab dem 28. März 2008 beträgt der Ruhensbetrag bei Anwendung dieser Regelung monatlich 132,51 € (259,17 DM; 42 641,18 DM/12/13,711). Der (nicht dynamisierte) Kapitalbetrag in Höhe von 42 641,18 DM war nach § 55a Abs. 1 Satz 9 SVG 2009 i.V.m. Anlage 9 zu § 14 BewG 2006 unter Heranziehung des Vervielfältigers für eine Soldatin im Alter von 53 Jahren (13,711) zu verrenten (zur Anwendung des Vervielfältigers für eine Soldatin siehe zur wortgleichen Regelung des BeamtVG BVerwG, Urteil vom 7. Oktober 2020 - 2 C 19.19 - Rn. 18 ff. <zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen>).

Auf diese Ausführungen hat das Inkrafttreten des Besoldungsstrukturenmodernisierungsgesetzes (BesStMG) vom 9. Dezember 2019 (BGBl. I S. 2053 ) keinen Einfluss. Gemäß § 107 Abs. 2 Satz 1 SVG 2019 sind die für den Kläger maßgeblichen Regelungen in der bis zum 30. Juni 2020 geltenden Fassung weiter anzuwenden.

2. Der Bescheid vom 1. April 1998 ist nicht deshalb rechtswidrig, weil die Beklagte das Ruhen ohne zeitliche Begrenzung festgestellt hat.

Art. 33 Abs. 5 und Art. 3 Abs. 1 GG stehen einer Ruhensregelung ohne zeitliche Begrenzung grundsätzlich nicht entgegen (BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2017 - 2 BvL 10/11 u.a. - BVerfGE 145, 249 ). Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, dass § 55b Abs. 3 Satz 1 SVG in den Fassungen vom 5. März 1987 und vom 18. Dezember 1989 mit dem Grundgesetz vereinbar ist (BVerfG, ebenda). Der Senat hat daraufhin bereits hinsichtlich dieser Fassungen der Ruhensvorschriften entschieden, dass er an seinen abweichenden Ausführungen in den Urteilen zu den Verfahren BVerwG 2 C 47.11 und 2 C 25.09 nicht mehr festhält (BVerwG, Beschlüsse vom 29. März 2019 - 2 B 50.18 - Buchholz 449.4 § 55b SVG Nr. 2 Rn. 12 und vom 29. August 2019 - 2 B 73.18 - Buchholz 239.1 § 56 BeamtVG Nr. 9 Rn. 11).

Dass im Fall des Klägers § 55b SVG in einer späteren Fassung Anwendung findet, führt zu keinem anderen Ergebnis. Auch die späteren Fassungen enthalten keine Regelung dahingehend, dass das Ruhen enden muss, sobald die Summe der Ruhensbeträge die Höhe des Kapitalbetrags erreicht (a.A. OVG Lüneburg, Beschluss vom 21. Mai 2019 - 5 LA 236/17 - juris Rn. 42; a.A. vor der genannten Entscheidung des BVerfG: OVG Münster, Urteile vom 20. Januar 2016 - 1 A 2021/13 - juris Rn. 33 ff. und vom 7. Dezember 2016 - 1 A 707/15 - juris Rn. 32 ff.).

§ 55b Abs. 1 Satz 3 SVG (in den Fassungen vor 1999) und § 55b Abs. 7 Satz 1 SVG sehen zwar vor, dass der Ruhensbetrag die von der zwischen- oder überstaatlichen Einrichtung gewährte Versorgung nicht übersteigen darf, doch bezieht sich dies allein auf den jeweiligen monatlichen Ruhensbetrag in Relation zur Höhe des verrenteten Kapitalbetrags.

Dies ergibt sich daraus, dass es sich bei dem Ruhensbetrag i.S.d. § 55b Abs. 1 Satz 3 SVG und des § 55b Abs. 7 Satz 1 SVG nicht um eine Summe von Ruhensbeträgen, sondern um den im jeweiligen Monat ruhenden Betrag handelt. Aus den gesamten Regelungen des § 55b SVG geht hervor, dass sie jeweils der Berechnung von monatlichen Ruhensbeträgen dienen. So handelt es sich etwa auch bei den dort genannten Höchstgrenzen gemäß § 55b Abs. 3 SVG i.V.m. § 55 Abs. 2 SVG um monatsbezogene Werte. Bei der Versorgung mit Kapitalbeträgen ermöglicht es § 55a Abs. 1 SVG 2009 mittels der Verrentung monatsbezogene Werte zu ermitteln, die dann über § 55b Abs. 4 Satz 3 SVG 2009 und § 96 Abs. 5 Satz 5 SVG 2009 zu monatsbezogenen Ruhensbeträgen führen. Dass dies auch den Begriff des Ruhensbetrags prägt, zeigt sich an § 55b Abs. 8 SVG 2009, der sich auf den bei Anwendung der Absätze 1 bis 7 ergebenden Ruhensbetrag bezieht. Gemeint ist vom Gesetzgeber auch hier der im jeweiligen Monat ruhende Betrag.

Darüber hinaus zeigen auch die Gesetzesmaterialien, dass der Gesetzgeber die Regelung des § 55b Abs. 1 Satz 3 SVG und des § 55b Abs. 7 Satz 1 SVG nicht geschaffen hat, um das Ruhen im Falle der Versorgung durch Kapitalbeträge auf die Höhe des gesamten Kapitalbetrags zu begrenzen. § 55b Abs. 1 Satz 3 SVG bezog sich bei seiner Einführung mit dem Gesetz vom 19. Juli 1968 (BGBl. I S. 848 ) allein auf laufende Versorgungsleistungen der zwischen- oder überstaatlichen Einrichtungen. Die Regelung begrenzte die Höhe des monatlichen Ruhensbetrags auf die Höhe der laufenden Versorgungsleistung im jeweiligen Monat. Die Empfänger von Kapitalbeträgen erhielten diesen Schutz damals nicht (vgl. BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2017 - 2 BvL 10/11 u.a. - BVerfGE 145, 249 Rn. 99). Sie schützte der Gesetzgeber durch die Möglichkeit, den Kapitalbetrag an den Dienstherren abzuführen und dadurch das Ruhen abzuwenden (vgl. BT-Drs. V/2251 S. 7).

Mit dem Gesetz zur Änderung des Beamtenversorgungsgesetzes , des Soldatenversorgungsgesetzes sowie anderer versorgungsrechtlicher Vorschriften vom 20. September 1994 (BeamtVGÄndG, BGBl. I S. 2442) erweiterte der Gesetzgeber den Schutz für die Empfänger von Kapitalbeträgen, indem er in § 55b Abs. 4 Satz 1 SVG 1994 auch auf § 55b Abs. 1 Satz 3 SVG verwies. Durch die in § 55b Abs. 4 Satz 1 SVG 1994 erstmals vorgesehene Verrentung der Kapitalbeträge war es möglich geworden, den § 55b Abs. 1 Satz 3 SVG auch auf Kapitalbeträge anzuwenden. Bei der Anwendung des § 55b Abs. 1 Satz 3 SVG 1994 war dabei nach § 55b Abs. 4 Satz 1 SVG 1994 der sich bei einer Verrentung des Kapitalbetrags ergebende Betrag zugrunde zu legen. Die Höhe des verrenteten Kapitalbetrags begrenzt seitdem für jeden einzelnen Monat die Höhe des Ruhensbetrags. Die Einführung der darüber hinausgehenden, vom Kläger begehrten Begrenzung der Summe der Ruhensbeträge auf den Kapitalbetrag ist im Gesetz und in den Gesetzesmaterialien (BT-Drs. 12/5919) nicht erkennbar.

Die Einführung des § 55b Abs. 7 Satz 1 SVG 1998 mit dem Versorgungsreformgesetz 1998 vom 29. Juni 1998 (BGBl. I S. 1666 ) brachte ebenfalls nicht die vom Kläger gewünschte Begrenzung. Grund für diese "Verschiebung" des ansonsten unangetasteten § 55b Abs. 1 Satz 3 SVG a.F. war nach der Begründung des Gesetzesentwurfs allein die systematische Zusammenfassung mit den neuen "Mindestbelassungsregeln" (BT-Drs. 13/9527 S. 41, 45).

Der Hinweis des Klägers, dass laufende Versorgungsleistungen von der zwischenstaatlichen Einrichtung dauerhaft neben dem Ruhegehalt stünden und dies bei der Versorgung mit Kapitalbeträgen nicht der Fall sei, rechtfertigt im Hinblick auf die obigen Ausführungen zu Wortlaut und Genese der Regelungen kein anderes Ergebnis. Die auf diesem Hinweis aufbauende Argumentation lässt zudem die Risikoverteilung außer Betracht, die in der vom Gesetzgeber vorgesehenen Verrentung enthalten ist. Die Verrentung anhand der durchschnittlichen Lebenserwartung bevorzugt statistisch gesehen weder den Dienstherrn noch die Soldaten. Genauso wie der Dienstherr nicht geltend machen kann, dass die Summe von Ruhensbeträgen wegen eines frühen Todes zu gering war, kann sich der Soldat nicht darauf berufen, dass die Summe von Ruhensbeträgen wegen eines späten Todes zu hoch ist. Eine Begrenzung der Summe von Ruhensbeträgen auf die Höhe des Kapitalbetrags würde diese statistisch ausgewogene Risikoverteilung einseitig zu Lasten des Dienstherrn verschieben.

Der Kläger berücksichtigt darüber hinaus nicht ausreichend, dass der wirtschaftliche Wert eines Kapitalbetrags nicht allein durch seinen Nennwert, sondern wesentlich durch das mit ihm verbundene Anlage- bzw. Nutzungspotenzial bestimmt wird (siehe auch insoweit BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2017 - 2 BvL 10/11 u.a. - BVerfGE 145, 249 Rn. 86). Einem Beamten oder Soldaten, der kein solches Anlage- und/oder Nutzungspotenzial für sich sieht oder der die mit dem Erhalt eines Kapitalbetrags verbundenen Risiken nicht eingehen möchte, hat der Gesetzgeber seit der ersten Fassung des § 55b SVG stets die Wahlmöglichkeit eröffnet, den Kapitalbetrag abzuführen und dafür das volle Ruhegehalt zu erhalten. An dem einmal ausgeübten Wahlrecht muss sich der Beamte oder Soldat für die Dauer des Bezugs von Ruhegehalt festhalten lassen.

3. Der Kläger hat nach § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 VwVfG einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über die (Teil-)Aufhebung des Bescheids vom 1. April 1998 für die Zeiträume und in dem Umfang, in dem die Beklagte rechtswidrig einen zu hohen Ruhensbetrag festgestellt hat.

Ein Anspruch auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG besteht nicht (a). Der Kläger hat grundsätzlich nur einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über das Wiederaufgreifen des Verfahrens gemäß § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 VwVfG . Dieses Ermessen ist jedoch bei Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesverwaltungsgerichts in so erheblichen Umfang verdichtet, dass rechtswidrige Ruhensbescheide in der Regel ab dem Beginn des Kalendermonats nach der Entscheidung zurückzunehmen sind, aufgrund der sich das bisherige Verwaltungshandeln - eindeutig - als rechtswidrig erweist (b). Im Fall des Klägers sind in dieser Hinsicht die Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union in den Verfahren C-318/13 und (letztlich eindeutig) C-171/18 sowie jene des Senats zu den Verfahren BVerwG 2 C 30.06 und 2 C 47.11 maßgeblich (c).

a) Nachträgliche Änderungen der dem Verwaltungsakt zugrunde liegenden Sach- oder Rechtslage zugunsten des Klägers i.S.d. § 51 Abs. 1 Satz 1 VwVfG liegen im Streitfall nicht vor. Eine Gerichtsentscheidung stellt keine solche Änderung der Sach- oder Rechtslage dar (stRspr, vgl. BVerwG, Beschluss vom 16. Februar 1993 - 9 B 241.92 - Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 29 S. 15; Urteile vom 11. September 2013 - 8 C 4.12 - Buchholz 428 § 1 Abs. 8 VermG Nr. 48 Rn. 21 und vom 13. August 2020 - 1 C 23.19 - juris Rn. 13).

b) Das Wiederaufgreifen nach § 51 Abs. 5 i.V.m. § 48 VwVfG steht grundsätzlich im Ermessen der Beklagten. Dies belegt, dass ein zur Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts führender Rechtsverstoß nur eine notwendige, nicht aber hinreichende Voraussetzung für die Rücknahme und einen darauf zielenden Anspruch des Betroffenen bildet. Der Gesetzgeber räumt bei der Aufhebung bestandskräftiger belastender Verwaltungsakte in verfassungsrechtlich nicht zu beanstandender Weise weder dem Vorrang des Gesetzes noch der Rechtssicherheit als Ausprägungen des Rechtsstaatsprinzips einen generellen Vorrang ein. Die Prinzipien der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Bestandskraft von Verwaltungsakten stehen vielmehr gleichberechtigt nebeneinander. Mit Blick auf das Gebot der materiellen Gerechtigkeit besteht jedoch ausnahmsweise dann ein Anspruch auf Rücknahme eines bestandskräftigen Verwaltungsakts, wenn dessen Aufrechterhaltung schlechthin unerträglich ist (BVerwG, Urteile vom 20. März 2008 - 1 C 33.07 - Buchholz 402.242 § 54 AufenthG Nr. 5 Rn. 12 und vom 24. Februar 2011 - 2 C 50.09 - Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 58 Rn. 11; vgl. auch Urteil vom 27. Januar 1994 - 2 C 12.92 - BVerwGE 95, 86 <92 f.>). Ob ein solcher Ausnahmefall angenommen werden kann, hängt von den Umständen des Einzelfalles und einer Gewichtung der einschlägigen Gesichtspunkte ab (BVerwG, Urteile vom 17. Januar 2007 - 6 C 32.06 - NVwZ 2007, 709 Rn. 13, vom 24. Februar 2011 - 2 C 50.09 - Buchholz 316 § 51 VwVfG Nr. 58 Rn. 11 und vom 13. August 2020 - 1 C 23.19 - juris Rn. 19).

Das Festhalten an dem Verwaltungsakt ist insbesondere dann schlechthin unerträglich, wenn die Behörde durch unterschiedliche Ausübung der Rücknahmebefugnis in gleichen oder ähnlich gelagerten Fällen gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstößt oder wenn Umstände gegeben sind, die die Berufung der Behörde auf die Unanfechtbarkeit als einen Verstoß gegen die guten Sitten oder Treu und Glauben erscheinen lassen. Die offensichtliche Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, dessen Rücknahme begehrt wird, kann ebenfalls die Annahme rechtfertigen, seine Aufrechterhaltung sei schlechthin unerträglich. Ferner kann in dem einschlägigen Fachrecht eine bestimmte Richtung der zu treffenden Entscheidung in der Weise vorgegeben sein, dass das Ermessen im Regelfall nur durch die Entscheidung für die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtmäßig ausgeübt werden kann, sodass sich das Ermessen in diesem Sinne als intendiert erweist (BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2004 - 6 C 24.03 - BVerwGE 121, 226 <231>; Urteile vom 17. Januar 2007 - 6 C 32.06 - NVwZ 2007, 709 Rn. 13 und vom 9. Mai 2012 - 6 C 3.11 - BVerwGE 143, 87 Rn. 51).

Das Soldatenversorgungsrecht als hier maßgebliches Fachrecht kennt im Unterschied zum Sozialversicherungsrecht und Sozialverfahrensrecht - jenseits von § 48 VwVfG - keine speziellen Vorschriften für die Rücknahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltungsakts. Allerdings ist das Soldatenversorgungsrecht deshalb nicht frei von gesetzgeberischen Wertungen mit Einfluss auf das Rücknahmeermessen nach § 48 Abs. 1 Satz 1 VwVfG (vgl. zum insoweit identischen Beamtenversorgungsrecht etwa BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 2 C 59.11 - BVerwGE 145, 14 Rn. 29).

Insoweit ist zunächst zu beachten, dass auch im Soldatenversorgungsrecht nach dem Willen des Gesetzgebers gemäß § 1a SVG eine strikte Gesetzesbindung der Verwaltung gilt (siehe hierzu BVerwG, Urteile vom 27. März 2008 - 2 C 30.06 - BVerwGE 131, 29 Rn. 25, vom 27. Januar 2011 - 2 C 25.09 - Buchholz 449.4 § 55b SVG Nr. 1 Rn. 11 und vom 31. Mai 2012 - 2 C 18.10 - Buchholz 449.4 § 53 SVG Nr. 1 Rn. 21). Nach § 1a Abs. 3 SVG kann auf die gesetzlich zustehende Versorgung weder ganz noch teilweise verzichtet werden.

Hinzu kommt die verfassungsrechtliche Verankerung des Versorgungsanspruchs. Durch die materiell-gesetzlichen Regelungen hat der Gesetzgeber den Gestaltungsspielraum ausgeübt, der ihm verfassungsrechtlich durch den Alimentationsgrundsatz eröffnet ist. Der sich daraus ergebende Versorgungsanspruch genießt verfassungsrechtlichen Schutz, weil der Versorgungsberechtigte ihn in der aktiven Dienstzeit erdient hat (BVerwG, Urteile vom 27. Januar 2011 - 2 C 25.09 - Buchholz 449.4 § 55b SVG Nr. 1 Rn. 22, vom 26. September 2012 - 2 C 48.11 - Buchholz 239.1 § 5 BeamtVG Nr. 21 Rn. 30 und vom 25. Oktober 2012 - 2 C 59.11 - BVerwGE 145, 14 Rn. 29; vgl. auch BVerfG, Beschluss vom 23. Mai 2017 - 2 BvL 10/11 u.a. - BVerfGE 145, 249 Rn. 91). Die Rechtsnatur des Versorgungsanspruchs spricht deshalb dafür, dass der Anspruch der Ruhestandssoldaten auf Festsetzung und Auszahlung des Ruhegehalts in gesetzlicher Höhe auch durch die Aufhebung entgegenstehender Bescheide ab einem gewissen Zeitpunkt verwirklicht wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 2 C 59.11 - BVerwGE 145, 14 Rn. 29). Der materiellen Gerechtigkeit kommt in der Abwägung mit der Rechtssicherheit im Rahmen des § 48 VwVfG von daher besonderes Gewicht zu.

In dieselbe Richtung weist der bereits oben erwähnte Umstand, dass es sich bei Ruhensbescheiden um feststellende Verwaltungsakte mit sich jeweils monatlich neu aktualisierender Wirkung handelt (s.o. Rn. 16).

Zum Versorgungsfestsetzungsbescheid hat der Senat bereits entschieden, dass bei für nichtig erklärten Normen dem § 79 Abs. 2 Satz 1 und 2 BVerfGG die gesetzliche Wertung entnommen werden kann, dass bestandskräftige Dauerverwaltungsakte ab dem Zeitpunkt der Nichtigerklärung für die Zukunft aufzuheben sind (BVerwG, Urteile vom 26. September 2012 - 2 C 48.11 - Buchholz 239.1 § 5 BeamtVG Nr. 21 Rn. 24 ff. und vom 25. Oktober 2012 - 2 C 59.11 - BVerwGE 145, 14 Rn. 20, 27 ff. sowie Beschluss vom 8. Mai 2013 - 2 B 5.13 - NVwZ 2013, 953 Rn. 11).

Die Nichtigerklärung einer gesetzlichen Regelung durch das Bundesverfassungsgericht stellt die zeitliche Grenze für den Geltungsanspruch der auf der für nichtig erklärten Vorschrift beruhenden unanfechtbaren Entscheidung dar. Bis zur Nichtigerklärung der gesetzlichen Regelung gebührt der Rechtssicherheit der Vorrang. Für den Zeitraum danach setzt sich demgegenüber das Prinzip der materiellen Gerechtigkeit durch (BVerwG, Urteile vom 26. September 2012 - 2 C 48.11 - Buchholz 239.1 § 5 BeamtVG Nr. 21 Rn. 28 und vom 25. Oktober 2012 - 2 C 59.11 - BVerwGE 145, 14 Rn. 27; Beschluss vom 8. Mai 2013 - 2 B 5.13 - NVwZ 2013, 953 Rn. 11). Das Bundesverfassungsgericht hat dementsprechend aus den Regelungen des § 79 Abs. 2 BVerfGG den allgemeinen Rechtsgedanken abgeleitet, dass einerseits zwar unanfechtbar gewordene fehlerhafte Akte der öffentlichen Gewalt nicht rückwirkend aufgehoben und die in der Vergangenheit von ihnen ausgegangenen nachteiligen Wirkungen nicht beseitigt werden, andererseits jedoch zukünftige Folgen, die sich aus einer zwangsweisen Durchsetzung der verfassungswidrigen Entscheidung ergeben würden, abgewendet werden sollen (BVerwG, Urteil vom 26. September 2012 - 2 C 48.11 - Buchholz 239.1 § 5 BeamtVG Nr. 21 Rn. 28 mit Verweis u.a. auf BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005 - 1 BvR 1905/02 - BVerfGE 115, 51 <63>).

Dieser Rechtsgedanke ist auf Versorgungsfestsetzungsbescheide zu übertragen, die zwar nicht im engeren Sinne des § 79 Abs. 2 Satz 2 BVerfGG vollstreckt werden, aber die Grundlage für monatlich im Voraus zu zahlende Versorgungsbezüge bilden. Ihre Bestandskraft wird nur für die Vergangenheit geschützt, sodass der Betroffene nicht unter Berufung auf die Nichtigerklärung einer gesetzlichen Regelung für die Vergangenheit höhere Leistungen beanspruchen kann. Demgegenüber gebührt für die Zukunft der materiellen Gerechtigkeit und nicht der Rechtssicherheit der Vorrang, sodass der Verwaltungsakt an die Rechtslage anzupassen ist. Andernfalls müsste Versorgungsfestsetzungsbescheiden zeitlich unbegrenzte Geltung beigemessen werden, obwohl ihre gesetzliche Grundlage wegen der Nichtigerklärung weggefallen ist (vgl. BVerwG, Urteile vom 26. September 2012 - 2 C 48.11 - Buchholz 239.1 § 5 BeamtVG Nr. 21 Rn. 29 und vom 25. Oktober 2012 - 2 C 59.11 - BVerwGE 145, 14 Rn. 27 f.).

Der Senat lässt ausdrücklich offen, ob ein Ruhensbescheid ein Dauerverwaltungsakt im Sinne der Kategorien des allgemeinen Verwaltungsrechts ist. Die fachrechtlichen Besonderheiten des Soldatenversorgungsrechts veranlassen den Senat vielmehr dazu, ihn - wie erwähnt - als feststellenden Verwaltungsakt mit sich jeweils monatlich neu aktualisierender Wirkung zu bezeichnen (s.o. Rn. 16).

Dessen ungeachtet können die vorstehend dargestellten Wertungen auf Ruhensbescheide übertragen werden. Hiernach sind rechtswidrige Ruhensbescheide nicht nur im Fall bundesverfassungsgerichtlicher Nichtigerklärungen, sondern darüber hinaus auch bei entsprechend eindeutigen Entscheidungen des Gerichtshofs der Europäischen Union und des Bundesverwaltungsgerichts in der Regel ab dem Beginn des Kalendermonats nach der Gerichtsentscheidung zurückzunehmen, aufgrund der eine Rechtsfrage als abschließend geklärt angesehen werden kann (vgl. zur Bedeutung der Rechtsprechung dieser beiden Gerichte bereits BVerwG, Urteil vom 25. Oktober 2012 - 2 C 59.11 - BVerwGE 145, 14 Rn. 31 ff., Beschluss vom 12. Dezember 2012 - 2 B 90.11 - juris Rn. 15 f.; OVG Hamburg, Urteil vom 28. Februar 2013 - 1 Bf 10/12 - juris Rn. 29, 38 f., 43). Wegen der unterschiedlichen Verfahrensregelungen, wie Entscheidungen der hier angesprochenen Gerichte (EuGH, BVerfG, BVerwG) den Verfahrensbeteiligten gegenüber bekanntgegeben oder Dritten (z.B. der Fachwelt) gegenüber veröffentlicht werden, hält es der Senat aus Gründen der Praktikabilität für sachgerecht, auf den Beginn des Kalendermonats nach dem Entscheidungsdatum abzustellen, unter dem der Richterspruch ergangen ist, der die in Rede stehende Rechtsfrage - eindeutig - geklärt hat.

c) Nach diesen Maßstäben ist seit der Entscheidung des Senats zum Verfahren BVerwG 2 C 30.06 vom 27. März 2008 hinreichend geklärt, dass die Dynamisierung und die Verrentung der Kapitalbeträge zuvor ohne ausreichende gesetzliche Grundlage erfolgt war (BVerwG, Urteil vom 27. März 2008 - 2 C 30.06 - BVerwGE 131, 29 Rn. 24 ff.). Seit der Entscheidung des Senats zum Verfahren BVerwG 2 C 47.11 vom 5. September 2013 ist zudem geklärt, dass die nachträglich mit Rückwirkung ab dem 28. März 2008 erlassene Regelung für die Dynamisierung der Kapitalbeträge nach § 96 Abs. 5 Satz 5 SVG 2009 oder § 55b Abs. 4 Satz 3 SVG 2009 i.V.m. § 55a Abs. 1 Satz 8 SVG 2009 aufgrund ihres Wortlauts nur Kapitalbeträge von Soldaten erfasst, die ab dem 28. März 2008 in den Ruhestand getreten sind (BVerwG, Urteil vom 5. September 2013 - 2 C 47.11 - Buchholz 239.1 § 56 BeamtVG Nr. 8 Rn. 12). Soweit der mit den Ruhensbescheiden festgestellte Ruhensbetrag auf einer Dynamisierung des Kapitalbetrags beruht, ist das Rücknahmeermessen der Beklagten für den Zeitraum ab der Entscheidung vom 5. September 2013 hin zu einem Rücknahmeanspruch verdichtet. Hinsichtlich beider Rechtsfragen greift diese Ermessensreduzierung ab dem Folgemonat des Datums der jeweiligen Gerichtsentscheidung.

Für die Verrentung der Kapitalbeträge ist seit der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem Verfahren C-318/13 vom 3. September 2014 hinreichend geklärt, dass die statistisch unterschiedlich lange Lebenserwartung von Männern und Frauen unionsrechtlich grundsätzlich keine Ungleichbehandlung rechtfertigt (vgl. EuGH, Urteil vom 3. September 2014 - C-318/13 - VersR 2015, 349 Rn. 25 ff.; Generalanwältin Kokott, Schlussantrag vom 15. Mai 2014 - C-318/13 - juris Rn. 50 ff.; vgl. nunmehr auch BVerwG, Urteil vom 7. Oktober 2020 - 2 C 19.19 - Rn. 18 ff. <zur Veröffentlichung in BVerwGE vorgesehen>). Seit der Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union in dem Verfahren C-171/18 vom 7. Oktober 2019 ist zudem - eindeutig - geklärt, dass dies bis zu einer Herstellung der Gleichheit zur Anwendung des für Soldatinnen geltenden Vervielfältigers für Frauen führt (sog. Angleichung "nach oben", vgl. EuGH, Urteil vom 7. Oktober 2019 - C-171/18, Safeway - NZA 2020, 33 Rn. 33 ff.; BVerwG, Urteil vom 7. Oktober 2020 - 2 C 19.19 - Rn. 31 ff.). Hinsichtlich der geschlechtsspezifischen Verrentung ist das Datum der letztgenannten Entscheidung des Gerichtshofs vom 7. Oktober 2019 maßgeblich für die Ermessensreduzierung (mit Wirkung ab dem Folgemonat).

Für den Zeitraum vor diesen Entscheidungen ist das Ermessen der Beklagten jeweils nicht im obigen Sinne reduziert. Es ist insofern auch mit Hinblick auf das Fachrecht nicht "schlechthin unerträglich", wenn für diesen Zeitraum an der Bestandskraft der Ruhensbescheide im oben dargestellten Umfang festgehalten wird.

4. Dass das Berufungsgericht es abgelehnt hat, die Beklagte zugleich zur Zahlung zu verpflichten, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden und auch die in der Revisionsinstanz abgewandelt gestellten Anträge bleiben ohne Erfolg. Der Kläger hat lediglich einen Bescheidungsantrag gestellt und die Beklagte wird im Nachgang zu dem Gerichtsverfahren bei der Neubescheidung zumindest teilweise nach Ermessen darüber entscheiden müssen, ob und inwieweit sie den Ruhensbescheid aufhebt.

Der von dem Kläger in diesem Zusammenhang behauptete Verstoß gegen § 291 Satz 1 BGB liegt nicht vor, weil Prozesszinsen noch gar nicht anfallen. Hierfür wäre es erforderlich, dass die Geldschuld in der Weise konkretisiert ist, dass ihr Umfang bestimmt ist oder rechnerisch unzweifelhaft ermittelt werden kann. Es darf keine weitere Rechtsanwendung erforderlich sein, um den Geldbetrag zu beziffern (BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 - 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 47 m.w.N.). Dies ist in dem vorliegenden Verfahren jedoch der Fall.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO . Dem Kläger ist ein Teil der Kosten aufzuerlegen, weil er teilweise unterlegen ist. Dies ist auch dann der Fall, wenn ein Kläger zwar nur einen Bescheidungsantrag gestellt hat, das Gericht jedoch in seinem Bescheidungsurteil mit seiner Rechtsauffassung auf eine geringere Bindung der Beklagten für dessen erneute Entscheidung erkennt, als der Kläger sie mit seiner Klage angestrebt hat (BVerwG, Urteile vom 24. September 2009 - 7 C 2.09 - BVerwGE 135, 34 Rn. 67 und vom 17. September 2015 - 2 C 27.14 - Buchholz 232.0 § 21 BBG 2009 Nr. 2 Rn. 42). Angemessen ist in Anbetracht der vom Kläger im Ergebnis begehrten Beschränkung der Summe der Ruhensbeträge auf den Kapitalbetrag, dass beide Beteiligten die Kosten des Verfahrens nach § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO je zur Hälfte tragen.

Das Berufungsgericht hat die Notwendigkeit der Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren (§ 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO ) bereits durch Beschluss bejaht.

Beschluss:

Der Wert des Streitgegenstands wird für das Revisionsverfahren gemäß § 47 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 42 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 GKG auf die Wertstufe bis 30 000 € festgesetzt.

Bei Verfahren über Ruhensbeträge ist gemäß § 42 Abs. 1 Satz 1 GKG der 36-fache Betrag des monatlichen Ruhensbetrags anzusetzen; zu diesem Betrag werden gemäß § 42 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 GKG die bei Einreichung der Klage fälligen Beträge hinzugerechnet. Eine Ausnahme von § 42 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 GKG gibt es nach dem Willen des Gesetzgebers gemäß § 42 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 2 GKG lediglich für Rechtsstreitigkeiten vor den Gerichten für Arbeitssachen. Die Beträge i.S.d. § 42 Abs. 3 Satz 1 Halbs. 1 GKG beliefen sich im vorliegenden Verfahren im Hinblick auf den geltend gemachten Anspruch des Klägers, die Summe der Ruhensbeträge auf die Höhe des Kapitalbetrags zu begrenzen, auf die bis zur Klageerhebung insgesamt einbehaltenen Ruhensbeträge abzüglich der Höhe des Kapitalbetrags.

Für eine Halbierung dieses Streitwerts in Anlehnung an Nr. 1.4 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit ist kein Raum, weil es dem Kläger in der Sache trotz der beantragten Neubescheidung um einen Ausspruch geht, der vom Wert her einem Verpflichtungsantrag gleichkommt (vgl. OVG Bautzen, Urteil vom 8. Dezember 2004 - 5 B 111/03 - juris Rn. 67; VGH München, Beschluss vom 16. November 2011 - 5 C 11.2541 - juris Rn. 4). Denn ihm geht es u.a. um den Ausspruch, dass das Rücknahmeermessen der Beklagten wegen des Aufzehrens des Kapitalbetrags auf Null reduziert ist.

Vorinstanz: OVG Rheinland-Pfalz, vom 14.02.2020 - Vorinstanzaktenzeichen 10 A 11420/18